›Das verteufelte Geschlecht‹ Mann – und die Erosion der Unschuldsvermutung (II)

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/25/das-verteufelte-geschlecht-mann-und-die-erosion-der-unschuldsvermutung-i/

In dieser Zeit der allgegenwärtigen und daher kaum mehr bewußten Abwertung des Männlichen könnte das Erscheinen des Essays

Das verteufelte Geschlecht

Wie wir gelernt haben, alles Männliche zu verachten. Und warum das auch den Frauen schadet.

http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/komplettansicht

von Christoph Kucklick im Leitmedium ZEIT eine Zeitenwende markieren. Denn Kucklick leitet diese Männerverachtung historisch her und verweist damit auf ihre Funktion:

Das Stereotyp vom unmoralischen, gewalttätigen, sexuell unersättlichen Mann ist weit vor dem Feminismus entstanden, an einer historischen Schlüsselstelle: zu Beginn der Moderne, um 1800. Die Geburt des maskulinen Zerrbildes ist also unmittelbar mit der Geburt der modernen Gesellschaft verbunden, seither schreiten beide, Moderne und verteufelte Männlichkeit, gemeinsam und untrennbar durch die Historie. Das Unbehagen an der Moderne wurde zum Unbehagen am Mann. Und umgekehrt.

http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/komplettansicht

Diese Analyse beantwortet die Frage, warum das ›Unbehagen am Mann‹ gerade heute, in Zeiten der Globalisierung, die ein Prekariat und Abstiegsängste der Mittelschicht wachsen läßt und der Bevölkerung die Hilflosigkeit von Politikern vor Augen führt, seinen schrillen Karriere-Höhepunkt erreicht. Der eigentliche Gegner ist gesichtslos und nicht zu fassen: sind es die Rating-Agenturen, die Banken, die Hedgefonds, die Börsen, die Märkte, der Kapitalismus an sich? Sie allesamt agieren logisch, und der Verbraucher, der sein Erspartes vermehrt wissen will, ist freiwillig-unfreiwilliger Mitakteur. Das Alles ist viel zu komplex für einfache Rezepte.

Der Mann dagegen ist dingfest zu machen, und ein Sündenbock muß nun einmal her.

Moralismus und Schuldzuweisung als Scheinlösung von Problemen, die damit ungelöst links liegen bleiben, herrschen nicht nur in den Medien, sondern auch in der Politik vor: eine immer tiefer ins Private der Bürger abzielende Verbots- und Gebotskultur gebärdet sich jakobinisch und entmündigend: auch hier werden Sündenböcke aufgebaut und Moral postuliert: die Raucher, die Übergewichtigen, die Ego-Shooter, die Nicht-Organspender, die Kinderlosen, die Unterschicht, die Immigranten, Mütter und Väter, die ihre Kleinkinder selbst betreuen wollen. Alle sind sie leicht zu identifizieren und zu dämonisieren. Daß es nur um Geld geht, wie eigentlich immer, wird auf diese Weise verschleiert. Um die in falsche Kanäle geschleusten staatlichen Milliarden soll und darf es keine Debatten gehen. Die, die zuviel Kosten verursachen oder zu wenig nützlich sind, sollen ein Gesicht bekommen und die Schuld an der Misere tragen.

Nichts anderes gilt im privaten Verhältnis zwischen Mann und Frau. Kommt es zu Krisen, Trennungen, Streitigkeiten: das Feindbild ›Mann‹ steht. Und Gesetzgebung und Justiz stehen ihm zur Seite. Auch diesen Aspekt hat Kucklick beleuchtet:

Männlichkeit muss gar nicht erst durch nachprüfbare Kausalketten mit dem Unerwünschten verknüpft werden. Sie erfüllt eine viel schlichtere Aufgabe: Sie ist die Kurzformel für Missstände aller Art. So wie wir gelernt haben, schneller Reize wegen Bildschirme und Plakatwände mit nackten Frauen zu füllen, so haben wir uns antrainiert, jedem Problem einen männlichen Defekt beizugesellen, der es irgendwie verursacht haben soll. Kausalitätspornografie.

Das erlaubt es, über Männer so pauschal und abfällig zu sprechen wie über keine andere Gruppe. Oft genügt für die Verurteilung der bloße Verdacht. Als der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, am 14. Mai 2011 in New York verhaftet worden war, weil eine Hotelangestellte behauptet hatte, von ihm vergewaltigt worden zu sein, wusste Amerikas Alpha-Kolumnistin Maureen Dowd in der New York Times schon am nächsten Tag, dass sich DSK »wie ein Bure« (Apartheid!) und »Primitiver« (Barbarei!) im »Höhlenmenschen-Stil« (Neandertaler!) auf »eine hart arbeitende, gottesfürchtige, junge Witwe« (Engel!) gestürzt hatte. Der Spiegel entlarvte nach dem Vorfall den Mann gar als »des Menschen Wolf« (Feind der Menschheit!). Kurze Zeit später ließen die Staatsanwälte alle Vorwürfe gegen Strauss-Kahn fallen.

Es geht nicht darum, diesen Politiker zu verteidigen. Wie man heute weiß, hat er häufig zumindest den Respekt für Frauen vermissen lassen. Es geht darum, zu bemerken, dass einem Mann blindlings eine Vergewaltigung zugetraut wird. Einer Frau aber nicht einmal eine Lüge. Artikel über die Niedertracht der Hotelangestellten sind jedenfalls nicht bekannt, wären indes ebenso evidenzfrei denkbar gewesen. Aber natürlich würden die Leser sie als nicht satisfaktionsfähige Dummheit durchschauen. Geht es dagegen um Männer, adeln wir den Hirnriss zur Erkenntnis: Gerade weil nichts Genaues bekannt ist über die Geschehnisse in Suite 2806 des New Yorker Sofitel, füllen wir das Vakuum mit dem Fantasiebild vom bösen Mann. Geht es um Abscheuliches, dient er als beliebteste Ursache.

http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/komplettansicht

Hirnriss, fürwahr. Wenn man den Antrag der Staatsanwaltschaft auf das Fallenlassen der Anklage gelesen hat (und noch so einige andere Hintergrundstories), kann man nur zu dem Schluß kommen, daß hinreichender Verdacht einer Falschbeschuldigung aus finanziellen Motiven gegen Diallo besteht. Insbesondere die erst im Juli erhobene Behauptung erlittener Verletzungen, obwohl am 14.5.2011 keine vorhanden waren, weshalb die Anklage auch keine Körperverletzungen beinhaltete, ist ein nachdrücklicher Beleg. Orchestriert und ermöglicht wurde dieses Vorgehen allerdings durch politische Gegner. Es kommt hinzu, daß die erste Fassung des Antrags drei Mal so lang war wie die tatsächlich eingereichte. Sie wurde, um die Belastungszeugin nicht noch mehr bloßzustellen, letztlich auf das Minimum gekürzt:

Einstellungsantrag auf Deutsch mit Einleitung von Gerhard Strate :

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/11-08/index.php?sz=10#

Der Original-Einstellungsantrag:

http://www.nytimes.com/interactive/2011/08/22/nyregion/dsk-recommendation-to-dismiss-case.html?ref=dominiquestrausskahn

Mr. Vance has sought to allay criticism of his decision through a 25-page report that his office filed with the court on Monday and through statements made by the lead prosecutor on the case, Joan Illuzzi-Orbon, on Tuesday.

The prosecution’s original report was about three times as long, but it was scaled back to provide only the details relevant to support the legal arguments and to spare Ms. Diallo embarrassment, a law enforcement official briefed on the case said.

http://www.nytimes.com/2011/08/24/nyregion/charges-against-strauss-kahn-dismissed.html?_r=1&ref=dominiquestrausskahn&pagewanted=print

Die von der Staatsanwaltschaft – nicht von der Verteidigung – aufgedeckten und veröffentlichten notorischen Lügen der Belastungszeugin über ihr gesamtes Leben und den ›Tatablauf‹ waren tatsächlich schon Grund genug, den Nicht-Fall fallen zu lassen. Besonders desaströs erwies sich die Fähigkeit der Belastungszeugin, eine frei erfundene Gruppenvergewaltigung in ihrer Heimat detailliert, emotional und unter Vorzeigen auf hierdurch erlittene Verletzungen vorzutragen. Sie schreckte nicht einmal davor zurück, zu behaupten, ihr kleines Kind sei ihr zuvor aus den Armen gerissen und zu Boden geworfen worden.

Aber die drei DSK-Verfahren sind ohnehin ein Kapitel für sich. Das erste entstand aus finanzieller Motivation, die beiden weiteren aus politischer.

Dieses aktuelle Interview des Enthüllungsautors Edward Jay Epstein mit DSK vom 27.4.2012 mag einen ersten Überblick über die Zusammenhänge geben:

http://www.guardian.co.uk/world/2012/apr/27/strauss-kahn-affair

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,830110,00.html

Sarkozy hat es nicht geholfen: gegen den affairengeplagten Milliardärsfreund Sarkozy hätte man einen Besen aufstellen können, und er hätte gewonnen. Was mögen das für Affären sein?, fragt sich der deutsche Bürger. Denn über die französischen Wahlen gibt es ja nur den deutschen Desinformations-Journalismus, der wohl ausschließlich von der Lektüre des FIGARO zehrt…

Das schändliche Spiel, das auch medial mit DSK betrieben wurde – das NYPD ließ eigens eine Tribüne aufbauen, damit möglichst viele Kameraleute den ›perp-walk‹ einfangen konnten -, hat Monika Frommel, in vernünftiger Art und Weise feministisch inspirierte Professorin für Strafrecht und Kriminologie,

http://www.uni-kiel.de/isk/cgi-bin/index.php

so bewertet:

Eine beschämende öffentliche Demütigung ändert kein patriarchales Strukturproblem. Sie fügt einem bis zu diesem Ritual mächtigen und nun äußerst verletzbaren Menschen Schaden zu. Feminismus ist eine breite soziale Bewegung und kann auf eine differenzierte Theorie zurückblicken. Diese Theorie analysiert Machtstrukturen und entwickelt Gegenstrategien. Sie sollte besonders vorsichtig sein, wenn Macht unfair ausgespielt wird. Ignoriert sie diesen Unterschied, wird sie zum feministisch getarnten Faschismus (oder Bolschewismus).

http://www.taz.de/!71095/

Tja. Die ausgewiesene Nicht-Theoretikerin Schwarzer hatte diesen klassischen Promi-Fall umgehendst für ihre Sache instrumentalisiert. Beweise braucht sie nicht, weil ihre Welt übersichtlich und aufgeräumt ist: Frauen lügen nicht, und Männer sind schlecht. Er möge doch gestehen, riet die selbsternannte Fachanwältin der Nebenklage, die etwas gegen gute Verteidiger hat. Wer sich propagandistische Hate-Speech antun will, mag diese ihre Kommentare zum DSK-Verfahren nachlesen:

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=70&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=05&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=22&cHash=3dacc6eb3a

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=73&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=06&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=07&cHash=dd047ebde7

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=75&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=07&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=07&cHash=1d2d10c063

Später gab es dann nicht mehr viel von ihr, als die Lügen von Diallo aufgedeckt waren. Außer einer eigenen dreisten Lüge:

Das Strafverfahren war trotz schwerer Beweise gar nicht erst eröffnet worden. Staatsanwalt Vance schien um seine Karriere besorgt. Anzunehmen, dass in diesem neuen Licht nun eher die Einstellung des Verfahrens für den New Yorker Starankläger karrierehemmend sein dürfte.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=84&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=11&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=04&cHash=17ca4cab74

In Wirklichkeit gab keinen einzigen Beweis für die behauptete Tat… Das Fehlen von Beweisen für einen gewaltsamen sexuellen Akt hat doch die völlig unwahrscheinliche Darstellung widerlegt: wie sollte ein körperlich unterlegener Mann, zehn Zentimeter kleiner als die Frau, dreißig Jahre älter, als unsportlicher Typ eine physisch arbeitende Frau gewaltsam zwingen können, einen Oralverkehr zu erdulden – ohne Verletzungsspuren zu hinterlassen? Warum sollte er, wie von Diallo behauptet, nach Verlassen der Dusche, nackt das angrenzende Schlafzimmer durchquert und den Flur betreten haben? Was wollte er da?

Die Staatsanwaltschaft selbst stufte es als unethisch ein, der Jury eine Zeugin zuzumuten, von der sie selbst nicht wisse, welche der zahlreichen Versionen sie denn nun vor Gericht vortragen werde. Daß sich die Zeugin während der laufenden Ermittlungen, natürlich auf Druck ihres Anwalts, der irgendwann auch einmal Geld sehen will, an Presse, Funk und Fernsehen wandte, einen Pressetermin in der black community in NY abhielt und die Gewerkschaft mobilisierte, Demos abzuhalten, hat ihren Ruf zusätzlich beschädigt. Aber das stört die Presse nicht. Populistischen Druck auf die Justiz übt sie schließlich selbst aus. Hauptsache, daß es was zu berichten gibt.

Ausgleichend ungerecht stürzte Schwarzer sich dann auf das Prostitutionsverfahren gegen DSK, das ja viel schlimmer sei als das Verfahren in New York:

Aufgeflogen ist das Ganze, weil einer der feinen Herren sein pikantes Wissen über „DSKs sexuelle Vorlieben“ an Kenneth Thompson, den Anwalt von Nafissatou Diallo, via Telefon zum Verkauf angeboten hatte und dabei abgehört worden war.

Seit Monaten nun recherchiert die französische Polizei und Justiz und vernimmt brutale Zuhälter, korrupte Polizisten, bekannte Mafia-Mitglieder, Prostituierte und Gelegenheits-Prostituierte. Die erzählen ausführlich und im Detail von Orgien, die für den mächtigen DSK in Lille oder Paris organisiert worden sein sollen. In Hotels oder Luxusappartments, wo „die Mädchen“ dann der Reihe nach dran waren, zwischen den Gängen.

Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn Dominique Strauss-Kahn Präsident geworden wäre – Frankreich wäre dann wohl erpressbar gewesen durch die zwielichtigsten Kräfte.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=84&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=11&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=04&cHash=17ca4cab74

Daß mal wieder wenig von dem stimmt, was sie hier behauptet, überrascht niemanden, der ihre BILD-kompatible Schreibe kennt.

Nein, keiner der Beschuldigten hat mit Kenneth Thompson telefoniert. Nein, es geht nicht um Mafia und brutale Zuhälter, die Beschuldigten gehören zu den oberen Zehntausend (Luxushoteldirektor, -eigentümer, -manager, Notar, hochrangiger Polizeibeamter, Unternehmer nebst Gattin, Filialleiter eines Baukonzerns). Es gibt nicht die geringsten kriminalpolitischen Gründe, dieses Verfahren zu führen. Aufgrund der bigotten Rechtslage in Frankreich, wo es sicherlich nicht weniger Prostitution gibt als in Deutschland, arrangieren sich Polizei und Bordellbetreiber üblicherweise so: Prostitutionsvermittler arbeiten als Informanten für Polizei und Geheimdienste, im Gegenzug wird gegen sie kein Verfahren eingeleitet. Leben und leben lassen, Kontrolle ist besser als Vertrauen.

Wie alle deutschen Medien vergißt auch Alice Schwarzer zu erwähnen, daß das, was DSK anscheinend vorgeworfen wird (auch die Franzosen sind perplex, daß ein strafloser Kunde von Prostituierten, der DSK subjektiv nicht einmal war, wie von seinen Freunden bestätigt, sich nun durch irgendein unbekannt gebliebenes, als Vermittlung gewertetes Verhalten wegen Förderung der Prostitution strafbar gemacht haben soll, und vermuten eine politisch motivierte Rechtsauslegung der in Frankreich politisch gesteuerten Justiz), in Deutschland überhaupt nicht strafbar wäre.

Bei dem sogenannten Carlton-Verfahren handelt sich um ein aus politischen Gründen eingestiltes, sehr genau getimtes Verfahren, das im Februar 2011 mit einer gezielten anonymen Anzeige unter Mitteilung von Handy-Nummern zwecks Einleitung von Abhörmaßnahmen begann und am 14. Oktober 2011 öffentlich wurde, einen Tag nach der Einstellung des Banon-Verfahrens gegen Strauss-Kahn…  Bereits einen Tag nach der Verhaftung Strauss-Kahns in New York setzten französische Stellen die New Yorker Behörden von diesem noch geheimen Verfahren in Kenntnis, was zu der Entscheidung der New Yorker Staatsanwaltschaft beitrug, der üblichen Kaution entgegenzutreten…  Entgegen dem Untersuchungsgeheimnis leakte praktisch jedes Vernehmungsprotokoll in die Medien… Darunter auch Protokolle, die den Verteidigern vorenthalten wurden… Der vorläufige Höhepunkt des Carlton-Verfahrens, DSK als Beschuldigten einzustufen, fand am 26.3.2012 statt, im akuten Wahlkampf (was Hollande indes nicht geschadet hat).

Man muß kein Prophet sein, um vorherzusagen, daß auch dieses Verfahren eingestellt werden wird. Der Sinn solcher Verfahren hat nichts mit juristischem Erfolg zu tun. Es geht um das mediale Ausbreiten von Intimitäten jenseits der Konvention (obwohl Strauss-Kahn kaum gegen französische Konventionen verstieß), kurz: um moralische Unwert-Urteile. Und zwar explizit gegen den Mann.

Catherine Millet, die ihre sexuellen Bedürfnisse ähnlich wie DSK auslebte, landete einen Bestseller mit ihren autobiographischen Belenntnissen..Überaus witzig, wie der SPIEGEL am 30.5.2011 versuchte, ihr eine moralische Verurteilung Strauss-Kahns abzupressen – was ihm nicht so recht gelang (und was den politischen Hintergrund der Affäre angeht, wissen wir heute mehr als am 30.5.2011):

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78689668.html

Natürlich schweben männliche Politiker und Prominente besonders in der Gefahr, symbolisch für das Feindbild ›Mann‹ in Geiselhaft genommen zu werden: die Verknüpfung von Sex, Macht und Gewalt scheint eine verführerische Einladung zur Reduktion komplexer Verhältnisse zu sein.

Aber dieser vorurteilsbehaftete Blick hat bei Polizei und Justiz derartig Konjunktur, daß auch der Jedermann davon betroffen ist. Christoph Kucklick faßt die Lage so zusammen:

Im Kleinen werden Männer bis heute zum Kalkül genötigt, wie schlecht ein Mann sein muss, um ein guter Mann zu sein. Wie viel Devianz muss er aufbringen, damit er als echter Kerl gilt? Polizisten, Staatsanwälte und Richter haben sich längst darauf spezialisiert, die jeweilige Klischeetreue von Männern und Frauen zu prämieren: »Wenn das Strafrecht ein Geschlecht hat, und bei der Strafzumessung könnte dies der Fall sein, dann privilegiert es Frauen«, schreibt die Kieler Rechtsphilosophin Monika Frommel. Der Mainzer Jura-Professor Michael Bock konstatiert, die »selektive Behandlung und Diskriminierung« von Männern werde »kulturell als durchaus normal« angesehen, löse also keine Verwunderung aus. Und er zitiert einen Polizisten, der schildert, wie nach einem Einsatz bei tätlichen Ehestreitigkeiten verfahren wird: »Natürlich nehmen wir den Mann mit.«

Kaum jedenfalls war die Idee der verworfenen Männlichkeit aufgekommen, wurden praktisch nur noch Männer bestraft, Frauen dagegen entkriminalisiert. Die Historiker Deborah Little und Malcolm Feeley sprechen vom mysteriösen und kaum erforschten »Verschwinden der Frauen« aus der Kriminalstatistik. Heute stellen Frauen nur rund fünf Prozent aller Gefängnisinsassen in Deutschland, eine weltgeschichtliche Minimalquote, in vormodernen Zeiten waren regelmäßig 30 bis 60 Prozent der Tatverdächtigen und Häftlinge weiblich. Worüber sagt unsere Gefangenenquote mehr aus: über Männer – oder über unsere Angst von der gefährlichen Männlichkeit?

Als Beate Zschäpe, Mitglied des Mordtrios Nationalsozialistischer Untergrund, im November 2011 verhaftet wurde, räsonierten etliche Kommentatoren darüber, ob eine Frau zu solchen Taten wirklich in der Lage sei. Oder ob sie nur verführt worden war – von den männlichen Tätern. Schon zu Zeiten der RAF betrachtete man die Fahndungsplakate mit den Fotos der TerroristInnen so schaudernd wie ungläubig. Frauen wurde und wird eben nicht das volle Maß moralischer Verantwortlichkeit gewährt.

http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/komplettansicht

»Natürlich nehmen wir den Mann mit.« Das ist tatsächlich allgemeine Polizeipraxis – sie gilt sogar, wie ich erleben mußte, wenn der Mann die Polizei wegen Attacken seiner Frau herbeiruft und die eingetroffenen Beamten Festhaltegriffe an den Oberarmen der Frau und Kratzspuren im Gesicht des Mannes vorfinden – wenn sie denn behauptet, er habe angefangen. Ministerielle Handreichungen, wie die Polizei in Fällen häuslicher Gewalt vorzugehen habe, lesen sich, als seien sie von Frauenhaus-Leiterinnen verfaßt. Die Unschuldsvermutung zugunsten des männlichen Beschuldigten, der von einer Frau belastet wird? Sie hat abgewirtschaftet.

Es werden vielmehr Nägel mit Köpfen gemacht: zuerst die polizeiliche Wegweisung bis zu 14 Tagen, dann die Ausweisung aus der eigenen Wohnung per einstweiliger Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz – ohne Anhörung des betroffenen Mannes. Da es für ihn keine Männerhäuser nebst einschlägier Beratung gibt, er oft nicht weiß, wo er Unterschlupf finden kann, und anwaltliche Opferanwaltsempfehlungen für männliche Opfer schlicht nicht existieren (beim Weißen Ring braucht er gar nicht erst vorstellig zu werden, dort weiß man, mit welchen Opfern Spenden zu generieren sind), haben lediglich Männer ab der Mittelschicht aufwärts die Chance, sich zu wehren.

Dieser Organisation hier geht das Gewaltschutzgesetz, das als natürliches Gesetz gegen den männlichen ›Täter‹ bzw. sogar ›Hochgefährdungstäter‹ und ›Peiniger‹ verstanden wird (ja, auch der demente betagte Ehemann ist ein Feind, und besonders perfide agiert ein kranker Aggressor, der auf sein Sauerstoffgerät angewiesen ist und nicht so einfach weggewiesen werden kann) noch nicht weit genug: es soll vielmehr Mittel zum Zweck werden, dem Partner den Umgang mit den Kindern zu verbieten:

10 Jahre Gewaltschutzgesetz – Bestandsaufnahme zum veränderten gesellschaftlichen Umgang mit häuslicher Gewalt

Ergebnisse der Mitgliederbefragung des bff Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e.V. im Februar 2012

Zusammenfassung der Ergebnisse

[…]

Große Schwierigkeiten ergeben sich, weil viele Jugendämter (die häufig von der Polizei über häusliche Gewalt informiert werden) Hinweise auf häusliche Gewalt gegen die Mutter noch immer nicht automatisch auch als Gefährdung des Kindeswohls betrachten.

Bei den Familiengerichten wird meist das Umgangsrecht höher bewertet als der Gewaltschutz. Die Folge ist, dass durch das Umgangsrecht des Täters mit den Kindern

die Frau immer wieder mit ihrem Peiniger konfrontiert wird. Die Betroffene muss den Umgangskontakt organisieren, obwohl sie Angst um ihre Sicherheit hat und haben muss und an die Gewalterfahrung immer wieder erinnert wird. Die daraus resultierenden psychischen Folgen werden von Jugendämtern und FamilienrichterInnen nicht gesehen.

Frauen, denen es nicht gut gelingt, die Treffen der Kinder mit den Vätern zu organisieren, wird immer wieder unterstellt, sie seien nicht kooperativ. Es kann dazu kommen, dass das Jugendamt oder Familiengericht ihnen mit einen Entzug des Sorgerechtes droht, weil sie „die Elternebene nicht von der Paarebene trennen können“.

Täter nutzen die Umgangskontakte häufig dazu, Frauen und Kinder weiter zu manipulieren. Dies wird aber von den Behörden nicht gesehen.

Falschbeschuldigende Frauen? Gibt es nicht:

Glaubwürdigkeit der Betroffenen

 Für die Glaubwürdigkeit der Betroffenen ist es ein großes Problem, wenn sie sich ambivalent verhalten. Das ist aber angesichts der erlebten Gewaltdynamik völlig normal.

 http://www.bv-bff.de/dokumente/files/928f5d440740b755714ac283cb673989.pdf

Das ist der klassische Zirkelschluß: aus der Widersprüchlichkeit von Verhalten und Aussagen wird auf das Vorliegen des behaupteten Ereignisses geschlossen. Die Unterstützerszene in der Sozialarbeit und den Psychowissenschaften, die von dieser weiblichen Klientel dank der staatlichen Alimentation sehr gut lebt, ist eben auf Zirkelschlüsse angewiesen. Das intellektuelle Armutszeugnis, das sie ablegt, wird offenbar durch moralisch hochrangige ›Opferempathie‹ ausgeglichen. Ich könnte damit nicht leben.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, daß Kucklick eine populistischere Version seines Essays auch im SPON unterbringen konnte:

Der Mann, das Tier

Ein Essay von Christoph Kucklick

Männer: machthungrig, gewaltbereit, egoistisch. Frauen: einfühlsam, kommunikativ, friedfertig. Die heutigen Geschlechter-Klischees sind mehr als 200 Jahre alt. Die Forschung hat sie längst als Unsinn entlarvt – doch bis heute schaden sie Männern und Frauen.

Wer wissen will, wie wir über Männer denken, nehme ein beliebiges Wochenende. Vorvergangenes etwa. Die „Welt am Sonntag“ schrieb: Männer „sind ignorant, egoistisch, hören nie zu“ – kurz: „Idioten“ sind sie, aber „damit glücklich“. SPIEGEL-ONLINE-Kolumnistin Sybille Berg entlarvte Günter Grass nicht als Judenfeind oder Dummbatz, sondern als etwas viel Schlimmeres: als Mann. Der allein durch Anmaßung nach oben gekommen sei („Eine Strategie, die keiner Frau einfiele“) und nun vom „Rudel“ der Beta-Männchen gehetzt werde.

Selbst die Nachmittagslektüre eines vermeintlich unschuldigen Buches über den Garten brachte die krautige Erkenntnis, dass die typisch männlichen Beschäftigungen aus „schnellem Fahren, Prügeleien, wahllosem Geschlechtsverkehr“ bestünden – diese aber inzwischen „ins Gerede“ gekommen seien. Als Ersatz empfiehlt der Autor, Jakob Augstein, das Holzhacken.

Eine ganz normale Tagesration medialer Abscheu vor Männern. Sie gelten wahlweise als Schweine, Doofis oder Triebtäter – beiläufig in den Zeitungen serviert wie eine ewige Wahrheit. Die Abwertung des Männlichen sei „so sehr Teil unserer Kultur geworden, dass sie kaum noch wahrgenommen“ werde, sagt die Feministin Doris Lessing.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,828723,00.html

Ich weiß nicht, was schlimmer ist: eine Autorin, die 99,9 % der Männer der schreibenden Zunft vorwirft, als Männerdarsteller versagt zu haben (es kann nur einer Literaturnobelpreisträger werden):

14.04.2012

S.P.O.N. – Fragen Sie Frau Sibylle

Frauen sind nicht wie Grass

Eine Kolumne von Sibylle Berg

Wie konnte es Günter Grass so weit bringen? Es liegt weder an seiner künstlerischen Leistung, noch an seiner bestechenden Intelligenz. Sondern allein daran, dass er deren Existenz so penetrant herbeigeredet hat. Er ist ein Männerdarsteller wie aus dem Bilderbuch.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,826519,00.html

oder ein Autor, der mit sozial angepaßter Selbstgeißelung kokettiert, um als Abfuhrmittel für häßliche männliche Triebe eine klassische Betätigung für echte Kerls anzubieten? Eigentlich ist die Lage zu ernst für solche Scherze.

Denn spätestens dann, wenn es dem Rechtsstaat an den Kragen geht, müßte jedem und jeder das Lachen im Halse stecken bleiben.

Update (30.4.2012)

Nun hat auch der weichgespülte Schweizer Männerforscher Walter Hollstein

http://www.walter-hollstein.ch/

ein Buch zum Thema vorgelegt:

Das Männerbild wird immer negativer

30.04.2012

Von ALEXANDER MICHEL

Herr Hollstein, Sie nennen Ihr jüngstes Buch „Was vom Manne übrig blieb“. Was veranlasst Sie, den Mann als Schwundstufe des Homo sapiens zu behandeln?

In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Männerbild sehr stark verändert. Bis in die späten 60er Jahre sind Männer in Medien und Belletristik meist positiv dargestellt worden. Um es pauschal zu sagen: Männer waren Weise, Schöpfer, Entdecker, Wissenschaftler, Ärzte oder einfach kluge Köpfe. Mit Frauenbewegung und Feminismus hat sich dieses Männerbild indessen stark gewandelt. Medien und Literatur haben die sehr harsche Kritik des Feminismus übernommen.

Mit welchem Effekt?

Zusammenfassend kann man sagen: Männer werden heute dargestellt als Zerstörer der Natur, Kriegstreiber, Ehebrecher, Vergewaltiger, Kinderschänder, Versager – und bestenfalls in Unterhaltungsfilmen und der Werbung als Trottel. Diesen rabiaten Wandel und dessen gesellschaftliche Folgen habe ich in meinem Buch beschrieben.

[…]

Welche Folgen hat das?

Das Menschenbild ist für unsere Orientierung und Lebenseinstellung ganz zentral. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass zunehmende Gewalt und Vandalismus von männlichen Jugendlichen Folgen von Orientierungslosigkeit sind. Es gibt kein gültiges Männerbild mehr, an dem sich diese Heranwachsenden konstruktiv ausrichten können. Deshalb ist es auch aus ganz pragmatischen Gründen notwendig, sich über ein neues Männerbild Gedanken zu machen.

Nur wird das wohl schwer werden, da an vielen Schaltstellen in Medien und Verlagen Frauen das Sagen haben, denen ein verzerrtes Männerbild egal, wenn nicht sogar willkommen sein dürfte.

Richtig, aber noch vor den Medien steht die Politik. Sicher gab es Anfang der 70er Jahre gute Gründe für eine andere, moderne Frauenpolitik. Eine Rolle spielte dabei, dass Frauen zunehmend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wurden. Aber der Fehler war, dass man die Jungen links hat liegen lassen und sich um deren Problemlagen nicht gekümmert hat. Und heute sind wir soweit: Alles, was Geschlechter-Politik ist, ist Frauenpolitik. Es wird Zeit, dem männlichen Geschlecht hier wieder mehr Beachtung zu schenken.

Und damit sollte man in den Schulen anfangen?

Ja, denn weibliche Werte und weibliche Erziehungsstile stehen heute im Vordergrund. Ein Hauptgrund dafür ist die Dominanz der weiblichen Lehrkräfte, die von den Grund- und Hauptschulen inzwischen bis in die Gymnasien hineinreicht. Männliche Schüler haben es immer schwerer, überhaupt noch einen männlichen Ansprechpartner zu finden. Aber die Entwicklung der eigenen männlichen Identität findet eben auch in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht statt. Wenn das aber nicht greifbar ist, dann wird es problematisch. Das Problem beginnt ja nicht erst in der Schule, sondern schon viel früher, zum Beispiel auch bei der Zunahme der Alleinerziehenden, wo ja zu mehr als 90 Prozent die Mutter die Kinder betreut und kein Vater vorhanden ist.

[…]

http://www.suedkurier.de/nachrichten/wissenschaft/aktuelles/leben-und-wissen/Das-Maennerbild-wird-immer-negativer;art1003203,5485047

Ohne Kotau vor dem Mainstream geht es bei ihm, wie zu erwarten, allerdings nicht ab, wie ein Seitenhieb auf die Symbolfiguren Strauss-Kahn und Kachelmann belegt, die ihr Beziehungsverhalten selbstkritisch überdenken sollten. Tatsächlich wissen wir nichts darüber, nach welchen privaten Regeln das Paar DSK-Anne Sinclair seine nun schon zwanzigjährige Ehe lebt (sexuelle Treue war sicherlich keine Voraussetzung dieses Bündnisses zweier mindestens gleichstarker Partner, wenn nicht sie, die Frau, gemessen an beruflichem Erfolg, Herkunft und Vermögen die Überlegene war und ist und gerade jetzt beruflich und medial wieder voll durchstartet). Tatsächlich kennen wir nur Illustrierten-Schrott über die Beziehungen von Jörg Kachelmann, der ungebunden, nach schwerer Enttäuschung offensichtlich auf der Suche war, angesichts der zahlreichen Angebote nicht Nein sagte und die Dinge schlicht laufen ließ? Es gibt keine allgemeinverbindliche Moral. Ich halte es mit dem Bibelwort ›Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein‹.

Angesehen davon ist die Berichterstattung über das Intimleben nicht ohne Grund rechtswidrig.

Sollte ein Soziologe nicht eher die Fakten sichten, bevor er wertet? Und diese Wertung frei von Moralismus treffen, weil die subjektiv ist und keine wissenschaftliche Kategorie?

Arne Hoffmann informiert heute über den Aufbau einer Seite, auf der Haßsprüche von Feministinnen gegen Männer gesammelt werden sollen:

Sammelbecken für feministische „hate speech“ online

Seit einiger Zeit schon gibt es die Website hatr.org, die vorgibt, „antifeministischen Hass“ zu sammeln, der angeblich in diversen Kommentarspalten und Internetforen geäußert wurde, tatsächlich aber oft nur Einwände und Widersprüche zu feministischen Thesen darstellt. (Cuncti berichtete.) Hatr.org erzeugte damit geschickt die Illusion, dass Feindseligkeiten in der Geschlechterdebatte grundsätzlich von aggressiven und minderwertigen Männern gegen engelhafte Feministinnen ausgehe. (Um so zu argumentieren, muss man natürlich die Unmengen an „hate speech“ übergehen, die in zahllosen feministischen Büchern zu finden ist; eine kleine Auswahl davon findet man etwa hier .)

Heute ging als Gegenstück zu hatr.org eine Website online, die Bösartigkeiten von feministischer Seite sammelt: femihatr.org. Man darf gespannt sein, wie intensiv diese Initiative für mehr Ausgewogenheit in der Geschlechterdebatte genutzt werden wird.

posted by Arne Hoffmann @ 3:02 PM

http://genderama.blogspot.de/2012/04/sammelbecken-fur-feministische-hate.html

Es sieht so aus, als ob der Bogen langsam überspannt ist. Es wird Zeit, daß sich das Verhältnis zwischen den Geschlechtern entspannt.

(wird fortgesetzt)

9 Gedanken zu „›Das verteufelte Geschlecht‹ Mann – und die Erosion der Unschuldsvermutung (II)

  1. „Eine immer tiefer ins Private der Bürger abzielende Verbots- und Gebotskultur gebärdet sich jakobinisch und entmündigend.“
    Das haben wir in unserem Projekt „Die Familie und ihre Zerstörer“ auch festgestellt: Unter dem Schlachtruf „Das Private ist politisch“ wird der Privatbereich der Bürger gestürmt und der Staat maßt sich bis in die intimsten Lebensbereiche Kontroll- und Eingriffsrechte an.

    „Mütter und Väter, die ihre Kleinkinder selbst betreuen wollen. Alle sind sie leicht zu identifizieren und zu dämonisieren. Daß es nur um Geld geht, wie eigentlich immer, wird auf diese Weise verschleiert. Um die in falsche Kanäle geschleusten staatlichen Milliarden soll und darf es keine Debatten gehen.“
    Eines unserer Ergebnisse im Projekt „Die Familie und ihre Zerstörer“ ist, dass es eine umfangreiche HelferInnenindustrie gibt, die an der Zerstörung der Familie kräftig verdienen. Weder Jugendamt, noch Familiengericht, noch beteiligte Rechtsanwälte noch die Unterstützerszene in der Sozialarbeit haben je eine Familie gerettet. Das ist auch nicht verwunderlich, weil daran überhaupt kein Interesse besteht. Denn nur an einer zerrütteten oder zerstörten Familie ist Geld zu verdienen.
    Frauenhäuser fungieren dabei als Agenturen für die Anwerbung neuer „Kunden/Klienten“. Es ist wirklich ein teuflisch gut strukturiertes System, das da implementiert wurde.

    Es freut uns aber, dass hier diese Mechanismen kritisch hinterfragt werden.

  2. @ Peter:

    Im Extrembeispiel ›Breivik‹ (ein geständiger, auf frischer Tat betroffener Täter) reduziert sich die Bedeutung der Unschuldsvermutung tatsächlich darauf, daran zu erinnern, daß auch dieser Angeklagte nach den Grundsätzen eines fair trial behandelt werden muß.

    Aber solch klare Fälle sind eher selten, und ›Fakten‹ allein bedeuten wenig, wenn zur Erfüllung eines Tatbestandes ein bestimmer Vorsatz und eine bestimmte Absicht hinzukommen müssen, wie es eigentlich immer der Fall ist; Beispielsfall: in Ihrer Wohnung wird ein gestohlener Gegenstand gefunden, was Sie der Hehlerei verdächtig macht. Sie behaupten, von dem vorangegangenen Diebstahl keine Kenntnis gehabt und den Gegenstand gutgläubig auf dem Flohmarkt oder bei Ebay erworben zu haben. Oder daß derjenige, der Sie jetzt angezeigt hat, Ihnen den Gegenstand geschenkt habe. Die Unschuldsvermutung bedeutet, daß Ihr Bestreiten ernst genommen wird und die Überführungstätigkeit jetzt erst beginnt.

    Anderes Beispiel: Sie werden Zeuge, wie zwei Männer sich prügeln, wissen aber nicht, wer angefangen hat und wer in Notwehr handelt. Selbst wenn Sie sehen, daß der eine den ersten Schlag setzt, kennen aber die Vorgeschichte nicht, bewerten Sie die ›Fakten‹ womöglich falsch.

    Besonders wichtig ist die Unschuldsvermutung natürlich in den Fällen, in denen es keine Fakten gibt, sondern nur eine belastende Aussage; Beispielsfall: eine zwanzigjährige Frau zeigt an, daß ihr Onkel sie, als sie sechs Jahre alt war, sexuell mißbraucht habe (die Verjährung setzt erst mit dem 18. Lebensjahr des Opfers ein). Wenn man die Unschuldsvermutung darauf reduziert, bei nicht hinreichenden Beweisen nicht verurteilt zu werden, wird verkannt, daß es auch einen Anspruch gibt, erst gar nicht in Untersuchungshaft zu gelangen oder angeklagt zu werden mit all den sozialschädlichen und stigmatisierenden Folgen, die das hat. Schon die Ermittlungen müssen von der Unschuldsvermutung geprägt sein.
    Und die Presse, die nur knallige Schlagzeilen will, sollte aus diesem abwägenden Vorgang natürlich ganz herausgehalten werden.

    @ Andreas

    Die Täter-Opfer-Umkehr beim Banküberfall – hmm, eher lebensfremd, nicht?
    Die Gemengelage bei häuslicher Gewalt dagegen ist regelmäßig unübersichtlich und emotional aufgeladen; da kann es schon aus präventiven Gründen und zur Deeskalation angezeigt sein, die Parteien zu trennen, und sei es für eine Nacht zur Ausnüchterung. Zu beklagen ist, daß stereotyp vorgegangen wird, selbst wenn es Hinweise darauf gibt, daß die Frau gewalttätig geworden ist und der Mann sie lediglich abgewehrt hat. Darin liegt die Erosion der Unschuldsvermutung.

  3. @ Gabriele Wolff

    Ich bin nicht Jurist. Aber mir scheint, dass die sogenannte „Unschuldsvermutung“ in naiver Weise wortwörtlich als die Pflicht „Unschuld zu vermuten“ verstanden wird. Das halte ich für Blödsinn, denn die Faktenlage lässt eben Schuld oder Unschuld vermuten und diese lässt sich nicht einfach per ordre de mufti ausblenden.

    Seine universellste Anerkennung findet der Grundsatz in Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948:

    „Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“

    Das halte ich für eine im Grunde unsinnige Forderung. Vielmehr sollte die Unschuldsvermutung als die Pflicht definiert werden, einen Beschuldigten so zu behandeln, wie wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt seine Unschuld zweifelsfrei erweisen würde. Wird nämlich jemand als unschuldig angesehen, dann wäre eine Untersuchungshaft gar nicht begründbar. In diesem Fall liegt doch eine Schuldvermutung, ein Verdacht auf eine Straftat vor.

    • Das ist schon schade, wie wenig Sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Aber das ist eben eine typische Folge pressemäßiger Insinuation, daß U-Haft Indiz für die Tatbegehung sei und der hinreichende Tatverdacht (der je nach aktueller Ermittlungslage zu bestimmen ist), bereits eine Überführung.

      Selbst ein Geständnis bedarf der Überprüfung: geistig und psychisch schwache Menschen gestehen alles Mögliche unter dem Druck einer erfolgsorientierten polizeilichen Vernehmung – viele Fehlurteile basierten auf derlei wertlosen Geständnissen.

      Es sind nicht die Ermittlungs- und Anklagebehörden, die Schuld oder Unschuld feststellen, sondern die unabhängigen Gerichte. Diesen Unterschied zwischen
      abhängigen Verdachtsschöpfern und unabhängigen Gerichten (die freilich auch
      nicht fehlerfrei arbeiten), sollten Sie schon einsehen. Bis zum rechtskräftigen Urteil der Gerichte gilt also die Unschuldsvermutung generell. Und bei dem Verdacht eines Fehlurteils wirkt sie weiter.

      Mir ist nicht klar, aus welchen Gründen man mit diesem Rechtsstaatsprinzip Probleme haben kann. Jeder möge sich in die Lage eines Beschuldigten versetzen. Jeder kann in diese Lage geraten, sofern er sich Feinde gemacht hat. Ungerechtfertigte Anzeigen stellen die Mehrheit aller Anzeigen: die polizeiliche Kriminalstatistik erfaßt nur die Anzeigen. Die Verurteilungsstatistik spricht eine andere Sprache, denn rund 70% aller Anzeigevorgänge gegen bekannte Verdächtige werden eingestellt und nicht alle der Anklagen/Strafbefehlsanträge der Staatsanwaltschaften führen zu einer Verurteilung.

      Seien Sie froh, lieber Peter, daß, falls Sie einen bösen Nachbarn oder eine enttäuschte Geliebte haben, die Unschuldsvermutung gilt. Wenn sie denn überhaupt noch gilt. Im Fall einer wütenden Ex können Sie nämlich gar nicht mehr sicher sein, daß Sie nicht Ihre Unschuld beweisen müssen.

      Darum geht es mir.

      Daß Ihre bestreitende Aussage noch ernst genommen wird…

      • Sie haben meinen Kommentar missverstanden. Ich vertrete keineswegs die Auffassung, dass der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss und in diesem Sinne die Unschuldsvermutung nicht gelten soll.

        Ich kritisierte die wirklichkeitsfremde Definition. Wenn ich etwas vermute, dann stützt sich das auf Fakten. Vermuten Sie, dass Breivik unschuldig ist? Das ist doch absurd.

        Unschuldsvermutung kann doch nur bedeuten, dass die Behandlung des Beschuldigten so gehandhabt wird, wie wenn sich seine Unschuld zu einem späteren Zeitpunkt einwandfrei erweisen würde und nicht im wortwörtlichen Sinn. Das ist meine Aussage. Der Verdacht ist in diesem wortwörtlichen Sinn eine Schuldvermutung, die erst Ermittlungen und allenfalls Untersuchungshaft rechtfertigt. Die Vermutung kann sich dabei möglicherweise lediglich auf eine Aussage eines Klägers stützen. Entscheidend ist doch, dass der möglicherweise nach Abschluss des Verfahrens nach wie vor bestehende Verdacht, der nicht ausgeräumt werden konnte, zu keiner Verurteilung führt.

        Mir ist schon klar, dass Unschuldsvermutung ein klar definierter Rechtsbegriff ist. Die Forderung, jemanden für unschuldig zu halten, obwohl die Fakten dagegen sprechen ist so sinnvoll wie von einem Atheisten zu verlangen, an Gott zu glauben.

        Mir ging es einzig darum zu zeigen, dass die wortwörtliche Auslegung „ist solange als unschuldig anzusehen“ wirklichkeitsfremd ist. Gerade deshalb werden ja die Medien einbezogen, um das Verfahren und die Entscheidungsträger zu beeinflussen.

  4. Hinweis auf einen update vom 30.4.2012:

    Zu einem neuen Buch zum Thema von Walter Hollstein, zu dessen moralistischer Krit6ik an DSK und Kachelmann und zu Arne Hoffmann, der auf ›Genderama‹ über eine neue Website informiert, die sich der hate-speech von Feministinnen widmet…

  5. Nein, eine unzulängliche Bewertung der Beweislage vor Ort erfüllt keinen Straftatbestand.

    Was man gegen stereotype Einschätzungen der auf (weiblichen) Opferschutz geschulten Beamten (Stichwort: ›Sensibilisierung‹) machen kann, habe ich durchaus unternommen, von der Einzelfallkritik in der zur Kenntnisnahme zurückgesandten Akte bis hin zur Thematisierung in gemeinsamen Dienstbesprechungen und in Vorträgen.

    Aber zwischen Justiz und Polizei herrscht nicht eitel Sonnenschein, und so ist der Einfluß einer einzelnen Stimme aus der Justiz eher gering.

    • Ok, deswegen bin ich eben Laie. Ich hätte in einigen Fällen (die es immerhin bis in die Zeitungen schafften) den Beamten unterlassene Hilfeleistung bis hin zu Strafvereitlung im Amt unterstellt.

      Ich meine, man Stelle sich mal folgendes Szenario vor: Eine Bank wird überfallen, die Polizei kommt rein und nimmt jetzt die Angestellten und Kunden fest und läßt die Räuber laufen. Und nicht nur das, die Festgenommen erhalten noch Strafen fürs überfallen werden und Hausverbot, während die Räuber sogar noch noch Schutz vor den bösen Überfallopfern bekommen.
      Mal ehrlich, jeder denkende Mensch würde doch an der Zurechnungsfähigkeit der Polizisten und Juristen zweifeln, aber beim Gewaltschutzgesetz hat kaum einer ein Problem damit?

      Wer hätte ahnen können, wie recht ich hatte als ich als kühner Jugendlicher meinte, unter jedes Gesetz sollte immer noch der Extraabsatz stehen:“Im Zweifel sollte bei der Anwendung und Durchsetzung dieses Gesetzes der gesunde Menschenverstand zur Anwendung kommen.“

  6. Zum Thema 10 Jahre Gewaltschutzgesetz: Ich finde es schön wie ehrlich Sie hier schreiben, nur wenn Sie mal Staatsanwältin waren, warum haben Sie nichts dagegen getan? Laut unseren Gesetzen ist dermaßen offen gelbter Sexismus gegen Männer genauso strafbar wie gegen Frauen. D.h. als Oberstaatsanwältin hätten Sie doch bestimmt die Möglichkeiten gehabt Verfahren gegen die entsprechenden Beamten und Frauen einzuleiten und damit gegen diese widerlichen Praktiken vorzugehen. Ich kann mich jetzt auch irren, keine Frage, aber nach meiner Meinung haben Sie sich in dem Fall des bewußten Nichtstuns zumindest moralisch mitschuldig gemacht.

    Andreas Pf.

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