Der Fall Breno oder: die Justiz und der Promi-Malus

 

Irgendwann hat es angefangen mit der Amerikanisierung der deutschen Staatsanwaltschaften, die sich zunehmend wie Akteure im Kampf um die begehrte Ware ›Aufmerksamkeit‹ aufführen. Die ihre Ermittlungen als Handelsgut betrachten, die es auf dem Medienmarkt feilzubieten gilt und deren Qualität beworben werden muß. Daß es dabei zu Fanfarenstößen von Reklamecharakter kommt, zu vollmundigen Behauptungen, die die Beweislage zuungunsten eines Verdächtigen verfälschen, scheint eingepreist zu sein – wie auch der Verlust der Unschuldsvermutung und der Objektivität der Ermittlungen.

Das Kachelmann-Verfahren war nur ein vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung hin zum Promi-Malus; der kürzlich mit erstinstanzlichem Urteil abgeschlossene Fall des Fußballers Vinicius Rodrigues Borges, genannt Breno, macht beklemmend deutlich, welche Folgen die PR-Litigation einer jagdeifrigen Staatsanwaltschaft hat. Und wie verheerend sich die Bemühungen eines Justizwesens auswirken, das unbedingt beweisen will, daß es ›neutral‹ ist und keinen Promi-Bonus verteilt.

In der Nacht zum Dienstag, dem 20.9.2011, brannte die angemietete Villa des Spielers in Grünwald ab. Ab Freitag, dem 23.9., wurde er als Beschuldigter einer schweren Brandstiftung gemäß § 306 a StGB (vorsätzliche In-Brandsetzung oder Zerstörung eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient, durch Brandlegung) geführt, am Samstag, dem 24.9.2011, erging um 13:30 Uhr Haftbefehl.

Nun beginnt die pressemäßige Großoffensive der Staatsanwaltschaft München I, die sich vorrangig der SÜDDEUTSCEN ZEITUNG bedient, um in eigener Sache zu punkten. Dank der guten Beziehung ihres Oberrechercheurs Hans Leyendecker zu den Staatsanwaltschaften erhält sie belastende Exklusiv-Informationen – wie es schon im Fall Kachelmann und den nur aus Sicht der Staatsanwaltschaft vorhandenen ›Täterspuren‹ am Messer der Fall war.

Exakt 46 Minuten nach Erlaß des Haftbefehls gegen Breno weiß Susi Wimmer von der SZ schon Folgendes zu berichten:

Haftbefehl gegen Bayern-Spieler

Breno in Untersuchungshaft

24.09.2011, 14:16

Von Susi Wimmer

Gegen den Fußballprofi Breno ist Haftbefehl ergangen. Der 21-jährige Spieler des FC Bayern München wurde am Samstag gegen 13:30 Uhr einer Ermittlungsrichterin vorgeführt, die Haftbefehl wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr erließ. Breno wurde festgenommen und sitzt nun in Untersuchungshaft. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Fußballer einem Sanitäter unmittelbar nach dem Brand drei Feuerzeuge in die Hand gedrückt und diesen beauftragt haben, sie verschwinden zu lassen.

Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch sagte, der Fußballspieler habe sich insofern kooperativ gezeigt, dass er mit zur Vernehmung gekommen sei. Breno habe dabei jedoch nur Angaben zu seiner Person, nicht aber zur Sache gemacht.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/bayern-spieler-der-brandstiftung-verdaechtig-haftbefehl-gegen-breno-1.1148716

Die Sache mit den drei Feuerzeugen ist natürlich eine hochverdächtige, ausgesprochen effektive Verdunkelungshandlung, und daß der Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, erst recht. Die Masche kennen wir doch… Das haben Unschuldige doch nicht nötig! Erst viel später, in der Hauptverhandlung, sollte sich herausstellen, daß Breno angegeben hat, sich an diese Nacht nicht erinnern zu können. Ist das keine ›Angabe zur Sache‹? Oder nur nicht die richtige?

Den Vorsprung der SÜDDEUTSCHEN kann selbst die BamS mit ihrem Exklusivfoto nicht einholen:

Exklusiv-Foto

Hier fährt Breno in den Knast ein

Haftbefehl gegen den Bayern-Star. Samstag um 15.20 Uhr kam er ins Gefängnis Stadelheim. Neue Rätsel um die Brandnacht

24.09.2011 — 23:53 Uhr

Von MARIO VOLPE, SEBASTIAN ARBINGER, FELIX SEIDEL und Dennis Brosda

[…]

Er selbst hat in den Vernehmungen zum Brand geschwiegen. Erst bei einer Aussage könnte er auf Kaution freikommen.

Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, zu BILD am SONNTAG: „Jetzt besteht nicht mehr nur ein Anfangsverdacht, sondern dringender Tatverdacht.“

http://www.bild.de/sport/fussball/bayern-muenchen/hier-faehrt-der-bayern-star-in-den-knast-ein-20131694.bild.html

Ob das nur BamS-Meinung ist oder die von Herrn Steinkraus-Koch, daß nur eine Aussage des Verdächtigen (und wenn ja: welche?) die Verdunkelungsgefahr beseitige à la Geständnis oder Knast? Wir werden sehen. Auch die BamS freilich weiß Exklusives zu berichten:

• Er hatte 1,5 Promille, wie die Polizei bei einer Alkohol-Atemkontrolle feststellte.

• Die Ermittler entdeckten dank ihres Spürhundes mehrere Brandherde, verteilt über das ganze Haus. Das lässt den Schluss zu: Das Feuer, das das Gebäude komplett zerstörte, wurde bewusst gelegt. In den nächsten Tagen wollen die Ermittler den Tatabend rekonstruieren.

Die neuen Informationen von BILD am SONNTAG:

• Breno soll von Nachbarn bereits knapp eine Stunde vor dem Notruf auf der Straße gesichtet worden sein und sich merkwürdig verhalten haben. Vor zwei Wochen soll Breno schon einmal apathisch wirkend in seiner Hauseinfahrt gelegen haben. Den Kopf auf den Ellenbogen gestützt.

http://www.bild.de/sport/fussball/bayern-muenchen/hier-faehrt-der-bayern-star-in-den-knast-ein-20131694.bild.html

Das sind natürlich tolle Zeugen, solche Spürhunde – weshalb sie im weiteren Verfahren dann auch keine Rolle spielen. Immerhin: im Gegensatz zur SÜDDEUTSCHEN weiß die WamS auch Entlastendes zu berichten: Alkoholisierung, merkwürdiges Verhalten des Verdächtigen: das spricht doch, im Falle eines Falles, für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit.

Noch am Samstag äußert sich der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, empört über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft: mit einem Hauch von schlechtem Gewissen vermutlich, denn allzusehr hat man sich um den jungen Mann nicht gekümmert, nachdem der die hohen Erwartungen (sprich: die hohe Ablösesumme) nicht hat einlösen und rechtfertigen können. Ist nun mal Pech, wenn jemand verletzungsanfällig ist.

Die Staatsanwaltschaft wehrt sich gegen Hoeneß: und die SÜDDEUTSCHE wehrt heftig mit, auch wenn dabei die Grammatik sinnentstellend entgleist [Hervorhebung von mir]:

Fußballprofi Breno in U-Haft

Staatsanwaltschaft wehrt sich gegen Hoeneß‘ Anschuldigungen

25.09.2011, 13:22

Von Susi Wimmer und Thomas Hummel

Bayern-Präsident Uli Hoeneß war rasend, „unmenschlich“ sei das, „lächerlich“ – so kommentierte Hoeneß die Tatsache, dass sein Abwehrspieler seit Samstag in U-Haft sitzt. Doch die Münchner Staatsanwaltschaft kontert jetzt die Anschuldigungen. „Wenn der FC Bayern ankündigt, dass er Breno und seine Familie nach Brasilien ausreisen will, wie soll ein Haftrichter da Fluchtgefahr verneinen?“, fragt Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch am Sonntag. Und dass Breno derzeit offenbar keinen Pass besitze, ist für den Juristen auch kein Argument gegen die Untersuchungshaft: „Wie man sich ohne Pass absetzen kann, dazu sag ich jetzt nichts“, so Steinkraus-Koch zur Süddeutschen Zeitung.

[…]

Der Kritik des FC Bayern, die Untersuchungshaft gegen ihren Spieler sei nicht angemessen, entgegnete der Staatsanwalt: „Wenn sich jemand zur Brandursache oder zum Brandverlauf äußern will, dann gerne“, so Steinkraus-Koch. „Alle anderen Aussagen werden wir nicht kommentieren“, sagte er am Sonntag zur SZ. „Die Ermittlungsrichterin ist unserem Antrag auf Haft umfänglich gefolgt und hat den dringenden Tatverdacht und die Haftgründe anerkannt.“

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fussballprofi-breno-in-u-haft-staatsanwaltschaft-wehrt-sich-gegen-hoeness-anschuldigungen-1.1148913

So leichthin unterstellt Herr Steinkraus-Koch dem Beschuldigten also die Absicht einer illegalen Ausreise, im Zweifel mithilfe eines gefälschten Passes – andererseits offenbart er, daß man über die Brandursache und den Brandverlauf recht eigentlich nichts weiß. Und gegenüber dem TAGESSPIEGEL wird er noch deutlicher, was den Zusammenhang zwischen fehlenden Erkenntnissen über die Brandursache, Untersuchungshaft und den erwarteten Angaben des Beschuldigten angeht:

„Wenn es eine Möglichkeit gibt, ihn auf Kaution freizubekommen, werden wir sicherlich alles tun“, sagte Hoeneß. Mit der Zahlung einer Kaution wäre es aber nicht getan, vermutete Steinkraus-Koch. Breno würde auch Angaben zum Hergang des Brandes machen müssen. Denn auch sein Schweigen habe dazu beigetragen, dass die Ermittlungsrichterin den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gesehen habe. In den nächsten Tagen erhoffen sich die Ermittler auch neue Erkenntnisse der Brandgutachter.

http://www.tagesspiegel.de/sport/der-fall-breno-ein-verlorener-sohn/4658816.html

War am Wochenende beim Amtsgericht München etwa ein strafprozessual nur schlecht gerüsteter Bereitschaftsdienst, bestehend aus einer Familienrichterin, tätig? Hat die Staatsanwaltschaft womöglich aus diesem Grund just erst am Freitag den Fußballer Breno vom Zeugen- in den Beschuldigtenstatus versetzt? Immerhin hat ein Polizeibeamter in der Hauptverhandlung, äußerst nachvollziehbar, Folgendes bekundet:

Ein Polizeibeamter zeigte sich unterdessen davon überzeugt, dass der Fußballer etwas zum Brand der Grünwalder Villa beigetragen habe. Der Streifenpolizist war als einer der ersten an dem lichterloh brennenden Gebäude angekommen. Er fand Borges mit nacktem Oberkörper, Shorts und Badelatschen vor, der Mann habe „vor Erregung gezittert“.

Der Polizist hätte Borges nach eigener Aussage noch in der Brandnacht vorläufig festgenommen, „wenn es sich nicht um den Fußballer Borges gehandelt hätte“. Mehrere Indizien hätten für eine Festnahme gesprochen: „Herr Borges war nach dem Brand am ganzen Körper verrußt, hatte drei Feuerzeuge in der Hosentasche und fragte, ob er jetzt wieder nach Brasilien zurück könne, da doch das Haus abgebrannt sei.“

Schon andere Zeugen hatten in dem Prozess von Borges Heimweh berichtet und seinen Frust über sein Verletzungspech beim FC Bayern geschildert.

Der Polizist sagte aber auch, dass Borges auf ihn bei der ersten Begegnung verwirrt gewirkt habe: „Ich dachte, der ist nicht ganz dicht.“ Der Angeklagte habe während der ersten Vernehmung in einem Krankenwagen unentwegt sorgenvoll nach seinen Kindern gefragt. „Seine Frau war ihm völlig egal.“ Breno habe Renata sogar selbst der Brandstiftung bezichtigt, so der Beamte: Sie habe im Bad der Villa Feuer gelegt.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-gegen-breno-verrusst-verwirrt-verdaechtig-1.1393177-2

Oha. Demnach also keine Übergabe der Feuerzeuge an die Sanitäter? Ein Polizeibeamter, der den Beschuldigten für nicht ganz dicht hält. Der einen Beschuldigten erlebt, der seine Ehefrau der Brandlegung bezichtigt: das paßt der Staatsanwaltschaft natürlich nicht ins eindimensional BILD-trächtige Konzept. Und so ganz normal festnehmen lassen durfte sie ihn aber auch nicht, das walte die Berichtspflicht in presseträchtigen Verfahren. Da haben die Vorgesetzten wohl zunächst gebremst. Zurecht.

Gegenüber der BILD verbreitet der Lautsprecher der Staatsanwaltschaft dann eine Parole, die das Ende der Unschuldsvermutung im Bereich der bayerischen Strafjustiz beglaubigt (BILD-Leser denken sich das allerdings genauso, und daher werden sie die Sätze nicht weiter erschüttert haben):

Bayern-Star Breno bleibt im Knast

Hat ihm Hoeneß‘ Wut-Attacke sogar geschadet?

25.09.2011 — 23:54 Uhr

Von S. ARBINGER und B. WITTMANN

Seit Samstag 15.20 Uhr sitzt Breno (21) im Münchner Gefängnis Stadelheim. Die Bayern bemühen sich um eine Freilassung auf Kaution. Doch ihr Abwehr-Brasilianer bleibt vorerst in Haft. Breno steht unter dringendem Verdacht, seine Miet-Villa in Grünwald selbst angezündet zu haben.

Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, zu BILD: „Breno ist jetzt in der Bringschuld, um den Tatverdacht oder die Fluchtgefahr zu entkräften. Der erhebliche Brandschaden (1,5 Mio. Euro; d. Red.) ist Maßstab für die Höhe einer möglichen Kaution.“

http://www.bild.de/sport/fussball/bayern-muenchen/bayern-star-bleibt-in-haft-20139262.bild.html

Unglaublich, aber wahr: der Beschuldigte muß also seine Unschuld beweisen. Und seit wann orientiert sich die Kaution an dem Schaden einer mutmaßlich begangenen Tat? Maßstab ist allein das Vermögen des Beschuldigten… Herr Steinkraus-Koch beackert das Pressewesen nach bestem Wissen und Gewissen: einen Promi-Bonus gibt es bei ihm nicht. Nein, der Beschuldigte wird behandelt wie alle anderen auch:

Doch Hoeneß‘ unsachliche Wut-Attacken kommen bei der Staatsanwaltschaft nicht gut an. Schaden sie Breno am Ende sogar?

Steinkraus-Koch kontert kühl: „Der FC Bayern mag zwar sein Arbeitgeber sein, ist aber kein Beteiligter eines Strafverfahrens. Wo Herr Breno arbeitet, spielt für uns keine Rolle. Wir machen unsere Arbeit wie bei jedem anderen Verfahren. Hier handelt es sich immerhin um einen Verbrechenstatbestand mit einem Fluchtanreiz.“

http://www.bild.de/sport/fussball/bayern-muenchen/bayern-star-bleibt-in-haft-20139262.bild.html

Es handelt sich zwar vorerst nur um den Vorwurf eines Verbrechens, das aus historischen Gründen mit einem weiten Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren belegt ist, aber dieser kleine Unterschied kann im Rahmen eines Stille-Post-Telefonats schon mal verwischt werden. Und überhaupt: was der Sprecher der Staatsanwaltschaft so massiv betreibt, ist ja nur seine Pflicht:

„Wir dachten, wir können das in Ruhe lösen“, sagte der Präsident des FC Bayern. Steinkraus-Koch erläuterte dazu, der Klub sei zwar Arbeitgeber des Beschuldigten, das allein sei aber kein Grund, den FC Bayern einzubeziehen. „Darüber hinaus sind wir nur der Auskunftspflicht nach dem bayerischen Pressegesetz nachgekommen.“

http://www.tagesspiegel.de/sport/der-fall-breno-ein-verlorener-sohn/4658816.html

Das bayerische Pressegesetz verpflichtet demnach wohl auch dazu, der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG folgende Ermittlungsdetails zukommen zu lassen, die sie am nächsten Tag, ebenso pflichtschuldig, zu Lasten des Beschuldigten verbreitet:

Anwalt von Bayern-Spieler Breno

„Er braucht Hilfe, keine Haft“

26.09.2011, 09:39

Von Susi Wimmer
[…]

Und es wurde noch ein weiteres Detail aus der Nacht bekannt: Als die Polizeibeamten nach Mitternacht an der brennenden Villa eintrafen, soll Breno ihnen nach SZ-Informationen die rußgeschwärzten Unterarme entgegengestreckt und gefragt haben, ob er jetzt festgenommen sei.  […] „Es müssen noch Zeugen befragt und Widersprüche abgeklärt werden“, sagt Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Brenos Verhalten in der Tatnacht sei relevant, sagte er. Nach SZ-Informationen soll der Fußballer nach dem Brand im Krankenwagen einem Sanitäter drei Feuerzeuge übergeben haben mit der Bitte, diese verschwinden zu lassen. „Hier steht ein Verbrechenstatbestand im Raum, der Fluchtanreiz ist hoch“, sagt der Staatsanwalt.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/anwalt-von-bayern-spieler-breno-er-braucht-hilfe-keine-haft-1.1149032

Ja.ja, das relevante Verhalten – es spricht ja eher für eine gewisse Wirrnis des Beschuldigten, aber der Fluchtanreiz ist hoch – wenn es der Staatsanwalt so sagt. Und ganz schnell werden aus dem Spürhund ungenannte ›Ermittler‹:

Die SZ erfuhr ebenso, dass Breno am Abend des Brands Besuch aus Brasilien hatte. Der Besucher verließ offenbar irgendwann das Haus, ebenso Brenos Frau und die Kinder. „Als das Feuer sichtbar wurde, war Breno alleine in der Villa“, sagt auch die Staatsanwaltschaft. Später wurde bei dem Fußballer ein Atemalkohol von 1,5 Promille gemessen. Ermittler fanden mehrere Brandherde im Haus.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/anwalt-von-bayern-spieler-breno-er-braucht-hilfe-keine-haft-1.1149032

Damit ist Breno schuldig, glasklar. Allein zu Haus, alkoholisiert, die Ermittler finden mehrere Brandherde: letzteres ist, wie die Verlautbarung über eine angebliche LKA-Feststellung von angeblichen Täterspuren am angeblichen Tatmesser im Fall Kachelmann, eine krasse Unwahrheit. Die SÜDDEUTSCHE transportiert derartige StA-PR-Litigation bedenkenlos, würde sie sich doch sonst von ihrer Quelle abschneiden. Einen Anspruch auf kritische Berichterstattung hat sie damit endgültig verloren.

Nicht einmal der staatsanwaltschaftsnahe LKA-Experte, der sogleich, weil in den Landeskriminalämtern bekanntlich nicht die kompetentesten Brandgutachter wirken, von weiteren Gutachtern flankiert wird, hat mehrere Brandherde gefunden.

Brandgutachten grenzen an Kaffeesatzleserei, wenn ein Haus total ausgebrannt ist: in Berlin wurde aufgrund eines inkompetenten LKA-Brandgutachters eine Frau wegen Vatermordes aus Habgier zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf den Kosten des überlegenen Brandgutachtens, das ihr letztlich nach Aufhebung der ersten Verurteilung und 888 Tagen Haft zu einem Freispruch verhalf (tatsächlich handelte es sich um eine fahrlässige Brandstiftung, verursacht durch das Opfer selbst), blieb sie zum Teil sitzen.

http://www.morgenpost.de/vermischtes/article682285/Frau-sass-888-Tage-unschuldig-in-Haft.html

Heribert Prantl:

Die unschuldige Angeklagte wehrte sich verzweifelt, sie setzte Himmel und Hölle in Bewegung – vor allem gute Brandgutachter. Sie stürzte sich in Schulden, sie bat und bettelte um Hilfe, um Recherche, um Nachprüfung, sie fand Spezialisten, die ihr halfen und mit wissenschaftlicher Recherche das Schund-Gutachten als Schund-Gutachten entlarvten. Sie hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung auf, weil sich das Gericht nicht ausreichend mit den privaten Gegengutachten auseinandergesetzt habe.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/justizopfer-muss-entlastende-gutachten-selbst-bezahlen-unschuld-kostet-euro-1.1329352

Einsicht in die Inkompetenz von unterbezahlten LKA-Gutachtern im Beamtenstatus bestand im Berliner Fall und sicherlich nicht nur dort indes nicht – man hofft vielmehr vergeblich, daß Spürhunde ihnen auf die schwächlichen Beine helfen werden…

Ein Gutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) war zu der gegensätzlichen Einschätzung gekommen, dass das tödliche Feuer im September 2003 durch eine brennende Zigarette des Vaters ausgelöst wurde.

Der Chef des Landeskriminalamtes (LKA), Peter-Michael Haeberer, sagte zu der Überprüfung, die damaligen Ermittlungen und die Tatort-Untersuchung seien akribisch und fachgerecht gewesen. „Aber das wurde nicht hinreichend bewertet und dokumentiert.“ So hätten die Ermittler nur die eine Schlussfolgerung gezogen, dass das Feuer mit Spiritus gelegt worden sei.

„Es gab aber zwei Möglichkeiten“, sagte Haeberer. Das Ausmaß des Feuers lasse darauf schließen, dass es auch ohne Beschleuniger gebrannt haben könnte. Auch ein Gutachter könne irren. Der Bundesgerichtshof habe das Berliner Gutachten zu Recht zurückgewiesen. Das Problem sei die Interpretation gewesen, nicht die Ermittlungen, ergänzte Professor Ulrich Panne von der Bundesanstalt. Fehlerhaft oder falsch wurde das Gutachten ausdrücklich nicht genannt.

In der Stellungnahme der Wissenschaftler hieß es zudem, dass auch ein Schwelbrand durch Zigarettenglut unwahrscheinlich gewesen sei. Davon war im BKA-Gutachten ausgegangen worden, das zum Freispruch führte. Der Fall lasse sich wahrscheinlich nicht mehr vollständig aufklären, sagte Haeberer.

{…]

Indes hat das umstrittene Gutachten Konsequenzen bei der Polizei, wie der LKA-Chef erläuterte. Für die Beurteilung von Tatorten wurden laut Haeberer Qualitätsstandards eingeführt, für komplizierte Fälle gibt es ein extra Kommissariat, bei Brandermittlungen werden jetzt Spürhunde eingesetzt, polizeiliche Ermittler und Wissenschaftler verständigen sich in Spurenkonferenzen.

http://www.morgenpost.de/berlin/article1167867/Warum-eine-Berlinerin-888-Tage-unschuldig-in-Haft-war.html

Na klar. Hunde sind billiger als eine Fachkraft, die für Beamtentarife und für staatlich gedeckelte Gutachterkosten nicht  zu haben ist. Die muß ein unschuldig Verurteilter schon selbst bezahlen, genauso wie Verteidiger, die mehr tun als die dem Gericht genehme Pflichtverteidiger zu Minitarifen.

Dass sie im März 2006 das Gefängnis wieder verlassen konnte, hatte sie umfangreichen Gegengutachten zu verdanken, die sie selbst mit Hilfe ihres Schwagers beauftragt hatte.

Diese kamen zu dem später auch vom Bundeskriminalamt geteilten Ergebnis, dass der Brand durch eine brennende Zigarette im Bett des Vaters ausgelöst worden sei – ein Unfall, kein Mord. Daraufhin hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf, vor vier Jahren wurde sie freigesprochen – und streitet bis heute um eine angemessene Entschädigung für das erlittene Unrecht. Anfangs waren ihr elf Euro pro Hafttag angeboten worden, jetzt wartet sie auf eine Entscheidung der Senatsjustizverwaltung, ob es für die Haft, den verlorenen Job und die ausgefallenen Rentenansprüche nicht doch mehr Geld gibt.

Nun hat ihr das Kammergericht Berlin einen weiteren „Schlag ins Gesicht“ verpasst, wie die 56-Jährige am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Vorsitzenden des Berliner Anwaltsvereins, Ulrich Schellenberg, sagte. Am 20. März hat nämlich das Gericht beschlossen, dass der zu Unrecht Verurteilten ihre Gutachterkosten nicht komplett erstattet werden, sondern nur ein Teil davon. Gut 113 000 Euro haben die Gutachten insgesamt gekostet, das Gericht will aber nur 86 000 Euro erstatten und fordert noch 5000 Euro von bisher erstatteten Zahlungen zurück. Das heißt: 32 000 Euro soll de Montgazon aus eigener Tasche bezahlen.

http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/639162/

So sieht die Sach- und Rechtslage in Deutschland mittlerweile aus: angesichts der geballten Macht der Staatsgewalt mitsamt ihrer Pressehoheit (nebst willigen Zeitungsvasallen, die sich für Exklusiv-Infos erkenntlich zeigen), und ihren mediokren beamteten Gutachtern benötigt ein Beschuldigter Geld, um seine Unschuld oder eine mindere Schuld beweisen zu können – Geld, das ihm nicht einmal nachträglich im Fall der erwiesenen Unschuld erstattet wird: weil die Ausgaben, gemessen an der staatlichen Sparpolitik,  »unwirtschaftlich« gewesen seien. Hier der akribische Beschluß des Kammergerichts Berlin:

http://www.burhoff.de/insert/?/burhoff/rvginhalte/1097.htm

Der Fall Breno zeigt in aller Schärfe, wie sich auch angebliche Qualitätsmedien wie die SÜDDEUTSCHE an einer staatsanwaltschaftlichen Promi-Jagd beteiligen: selbst bei der Berichterstattung über die überfällige Haftverschonung vom 6.10.2011, einem Werktag, an dem garantiert ein Strafrechtler Haftrichter war, zeigt sie sich exklusiv bestens informiert und tritt nach:

Bayern-Spieler aus Haft entlassen

Breno muss halbe Million Euro Kaution zahlen

06.10.2011, 20:24

Von Susi Wimmer

Am Donnerstag um 15.30 Uhr öffneten sich am Hintereingang der Justizvollzugsanstalt Stadelheim die Tore, und Vinicius Rodrigues Borges, genannt Breno, fuhr in die Freiheit: Das Amtsgericht München hatte kurz zuvor den Haftbefehl gegen den FC-Bayern-Spieler gegen Auflagen, unter anderem die Zahlung einer Kaution in Höhe von 500.000 Euro, außer Vollzug gesetzt. „Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, kommentierte Brenos Rechtsanwalt Werner Leitner. Nach SZ-Informationen soll der FC Bayern geholfen haben, die Kaution zusammenzubringen.

Der 21-jährige Brasilianer steht in dringendem Verdacht, in der Nacht auf den 20. September sein gemietetes Haus in Grünwald im Wert von 1,5 Millionen Euro in Brand gesetzt zu haben. Erste Gutachten des Landeskriminalamtes (LKA) ergaben, dass ein technischer Defekt als Brandursache ausgeschlossen werden konnte, und dass das Feuer an mehreren Stellen im Haus ausgebrochen war.

Fünf Tage nach dem Brand erließ eine Ermittlungsrichterin Haftbefehl gegen den Fußballspieler wegen „Flucht- und Verdunklungsgefahr“. Dies sei nun nicht mehr zu befürchten: Verfahrensrelevante Beweise „sind im Wesentlichen gesichert“, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Fluchtgefahr könnte „durch die festgesetzten Auflagen beseitigt werden“. Die weiteren Gutachten, die die Richterin für ihre Entscheidung über die Haft abwarten wollte, sind laut Ludwig Waldinger, LKA-Sprecher, allerdings „noch nicht fertig“.

Die Staatsanwaltschaft wollte Breno auferlegen, sich in stationäre Behandlung zu begeben, dies lehnte die Richterin jedoch ab. Stattdessen setzte das Gericht elf Auflagen fest, unter anderem die Angabe eines festen Wohnsitzes, die Abgabe des Passes und Meldeauflagen. Breno verließ am Donnerstag das Gefängnis, er soll am Freitag zu seiner Familie zurückkehren.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/bayern-spieler-aus-haft-entlassen-halbe-million-fuer-brenos-freiheit-1.1156808

Jaja, das berühmt-berüchtigte LKA-Gutachten… Aufmerksame Leser dürften registriert haben, daß dieses Gutachten noch ergänzungsbedürftig war.  Und wieso verlangt die StA einen stationären Aufenthalt des Beschuldigten?  Sollte er etwa nicht schuldfähig sein? Oder sollte er nur weggeschlossen werden?

Ist ›Susi Wimmer‹ ein schamhaftes Pseudonym oder bloß eine eifrige Volontärin, die sich dank Exklusiv-Infos susisorglosmäßig einen Namen machen will? Und wer läßt sie in der SÜDDEUTSCHEN so ungehemmt agieren?

Monatelang hörte man nichts mehr von diesem verkorksten Verfahren ohne Beweise. Bis am 31.5.2012 Anklage erhoben wurde. Eine ähnliche Märchenstunde-Anklage wie im Kachelmann-Verfahren. Aber eine mit vernichtenden Folgen.

(wird fortgesetzt)

 

Update (31.1.2013)

Leider habe ich meine Absicht, diesen Artikel fortzusetzen, nicht in die Tat umgesetzt (manchmal kommt das Leben dazwischen).

Und so kann hier nur noch nachtragen, daß die Revision des Angeklagten, der zu 3 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt worden ist, durch den 1. Strafsenat des BGH verworfen worden ist.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/ehemaliger-fc-bayern-profi-breno-bleibt-in-haft-1.1585831

 

Zur beabsichtigten Fortsetzung hätte gehört, daß sowohl die sachverständige Rechtsmedizinerin, die Breno gar volle Schuldfähigkeit bescheinigt hatte (und dabei auch blieb) als auch das Gericht ungeheuer verschnupft waren, als in der Hauptverhandlung der bis dahin nicht erörterte Schlaftablettenkonsum zu den übrigen schuldmindernden Umständen (psychische Ausnahmesituation, Alkohol) noch hinzukam… Auch den Staatsanwalt focht es nicht an, der plädierte wacker auf fünf Jahre und sechs Monate Haft, unter Zugrundelegung voller Schuldfähigkeit.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-gegen-breno-glaubhafte-erinnerungsluecken-1.1386506

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-gegen-breno-verrusst-verwirrt-verdaechtig-1.1393177

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-gegen-breno-er-war-so-seltsam-geworden-1.1392705

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/breno-spricht-im-brandstiftungsprozess-ueber-tabletten-und-alkohol-a-842357.html

http://www.focus.de/panorama/boulevard/brandstiftungs-prozess-gegen-fussball-profi-breno-trank-taeglich-bis-zu-einer-flasche-whiskey_aid_776600.html

http://www.spiegel.de/panorama/breno-aussagen-polizei-ermittelte-beim-fc-bayern-a-842473.html

Aber beim 1. Senat sah man offenbar keine lückenhafte Auseinandersetzung mit den Umständen, was auch damit zusammenhängen könnte, daß das Urteil revisionssicher verfaßt wurde. Wie wenig effektiv die Revisionsordnung und deren Handhabe durch den BGH vor Fehl- oder auch nur überzogenen Urteilen schützt, kann hier nachgelesen werden:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/01/26/der-fall-gustl-mollath-rosenkrieg-und-versagen-von-justiz-psychiatrie-vii/

 

 

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