Merkel-Kritik: und was sagt Alice Schwarzer dazu?

Es ist, als ob Gertrud Höhler die von der Kanzlerin für typisch deutsch gehaltenen dichten Fenster dieser Republik aufgestoßen und den Journalisten-Mief der mit der Macht verbündeten Medien gut durchgelüftet hätte -: die Macho-Schreibe vom bloßen Zickenkrieg einer frustrierten alten neidischen Frau ist verpufft, das Buch ein Erfolg, und jetzt trauen sich auch Männer, das zu schreiben, was dem mündigen Bürger schon lange offenkundig ist. Merkel ist kein Denkmal, sie denkt unterkomplex, kann sich nicht artikulieren und beherrscht allenfalls die Techniken der Macht – was gegen sie und nicht für sie spricht. Aus Höhlers ›Patin‹ wird bei Wolfgang Münchau eine bluffende Pokerspielerin, die ihr Blatt überreizt hat:

 29.08.2012

Merkel in der Euro-Krise

Deutschland ist erpressbar geworden

Eine Kolumne von Wolfgang Münchau

Angela Merkel wird noch immer als Europas mächtigste Politikerin hofiert, doch die Kanzlerin hat in der Schuldenkrise ihr Blatt überreizt. Deutschland ist erpressbar geworden, denn wir können uns einen Bruch der Euro-Zone nicht mehr leisten. Wenn es knallt, leiden alle, aber die Bundesrepublik am meisten.

[…]

Wenn der Euro auseinanderbricht, dann wäre Deutschlands mühsam errungene Wettbewerbsfähigkeit vernichtet. Der Wechselkurs der deutschen Währung (welchen Namen sie dann auch immer tragen mag) würde massiv steigen. Die Finanzindustrie wäre pleite, weil sie ihre Forderungen in den Euro-Südstaaten abschreiben müsste. Und der deutsche Staat würde auf Außenständen von rund einer Billion Euro sitzenbleiben.

[…]

Schauen Sie sich die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Griechenland an. Offiziell wird weiterhin der alte harte Kurs vertreten. Immer wieder betont Merkel, die Griechen müssten sich genau an die Vorgaben halten. Aber in letzter Zeit hört man auch andere Töne. Ihr blute das Herz, wenn sie hört, wie griechische Rentner behandelt werden. Und Merkel sagt immer wieder, dass das Risiko eines Austritts für Griechenland – aber eben auch für Deutschland – unkalkulierbar wäre.

[…]

Mit anderen Worten: Die Situation für Deutschland ist ziemlich verzweifelt. Es gibt jetzt keinen rationalen Weg mehr aus der Krise, der mit den offiziellen Verlautbarungen über die hehren Prinzipien der europäischen Geldpolitik und der Haushaltsregeln vereinbar wäre. Nach außen wahrt Merkel immer noch den Schein als Europas mächtigste Politikerin. In Wirklichkeit hat Merkel ihr Land in eine Ecke manövriert. Die Welt hat ihren Bluff durchschaut und ist gerade dabei, die Konsequenzen zu ziehen.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/deutschland-ist-durch-angela-merkels-politik-erpressbar-geworden-a-852708.html

So kommt das, wenn man monatelang dem BILD-Griechenland-Bashing-Kurs folgt, um den Wähler nicht zu erschrecken, und den Rückzug von dieser populistischen Politik dann in quälenden Kleinstschritten vollziehen muß. Von Anfang an war doch klar, daß die Exportüberschüsse Deutschlands sich in den Handelsbilanzdefiziten der anderen europäischen Länder widerspiegeln; daß staatliches Sparen in einer Rezession allein zur Verelendung breitester Bevölkerungsschichten und zu weiteren Mindereinnahmen des Staates führt – was für eine Zeitvergeudung dieser Politikstil von Springers Gnaden doch bedeutet – weshalb es jetzt ganz schnell gehen muß und parlamentarische Beratung nicht mehr opportun ist. So wenig wie ein Wahlrecht, das die CDU nicht begünstigt. Rechtsstaat? Ein Klotz am Bein. Der Bürger atmet angesichts solchen Zynismus‘ auf: ein Glück, daß es das Bundesverfassungsgericht gibt…

Jetzt erscheint am 3.9.2012 ein weiteres Buch, in dem der gnadenlose Stil von Merkels Machtpolitik ebenfalls Thema ist: ›Wolfgang Schäuble. Zwei Leben‹ von Hans Peter Schütz, dem STERN-Autor:

http://www.droemer-knaur.de/magazin/Wolfgang+Sch%C3%A4uble.+Zwei+Leben.7787695.html

Nun hatte ich just jenem Autor Hans Peter Schütz zwar schon einmal eine beißende Kritik zugeeignet,

Der STERN kontra Wulff – kann Journalismus noch tiefer sinken?

Veröffentlicht am März 8, 2012

zugleich aber auch an seine einsame Merkel-Kritik angeknüpft:

Hans Peter Schütz:

Der angemessene Abschied für Wulff sollte – Verzeihung, Gustav Heinemann – wie folgt stattfinden: In Form einer Spree-Schifffahrt mit Wulffs Freunden an Bord. Es könnte daher ein kleines Schiffchen sein. Mit einem Platz für den CDU-Abgeordneten Peter Hintze, der Wulff noch verteidigte, als längst nichts mehr zu verteidigen war. Und einem Plätzchen für Angela Merkel, damit noch einmal alle sehen können, wer der Bundesrepublik diesen Präsidenten aus machtegoistischen Gründen aufgezwungen hat. Solch ein Abschied wäre angemessen und wäre eine Mahnung für alle Zeiten.

http://www.stern.de/politik/deutschland/wulffs-grosser-zapfenstreich-er-hat-ihn-nicht-verdient-1796522.html

Am besten in Stein gemeißelt.

Aber interessant ist es doch, daß sich hier langsam zeigt, wer eigentlich wirklich abgeschossen werden soll: die machtegoistische Kanzlerin. Hab ich’s mir doch gedacht.

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/03/08/der-stern-kontra-wulff-kann-journalismus-noch-tiefer-sinken/

Sein Arbeitgeber, der STERN, promotet das Buch in seiner aktuellen Ausgabe 36/2012 durch den Vorabdruck eines Auszugs (jaja, bücherschreibender Journalist müßte man sein, da kriegt man Werbung wie geschmiert, ob für unterdurchschnittliche Schwedenkrimis oder für mäßig geschriebene Politikerbiographien (»Er raucht Pfeife, in Kette. Und gibt sich dennoch ganz ruhig.«)). Als ob sich nicht auch der STERN vor Wochenfrist am Niederschreiben von Gertrud Höhler beteiligt hätte, besteigt er jetzt pfeilgeschwind den Zug, auf dem der Publikumserfolg ›Die Patin‹ rollt. Unter dem Titel ›Abgeschoben‹ bringt er ausgerechnet einen Auszug, der sich mit dem machtpolitischen Taktieren Merkels bei der Verhinderung von Wolfgang Schäuble als Bundespräsident und der Installierung von Horst Köhler im Jahr 2004 befaßt.

Hans Peter Schütz: Abgeschoben

Bekannt geworden ist allerdings so ein vergleichbar skrupelloser machtpolitischer Vorgang des „Alten“ [Adenauer] nie, wie Angela Merkel ihn sich in der Präsidentenfrage gegenüber Schäuble geleistet hat. Altpräsident Richard von Weizsäcker hat es Merkel im Nachhinein sogar schriftlich gegeben: Es handelte sich „um ein Bubenstück aus Mädchenhand“, erklärte er.

[…]

Am Sonntag, 7. März, konferierten die Präsidien von CDU und CSU gemeinsam im Konrad-Adenauer-Haus. Köhler saß nun zwischen Merkel und Edmund Stoiber. Er bedankte sich herzlich für die Einladung und sagte: Er sei doch sehr überrascht gewesen, als ihn Angela Merkel bereits im Januar angerufen und gefragt hätte, ob er Bundespräsident werden wolle, denn da habe er mitten in den Verhandlungen über seinen ihm damals angebotenen zweiten Vertrag beim IWF gestanden.

In dieser Sekunde richteten sich die Blicke der CDU-Präsidiumsmitglieder sehr überrascht auf Merkel, die ihnen ja nur wenige Tage zuvor erzählt hatte, Köhler wolle in die Bundesrepublik zurück und werde auch keinen neuen Vertrag bekommen. In den CDU-Reihen der Sitzungsteilnehmer brach daraufhin Unruhe aus. Viele fragten sich: Kann es sein, dass diese CDU-Vorsitzende im Kampf um das Amt des Bundespräsidenten die eigene Partei belügt? Hatte diese Frau an der CDU-Spitze seit September 2003 nicht immer so getan, als ob sie unbedingt Schäuble wollte? Und hatte sie damit das Präsidium nicht systematisch hinters Licht geführt? Und heimlich mit Köhler telefoniert? Noch heute erinnern sich manche Teilnehmer daran, dass Merkel unter den kritischen Blicken der Parteifreunde einen „feuerroten Kopf“ bekam.

[STERN 36/2012, S. 51f.]

Angesichts solcher machohaften Techniken einer Frau wäre es doch ersprießlich gewesen, zu erfahren, ob Alice Schwarzer nachvollziehbare Kriterien für männliche (igitt) und weibliche (alles klar) Machtausübung entwickelt hätte. Das war ein Fehlschlag, denn über Merkels knallharte Entledigung ihres überlegenen Ministers Norbert Röttgen äußerte sie sich so:

Die Autorin hatte auch eine Expertin befragt, die Frauen in der Politik zur Doppelstrategie riet: nach außen weich, also „weiblich“; nach innen im Bedarfsfall hart, also „männlich“.

Und genau so halten es nicht nur in Berlin die Spitzenpolitikerinnen, müssen sie es halten. Doch sie tun das in einer Welt, die ebenfalls eine Doppelstrategie fährt: die Frauen und Männer mit zweierlei Maß misst. Das erleben wir gerade mal wieder in der wahrhaft karikaturalen Reaktionen auf Merkels Rausschmiss von Röttgen.

Bei Spiegel Online hatte Philipp Wittrock offensichtlich den Artikel der Kollegin im eigenen Blatt nicht gelesen. Sonst hätte er den Vorgang wohl nicht ganz so unbefangen sexistisch kommentieren können: „Eiskalt“ sei die Kanzlerin beim „Abschalten“ von Ex-Umweltminister Röttgen gewesen; ja „gnadenlos“, zitierte er SPD-Chef Gabriel.

[…]

Zeit Online attestierte: „Technokratisch hat man Merkel schon oft erlebt. So eiskalt noch nie.“ Dazu wurde CDU-Bosbach zitiert, der sich „mehr Menschlichkeit“ bei dem Vorgang gewünscht hätte. Die Entlassung eines in der Landespolitik dramatisch gescheiterten Bundesministers ist nach drei Tagen Bedenkzeit also unmenschlich?

FAZ Online verzichtete auf derart plumpe Klischees und stieß nur mit spitzem Mündchen den Satz aus: „Der Absturz Röttgens ist beispiellos in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte.“

Ist er? Der Kollege, der das geschrieben hat, muss jünger sein. Sonst würde er sich vielleicht erinnern, wie die hochverdiente Genossin Marie Schlei – die zwischen 1974 und 1976 das sehr zweifelhafte Vergnügen hatte, als parlamentarische Staatssekretärin im Kanzleramt zwischen einem frisch gebackenen Kanzler Helmut Schmidt und der grauen Eminenz Herbert Wehner zu vermitteln – nach einer beispiellos sexistischen Medienkampagne am 16. Februar 1977 ihre Entlassung als Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit morgens aus der Zeitung erfuhr. Und sie ist beileibe nicht die Einzige.

In der Geschichte beispiellos? Für Männer vielleicht. Bei Frauen hingegen ist so was üblich. Zweierlei Maß. Egal, auf welcher Seite: auf der des „Opfers“ oder der der „Täterin“.

Alice Schwarzer

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1%5BblogList%5D%5BshowUid%5D=97&tx_t3blog_pi1%5BblogList%5D%5Byear%5D=2012&tx_t3blog_pi1%5BblogList%5D%5Bmonth%5D=05&tx_t3blog_pi1%5BblogList%5D%5Bday%5D=17&cHash=857b6d65e9

Da wollen wir doch mal tief in die Historie einsteigen – es stimmt ja selten etwas in Schwarzers Tendenz-Artikeln, was als Fakt daherkommt. Und 90 % ihrer Texte sind ohnehin unverstellte Propaganda, die sie für Journalismus hält. Den sie halt nicht studiert hat, sie bestand die Aufnahmeprüfung zur Journalistenschule nicht, und so wurstelt sie sich eben durch – für die BILD reichen Denke und Schreibe ja. Für gestörte Anhängerinnen auch. Und siehe da, man wird, was Fakten angeht, sehr schnell fündig

04.04.1977

Die Frau überschätzt ihre Möglichkeiten

Entwicklungshilfe-Minister Marie Schlei auf Jungfernreise in Afrika

Mit ihren Besuchen in Botswana und Sambia verstärkte Marie Schlei die Zweifel an ihrer Eignung für das schwierige Entwicklungshilfe-Ressort, das angesichts des Nord-Süd-Konflikts für die Bundesrepublik immer wichtiger wird. Statt Bonns Standpunkt klarzumachen, verblüffte sie afrikanische Gesprächspartner mit spaßigen Sprüchen.

[…]

Aber viel lieber noch als um hohe Politik kümmerte sich „Mutter Marie“ im schwarzen Kontinent um das Menschliche. Sie drückte verdutzte Afrikaner ans Herz, wo immer sie welche zu fassen bekam, gleich ob es Minister oder Hilfsarbeiter auf deutschen Entwicklungsprojekten waren. Überall machte sie ihre Späße, „denn die Leute sind ja so gern heiter, die lachen ja so gern“.

Schon auf dem Hinflug hatte sie ihre Begleitung aufgeklärt: „Die Neger sind wie die Juden, die riechen, ob man sie mag.“ Und: BMZ, die Abkürzung für ihr Ressort, heiße in Wahrheit „bei Marie zu Hause“.

Und so lustig ging es immer weiter. Beim Überland-Ausflug zu einem Projekt für Einfachst-Technologie in Kanye, Botswana, verblüffte sie die deutschen Entwicklungshelfer mit der Erkenntnis, ein von ihnen gefertigtes Ziegeldach sei nicht dicht — „schließlich bin ich ja gelernte Handwerker-Tochter“. Frau Schlei hatte beim Blick nach oben Lichtritzen entdeckt: „Hier, gerade über mir, strahlt die göttliche Güte ungehindert auf mich herab. Ich wette, daß es da durchregnet.“

[…]

Die offiziellen Begleiter der botswanischen Regierung staunten nicht schlecht, als sie einem jungen Metallarbeiter ihr Wahlkampfbild mit Widmung schenkte, dann aus der Tiefe ihrer Tasche eine Nagelschere hervorkramte und dem jungen Mann eine Locke vom Wuschelkopf schnitt — „als Souvenir“

Szenenwechsel: Palaverplatz von Kanye, wo sich die Bevölkerung bei einem Feuer zu Beratungen versammelt und wo der Häuptling auch Recht zu sprechen pflegt. Diesen „Chief“ in ihrer Begleitung klärte sie auf: „Flammen regen die Gedanken an.“ Zur Dolmetscherin: „Sagen Sie ihm, er soll nur aufpassen. Wenn sein Urteil den Leuten nicht gefällt, kriegt er einen Knüppel auf den Kopf.“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40916933.html

Das geht noch ellenlang so weiter: nichts davon ist sexistisch, es sei denn, daß weibliche Inkompetenz generell nicht mehr bemängelt werden darf. Vergleichbare Kritik gab es im Januar 1978:

30.01.1978

AFRIKA-POLITIK

Vorlautes Geschwätz

In politischer Einfältigkeit störten Entwicklungshilfe-Ministerin Marie Schlei und ihr Widerpart Todenhöfer den Bonner Plan, Somalia zum Dank für Mogadischu mit einem Kredit Waffenkäufe zu ermöglichen.

[…]

Der Trick: Die Somalis hätten sehr wohl Militärisches aus ägyptischen Altbeständen kaufen, den Bonnern aber Rechnungen für Öl oder Maschinen präsentieren können, die sie ohnehin importieren müssen.

Doch weder Todenhöfer noch Marie Schlei begriffen, daß ein solches Verfahren nur unter einer Bedingung läuft: nicht darüber reden. Von Rundfunkjournalisten um Aufklärung gebeten, ließ sich die Ministerin erstmals und ganz kurz von ihrem Staatssekretär Kollatz (Spitzname: „Kollaps“) am Telephon informieren, verkannte die Brisanz und verhedderte sich prompt in einfältiger Offenheit.

Auf die Interview-Frage, ob die somalische Regierung mit dem Bonner Geld Waffen kaufen könne, erwiderte sie: Die Antwort „könnte „ja“ sein“.

Das Schlei-Geständnis drang durch den Äther bis nach Äthiopien. Dessen Militärregime fackelte nicht lange. Bonns Botschafter in Addis Abeba, Johann Christian Lankes, saß gerade am Mittagstisch, als ihm, 24 Stunden nach Marie Schleis Interview, die Ausweisungsverfügung überreicht wurde.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40616946.html

Und überhaupt war Marie Schlei, folgt man diesem Artikel, im Januar 1978 ja noch im Amt, wo sie doch laut Schwarzer schon im Februar 1977 von ihrem Rauswurf aus der Zeitung erfahren haben will… Himmelhilf, was weiß Wikipedia?

Bei der Kabinettsumbildung im Frühjahr 1978 wurde sie nicht mehr berücksichtigt und schied daher am 16. Februar 1978 aus der Bundesregierung aus.

http://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Schlei

Und was lese ich hier? [Hervorhebungen von mir]

Im Februar 1978 wurde Marie Schlei nach dem Rücktritt als Bundesministerin in den Fraktionsvorstand gewählt und mit dem Vorsitz des Arbeitskreises I (Außen- und Sicherheitspolitik, innerdeutsche Beziehungen, Europa- und Entwicklungspolitik) der SPD-Fraktion beauftragt.
1980 wurde sie stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und damit Stellvertreterin von Herbert Wehner. Wegen ihres fortschreitenden Krebsleidens musste sie im November 1981 ihr Mandat niederlegen. Dennoch wirkte sie bis zu ihrem Tode am 21. Mai 1983 in zahlreichen Gremien weiter, soweit es ihre Kräfte erlaubten.

(Berliner Stimme vom 23.5. 2003)

http://archiv.spd-berlin.de/geschichte/personen/l-z/schlei-marie/

Ist sie also gar nicht entlassen worden, sondern im Zuge der Kabinettsumbildung zurückgetreten? Und außerdem hat sie ihre politische Karriere ja nahtlos fortgesetzt – was macht eigentlich der Herr Röttgen heute so?

Die Nichtberücksichtigung einer ersichtlich ungeeigneten Ministerin bei einer Kabinettsumbildung – deren Absichten ihr nicht verborgen geblieben sein dürften – ist wohl kaum mit dem Rauswurf eines eloquenten, erfolgreichen Ministers zu vergleichen, dem noch zwei Tage zuvor demonstrativ trotz verlorener Landtagswahl der Rücken gestärkt worden war. Wer mißt hier eigentlich mit zweierlei Maß? Und welche Quellen benutzt Alice Schwarzer? Auf das eigene Gedächtnis ist offensichtlich kein Verlaß.

Eins steht fest: Schwarzer hat nichts gegen partriarchalische Machtausübung, solange eine Frau sie exekutiert.

Soweit sie nicht mit Auftritten in Spiel-, Talk- und Rateshows beschäftigt ist, sucht sie jedenfalls gern die Nähe der Macht – und stellt Frau Merkel im August 2012 daher scheinkritische Fragen von allergrößter Unverbindlichkeit:

 Auf ein Wort, Frau Merkel

Alice Schwarzer Publizistin

Warum sollten Frauen Sie 2013 wählen? Sie verdanken Ihren Sieg 2009 nicht zuletzt den jungen Frauen, die zum ersten Mal stark CDU gewählt haben. Gerade sie wurden in den vergangenen Jahren von der Politik Ihrer Regierung arg enttäuscht. Haben Sie gute Nachrichten, ehrliche Versprechen für 2013?

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/37939/3/1

Wow, was für eine Steilvorlage für Frau Merkel, die sich so wenig kritisiert fühlen muß, daß sie in ihrer nichtssagenden Antwort nicht einmal auf das Stichwort ›Frauen‹ eingeht – schließlich will sie von Frauen und Männern gewählt werden:

Dass es den meisten Menschen in Deutschland 2013 besser geht als 2009 und dass ich das auch für die nächste Legislaturperiode bis 2017 im Vergleich zu 2013 erreichen möchte.

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/37939/3/1

Die Nähe zur CDU-Macht zahlt sich für die rückwärtsgewandte Grabenkriegerin Schwarzer freilich aus. In Heller und Euro.

Schon 1995 hieß es über sie:

Der Kölner Forscher Erwin Scheuch sieht es nüchtern: „Eine Geschäftsfrau, die sich durch Beziehungen Vorteile verschaffen kann.“ Längst bediene sich die Frauenrechtlerin, hat der Grüne Frank beobachtet, „selbst des verfemten männlichen Instrumentariums der Macht“.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9158667.html

Aber dieser Part über Schwarzer, ihre Nähe zur Macht und ihren daraus resultierenden Profit, ist so lang geraten, daß er ein gesondertes Posting ergibt.

Update (31.8.2012)

Heute überraschte mich Alice Schwarzer mit einem entlarvenden Nachruf auf Shulamith Firestone, der sowohl den sie regierenden Haß wie auch ihre vollkommene Unfähigkeit, Sachverhalte nicht zu verfälschen, in großer Klarheit offenlegte. Zum Trost für die Liga der Humanitas: es sieht immerhin so aus, als ob die gestörten Dinosaurier der haßerfüllten Männer- und Liebe-Bekämpferinnen-Front langsam aussterben.

Schwarzer:

31.08.2012

Shulamith Firestone ist tot

Eine der radikalsten und visionärsten frühen Feministinnen ist tot. Gestern wurde Shulamith Firestone in ihrem Appartment in New York gefunden. Sie sei eines natürlichen Todes gestorben, erklärte ihre Schwester Laya. Nicht zufällig ist in der aktuellen Titelstory von EMMA über die Liebe ein Auszug aus Firestones berühmtem Buch abgedruckt. Sie war 25 Jahre alt, als sie 1970 ihr rasantes Pamphlet gegen die Liebe veröffentlichte. Gegen eine Liebe, die Frauen in Abhängigkeit bringt und unterdrückt: „The Dialectic of Sex“. Firestone hat ihre Klarsicht und ihren Mut sehr teuer bezahlt, sehr teuer.
Shulamith Firestones Buch über die Liebe hat die Neue Frauenbewegung weltweit nachhaltig geprägt – auch mich persönlich und den „Kleinen Unterschied“.
[…]
Der Druck auf Shulamith Firestone wurde nach Veröffentlichung so groß, dass sie nicht standhielt. Sie wurde mit der Diagnose „Schizophrenie“ in die Psychiatrie eingeliefert. Und verstummte für lange Zeit.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=113&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2012&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=31&cHash=2aac83c9a0

Die Quelle von Schwarzers Nachruf ist die seriöse New York Times, die am 30.8.2012 allerdings Folgendes geschrieben hatte [Hervorhebung und Einfügung von mir]:

 A painter by training, Ms. Firestone never anticipated a high-profile career as a writer; she had come to writing through preparing manifestoes for several feminist organizations she had helped found.
The crush of attention, positive and negative, that her book [von 1970] engendered soon proved unbearable, her sister said. In the years that followed, Ms. Firestone retreated into a quiet, largely solitary life of painting and writing, though she published little.
Her only other book, “Airless Spaces,” was issued in 1998 by the experimental publisher Semiotext(e). A memoir-in-stories that employs fictional forms to recount real-life events, it describes Ms. Firestone’s hospitalization with schizophrenia, which by the 1980s had overtaken her.

http://www.nytimes.com/2012/08/31/nyregion/shulamith-firestone-feminist-writer-dies-at-67.html?_r=2

Was macht Schwarzer daraus? Sie unterschlägt zehn Jahre und bastelt aus Firestone ein Opfer der Kritik – obwohl es weiblicher Selbsthaß und ganz offensichtlich die deprimierenden Kindheitserfahrungen der zweitgeborenen Tochter in einer streng jüdisch-orthodoxen Familie mit zwei Söhnen und vier Töchtern waren, die Firestone zur Propagierung von Schwangerschaften außerhalb des Mutterleibes und zur Vergesellschaftung der Kindererziehung veranlaßt hatten. Allen monotheistischen Religionen ist die männliche Dominanz und die Abwertung der Frau eigen, und in buchstabengläubigen Orthodoxen lebt diese unselige Tradition fort. ›Natürlich‹ ergibt sich aus solchen Kindheitserfahrungen die katastrophal falsche und selbstzerstörerische Wahrnehmung von Firestone, Männer könnten nicht lieben…

Jetzt der Höhepunkt von Schwarzers Geschichtsklitterung, die aus der Psychiatrie- und Psychopharmaka-Geschädigten Firestone eine Märtyrerin der Frauenbewegung bastelt.

So steht es in der New York Times:

In “Airless Spaces,” Ms. Firestone writes of life after hospitalization, on psychiatric medication. The account is in the third person, but the story is her own:
“She had been reading Dante’s ‘Inferno’ when first she went into the hospital, she remembered, and at quite a good clip too, but when she came out she couldn’t even get down a fashion rag. … That left getting through the blank days as comfortably as possible, trying not to sink under the boredom and total loss of hope.”
The story continues: “She was lucid, yes, at what price. She sometimes recognized on the faces of others joy and ambition and other emotions she could recall having had once, long ago. But her life was ruined, and she had no salvage plan.”

http://www.nytimes.com/2012/08/31/nyregion/shulamith-firestone-feminist-writer-dies-at-67.html?_r=1

Und so ›übersetzt‹ Schwarzer diese psychiatriekritische Passage:

Erst 28 Jahre später, 1998 veröffentlichte Firestone ihr zweites Buch: „Airless Spaces“. Sie schrieb es in der dritten Person, aber es war ihre Geschichte.
„Sie hatte ‚Dantes Inferno’ gegenwärtig, als sie das erste Mal ins Hospital eingeliefert wurde (…) Als sie rauskam, erinnerte sie sich an nichts mehr. Das half, die leeren Tage zu überstehen und nicht in totaler Hoffnungslosigkeit zu versinken“, schreibt sie und fährt fort: „Sie war klarsichtig, ja, aber welchen Preis hatte sie dafür gezahlt. Ihr Leben war ruiniert – und sie hatte keinen Rettungsplan.“

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=113&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2012&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=31&cHash=2aac83c9a0

Eine solche Textverfälschung verschlägt einem schlicht den Atem.

Und nicht einmal diese schlichte Information kann sie nachvollziehbar rüberbringen:

After attending Washington University in St. Louis, Ms. Firestone earned a bachelor of fine arts degree from the School of the Art Institute of Chicago in 1967. Around that time she helped found the Westside Group, a Chicago feminist organization, before moving to New York.

http://www.nytimes.com/2012/08/31/nyregion/shulamith-firestone-feminist-writer-dies-at-67.html?_r=1

Schwarzer mit einer vertraulichen Namensbezeichnung, die ihr nicht zusteht, die sich aber aus der Seelenverwandtschaft mit dieser bemitleidenswerten gestörten Frau dann doch wieder rechtfertigt:

Shulie studierte Kunst an der Washington University und begann zu malen. In den späten 1960er Jahren engagierte sie sich in feministischen Gruppen, zunächst in Chicago, dann in New York.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=113&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2012&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=31&cHash=2aac83c9a0

Ob sie es selbst noch merkt, wie sie die Realität umbiegt, damit ihr Weltbild stimmt?

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Gertrud Höhlers Merkel-Kritik – ein Fall für den medialen Kanzlerin-Rettungsschirm

 

Merk-Würdiges ereignet sich zur Zeit in unserer an Merkwürdigkeit ja nicht armen Presselandschaft: schon wieder führt sie eine Kampagne, staatstragend und unkritisch wie eh und je (wenn sie aus kommerziellen und Macht-Gelüsten in scheinmoralischem Furor einzelne Politiker oder Promis stürzt, oder auch nur nebenbei Existenzen zerstört, agiert sie ebenfalls staatstragend und unkritisch, dies nur nebenbei).

Gertrud Höhler hat es gewagt, den Regierungsstil der Kanzlerin fundamental und aus konservativer Sicht zu kritisieren, und schon fällt die gesamte Presse über sie her. Von der Springer-Presse war nichts anderes zu erwarten, das walte die Merkel-Freundin Friede Springer, zu deren Gefallen Merkel regiert:

Die Welt 24.08.12

Merkel? Frau Höhler hat da eine Meinung

Die Publizistin hat ein Kanzlerinnen-Buch geschrieben. Sie verunglimpft die Regierungschefin als Zerstörerin der Demokratie

Von Daniel Friedrich Sturm

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article108766968/Merkel-Frau-Hoehler-hat-da-eine-Meinung.html

Der STERN faßt das Unisono des medialen Sperrfeuers gegen Gertrud Höhler so zusammen:

Der „Spiegel“ interpretierte Höhlers Buch als Rache einer Frustrierten, die unter Kohl noch eine geschätzte Beraterin und Anwärterin auf einen Ministerposten war, von Merkel aber nicht weiter beachtet wird. Die „Süddeutsche Zeitung“ legte nach, und beschrieb auf der Reportageseite, wie Höhler zwei Mal kurz davor war, ein Interview abzubrechen, nur weil sie nach ihrem persönlichen Verhältnis zu Merkel gefragt wird.

Den Vorwurf, sie schlage allein aus persönlicher Eitelkeit um sich, empfindet Höhler als Beleidigung. Diese Deutung will sie unter allen Umständen unterbinden.

http://www.stern.de/politik/deutschland/die-patin-ueber-angela-merkel-gertrud-hoehlers-furor-1883460.html

Und selbstredend schließt sich der STERN dem medialen Mainstream an, der ihr Buch: ›Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut‹ ebenfalls als Dokument des Neides und der Stutenbissigkeit diskreditiert und den Furor verstörend findet, der dieses Buch antreibt – einen deutschen Verleger hätte es wohl kaum gefunden. Glücklicherweise war der Schweizer Verlag Orell Füssli mutig, unabhängig und geschäftstüchtig genug, die ewige Kumpanei zwischen Verlagen und Presse, wie sie in Deutschland dank der großen Konzerne gang und gäbe ist, zu durchbrechen und auf Lobeshymnen zu pfeifen. Auch schrille Begleitmusik fördert den Verkauf.

Der von der deutschen Presse reflexhaft aufgespannte Rettungsschirm für Angela Merkel ist mehr als nur nachvollziehbar. Die Denkverbote, die sich aus dem feministischen Mainstream der zur Mittelschicht zugehörigen Journaille ergeben, lassen es schlicht nicht zu, einen weiblichen Kanzler fundamental zu kritisieren. Und überhaupt muß ein solch engagiertes Buch wie das von Höhler die Defizite der eigenen Schreibe geradezu schmerzhaft vor Augen führen: die mediale Kritik an der Kanzlerin ist so harm- und zahnlos wie seinerzeit der gängige Birne-Spott gegen den gleicherweise machtversessenen Helmut Kohl, der nur von seiner kongenialen Ziehtochter Angela gestürzt werden konnte. Die macht es allerdings besser als er – sie hat weder Ziehsöhne noch Ziehtöchter, und Politiker ihrer eigenen Generation hat sie gezielt entsorgt, zuletzt in unnachahmlicher Manier den ihr zu gefährlich erscheinenden Umweltminister Norbert Röttgen. Der kann, im Gegensatz zu ihr, wenigstens reden. Sein Nachfolger, der eher mit Homestories und erwartungsdämpfender PR denn mit gestaltender Politik auf sich aufmerksam macht, ist haargenau eines jener loyalen Beta-Männchen, mit denen sie sich aus Gründen gern umgibt.

In dieser dumpfen Abwesenheitsperiode des kritischen Geistes verhalten sich ehedem geachtete Blätter wie die SÜDDEUTSCHE affirmativ und agieren als PR-Soldaten für Angela Merkel – das muß doch möglich sein, von ihr auf ein paar Promi-Fragen endlich einmal menschelnde Antworten zu erhalten – da muß es doch mehr als nur eine Machtmaschine geben:

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/37939

Das Experiment ist allerdings gründlich mißlungen, öde und spröde kommen die wortkargen Antworten daher – Wahlkampfrhetorik aus der Retorte.

Es bleibt also konservativen, plumpem Feminismus abholden und nicht allzusehr in den kommerziellen Presse-Betrieb eingebundenen Frauen vorbehalten, sich laut und deutlich gegen Angela Merkel zu positionieren. Den Anfang machte im Februar 2011 Cora Stephan mit ihrem Buch: ›Angela Merkel. Ein Irrtum‹:

Angela Merkel ist nach Rot-Grün 2005 die Hoffnungsträgerin der Eliten, weit über das klassische CDU-Spektrum hinaus. Welch ein Irrtum. Auch wenn die Kanzlerin im Ausland eine gute Figur macht, im Lande selbst nimmt man sie nur noch als machtversessene, lavierende und konzeptionslose Staatsmann-Darstellerin wahr.

Nach Schröder, Fischer, Lafontaine, viel Basta und Testosteron sehnten sich viele nach einer neuen Politik. Nach einem sachbezogenen Regierungsstil. Nach einer Person wie Angela Merkel, die in der DDR den Wert von Freiheit und Unangepasstheit schätzen gelernt hat. Und endlich nach einer Frau im Amt. Die Physikerin Merkel machte Hoffnung auf eine Berliner Republik ohne Klientelpolitik, Mackertum und Lagerwahlkampf. Doch es ist alles beim Alten geblieben. Keine Reformen, nur Stillstand, keine Problemlösungen, nur Parolen. Kein Gedanke an die Zukunft, nur Wahlgeschenke zur Machtsicherung. An der Spitze eine ihre Macht bloß noch verwaltende verkrampfte Einzelkämpferin. Und deshalb sagt eine, die Angela Merkel einst gewählt hat, heute: »Basta, Frau Merkel!« Gewiss, da ist auch enttäuschte Liebe im Spiel. Cora Stephans schonungslose Analyse von Aufstieg und Fall der Angela Merkel ist radikal und subjektiv zugleich und spricht damit vielen aus der Seele.

Die erste persönliche Abrechnung mit Angela Merkel.

http://www.amazon.de/Angela-Merkel-Irrtum-Cora-Stephan/dp/3813504166

6.3.2011

Enttäuschte Liebe

Cora Stephan: „Angela Merkel. Ein Irrtum!“

Rezensiert von Reinhard Mohr

[…]

Heute nun, Jahrzehnte später, gilt es, einen neuen, ganz anderen Irrtum einzugestehen: „Angela Merkel. Ein Irrtum“ heißt Cora Stephans Abrechnung mit der Kanzlerin, die sich vom „funkensprühenden Rohdiamanten“ zur „stumpfen Murmel“ gewandelt habe: „Wohl selten hat jemand so anspruchslos vor sich hin regiert“, resümiert die enttäuschte Wählerin, die selbst von „enttäuschter Liebe“ spricht. Es wird sich irgendwie durchgewurstelt, bis Politik endgültig zum „alternativlosen“ Geschäft geworden ist, das man am besten gleich „Mutti“ überlässt. Um die Sache streitende Parteien braucht’s dann auch nicht mehr, Argumente und offene Diskussion schon gar nicht.

„There is no alternative“, kurz T.i.n.a. So lautet das Standardprogramm des organisierten politischen Stillstands.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1403452/

Seitdem hat sich das trostlose Erscheinungsbild einer überzeugungslosen Durchlaviererei noch weiter verfestigt, die aus dem Tritt geratenen Koalitionspartner CSU und FDP werden mit abstrusen Zugeständnissen ruhiggestellt, die Opposition gibt sich europapolitisch staatstragend, die Presse hat sich von der Kunst der grundlegenden Analyse verabschiedet und erschöpft sich in quotenträchtigen Skandalisierungs-Hypes.

Nun also hat sich Gertrud Höhler zu Wort gemeldet, und verknüpft Cora Stephans zutreffende Analyse der Person und des Wirkens von Angela Merkel kausal mit den zeitgleich zu beobachtenden Phänomenen von Politik(er)verdrossenheit, Demokratieabbau, Verfassungsverstößen und Rechtsbrüchen. (Das wäre noch zu untersuchen, ob unter der Kanzlerschaft Merkel nicht alle Rekorde gebrochen wurden, was die Aufhebung verfassungswidriger Gesetze durch das BVerfG anbelangt. Gefühlt: Ja, durchaus.) Die FAZ hat sehr klug gehandelt, als sie einen kleinen Vorabdruck aus dem Buch ›Die Patin‹ von Gertrud Höhler brachte:

Der Politikstil der Kanzlerin

Das System M

02.08.2012 ·  Mit Angela Merkel kam die Relativierung von Werten in die Politik. Ihre Führung lebt von den Missverständnissen, die über sie in Umlauf sind. So arbeitet sie am Zerfall der Demokratie.

Von Gertrud Höhler

Niemand unter den Tätern, die Europa durch Rechtsbrüche und Verfassungsverstöße retten wollen, bringt für diese lautlose Sprengung der Pfeiler, auf denen Europa und seine Staaten ruhten, eine so natürliche Qualifikation mit wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Die Ironie der Geschichte machte sie genau deshalb zur „Königin von Europa“, weil ihre Unbefangenheit beim Abbruchunternehmen Euro-Rettung von den beklommenen Vollstreckern als Überlegenheit erlebt wird. „Die Werte der anderen“ haben für die deutsche Chefin keinerlei Verbindlichkeit. So wird die Kanzlerin zur Protagonistin in einem dämonischen Spiel, das die „Rettung Europas“ zu einem absurden Preis auslobt: alle Spielregeln zu brechen, die den Geist von Europa garantieren. Die Stabilität des Kontinents wird nur noch über Geldwerte definiert. Der Irrtum am Start der Währungsunion wird damit wieder handlungsleitend; das geheime Motto lautet: Wir kaufen Europa.

Die Kanzlerin hat mit einer Rechtzeitigkeit die Szene betreten, die wir Zufall nennen können. Ob ohne diese unbeschwerte „gute Patin von Europa“ („Bild“ am 28. Oktober 2011) die deutsche Politik und ihre Dominanz im europäischen Projekt genauso aussähe, darf bezweifelt werden. „Führung“, wie die Kanzlerin sie praktiziert, ist ein zuverlässig codiertes Undercover-Stück, das von den Missverständnissen der Beobachter lebt. Jahrelang hat die Presse sich mit der Frage beschäftigt, ob sie besonders gut oder eher schlecht oder vielleicht gar nicht führt. In Wahrheit hat Merkel ein autokratisches System entwickelt, das von den Vorurteilen der Beobachter profitiert: Autoritäres Schweigen ist in diesen Vorurteilen nicht verzeichnet. Genau das praktiziert die Kanzlerin mit wachsendem Erfolg.

[…]

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/der-politikstil-der-kanzlerin-das-system-m-11841711.html

Auch Nicht-Konservative können sich dieser Analyse anschließen: ob Merkel sich als Präsidenten-Macherin oder -verhinderin betätigt, Rüstungsexporte in Spannungsgebiete ermöglicht oder Energiewenden per Abschaltungsverfügung ohne ausreichende Rechtsgrundlage einleitet (und gar die eine Ministerin nach der Frauenquote rufen läßt, während sie die andere gegen deren Willen dazu verdonnert, aus Koalitionszwängen ein sinnfreies Betreuungsgeld auf den Weg zu bringen) – nie wird etwas erklärt, niemals liegt diesen Entscheidungen eine innere Werte-Überzeugung zugrunde, wie es auch der gegen ihren Willen von der FDP installierte Bundespräsident Gauck, sozusagen ihr natürlicher Gegenspieler, moniert.

Gertrud Höhler ruft: ›Die Kaiserin ist nackt!‹ – ihre Partei, die CDU, schweigt betreten, denn niemand will es sich mit der Kanzlerin verderben, von der auch die eigene Karriere abhängt, und die wegen ihrer Leisetreterei beschämte Presse spammt ad hominem gegen die einsame Ruferin:

Irgendwann zischt sie nur noch. Ihr Kiefermuskel spannt sich an und das „S“ betont sie scharf: „So“, sagt Gertrud Höhler und beschließt damit jenen Satz, der erklären soll, an wen sich ihr Buch über Angela Merkel richten soll. „Für alle, die die Faust in der Tasche haben.“ So steht es auch als Widmung in ihrem Buch. Den gerechten Zorn müsse man entwickeln und ihn auch rauslassen – „als Warnung“. Und Gertrud Höhler hat die Faust ausgepackt und ihre Wut in Buchform gepresst. „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“, so hat sie ihr Werk betitelt und zeigt auf dem Cover einen Schattenriss der Kanzlerin – die Anmutung der dunklen Seite der Macht.

[…]

Mit einem politischen Amt, einem Ministerposten, hat es nie geklappt. Sie selbst reagiert erbost auf den Vorwurf, ihr Buch sei nur eine persönliche Abrechnung mit Angela Merkel. Ganze Interviews lässt sie platzen, wenn sie ihr zu sehr auf diesen Punkt zugespitzt sind.

[…]

Merkel wird all diese Kritik sehr wohl registrieren, in Angst und Schrecken wird es sie nicht versetzen. Das Magazin „Forbes“ hat sie gerade erst wieder zur mächtigsten Frau der Welt gekürt – und das zählt in einer Partei, die gerne an der Macht ist und bleiben will, dann doch mehr als eine überdrehte Kritikerin und ihre Freunde.

http://www.tagesspiegel.de/politik/hoehler-schlarmann-und-co-angela-merkel-ist-nicht-zu-fassen/7047562.html

Ja, selbstverständlich geht es Merkel und ihrer CDU nur um Macht und Machterhalt – das ist ja gerade der Kernpunkt von Höhlers Kritik… Die kann eine Presse, der es selbst um Meinungsmacht und -mache geht, natürlich nicht teilen. Besonders läppisch kanzelt SPON, die BILD-Tochter des SPIEGEL, die Kritikerin ab:

Wie kann jemand, der die Regierungschefin in Grund und Boden schreibt, kein tiefergehendes Problem mit ihr haben? Die Frage steht im Raum, sie wird gestellt, immer wieder. „Es gibt keine Fehde, es gibt sie nicht!“, bricht es irgendwann aus Höhler heraus.

Auch ein Versuch des Moderators nach Verständigung geht daneben. Viele Anwesende seien interessiert am Verhältnis der Autorin zur Kanzlerin. Es sei schließlich „nicht gerade ein lobhudelndes Buch“ entstanden. Da erstarrt Höhlers Gesicht. „Ich wollte über das Buch referieren und hatte gerade damit begonnen“, sagt sie mit eisiger Stimme. Der Moderator schweigt erstmal.

[…]

Die Berichterstatterin meldet sich noch einmal: Ob Höhler das wirklich so gemeint habe, dass Ostdeutsche generell leidenschaftslos seien?

Höhler sagt, sie könne sich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben. Dabei fiel der Satz vor 20 Minuten, alle haben ihn mitgeschrieben: Merkel besitze „eine Coolness, eine Wertneutralität, eine Leidenschaftslosigkeit, die vielen Westbürgern fremd war“. Aber nein, daraus eine Ost-Legende zu generieren, das sei weit hergeholt, meint Höhler, und hat einen kühlen Rat parat: „Lesen Sie doch einfach das Buch.“

Mit Material von dpa und dapd

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-patin-gertrud-hoehler-stellt-ihr-buch-ueber-angela-merkel-vor-a-851709.html

Ja, so ist das wirklich, Journalisten haben keine Zeit, Bücher zu lesen, und verdrehen Interviewten gern das Wort im Munde, so viel Boulevard muß sein – da hat die SPON-Autorin mit ihrem Bericht von der Pressekonferenz, die eher einem suggestiven Verhör voreingenommener Staatsanwälte glich, ein perfektes Eigentor geschossen; und so durfte auch der Merkel-Biograph Gerd Langguth bei SPON den originellen Einwand gegen die Autorin erheben, daß die Medien ihr immerfort den Titel ›Kanzlerberaterin‹ beilegten, obwohl in den Archiven so gut wie nichts über eine entsprechende Tätigkeit für Helmut Kohl zu finden sei…

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gertrud-hoehler-zweifel-an-ihrer-taetigkeit-als-kohls-kanzlerberaterin-a-851820.html

Diese substanzlose Attacke erstaunt umso mehr, als Langguth schon im Jahr 2005, noch vor der Kanzlerschaft Angela Merkels, zu vergleichbaren Ergebnissen über Angela Merkel und ihren Weg an die Macht gekommen war:

Angela Merkel strebt nach Macht, bekennt sich dazu, lässt aber die Frage: „Macht, wozu?“ unbeantwortet. Auch für diese Zurückhaltung, sich festzulegen, klar Position zu beziehen, findet Langguth Erklärungen in ihrer Biografie. Sie habe als Teil der Gefahrenabwehr in einer Diktatur gelernt, nie zu offenbaren, was sie wirklich denkt. Sie könne daran allerdings auch scheitern, wenn es ihr nicht gelinge, sich ein tragfähiges Netzwerk an guten Freunden oder Vertrauten zu schaffen.

[…]

In wieweit Angela Merkel das Christdemokratische oder Konservative in der CDU verkörpere, beantwortet Gerd Langguth so:

Langguth: Dies ist eine generelle Frage: Was ist eigentlich heute in einer Zeit der Säkularisierung noch typisch christdemokratisch oder typisch sozialdemokratisch. Sie entspricht in ihren politischen Grundüberzeugungen eigentlich sogar sehr viel stärker dem normalen Typus des Wechselwählers, der auch in vielen Punkten gar nicht so sehr festgelegt ist. Sie kann sehr schnell, wenn es sein muss, inhaltlich die Positionen wechseln. Sie ist unideologisch und sie ist pragmatisch. Das ist ein Vorteil, aber auch ein Nachteil zugleich. Denn natürlich muss sie auch als Parteivorsitzende einer christlich-demokratischen Partei dieser ein prägnantes christlich-demokratisches Profil geben.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesbuch/389027/

Gertrud Höhler bestätigt demnach nur, wie zutreffend seine damaligen Einschätzungen waren – das sieben Jahre später vorliegende Beweismaterial ist schließlich erdrückend. War der Politik-Professor eventuell neidisch auf die Literatur-Professorin, die sich so blendend artikulieren kann? Brillanter als ein dröger Politikwissenschaftler? Man wird ja wohl noch fragen dürfen.

Den vorläufigen Höhepunkt in der Kanzlerin-Verteidigungsschlacht der Presse lieferte bislang allerdings der öffentlich-rechtliche Rundfunk ab, was zwar nicht weiter erstaunt angesichts der parteipolitischen Einflußnahme auf die Sender, die sich der Macht gern gefällig zeigen. Aber die Mischung aus Larmoyanz, Hochmut und Drohung, die den offenen Brief von Armin Conrad an Frau Höhler vom 23.8.2012 auszeichnet, übersteigt dann doch das Vorstellungsvermögen des gebührenzahlenden Zuschauers, der das ZDF/3sat-Kulturfernsehen bislang für unverdächtig hielt, mit boulevardesken Überrumpelungsmanövern zu arbeiten.

Das hier war laut ZDF/3sat geschehen (und es muß ja stimmen, wenn es fettgedruckt auf dem Sender-Blog steht):

Die Publizistin und Literaturwissenschaftlerin Professor Gertrud Höhler hat am 22. August 2012 unmittelbar vor einem Schalt-Interview mit Kulturzeit-Moderatorin Cécile Schortmann das zugeschaltete Studio in Berlin verlassen, nachdem sie die Fragen, die wir ihr stellen wollten, angefordert und zu lesen bekommen hatte. Kulturzeit-Redaktionsleiter Armin Conrad hat dazu einen Brief an Frau Professor Dr. Höhler verfasst.

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Aber vielleicht ist es auch nicht so geschehen – denn am 24.8.2012 hat sich Claudia Cornelsen, Autorin und PR-Beraterin, zu Wort gemeldet und erklärt, daß Frau Höhler die ihr zu stellenden Fragen keineswegs angefordert habe. Ihr Kommentar ist bislang nicht kommentiert worden, was tief blicken läßt.

Armin Conrad tritt dennoch nach, allerdings ins Leere, denn Frau Höhler, so Cornelsen, verfügt über keinen Internetanschluß – ja, sowas gibt’s auch noch.

Hochverehrte Frau Professor Dr. Höhler, …

… jetzt ist das mit Ihnen für gestern vereinbarte Interview doch nicht zustande gekommen. Wir haben die Empörung auf Ihrem Gesicht mit angesehen, die Sie bei der Lektüre unserer Ihnen freundlicherweise vorher zur Verfügung gestellten Fragen empfunden haben. Uns sind nach Ihrem fulminanten Artikel in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 3. August 2012 leider keine besseren Fragen eingefallen. Das Problem war wohl, wofür wir eigentlich nichts können, dass Ihr sicherlich ebenso fulminantes Buch “Die Patin” erst morgen, am Freitag, den 24. August, erscheint und uns Ihr Verlag bis gestern leider keine Fahnen zur Verfügung stellen konnte. Das ist ja das Dilemma: Dass man zu einem gescheiten Buch, das man nicht gelesen hat, keine gescheiten Fragen stellen kann. Und das ist gerade bezogen auf Ihre sicher sehr edlen Gedanken besonders schlimm.

[…]

Wir wissen, dass es auch andere Wege gibt, einem Interview die gewünschte intellektuelle Harmonie zu geben. Niedersachsens Ministerpräsident hat sich die Fragen, die man an ihn haben sollte, gleich selbst gestellt, sie beantwortet und dann das fertige Produkt an die Medien geschickt. Vielleicht ist da ja ein Modell, wenn Sie Ihr nächstes Buch schreiben.

[…]

Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind wir ja gehalten, mit den uns anvertrauten Gebührengeldern sparsam umzugehen. Das haben wir gestern nicht einlösen können. Aber seien Sie versichert: Wir haben den Reflex, Ihnen wegen Nichteinhaltung getroffener Absprachen eine Rechnung über die uns entstandenen Aufwendungen zuzusenden, sofort unterdrückt.

Es bedarf sicher keiner Erwähnung mehr, dass wir künftig auf jede Mitwirkung Ihrer Person in unserer Sendung verzichten werden. Es ist gut zu wissen, dass das deutsche Fernsehen,  in dessen Gesprächsformaten Sie ja seit Jahrzehnten zu Hause und dabei hoch angesehen sind, Ihnen genügend andere Gelegenheiten gibt, sich darzustellen. Hoffentlich werden dort die der Qualität Ihrer Gedanken angemessenen Fragen gestellt.

[…]

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

In einer Antwort auf einen kritischen Kommentar hat Conrad am 23.8.2012 weiter ausgeführt:

 […]

Frau Höhler ist Fernsehprofi durch und durch. Sie kann über die Formulierung von Fragen bei diesem aufgezeichneten (!) Gespräch mit der Fragerin streiten. Sie kann auch vorher schon abgesagt haben. Frau Höhler hat jedoch wortlos bis vor sich hin schimpfend, ohne mit der Redaktion, die sie eingeladen hat, den Raum verlassen. Die Gefährdung der eine Stunde später stattfindenden Sendung folgte auf dem Fuße. Beitrag neu gestalten, Ablauf umstricken, neue Stellproben, Bilder neu laden. und das alles weitgehend in die Tarifpause der Kollegen im Studiobetrieb hinein. Aus ihrer Axiomatik heraus hat sie sicher die richtige Entscheidung getroffen, aber eben nur daraus. Hoffentlich ist sie zufrieden mit ihrer Entscheidung, dann muss man darüber nicht mehr soviel reden. Würden Sie denn jemanden wieder einladen, der Ihnen abrupt Ihre Arbeitsergebnisse gefährdet. Nicht nur die zu diesem Thema. Beste Grüße, Armin Conrad

[3sat] Armin Conrad | 23. August 2012 | 17:19 |

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Eine Direktverlinkung auf den Kommentar ist leider nicht möglich. Fein, wie sehr der Herr Conrad die effektive Verwendung unserer Gebühren im Auge hat, wie sehr ihm die tariflichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter am Herzen liegen, und wie gründlich und zugleich flott in seiner Redaktion gearbeitet wird, die einer Autorin mit acht ächt kritischen Fragen zu Leibe rückt, ohne das betreffende Buch gelesen zu haben! Hach, wäre das toll gewesen, als erster schon am 22.8., vor Sperrfristablauf des erst am 24.8.2012 erscheinenden Buchs, berichten zu können. Und wie super sich das anfühlt, eine Autorin abzuwatschen und ihr für immer die Tür zu weisen; da sieht man doch gleich, wer die Macht hat und auf wen es im Literaturbetrieb ankommt: was sind denn schon Buchproduzenten gegenüber denjenigen, die Werbung für ihre Produkte machen, sei es durch Verriß & Attacke oder durch Lobhudelei? Was sind Schriften im Vergleich zu TV? Was wäre Kuhmilch ohne Molkereien?

Schon der Tonfall des düpierten Herrn Conrad ist entlarvend. Liest man dann, wie das Geschehen aus der unwidersprochenen Sicht der Betroffenen tatsächlich abgelaufen ist, wird einem flau angesichts der Methoden, die sowohl im Vorfeld als auch im Nachgang der gescheiterten Sendung von einem öffentlich-rechtlichen Sender angewandt wurden:

Claudia Cornelsen:

 […]

Im Unterschied zu Ihnen war ich live vor Ort dabei, als Frau Professor Höhler das ZDF-Studio der Sendung “Kulturzeit”(3SAT) empört verlassen hat. Ich kenne die Gründe und will Sie Ihnen gern erläutern. Es war fast so wie Sie es darstellen:
Der Redakteur Ralf Rättig hatte Frau Höhler – übrigens unaufgefordert – mit “herzlichen Grüßen” eine knappe Stunde vor der Aufzeichnung des Interviews die Fragen zugeschickt, die man ihr stellen wolle. Vier kurze sachliche Fragen, nämlich diese:
– Was kennzeichnet das System Merkel?
– Wohin steuert sie Deutschland? Gefahr für die Demokratie?
– Werterelativismus, ein Problem der CDU oder der Zeit?
– was unterscheidet das System Merkel vom System Kohl?
Als sie bereits verkabelt vor der Kamera saß, legte eine Studio-Mitarbeiterin Frau Höhler einen Zettel vor. Dies seien die Fragen, die man ihr stellen würde: Acht lange und sehr polemische Fragen, die Sie (bis auf die Korrektur der zahlreichen Grammatik- und Schreibfehler) sauber hier im Netz dokumentiert haben.
Sie müssen zugegeben, dass in Quantität und Qualität ein erheblicher Unterschied zwischen den zuerst vorgelegten Fragen und den tatsächlich beabsichtigten Fragen besteht. Allein die Masse der „echten“ Fragen übertrifft das Volumen dessen, was in einem (auf acht Minuten angesetzten) aufgezeichneten Gespräch, das später auf drei Minuten gekürzt gesendet werden soll, bewältigbar ist.
Ist das nicht seltsam? Warum sagen Sie erst A, dann B? Muss man da nicht misstrauisch werden? Wird da jemand bewusst auf eine falsche Fährte geführt? Wer mit Tricks versucht einen Gesprächspartner vor die Kamera zu locken – was führt der im Schilde?
Und bedenkt man nicht nur die Zahl der neuen Fragen, sondern auch ihre Tonart, dann muss man erheblich ins Grübeln kommen (wozu im Studio keine Minute Zeit war, weil bereits die Techniker die Geräte einschalteten):
Wie soll man mit den zahlreichen Unterstellungen, die Ihre langen Fragen enthalten, in der Kürze der Zeit umgehen? Um alles richtigzustellen, bräuchte es sehr viel länger: Nein, Frau Höhler wirft Frau Merkel NICHT unverblümt ihre DDR-Jugend vor. Nein, „autoritäres Schweigen“ ist NICHT dasselbe wie „Aussitzen“. Nein, das Buch ist KEINE persönliche Kampfansage gegen Frau Merkel. usw.
Wer im allerersten Fernsehinterview (Frau Höhler hatte Ihnen das Interview in Wertschätzung Ihrer Sendung zugesagt und zwar VOR allen anderen Fernsehsendern in Deutschland, die ebenfalls alle angefragt hatten, sich aber alle bis zum offiziellen Pressegespräch am Folgetag gedulden mussten) nicht ausschließlich als „Nein-Sagerin“ auftreten will, der MUSS an dieser Stelle aufstehen und das Gespräch abbrechen. Das ist das einzig richtige und angemessene. Ich habe Frau Höhler deswegen sehr zugeraten, das zu tun. Sie hat nur einmal “Nein” gesagt und das richtig.

[…]

PS: Frau Höhler hatten Sie gesagt, dass die Sendung erst am Freitag [24.8.2012] laufe und allein aus technischen Gründen vorab aufgezeichnet werden müsse. Dass Sie vorhatten, das Interview bereits am Mittwochabend [22.8.2012] zu senden, erfahre ich jetzt erst anhand Ihrer Kommentare zu den Blogkommentaren: „Die Gefährdung der eine Stunde später stattfindenden Sendung folgte auf dem Fuße. Beitrag neu gestalten, Ablauf umstricken, neue Stellproben, Bilder neu laden. und das alles weitgehend in die Tarifpause der Kollegen im Studiobetrieb hinein.“ – Sie Ärmster. Da wollten Sie still und heimlich die allseits beachtete Sperrfrist unterlaufen und jetzt kommt auch das noch raus…

Claudia Cornelsen | 24. August 2012 | 16:31 |

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Die geballte Arroganz der vermeintlichen Medienmacht hat es vermocht, dieses wichtige Buch in kürzester Frist auf einen Bestseller-Rang zu katapultieren (wie ja auch bereits – mal wieder – die überwiegend kritischen Leserkommentare zu den flachen Zickenkrieg-Artikeln unserer Qualitätsmedien andeuteten, deren Affinität zum ›System M‹ unverkennbar ist – es wird dort vermutlich ebenfalls praktiziert, anders läßt sich die Abwesenheit von klugen Köpfen einfach nicht mehr erklären). Bei AMAZON rangiert das Höhler-Werk heute unter Nr. 8 bei Büchern und als Nr. 1 in den Kategorien Politik/Geschichte nach Ländern bzw. Deutsche Politik.

Mephisto läßt grüßen…