Fortsetzung von:
›Der Kaiser ist nackt‹, hatte ich getitelt und dabei auf die völlige Unbrauchbarkeit der Stellungnahme der Forensik des BKH durch dessen Oberarzt Dr. Zappe gezielt, der weisungsgemäß seinen nicht mehr in Erscheinung tretenden Chef Dr. Klaus Leipziger vertritt & verteidigt. Um nichts anderes geht es mehr in der Bayreuther Forensik: um Gesichtswahrung.
Das ist wohl noch das Beste, das man über den erst am 29.4.2013 bekanntgegebenen Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 26.4.2013 sagen kann: daß er die größte anzunehmende Klatsche für die Leitung der Forensik in Bayreuth ist: nichts, aber auch gar nichts hat die Klinik dem Gericht an die Hand gegeben, um die für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben zu beantwortenden Fragen entscheiden zu können – Dr. Zappe hat offenbar auch in der mündlichen Anhörung vom 18.4.2013 kläglich versagt. His master’s voice eben. Was kann man da schon erwarten?
So stellt die Pressemitteilung des Landgerichts ihren Auftrag an Prof. Dr. Pfäfflin öffentlich dar:
Mit Beschluss vom 26. April hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth beschlossen, eine ergänzende Stellungnahme des zuletzt mit der Begutachtung des Untergebrachten befassten psychiatrischen Sachverständigen einzuholen.
Der Sachverständige soll die Fragen beantworten, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Untergebrachte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sein werden, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden.
Vergessen wurde bei diesem Auftrag an den Sachverständigen noch die vom BVerfG (mit direkter Adressierung an die nicht zum ersten Mal versagende StVK Bayreuth)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php
geforderte weitere Aufklärung:
“Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung damit, inwieweit etwaigen Gefahren durch geeignete Auflagen entgegengewirkt werden könnte.” (Rn. 25).
http://blog.delegibus.com/2013/04/14/fall-mollath-bewegt-sich-der-fels-in-der-brandung/
Immerhin, ein Teil der Botschaft des in Bayern nicht nur durch die Ministerin mißtrauisch beäugten BVerfG ist angekommen. Und die Forensikleitung des BKH steht vor aller Augen bedröppelt da: muß sie sich doch öffentlich schelten lassen, daß sie Murks abgeliefert hat, mit dem das Gericht zurecht nichts anfangen kann.
Was sie abgeliefert hat, sind recht eigentlich Dokumente ihrer narzißtischen Kränkung. Das trifft schließlich bis ins Mark, daß ihr Leiter bei seiner Wahndiagnose von falschen Tatsachen ausgegangen ist (die er mit einem schlichten Telefonat mit Dr. Wörthmüller hätte klären können), ja, daß er die Akten nur oberflächlich auf der Suche nach Diskreditierendem zuungunsten von Mollath überflogen hat, sonst wäre ihm die Befangenheitserklärung von Dr. Wörthmüller ja ins Auge gesprungen. Und nun ist der renitente Gustl Mollath auch noch der berühmteste ›Patient‹, der die Öffentlichkeit mobilisieren konnte und dem ein ›Starverteidiger‹ zur Seite steht. Die üblichen Sanktionen im Maßregelvollzug wegen Verstoßes gegen Sicherheit und Ordnung der Einrichtung oder wegen vorgeblicher ›Gesundheitsfürsorge‹ stehen daher nicht mehr zur Verfügung: Entzug von Grundgesetz, Post, Aktenmaterial, Telefonaten, Fernseher und Einzelzimmer, Verlegung auf ein Mehrbettzimmer mit durchgedrehten Gewalttätern, 23-Stunden-am-Tag-Isolationszelle, euphemistisch ›Kriseninterventionsabteilung‹ genannt, Fixierung und Zwangsmedikation zur Ruhigstellung, Hand- und Fußfesselung beim Hofgang – was würde das für einen Eindruck machen, käme das an die Öffentlichkeit?
Wegen der öffentlichen Beobachtung entfallen diese Möglichkeiten der Disziplinierung. Da bleibt nur der Rückgriff auf parteiisch wertende ›Dokumentationen‹ des Pflegepersonals, das als unterstes Glied der Hierarchie weiß, was von ihm erwartet wird, und ein noch hilfloserer Rückgriff auf das unzulängliche Eingangsgutachten des Chefs aus dem Jahr 2005, aus dem sich die aktuelle Gefährlichkeit quasi wie von selbst ergibt. Bislang hatte das die Haus-StVK ja immerhin geschluckt.
Ein intellektuelles Armutszeugnis sondergleichen. Für beide Parteien, das BKH Bayreuth wie die StVK Bayreuth. Politisch erwünschte Routine im Dienst des Sicherungsbedürfnisses der Öffentlichkeit statt Erkenntnisinteresse.
Nun soll es also Prof. Dr. Pfäfflin richten. Der darf allerdings nicht ergebnisoffen die aktuelle Aktenlage begutachten, sondern der kriegt Vorgaben:
Die Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige haben dabei weiterhin davon auszugehen, dass der Untergebrachte die Taten, wegen derer das Landgericht Nürnberg-Fürth am 08.08.2006 rechtskräftig die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat, begangen hat.
Wie das? Weiß die StVK nicht, daß es keine Bindung an die Urteilsfeststellungen gibt? Weiß sie nicht, daß auch in der Vollstreckung Wahrheit und Aufklärung Grundlage der Entscheidung ist?
Hinsichtlich dieser entscheidenden Frage muß es Nachfragen gegeben haben, die der bedauernswerte Sprecher des LG Bayreuth so beantwortet hat:
Der Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, Thomas Goger, sagte gegenüber Telepolis, dass die Strafvollstreckungskammer und der Gutachter das rechtskräftige Urteil halten müssten und dass die Wiederaufnahmeanträge alleine schon von Gesetzes wegen nicht berücksichtigt werden dürften. „Die Wiederaufnahmeanträge sind, wie der Name schon sagt, nur Anträge, über die ein Gericht noch nicht entschieden hat.“
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154194
Diese unedle Selbstbeschränkung ist natürlich daneben: wenn sich aus Wiederaufnahmeanträgen neue Fakten ergeben, sind diese selbstverständlich zu berücksichtigen – sowohl durch die Strafvollstreckungskammer als auch durch den Sachverständigen. Offenbar ist auch die Kammer auf Gesichtswahrung aus und ignoriert diese Fakten – soll doch das Landgericht Regensburg entscheiden. Mir san mir und folgen blind den Psychiatern, wie wir das immer getan haben.
Von Prof. Dr. Pfäfflin erwartet die Kammer Vollzug. Hatte er doch schon im Jahr 2011 trotz positiver Erkenntnisse über Gustl Mollath sich dann doch in widersprüchlichster Weise Dr. Leipzigers Diagnose angeschlossen und war in der Anhörung von der unzureichenden schriftlichen Prognose bloß möglicher weiterer einschlägiger Straftaten unbegründet auf die Prognose einer hohen Wahrscheinlichkeit umgeschwenkt, was von der StVK erfreut und unkritisiert genauso übernommen wurde wie vom OLG Bamberg, dessen Vizepräsident gern das Grußwort zu Dr. Leipzigers alljährlichen ›Bayreuther Forensiktagungen‹ spricht.
http://www.gustl-for-help.de/download/2012-01-11-Kleine-Cosack-Verfassungsbeschwerde.pdf
Da könnten sie sich allerdings irren. Schließlich hatte Pfäfflin in seinem Gutachten vom 12.2.2011 Folgendes vermerkt:
-
2011-02-12 „Die Überprüfung, ob sich Herr M. aufgrund eines Komplotts im MRV [Maßregelvollzug] befindet, und ob ihm die dem Urteil zugrunde liegenden Taten zu Unrecht unterstellt wurden, ist nicht Sache des Gutachters. Ungeachtet dieser Feststellung müsste im Gutachten selbstverständlich darauf aufmerksam gemacht werden, wenn im Rahmen der Untersuchung Informationen auftauchten, die zum Zeitpunkt des Einweisungsurteils noch nicht bekannt waren und die Zweifel an der Täterschaft des Begutachteten begründen. Entsprechende neue Unterlagen bzw. Informationen hat Herr M. mir nicht vorgelegt.“ [Zitate Prof. Pfäfflin aus seinem Gutachten]
Anders als die Strafvollstreckungskammer dürfte der Sachverständige daher nach Kenntnisnahme der neuen Aktenlage zutreffend bewerten können, welche neuen Informationen Tatsachencharakter haben und welche der Wertung bedürfen. Was die Destruierung des Eingangsgutachtens von Dr. Leipziger angeht, so hat Prof. Dr. Friedemann Pfäfflin auch nach der Auftragserteilung durch das Gericht freie Bahn. Denn ohne Diagnose keine Prognose.
Eigentlich ist Friedemann Pfäfflin jetzt unabhängig genug, um, anders als im Jahr 2011, frei urteilen zu können. Er, der im Jahr 1945 Geborene (vertraut man Wikipedia, was immer gefährlich ist), ist nicht mehr institutionell gebunden. Die von ihm noch 2011 geleitete Abteilung ›Forensische Psychotherapie‹ wird von der Universitätsklinik Ulm jetzt als ›frühere‹ bezeichnet, existiert also nicht mehr.
Pfäfflin war immer nur an Psychoanalyse und Sexualität, insbesondere an Transgender, interessiert: es ist mir ein Rätsel, warum Mollaths damalige Verteidiger auf ihn als Mollath-Gutachter verfielen. Mit Maßregelvollzug und Wahn hat er sich praktisch nie beschäftigt.
Hier seine aktuellen Vorlesungstermine, bei denen es vorwiegend um Psychoanalyse geht:
http://www.ulm.dpv-psa.de/html/semesterprogramm.pdf
Hier eine zeitnahe Stellungnahme zur Transsexualität aus dem Jahr 2011:
http://mut23.de/texte/Pfaefflin2011_AbschaffungTSG.pdf
(MIt seiner feministischen Gender-Einstellung des anything-goes hat er sich im Kreis der Betroffenen, die sich von Natur aus im falschen Körper gefangen fühlen und darunter leiden, einige Feinde zugezogen. Seine Schlußfolgerungen erfreuen sie trotz seines falschen Ansatzes dennoch. So kann es kommen.)
Den Tendenzen, die verfassungs- und menschenrechtswidrige Sicherungsverwahrung über das Konstrukt einer „psychischen Störung“ klammheimlich fortzusetzen, begegnet er – zutreffend – kritisch
12.5.2012:
Professor Dr. Friedemann Pfäfflin von der Universität Ulm warnte vor einer „Übertherapierung“ in der Sicherungsverwahrung. Diese Personengruppe brauche vor allen Dingen lebenspraktische Hilfe und nicht die x-te Therapie. Zuvor hatte er anhand von anonymisierten Fallbeispielen aus dem Maßregelvollzug die Flut von Gutachten kritisiert, die meistens dazu führe, dass die Insassen weiter in der Einrichtung bleiben müssten. Die Expertisen dienten vorrangig dem Geldbeutel der Gutachter. Pfäfflin sprach sich dafür aus, die Höchstdauer der Sicherungsverwahrung wie früher auf zehn Jahre zu begrenzen.
Ja, er kritisiert auch unzulängliche Kollegen seiner Zunft, die in Gutachten unkritisch Traumatisierungen bescheinigen, ohne den Mindestanforderungen an psychiatrische Gutachten zu genügen:
Recht und Psychiatrie R & P
Sonderdruck
2012, 30. Jahrgang, 2. Vierteljahr, Seite 64 – 71
Melanie Glocker, Hans Wolfgang Gierlichs, Friedemann Pfäfflin
Zur Qualität von Gerichtsgutachten in aufenthaltsrechtlichen Verfahren
[…]
Fazit:
Neben fachlich kompetenten Gutachtern gibt es einzelne Sachverständige, die die Qualitätsstandards sowohl formal als auch inhaltlich konsequent vernachlässigen. Dieser Tatsache könnte entgegengewirkt werden, indem Gutachten nur dann vor Gericht akzeptiert und bezahlt werden, wenn sie gemäß wissenschaftlichen Standards erstellt wurden, umfassend, objektiv, nachvollziehbar und transparent sind.
Zur Qualität von Gerichtsgutachten in … – sbpm.de
Eigentlich kann man sich keinen kompetenteren Gutachter als Friedemann Pfäfflin vorstellen, der die einschränkenden Vorgaben des Landgerichts Bayreuth so subtil wie offensiv unterlaufen könnte.
Stünde dieser Einschätzung nicht sein eigenes widersprüchliches Mollath-Gutachten entgegen, über das das BVerfG leider immer noch nicht entschieden hat: denn die Weigerung der StVK Bayreuth und des OLG Bamberg, sich mit den Widersprüchen dieses Gutachtens zu befassen, ist fürwahr einer höchstrichterlichen Aufhebung wert.
Dieses inkompetente Pfäfflin-Gutachten von Februar 2011 scheint sich nämlich seinen eigenen freundschaftlichen Kontakten zu Dr. Klaus Leipziger zu verdanken.
Wie mir berichtet wurde, hat er seine Mollath-Exploration auf den 29.11.2010 gelegt. Wie er den Abend dieses Tages verbrachte, liegt nahe:
ab 19:00 Uhr
Gesellige Abendveranstaltung für Tagungsteilnehmer und Mitarbeiter der Klinik (Anmeldung erbeten)
Restaurant “OSKAR, Das Wirtshaus am Markt”
Maximilianstr. 33, 95444 Bayreuth
Da ergab sich gewiß Gelegenheit, mit Dr. Leipziger, dem Veranstalter der Tagung, die Causa Mollath privatim zu bekakeln.
Am nächsten Vormittag ergaben sich folgende Vorträge, die der lästigen Exploration terminlich vorgeordnet waren:
DIENSTAG, 30. November 2010
HAUPTPROGRAMM
09:00 Uhr Begrüßung
Dr. med. Klaus Leipziger, Bayreuth
09:10 Uhr Grußworte
Bezirkstagspäsident Dr. Günther Denzler
Dr. Ernst Tschanett,
Vizepräsident OLG Bamberg
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wolfersdorf,
Ärztlicher Direktor BKH Bayreuth
Sitzungsvorsitzende:
K. Leipziger und M. Zappe, Bayreuth
09:50 Uhr Die Qualität des Maßregelvollzugs –
ein Handlungsansatz
W. Mache, Regensburg
10:40 Uhr Aspekte der Begutachtung und
Behandlung von Sexualstraftätern
F. Pfäfflin, Ulm
11:30 Uhr PAUSE
11:45 Uhr Rückfallvermeidungs- und Kriseninterventionsplan
für entlassene Maßregelvollzugspatienten
– eine Grundlage auch
für die Arbeit in der Bewährungshilfe?
K. Leipziger, Bayreuth
Das alles einschließlich der Honorare für die Redner natürlich gesponsort durch:
Die Veranstaltung wird vom Förderverein für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth sowie den Firmen Lilly Deutschland GmbH, Janssen-Cilag und AstraZeneca GmbH unterstützt.
Ja, das wird die Frage sein: ob Prof. Dr. Friedemann Pfäfflin diesen klebrigen Abhängigkeiten entfliehen kann. Und den Ansprüchen gerecht wird, die er selbst von anderen einfordert.
Das versagende Gericht baut offenbar auf eine korrumpierte Psychiatrie. Irgendwer muß dieses perpetuum mobile durchbrechen. Es geht schließlich um ein Menschenleben.
Update (30.4.2013):
Die Dokumentation auf der Website der Kanzlei von Rechtsanwalt Strate ist erweitert worden. Und da befindet sich eine Trouvaille, die schlagartig das Biotop »forensische Psychiatrie« erhellt. Ich meine das Schreiben des Bezirkskrankenhauses Bayreuth vom 16.4.2013, das sich als „Ergänzung der Stellungnahme vom 04.03.2013“ versteht.
Hier die Stellungnahme vom 4.4.2013:
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-03-04.pdf
Und hier die Ergänzung vom 16.4.2013, die zwei Tage vor der Anhörung verfaßt wurde:
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-04-16.pdf
Die erste bot lediglich einen Verlaufsbericht, ohne Konkretes zur aktuellen Gefährlichkeitsprognose darzulegen. Insoweit war eine Ergänzung also nicht nur geboten, sondern dringend erforderlich.
Aber nein, die Ergänzung behandelt mit keinem Wort eine Gefährlichkeitsprognose. Sie bringt dem Gericht zu Gehör, was Pflegekräfte und Mitpatienten der „Referentin“, die diesen Bericht zu Papier gebracht hat – mithin die auf S. 1 benannte Leitende Oberärztin mit DDR-Diplom, die auf S. 4 rechts unterzeichnet hat – so alles in den letzten Tagen zugetragen haben. Die Klinikleitung spielt in diesem Zuträgernetz die Rolle von Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person – ohne Anhörung desjenigen, um den es geht. Audiatur et altera pars? Nie was gehört von diesem römisch-rechtlichen Grundsatz, der bis heute Bestandteil des Rechtsstaats ist. Alles, was gegen Mollath vorgebracht wird, ist per se zutreffend. So kennt man ihn, so will, ja muß man ihn haben. Schließlich ist er ein querulatorischer Wahnkranker, dessen Funktion darin besteht, als Anschauungsobjekt für die Richtigkeit des Eingangsgutachtens des Chefarztes zu dienen.
Dieser Aspekt war in der Stellungnahme vom 4.3.2013 zu kurz gekommen. Genauer gesagt: die Mitteilung von banalen Streitigkeiten im Klinikalltag ließ jeglichen Anhaltspunkt für den nun schon berüchtigten „Schwarzgeld-Wahn“, der dem „Patienten“ angeheftet worden war, vermissen.
Und dann war noch etwas passiert:
2013-03-28 Auf telefonische Nachfrage teilt Dr. Leipziger mit, dass er zwar den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme von RAin LL erhalten habe, er jedoch bei seiner Stellungnahme von den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil auszugehen habe. Im Wiederaufnahme-Antrag der Staatsanwaltschaft sei zwar u.a. die Vernehmung von Dr. Wörthmüller mit Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft enthalten, ihm selbst als Gutachter sei eine Beweiswürdigung untersagt, weshalb er sich nach wie vor an die Feststellungen des rechtskräftigen Urteils zu halten habe. Er sehe deshalb keinen Anlass, seine Stellungnahme nach Kenntnis des Antrags der Staatsanwaltschaft zu ergänzen oder zu ändern, dies sei erst möglich, wenn es juristische Feststellungen geben würde, dass Herr Mollath die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen habe.
http://www.gustl-for-help.de/chronos.html
[Nr. 157]
Das war eine rein formale Abwehr des Schreckens, den die Lektüre des Wiederaufnahmeantrags ausgelöst haben mußte – dazu noch eine falsche; denn soweit neue Tatsachen bekannt werden, sind sie dem aktuellen Gutachten zugrundezulegen. Natürlich hat Dr. Leipziger erkannt, daß mit der Aussage von Dr. Wörthmüller seine ursprüngliche originelle Diagnose „Schwarzgeldwahn“ erledigt ist.
Und so mußten seine Untergebenen nachsitzen und einen aktuellen Wahn herbeischreiben: neuer Wein in alte Schläuche. Und zwar genauso „eindrucksvoll“ wie es der „eindrucksvolle“ Wahn-Mechanismus am Beispiel des unschuldig in Mollaths Wahnsystem hineingeratenen Dr. Wörthmüller in seinem Eingangsgutachten hervorgehoben hatte.
Der neue Wahn trägt jetzt folgenden Namen: Generalisiertes Erleben von Ungerechtigkeit gegen seine Person.
Eindrucksvoll zeigen sich wieder offen die krankheitsimmanenten Denkstile und -inhalte, bei denen Herr Mollath einerseits völlig neutrale Dritte (Internist) bzw. Personen (welche nicht unmittelbar an seiner Verurteilung und Einweisung in den Maßregelvollzug beteiligt waren) in sein generalisiertes Erleben von Ungerechtigkeit gegen seine Person einbezieht.
Der Patient spricht diesbezüglich sowohl undifferenziert als auch thematisch verfehlt von einem „ganzen System und denen, die dazu gehören“. Die bei starkem Affektdruck gewählte überexzessive Sprachwahl und der verwendete Wortschatz beziehen sich überwiegend auf Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, ohne konkrete Ab- und Herleitungen zwischen dem persönlich erlebten Unrecht und dem von ihm Postulierten nachvollziehbar zu machen.
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-04-16.pdf
[S. 4]
Ich gebe zu, mit den Ab- und Herleitungen des hier Postulierten auch so meine Probleme mit deren Nachvollziehbarkeit zu haben, und bin mir überdies keineswegs sicher, wer hier die Situation kognitiv verzerrt wahrnimmt:
Berichtet werden muss, dass Herr Mollath viele Ereignisse im Stationsalltag kognitiv verzerrt wahrnimmt (u.a. Telefonannahmeproblematik, nächtliche Kontrollen durch das Pflegepersonal), auf sich bezieht (z.B. therapeutische Interventionen bei anderen Patienten) und aus dieser erheblich gestörten Realitätswahrnehmung heraus dann auch teils konkret falsche bzw. unwahre Angaben gegenüber externen Personen tätigt.
[wie vor]
Es ist nämlich so, so meint es die Klinikleitung, dass Gustl Mollath pathologisch verkennt, daß er sich in einem schützenden und stützenden Raum aufhält, in dem man gern therapeutische Bündnisse mit ihm schmieden möchte, freundlich und mit menschlicher Wärme mit ihm umgeht und unbürokratisch reagiert, wenn der Patient außerhalb der vorgeschriebenen Zeiten seine Telefonkarte austauschen möchte. Das müßte er doch einsehen, daß er Konfliktsituationen konstruiert, wenn er die Ausgabezeit verpaßt hat?
Er will es einfach nicht kapieren, daß man auf seinen leichten Schlaf bei lediglich drei nächtlichen Kontrollen keine Rücksicht nehmen kann, sind sie doch üblich, dienen seinem Schutz und werden ja auch nur von ihm kritisiert. Wie kann er die „therapeutischen Interventionen“ – wie etwa das Verbringen von Patienten in Einzelzellen, das Fixieren, das Niederspritzen, Verlegungen und Zimmerkontrollen – bei anderen Patienten bloß auf sich beziehen? Empathie ist in dieser allseits schützenden und stützenden Gemeinschaft doch gar nicht erforderlich, und der Herr Mollath soll doch froh sein, wenn und daß ihm selbst solche therapeutische Interventionen erspart bleiben.
Völlig die Realität verkennend sind seine Assoziationen an die NS-Zeit; in der bayerischen Forensik haben die Insassen schließlich Rechte, die lediglich unter dem Vorbehalt der Sicherheit und Ordnung der Einrichtung und der Gesundheitsfürsorge für den Patienten stehen. Die Klinikleitung ist der Heilung und der Menschenwürde verpflichtet und weiß daher, wie sie diese Begriffe zugunsten des Patienten mit Leben erfüllt. Bestätigt durch Bezirk, Sozialministerium und Strafvollstreckungsgerichte, die schon wissen, wer hier Querulant ist und wer nicht. In diesem paradiesischen Raum der freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben Patienten und Pfleger natürlich die Freiheit, T-Shirts mit gewissen Symbolen oder auch Frisuren zu tragen, die den Herrn Mollath wegen ihrer neonazihaften Anmutung stören. Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden. Das sollte er akzeptieren und schon gar nicht so wahnhaft wie querulatorisch-fanatisch von Äußerlichkeiten der Mode auf Gesinnungen schließen.
Langsam sollte er auch mitbekommen haben, daß der Ausdruck von Affekten durch erhobene Stimme und falsche Wortwahl in diesem aufmerksamen Umfeld als „krankheitstypische Symptome wie mangelnde Affekt- und Impulskontrolle“ (S. 3) gewertet werden, während Rückzug, Autarkie und grußloses Entgegennehmen des Morgenkaffees als fehlende Schwingungsfähigkeit interpretiert werden: wer schreibt, der bleibt. Daß er diesem Erfahrungswert immer noch nicht ausreichend Tribut zollt, belegt seine kognitive Verzerrung der Realität quasi wie von selbst.
Ganz falsch ist es übrigens, in diesem wohltuendem surrounding des Heilens und Helfens sarkastischen Humor zu demonstrieren. Nun kam die Referentin ihm schon derartig entgegen, daß sie ihm ihre Stellungnahme vom 4.3.2013 bereits am 9.4.2013 vorlegte, damit er sich dazu noch äußern konnte – und vielleicht hätte sie seine Einwände ja auch noch nachträglich berücksichtigt, wer weiß das denn schon? Da sagt dieser undankbare Mensch doch glatt, nicht ohne meine Anwältin, denn, wie gesagt, wer schreibt, der bleibt. Und dann wird er auch noch ironisch und dreht das Arzt-Patienten-Verhältnis um!
Im Kontakt musterte er die Referentin dann überdurchschnittlich lange und eingehend, lächelte dabei und erkundigte sich, ob es der Referentin gut gehe, welche Gefühle sie gerade habe.
Klicke, um auf Mollath-BKH-2013-04-16.pdf zuzugreifen
[S. 2]
Ja, da legst di nieder. Der hat den Ernst der Lage immer noch nicht kapiert, der macht immer noch Scherze. Das ist psychopathologisch höchst bedeutsam. Gehört das jetzt zu der kognitiven Verzerrung, zu der mangelnden Affektkontrolle oder konstitutiv in das Wahnkonstrukt „generalisiertes Unrechtserleben“? Egal, die Kammer wird’s schon richten. Auf die ist Verlaß. Nunja. Bisher war auf sie Verlaß. Aber nun kam ihr das BVerfG und der Staranwalt in die Quere. Das ist alles schon bitter.
So richtig stolz sind wir aber dennoch auf die neue Wahnerweiterungsdiagnose auf den harmlosen Internisten.
Am 12.04.2013 sprach Herr Mollath den auf der Station zufällig anwesenden internistischen Oberarzt an, dass er dessen Hilfe benötige. Der Angesprochene solle etwas gegen die schlechten Bedingungen hier auf Station unternehmen. Herr Mollath sei ständig den „Quälereien und dem Mobbing des Personals“ ausgesetzt; die Umstände hier hätten schon viele Menschen in den Suizid getrieben. Der internistische Kollege hatte freundlich geantwortet, dass er nur für somatische Beschwerden zuständig ist, woraufhin Herr Mollath ihm geantwortet hatte: „Dann sind sie [!] also auch einer von denen, das hätte ich mir ja denken können“.
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-04-16.pdf
[S. 3]
Jaja, das Pochen auf die Zuständigkeit und die mangelnde Empathie – so sind sie nun mal. Die da. Wofür diese Stellungnahme eine glänzende Bestätigung ist. Da kennt man den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft (was Verteidiger so pinseln, ist ja irrelevant, aber nun behauptet sogar die Staatsanwaltschaft, daß der Herr Mollath völig zu Unrecht… OMG!), weiß daher, daß der Chef falsch gelegen hat, weiß, daß an den Vorwürfen gegen Mollath nix dran ist, und tut so, als existiere das alles nicht.
Wie der Herr, so’s Gescherr: wenn die Ärzteschaft schon so mobbt wie in dieser Stellungnahme, dann doch erst recht das Fußvolk im Betrieb, das sich von oben gedeckt weiß. Das weiß man doch, daß unterbezahlte und von oben gegängelte Mitarbeiter den Druck an die Schwächeren und Schwächsten weitergeben, dem sie selbst ausgesetzt sind.
Die Eiseskälte der Leitenden Oberärztin, ihre reflexhafte auf Vermutung gründende Schuldzuweisung, ihr entlarvendes Neusprech, das als Fürsorge ausgibt, was Disziplinierung ist, kurz: das System Forensische Psychiatrie (nur in Bayern? Nur in Bayreuth?) erhellt diese Passage:
Herr Mollath sucht aktuell wieder verstärkt kognitiv unterlegene bzw. hinsichtlich therapeutischer Mitarbeit eher fragile Mitpatienten auf, um sie zu beeinflussen.
Es ist von Mitarbeitern beobachtet worden bzw. wird von Patienten konkret rückgemeldet, dass dies teilweise offen durch direkte Ansprache geschieht bzw. dass Herr Mollath wieder verstärkt diese Patienten in ihren Zimmern aufsucht.
Infolge dieses Verhaltens sind bis zum Zeitpunkt der Berichtserstattung insbesondere Patienten mit erschwerter Abgrenzfähigkeit und krankheitsbedingt herabgesetzter Affekt- und Impulskontrolle psychisch dekompensiert, haben Kontakt zu Ärzten und Pflegern abgebrochen und greifen auf Konfliktlösestrategien zurück, die durchaus selbstschädigendes Potential haben. Sie äußern sich zudem in massiv abwertender Weise z.B. über die zuständige Oberärztin der Station. Dabei fällt auf, dass bei den benannten Patienten zuvor diese Thematiken (massive Entwertung einzelner Personen) nicht inhaltlich vorhanden oder vordergründig waren.
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-04-16.pdf
[S. 1]
Klar: da gab es Patienten, deren Therapiebereitschaft nur fragil vorhanden war und deren Entwertungen des Personals nur so, nicht aber inhaltlich begründet, geäußert wurde: und an deren Weiterungen ist der Herr Mollath schuld, schließlich wurde er in den Zimmern dieser Patienten gesehen. Wer wann wie welche direkten Ansprachen Mollaths rückgemeldet hat, bleibt im Dunkel des klandestinen innerbetrieblichen IM-Systems. Aber auch diese beiden Patienten werden es noch lernen, daß es für sie günstiger ist, den Herrn Mollath zu meiden bzw. über diesen negative Berichte ans Personal zu liefern. Denn so wurden die Verweigerer sanktioniert:
Wegen von den Patienten angekündigter Gewaltdurchbrüche [was mag der wohl konkret gesagt haben?] bzw. Aufkündigung der Therapiebündnisse mussten bisher schon zwei Patienten zu ihrem Schutz (Suizidalitätsprophylaxe) [klar: bei Therapieverweigerung ist der Patient womöglich selbstmordgefährdet, denn nur die Therapie rettet ihn] und dem Schutz der Mitpatienten und Mitarbeitern [!] (Ankündigung fremdaggressiver Übergriffe) auf die Kriseninterventionsstation kurz- und mittelfristig verlegt werden.
[wie vor]
Was für ein Abgrund tut sich da auf.
Herr Dr. Leipziger hat es verständlicherweise vorgezogen, auch diesen Bericht nicht zu zeichnen, sondern sich wie bei der Stellungnahme vom 4.3.2013 durch Dr. Zappe vertreten zu lassen. Der war es dann auch, der sich bei der Anhörung vom 18.4.2013 blamierte, so daß auf den Strohhalm Prof. Pfäfflin zurückgegriffen werden mußte – falls der zusagt. Was, wenn nicht?
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-Beschluss-2013-04-26.pdf
Dann fragt die StVK den Oberstaatsanwalt Lupko, wie es weitergehen soll; dem folgt sie doch so gern.
Hier noch nachgetragen die Presseerklärung der Verteidigung: