Der Fall Mollath: Etappensieg und Raumgewinn

Rosenkrieg 2

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/26/der-fall-mollath-die-letzte-bastion/

Wie ich es am 26.7.2013 vorhergesehen hatte: die letzte Bastion, das Landgericht Regensburg, ist gefallen. Was ich in keiner Weise vorausgesehen hatte, war allerdings die Geschwindigkeit und die Entschlossenheit des 1. Strafsenats des OLG Nürnberg, mit der er diese feindliche Spielfigur vom Brett fegte.  Am 24.7.2013 war der 113-Seiten-Beschluß plus zwei Seiten Dokumente der Regensburger Kammer in der Welt, am 6.8.2013 war er schon Makulatur. Gegenüber dem Verteidiger, Rechtsanwalt Strate, hat Dr. Wankel, Vorsitzender Richter des 1. Strafsenats, dieses Vorgehen so begründet:

Heute, um 11.10 Uhr, erhielt ich einen Anruf von Herrn Dr. Wankel, dem Vorsitzenden des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg. Da es um Freiheitsrechte gehe, habe sein Senat den Eingang der Beschwerdebegründungen nicht mehr abgewartet und angesichts der Eindeutigkeit der Sachlage die Wiederaufnahme in dem Verfahren zugunsten Gustl Mollaths angeordnet. Die Sache wurde an eine andere Kammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen. Die Freilassungsanordnung habe er soeben unterzeichnet.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Erklaerung-der-Verteidigung-2013-08-06.pdf

Die Eindeutigkeit der Sachlage – in der Tat, genau die war es, die die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg mitsamt ihrem wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter dazu gezwungen hatte, in mühevoller Kleinarbeit  bei jedem einzelnen der zahlreichen Wiederaufnahmegründe ein Haar in der Suppe zu finden, das die gesamte reichhaltige Mahlzeit verderben mußte.  Man sah den Wald vor Bäumen nicht. Zehn Rechtsbeugungen, allesamt zum Nachteil des Angeklagten, und jedes Mal fehlt der Vorsatz? Zahlreiche gravierende Sachverhaltsverfälschungen im Urteilstext, jedes Mal zum Nachteil des Angeklagten und zur Täuschung des BGH, und das sind dann nur Sorgfaltspflichtverletzungen?  Oliver García hat dieses Werk trefflich so charakterisiert:

Das beste an der gestrigen Entscheidung des OLG Nürnberg in Sachen Mollath ist ihre prägnante Kürze. Das Beschwerdegericht gab den Wiederaufnahmeanträgen in einer knappen, einfachen und geradlinigen Argumentation statt (Beschluß vom 6. August 2013 – 1 Ws 354/13 WA) und wischte einen 115-seitigen Beschluß des LG Regensburg beiseite, der als Dokument gedanklicher Verrenkungen in Erinnerung bleiben wird – als Höchstleistung auf den Gebieten der Sachverhaltsverzerrungen und des Abwiegelns gegenüber gerichtlichen Fehlleistungen (Beschluß vom 24. Juli 2013 – 7 Kls 151 Js 4111/13 WA).

[…]

Der Beschluß war ein Slalomlauf der Ergebnisorientiertheit. Daß die Richter die einzelnen Positionen auch dann so vertreten hätten, wenn sie nicht in einem Wiederaufnahmekontext gewesen wären, hatte ungefähr die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto. Der Beschluß war ein bunter Flickenteppich, genäht von Richtern, denen nicht an “Wahrheit und Gerechtigkeit” (§ 38 DRiG) gelegen war, sondern die stolz darauf waren, was sie alles mit Wörtern und Sätzen begründen konnten.

http://blog.delegibus.com/2013/08/07/fall-mollath-regensburger-richter-im-geistigen-ausnahmezustand/

Dabei war dem Berichterstatter der Kammer auch noch die Puste ausgegangen, und in Notwehr gegen den zu erwartenden K.O.-Schlag der Verteidigung hinsichtlich des Vorwurfs der Rechtsbeugung hatte man rasch entschieden, bevor der angekündigte erweiterte Schriftsatz eingetroffen war:

Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2013 hat der Verteidiger des Untergebrachten angekündigt, den bisherigen Wiederaufnahmeantrag im Hinblick auf den Bericht des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags bis zum 29. Juli 2013 ergänzen zu wollen. Die Berichte des Untersuchungsausschusses sind seit Anfang Juli 2013 bekannt und bieten aus Sicht des Wiederaufnahmegerichts keine wesentlichen neuen Erkenntnisse im Hinblick auf das Wiederaufnahmeverfahren. Dem Untergebrachten bleibt es unbenommen, künftig weitere Wiederaufnahmeantrãge zu stellen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Beschluss-LG-Regensburg-2013-07-24.pdf#page=112

Nicht einmal vor Unwahrheiten schreckten diese Richter zurück: der offizielle Bericht des Untersuchungsausschusses ist erst am 18.7.2013 veröffentlicht worden. Daß eine Kammer, deren Beschluß auf jeder Seite von dem Willen, eine Wiederaufnahme abzulehnen, Zeugnis ablegt, selbstverständlich in diesem Bericht keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erblickt – geschenkt. Daß sie aber der Verteidigung das Recht abschneidet, die aus Sicht der Verteidigung relevanten neuen Erkenntnisse vorzutragen, ist ein massiver Verstoß gegen das fair-trial-Prinzip. Wie die Kammer länglichst demonstriert hat, unterliegt die Prüfung von Wiederaufnahmeanträgen nicht der Beschleunigung – lediglich die Prüfung einer Vollstreckungsunterbrechung muß in Anbetracht des Freiheitsgrundrechts zeitnah erfolgen. Und jetzt konnte, nach monatelangem Brüten der Kammer, nicht einmal mehr fünf Tage abgewartet werden?

Nein, denn man wollte sich das schöne „richtige“ Ergebnis nicht kaputtmachen lassen. Zu den neuen Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses wäre nämlich selbst der 7. Kammer unter dem Vorsitz von Frau Dr. Bettina Mielke nicht mehr viel eingefallen: daß der Vorsitzende Richter beim LG Nürnberg den neuen Lebensgefährten der Belastungszeugin vor der Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath als alten Bekannten begrüßte, den er in den achtziger Jahren als Handballtrainer betreut hatte. Daß er vor den Schöffen geäußert hat, daß er froh sei, daß diese Bekanntschaft nicht öffentlich bekannt sei, weil er dann wegen Befangenheit abgelehnt werden würde. Daß er in einer Verhandlungspause den Forensiker Dr. Wörthmüller vor den Schöffen in ein Gespräch verwickelte, in dessen Verlauf dieser Experte seine unmaßgebliche Privatmeinung kundtat, Mollath sei irgendwie gaga, woraufhin Brixner replizierte, daß Mollath der Wahnsinn ja schon aus den Augen schaue. So eingenordet sollten die Schöffen das am Schluß der Hauptverhandlung referierte schwache Leipziger-Gutachten schlucken.

Das wäre eine unwiderstehliche Attacke auf die Maxime des LG Regensburg gewesen, die Rechtsbeugungen wahlweise als nicht vorhanden, entschuldbar oder bedeutungslos zu qualifizieren. Und das Landgericht wußte auch genau, daß es in dem angekündigten Schriftsatz um Indiztatsachen für den Rechtsbeugungsvorsatz gegangen wäre, eine isolierte Nachholung daher nicht in Betracht kam.

Dieses Dokument der Halsstarrigkeit war nach zwei Wochen im Orkus verschwunden, den der Rechtsstaat solchen Phänomenen bereitet (bzw. bereiten sollte). Der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg hat sich zurecht nicht die Mühe gemacht, im einzelnen auf diese Begründungssimulationen einzugehen.

Er hat sich den schlichtesten Wiederaufnahmegrund, der in § 359 Nr.1 StPO bezeichnet ist, herausgesucht, nämlich den Gebrauch einer unechten Urkunde zuungunsten des Angeklagten. Dieser Gebrauch reicht bereits aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Verwertung dieser Urkunde auf das Urteil Einfluß gehabt hat. (§ 370 Abs.1 StPO).

Nun war es seit Ende 2012 öffentlich bekannt, daß nicht die ersichtliche Attestausstellerin des Attestes vom 3.6.2002, die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Madeleine Reichel, sondern allenfalls ihr Sohn, der Weiterbildungsassistent Markus Reichel, das Attest ausgestellt hatte, was keinem der Verfahrensbeteiligten der Jahre 2003 bis 2006 bekannt gewesen war. Vor der Staatsanwaltschaft Regensburg hatte sich Markus Reichel zur Untersuchung der Belastungszeugin Petra Mollath und zur Attestausstellung bekannt, ohne dabei konkrete Erinnerungen an die Vorgänge aufzuweisen.  Daraufhin griff der Berichterstatter der 7. Kammer zur Lupe und erkannte ein verstecktes „i.V.“ , das durch Stempel und Namenszug verdeckt war. Aufgrund dieses Heureka-Erlebnisses sollte nun die unechte Urkunde zu einer echten umgemodelt werden.

Da wäre es natürlich gut, wenn auf dem Erstattest vom 14.8.2001 auch so ein „i.V.“ Vermerk gestanden hätte, um zu belegen, daß Markus Reichel, solange er ohne Kassenzulassung war, immer schon so gezeichnet hatte (eine absurde Argumentation, schließlich hatte er seine Mutter weder bei der Untersuchung noch bei der Attestausstellung vertreten: seine Mutter wußte hierüber schlicht nichts). Aber Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich kannte offensichtlich die Argumentationsnöte des Landgerichts Regensburg und zauberte unter Mithilfe von Chefredakteur Otto Lapp vom Nordbayerischen Kurier und der Ex-Frau von Gustl Mollath am 11.7.2013 das angebliche Original-Erstattest vom 14.8.2001 herbei:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Zuschrift-LG-Regensburg-2013-07-12.pdf#page=3

Die verzweifelte Hilfestellung des Generalstaatsanwalts Nerlich zugunsten der Regensburger Ablehnungskünstler nützte nichts.

Das Oberlandesgericht beschied kühl und knapp:

Bei dem in der Hauptverhandlung verlesenen Attest findet sich in der Kopfzeile die Angabe: „Dr. med. Madeleine Reichel“ mit Berufsangabe, Adresse, Telefon- und Faxnummer. Zudem ist unter der Unterschrift im gleichen Druckbild wie der obige Text der Name „Dr. med. Madeleine Reichel“ angegeben. Hierüber findet sich eine handschriftliche Unterschrift, über welche ein Praxisstempel mit ebenfalls lediglich dem Namen „Dr. med. Madeleine Reichel“ und Adresse nebst Telefonnummer angegeben wird. Die Unterschrift selbst ist relativ blass zu sehen, der Name Reichel aber deutlich erschließbar. Ein Vertretungszusatz „i.V.“  mag vom Unterzeichneten angebracht worden sein. Beim Vergleich mit der Unterschrift auf dem von der Staatsanwaltschaft am 11.7.2013 vorgelegten Attest vom 14.8.2001, auf dem dieser Zusatz erkennbar ist, erscheint es als höchstwahrscheinlich, dass auch auf dem Attest vom 3.6.2002 ein solcher Zusatz geschrieben wurde. Die übermäßige Vergrößerung lässt einen derartigen Zusatz durchaus erkennen. Auf dem Attest in Originalgröße ist er jedoch nicht nur für den Senat nicht erkennbar, sondern er war es für sämtliche Beteiligte im bisherigen Verfahren nicht.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Anordnung-der-Wiederaufnahme-2013-08-06.pdf#page=5

Es ist erstaunlich, daß man schon froh ist, wenn den Sachverhaltsquetschen bayerischer Landgerichte und denjenigen der ihnen unzuständigerweise zuarbeitenden Generalstaatsanwälte von der unabhängigen Justiz entgegengetreten wird.

Was hat Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich eigentlich zu seiner Aktivität bewogen? Arbeitet er im Auftrag der Ministerin, deren heimlichen Willen er kennt oder auch nur zu kennen glaubt? Oder verfolgt er seine eigene Agenda, weil er diesen ministeriellen Auftrag zur Stellung einer Wiederaufnahmeantrags  von Anfang an bekämpft hat (und daher die Staatsanwaltschaft Regensburg dahingehend beeinflußte, den Wiederaufnahmegrund der Rechtsbeugung aus den ursprünglichen Fassungen des Wiederaufnahmeantrags wieder herauszunehmen?).

Wir werden es nicht erfahren. Ich habe von Frau Merk noch nie so etwas wie ›Wahrheit‹ gehört. Sie ist Politikerin. Da darf man so etwas nicht erwarten,

Das Landgericht Regensburg hat jedenfalls erkannt, daß Gerhard Strates Antrag vom 14.7.2013 auf dienstliche Erklärung des Generalstaatsanwalts darüber, was ihn zu seiner Intervention  veranlaßt hat, welche Informationen die Belastungszeugin Petra M. zu dem Attest übermittelte und welche unzuständigen Kontakte seinerseits zuvor zur Regenburger Kammer bestanden, absolut gefährlich war, hätte er doch politische Einflußnahme auf ein Gericht belegen können (Generalstaatsanwälte sind faktisch politische Beamte, auch wenn sie das statusmäßig nicht mehr sind):

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-07-14.pdf

Diesem Antrag konnte das Landgericht Regensburg, dem ausschließlich an Abwehr gelegen war, natürlich nicht folgen:

Soweit mit Schreiben der Verteidigung vom 14. Juli 2013 beantragt wurde,  zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Petra M. eine dienstliche Stellungnahme des Generalstaatsanwaltes einzuholen, handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag, der dem Wiederaufnahmeverfahren fremd ist. Vielmehr ist es Aufgabe des jeweiligen Antragstellers, die notwendigen Wiederaufnahmegründe aufzuzeigen und die Beweismittel hierzu zu benennen, § 366 Abs. 1 StPO.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Beschluss-LG-Regensburg-2013-07-24.pdf#page=112

Es ist klar ersichtlich, daß diese 7. Kammer des Landgerichts die Aufklärung so sehr scheute wie der Teufel das Weihwasser – und dann eben zu Formalismen Zuflucht nahm.

Zu dem Ergebnis der seitenlangen schwurbeligen Regensburger Prüfung, bei der Attestausstellung habe Markus Reichel seine Mutter in zulässiger Weise vertreten, merkt das OLG nur kurz an:

Bei derartigen sinnlichen und damit höchstpersönlichen Wahrnehmungen und deren Wiedergabe zu Beweiszwecken in einem Gerichtsverfahren aber ist eine Stellvertretung nicht möglich (so bereits RGSt 69, 117, 119). Der Natur der Sache nach können solche Wahrnehmungen nur von der Person wiedergegeben werden, die die Wahrnehmung getroffen hat. Vertretung würde hier bedeuten, dass die Handlungen einer anderen Person (dem Vertretenen) zugerechnet würden. Derartiges ist nur bei Willenserklärungen, nicht aber auch bei höchstpersönlichen Wahrnehmungen denkbar.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Anordnung-der-Wiederaufnahme-2013-08-06.pdf#page=7

Die hinreißende Nickeligkeit, zur Untermauerung des Rechtsstandpunktes auf eine uralte Reichsgerichtsentscheidung – und nur auf die – zurückzugreifen, bereitet dem kundigen Leser besondere Freude. Nun noch die Subsumtion zu § 370 Abs.1 StPO [Hervorhebung von mir]:

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Verwertung des Attestes durch das Landgericht Nürnberg-Fürth Einfluss auf die Entscheidung hatte. Insbesondere zum Nachweis der vom Untergebrachten begangenen Straftaten standen im Wesentlichen seine Angaben denen seiner ehemaligen Ehefrau gegenüber (sog. Aussage-Aussage-Konstellation). Das Landgericht stützte sich in seiner Argumentation zur Glaubwürdigkeit der Angaben der Belastungszeugen auf das hier gegenständliche Attest und stellte Übereinstimmungen zu den Verletzungsfolgen fest. Dies war ausweislich der Urteilsgründe das entscheidende Argument für die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Es ist nicht ausschließbar, dass das Ausgangsgericht – hätte es gewusst, dass der vorgebliche Aussteller des Attestes nicht der wahre Urheber der Urkunde war – auch die inhaltlichen Angaben näherer Überprüfung unterzogen und sich nicht mehr nur auf die nach der Ausnahmevorschrift des § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesene Urkunde gestützt hätte. Gleiches gilt für den Fall, dass das Ausgangsgericht erkannt hätte, dass der Unterzeichner seinem Namen einen Vertretungszusatz beigefügt hatte. Da – wie ausgeführt – eine Vertretung bei Wiedergabe von Wahrnehmungen nicht möglich ist, hätte das Gericht in diesem Falle aufzuklären gehabt, wer tatsächlich die beurkundeten Wahrnehmungen gemacht hat. Möglicherweise hätte sich das Landgericht somit nicht auf das verlesene Attest gestützt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Anordnung-der-Wiederaufnahme-2013-08-06.pdf#page=8

Im übrigen handelte das OLG Nürnberg prozeßökonomisch: da dieser von beiden Antragstellern vorgebrachte Wiederaufnahmegrund vorlag, kam es weder auf die weiteren Gründe noch auf die Frage der Befangenheit des von der Verteidigung abgelehnten Richters mehr an. Was der Senat allerdings von den Bemühungen der Vorderrichter hielt, läßt sich dem Beschluß durchaus entnehmen. Denn die Kammer hat für ihr gesamtes Verhalten vom OLG Nürnberg die Höchststrafe kassiert: sie wurde vom Fall gänzlich abgezogen, weil von ihr eine unvoreingenommene Hauptverhandlung nicht mehr zu erwarten war [Hervorhebungen von mir]:

Der Senat hat von der in § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO vorgesehen Regelung in analoger Anwendung Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Hauptverhandlung vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Regensburg stattzufinden hat, weil angesichts der im angefochtenen Beschluss getroffenen Rechtsausführungen und insbesondere auch der zu weiteren Wiederaufnahmegründen getroffenen umfassenden Beweiswürdigungen zu besorgen ist, dass die bisher mit der Sache befassten Richter sich bereits festgelegt haben.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Anordnung-der-Wiederaufnahme-2013-08-06.pdf#page=9

In verfassungswidriger Überschreitung ihrer eingeschränkten Prüfungskompetenz hatte die Regensburger Kammer sich überwiegend an Beweiswürdigungen, etwa zur Glaubwürdigkeit von Personen, gewagt, die allein dem Wiederaufnahmegericht im Rahmen einer Hauptverhandlung zustehen. Eine faire Hauptverhandlung war also auch durch diese 7. Kammer nicht zu erwarten – um diese Kammer auszuschalten, nahm das OLG Nürnberg nun schon zum dritten Mal Rückgriff auf eine Analogiebildung: denn im Wiederaufnahmeaufrecht ist die Möglichkeit, die Hauptverhandlung einer anderen Kammer zuzuweisen, gar nicht vorgesehen. Im Gegensatz zu den früheren Entscheidungen, mit denen das OLG – das kann man jetzt mit Sicherheit sagen: auch aus seiner Sicht begründete – Beschwerden der Verteidigung als unzulässig abgelehnt hatte, ist der hier erfolgte Rückgriff auf entsprechende Befugnisse des Beschwerdegerichts bei Entscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens wohlbegründet. Was mich zu der Überzeugung bringt, daß der 1. Strafsenat die Beschwerden der Verteidigung nur deshalb abgelehnt hat, um sein schon vor längerer Zeit feststehendes Ergebnis, die Wiederaufnahme anzuordnen, beschleunigt ins Werk setzen zu können.

Für Gustl Mollath bedeutete diese Entscheidung: FREIHEIT. Und zudem die glückliche Fügung, daß nun die 6. Große Strafkammer des LG Regensburg für die Hauptverhandlung zuständig ist, eine Wirtschaftsstrafkammer, die sich gewiß besser als Parteipolitiker darauf versteht, einen Revisionssonderbericht einer Bank in seiner Zielrichtung, Begrenzung und in seinen subtilen Botschaften an den Adressatenkreis zu ›lesen‹.

Ganz überwiegend ist der Beschluß des OLG Nürnberg mit Erleichterung aufgenommen worden.

Aber auch solche Vorwürfe durfte man lesen, hier von Carin Pawlak am 16.8.2013, im Rahmen eines Verrisses der Beckmann-Talkshow vom 15.8.2013:

Ach so, eines noch: In Bayern ist Wahlkampf. Nicht, dass jetzt jemand auf die Idee käme, die Entlassung Mollaths und das geplante Wiederaufnahmeverfahren in seiner Sache habe irgendetwas mit dem Termin am 15. September zu tun.

http://www.focus.de/kultur/kino_tv/focus-fernsehclub/tv-kolumne-beckmann-fall-mollath-ein-weisses-hemd-fuer-den-helden_aid_1067432.html

Eine geradezu absurde Unterstellung. Denn die mediale Aufmerksamkeit, die der endlich freigelassene Gustl Mollath genießen, auch die Art und Weise, wie er sie nutzen würde, war ja absehbar.

Was er von der bayerischen Justizministerin Beate Merk halte, will Beckmann da wissen. Mollath bleibt ruhig, wählt aber deutliche Worte: „Ich sag‘ es, wie es ist, auch wenn das jetzt unverschämt klingt: Da ist Hopfen und Malz verloren.“ Die CSU-Politikerin war in dem Fall kritisiert worden, weil sie zu spät eingegriffen habe. Nach Mollaths Freilassung reklamierte Merk für sich, den „entscheidenden Schritt“ getan zu haben. Auch diese Wandlung kommentiert Mollath: „Die Statements, die sie vor einem Jahr über meine Person abgegeben hat und meinen Fall, sind über 180 Grad konträr zu dem, was sie heute zum Besten gibt.“

http://www.sueddeutsche.de/medien/gustl-mollath-bei-beckmann-mann-mit-mission-1.1746484

Nach alldem, was man über den Menschen Gustl Mollath zu wissen glaubt, ist es diese an Wahrheit orientierte Haltung, seine jeglicher anpasserischer Geschmeidigkeit entsagende Rigidität, die ihn auszeichnet und die ihn gezeichnet hat. Und da soll die Politik geglaubt haben, daß er aus besoffener Dankbarkeit den Durchblick verliert und die Ministerin mit Handkuß von ihrem Versagen seit Ende 2011 freispricht?

Daß Carin Pawlak mit Sicherheit weder den Beschluß des LG Regensburg noch den des OLG Nürnberg gelesen hat, kann der schnellfingrigen Zunft, die sich insbesondere im Wellness-Bereich „Kultur & Leben“ tummelt, blind unterstellt werden. Denn sonst wüßte sie, daß das OLG den Kraftakt geleistet hat, schnell und unbürokratisch und erstmals den Rechtsstaat wiederherzustellen, den es für Gustl Mollath seit dem Jahr 2003 – auf allen Ebenen – nicht gegeben hat.

Mit der Frau Pawlak will ich aber gnädig sein. Sie hat an der am 14.8.2013 erfolgten Freistellung („mit sofortiger Wirkung“) als stellvertretende Chefredakteurin des FOCUS genug zu knabbern.

http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/122584-quoos-stellvertreterin-und-kultur-chefin-carin-pawlak-verlaesst-focus-mit-sofortiger-wirkung.html

Man hätte sich nur gewünscht, daß sie auch als Schreiberin mit sofortiger Wirkung freigestellt worden wäre. Denn persönlicher Frust ist ein schlechter Ratgeber.

Heinrich Wefing von der ZEIT, die sich seit Sabine Rückerts Artikel „Ein Kranker wird Held“ von Dezember 2012 falsch positioniert hatte, demonstriert seine juristische Unkenntnis und versteigt sich zu solchen Bemerkungen:

Ein Triumph aber, wie viele von denen behaupten, die voller Inbrunst für Mollath gekämpft haben, ist die Entscheidung nicht, schon gar kein Freispruch. Die Richter des 1. Strafsenats des OLG Nürnberg haben kein Urteil über Mollaths Schuld oder Unschuld gesprochen, sie haben nichts zu seiner Gefährlichkeit und zu seiner geistigen Gesundheit gesagt. Sie haben lediglich einen juristischen Fehler im bisherigen Verfahren gefunden, den sie für so gravierend halten, dass der Prozess neu aufgerollt werden muss. Das kommt bei bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren extrem selten vor.

http://www.zeit.de/2013/33/gustl-mollath-entlassung-rechtsstaat

Daß das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8.8.2006, das zumindest hat Sabine Rückert am 28.2.2013 nach Lektüre des Wiederaufnahmeantrags von Gerhard Strate vom 19.2.2013 festgestellt:

Vorausgesetzt, Strate hat die Akten vollständig und zutreffend ausgewertet – dann beschreibt sein 140-seitiger Schriftsatz eine Schande für die bayerische Justiz.

http://www.zeit.de/2013/10/Mollath-Prozess-Wiederaufnahme/seite-2

unter Mißachtung elementarster rechtsstaatlicher Bedingungen zustandegekommen war, berührt Heinrich Wefing nicht weiter. Muß es aber auch nicht, denn die Frage, ob ein materielles Fehlurteil vorliegt (wie hier klar ersichtlich ist), ist für die eigentliche Frage, ob ein Wiederaufnahmeverfahren angeordnet werden muß, rechtstechnisch vollkommen belanglos. Es müssen die Wiederaufnahmegründe des § 359 StPO vorliegen, sonst nichts. Ein Urteil über Schuld oder Unschuld bleibt der neuen Hauptverhandlung vorbehalten – aber wie die ausgeht, wenn wenigstens dieses Mal alles mit rechten Dingen zugeht, wissen erfahrene Strafrechtler schon jetzt.

Besonders lustig wird es, die journalistische Verwirrung zu betrachten, die die tollkühne Ermittlungshandlung des Generalstaatsanwalts Nerlich, die Einbringung des angeblichen Originalattests vom 14.8.2001 mit einem klar lesbaren „i.V.“-Vermerk, ausgelöst hat. Daß diese „Ermittlungshandlung“ Irrelevantes zutage gefördert hat, hatte bereits die wackere Staatsanwaltschaft Regensburg festgestellt. Denn dieses Attest hatte in dem Verfahren gegen Gustl Mollath keine Rolle gespielt.

Die Nürnberger Nachrichten, die Michael Kasperowitsch einige Zeit als anstoßenden Aufklärer in Sachen Mollath gewähren ließen, haben nämlich auch noch eine Ulrike Löw aufzubieten, die als Allzweckwaffe die örtliche Justiz, Rechtsanwaltschaft und Psychiatrie vor unbotmäßiger Kritik schützt und fürsorglich-einfühlsam wieder aufrichtet.

http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/region-bayern/fall-mollath-im-grenzgebiet-von-psychiatrie-und-recht-1.2580016

Entsprechend fiel ihr Bericht in der Printausgabe aus:

Nürnberger Nachrichten, 7.8.2013

Zwei Buchstaben kippen das Urteil

 „Unechtes Dokument“: Wie das OLG Nürnberg seine Entscheidung begründet

VON ULRIKE LÖW

NÜRNBERG — Es ist ein kleines Stück Papier, das den 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg unter seinem Vorsitzenden Richter Bernhard Wankel dazu brachte, Gustl Mollath – zumindest vorläufig – freizu­lassen und die Entscheidung des Land­gerichts Regensburg aufzuheben: Die Richter stufen das ärztliche Attest, das belegen soll, dass Gustl Mollath seine Ehefrau Petra M. misshandelte, als unechte Urkunde ein.

Dass kein Missverständnis entsteht: Das Attest vom 3. Juni 2002, das Petra M., vormals Mollath, vorlegte, um ihre Verletzungen zu dokumentieren, gilt rechtlich als unecht – davon, dass sie getrickst haben könnte, ist in der Ent­scheidung keine Rede.

„Vorläufig“ ist gut… Und „unechte Urkunde“ ist etwas anderes als „verfälschte Urkunde“ –: soviel Jura muß sein. Aber weiter im Text:

  Der Haken an dem Dokument: Es ist unterschrieben von einem Arzt, der seine Mutter in deren Pra­xis offiziell vertrat. Er benutzte ihr Brief­papier und ihren Namens- und Praxis­stempel. Zwar unter­schrieb er mit seinem eigenen Namen, auch hat er den Inhalt des Attests bei der Staats­anwaltschaft bestä­tigt und in der Praxis existieren Unterlagen dazu. Er ist appro­biert, befand sich im fünften Jahr der Facharztausbildung und hat die Untersuchung persönlich durchgeführt.

Doch: Er hat aus Sicht der Richter seine Vertretungstätigkeit nicht aus­reichend verdeutlicht. Man müsse das Attest erst „übermäßig vergrößern“, so der Senat, um zu erkennen, dass sich neben der Unterschrift mit den Buchstaben „i.V.“ der nötige Vertre­tungshinweis findet. Eben dieser kleine Zusatz, war, so meint der Senat, für die Verfahrensbeteiligten im Ausgangsverfahren vor sieben Jah­ren kaum zu erkennen.

Es war also eine Petitesse, die die Wiederaufnahme herbeiführte, suggeriert dieser Artikel. Hätte der Arzt den Vertretungszusatz halt deutlicher schreiben sollen, dann wäre alles gut gewesen.

Halt. Stop. Ganz am Ende des Artikels findet sich noch was:

  Das Landgericht Regensburg bewer­tete besagtes Attest vom 3. Juni 2002 erst vor wenigen Wochen als echte Urkunde – und wies die Wiederauf­nahmeanträge der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft auch deshalb zurück. Aus juristischer Sicht ist die Frage nicht einfach: Wird nun jede Bestellung, die ein Angestellter unter dem Namen seines Arbeitgebers auf­gibt, zur falschen Urkunde?

Auch darauf antwortete der Senat. Es sei „anders, wenn nicht geschäftli­che Erklärungen abgegeben werden, sondern jemand seine höchstpersönli­che Wahrnehmung wiedergibt“. Bei solchen Erklärungen könne es keine zulässige Stellvertretung geben. So liege der Fall hier.

Was bleibt nach einem solchen Artikel beim Leser hängen? Da gab es irgendwas Formaljuristisches, aber schuldig ist der Freigelassene sowieso, denn er ist nur vorläufig auf freiem Fuß.

Besonders parteiisch agiert Rechtsanwalt Karsten Schieseck, den das BKH Bayreuth vor einiger Zeit zur Image-Schadensbegrenzung engagiert hat. Der bekundete am 9.8.2013 gegenüber dem PR-Agenten der Forensik und der Ex-Ehefrau, Chefreporter des Nordbayerischen Kuriers, Otto Lapp, unter der Überschrift „Immer Ärger mit Mollath“ Folgendes:

Allerdings ist nicht entschieden, dass er unschuldig ist. Auch das psychiatrische Gutachten haben die Nürnberger Richter nicht in Zweifel gezogen. Es geht auch nicht darum, dass das Attest des Arztes falsch war, das die Misshandlungen seiner Frau dokumentierte. […] Sondern nur, dass das Attest nicht auf einem formell korrekten Weg einbezogen wurde.

Droht ihm wieder eine Verurteilung?

Jetzt ist alles offen, vom Freispruch bis zu einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags.

Wow! Da hat einer Ahnung von Jura.

Vielleicht sollte er sich einmal von einem Strafrechtsprofessor, Henning Ernst Müller, belehren lassen:

Was wird genau verhandelt?

Es müssen vier Fragen beantwortet werden. Hat Herr Mollath seine Frau geschlagen und die Reifen von vermeintlichen Widersachern zerstochen? Wenn ja, litt er dabei unter dem Wahn, dass seine Frau und viele andere sich gegen ihn verschworen haben, um Schwarzgeldgeschäfte zu vertuschen? Wenn ja, war dieser Wahn ursächlich für die Taten? Wenn ja, besteht eine Gefahr für die Allgemeinheit, falls Mollath in Freiheit bleibt.

Könnte es sein, dass Mollath am Ende erneut weggesperrt wird?

Ich glaube, er muss sich wenig Sorgen machen. Eine Gefängnisstrafe ist prinzipiell ausgeschlossen. Weil Herr Mollath im ersten Verfahren wegen möglicher Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde, darf er in der Wiederaufnahme nicht schlechter wegkommen.

Und eine erneute Unterbringung in der Psychiatrie ist nur möglich, wenn alle vier Fragen mit ja beantwortet werden. Das halte ich angesichts der dünnen Beweislage, der lange vergangenen Zeit und des derzeit sehr besonnenen Auftretens von Herrn Mollath für äußerst unwahrscheinlich – zumal es inzwischen auch unverhältnismäßig wäre.

http://www.taz.de/Strafrechtler-ueber-den-Fall-Mollath/!121574/

Kleiner Tip am Rande: wenn eine gefährliche Körperverletzung wegen lebensgefährdender Behandlung zum Strafrichter angeklagt wird, der in der Regel bei Nachweisbarkeit, Unvorbestraftheit und Krisensituation eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von unter einem Jahr verhängt, liegt diesem Vorgehen die Wertung zugrunde, daß von einem versuchten Tötungsdelikt freiwillig strafbefreiend zurückgetreten wurde, § 24 StGB. Was natürlich einem unkontrollierten Wahnsymptomatik-Geschehen widerspricht, das von Dr. Leipziger & Co, ja auch nur behauptet und nie begründet wurde. Aber da das fragliche unprofessionelle Reichel-Attest ohnehin kein Würgen bis zur Bewußtlosigkeit belegt, ist der entsprechenden Bekundung der Belastungszeugin ohnehin nur der Rang einer interessegeleiteten Behauptung einzuräumen. Hier die Ausführungen zur inhaltlichen Bedeutungslosigkeit des Attestes:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf

Aber das BKH hat ja keinen Rechtsvertreter, sondern einen Lautsprecher beauftragt, seine Interessen zu vertreten. Und dieser Lautsprecher  bekundet in demselben Interview zur Entlassungssituation am 6.8.2013:

Sein Anwalt signalisierte mir, er werde wohl bis 15 Uhr gepackt haben. Die Klinik hat ihre Hilfe dabei angeboten. Das hat er abgelehnt. Erst später haben Mitarbeiter der Klinik die Kisten aus dem Keller tragen dürfen. Es gab keinen Druck und keinen Limit bis 15 Uhr gegeben.

Ja, sorry, so grammatikalisch falsch steht es nun mal in der Printausgabe des NK vom 9.8.2013, S. 4.

Und inhaltlich falsch ist es ohnehin, denn Dr. Leipziger  hatte dieses von ihm selbst gesetzte Limit zwei Tage zuvor bereits zugegeben:

Nürnberger Nachrichten,  7.8.2013

„Vielleicht sollte ich nach einer Unterkunft fragen“

Gespräch mit Gustl Mollath kurz nach seiner Freilassung — Unterstützerkreis bietet ihm Bleibe und Arbeit — Klinik: Hilfe angeboten

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

[…]

Man habe, so Leipziger, erst nach der Echtheitsprüfung des Bescheids dem Patienten eröffnet, dass er die forensische Abteilung der Bayreuther Klinik verlassen müsse, und zwar bis 15 Uhr. „Herr Mollath hat dann um etwas mehr Zeit gebeten“, fährt der Klinikchef fort, „die hat er auch bekommen.“ Der Nürnberger hat in seinem Zimmer umfangreiche Akten untergebracht. Die mussten erst zusammengepackt werden. Gegen 17.30 Uhr war es dann so weit.

Autoritäre Willkür-Vorschriften und Druck bis zuletzt. Und Null Entlassungsvorbereitungen, obwohl auch dem BKH klar gewesen sein mußte, daß sein gewaltunterworfener „Patient“ sich zurecht in der „Endphase“ seiner Unterbringung wähnte, was das BKH in seiner narzißtischen Kränkung aber lediglich als „narzißtische Aufwertung“ des Untergebrachten durch öffentlichen Zuspruch wertete. Ein Fall von Realitätsverlust der Klinikleitung. Denn die einzig realistische Frage war nur die, wer Herrn Mollath zuerst befreien würde: das BVerfG oder die bayerische Justiz.  Immerhin hat sich Dr. Leipziger wegen dieses unprofessionellen sozial unbegleiteten „Rauswurfs“ die öffentliche Kritik eines Fachkollegen eingehandelt – ein Vorgang mit Seltensheitswert:

Chefarzt kritisiert Bayreuther Mediziner

Nun regt sich auch Kritik an den behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Dort hätten die Verantwortlichen besser auf eine rasche Entlassung vorbereitet sein müssen, kritisierte der Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg-Nord, Dr. Dr. Günter Niklewski. Es hätte ein Nachsorgeangebot für Gustl Mollath geben müssen, unabhängig davon, ob er es annimmt oder nicht.

http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/mollath-entlassung-reaktionen-100.html

Die gestandene Politikerin Beate Merk ließ es sich nicht nehmen, den Beschluß des OLG Nürnberg vom 6.8.2013 zu begrüßen und sich quasi an die Spitze einer ›Free Mollath‹-Bewegung zu stellen. So heißt es in ihrer Pressemitteilung:

Zu der heutigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg in Sachen Gustl Mollath erklärt Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk: „Ich bin sehr zufrieden: Mein Ziel, das ich mit dem Wiederaufnahmeantrag und der sofortigen Beschwerde verfolgt habe, den Fall neu aufzurollen, ist erreicht. Die Justiz hat nun Gelegenheit, in einem weiteren öffentlichen Verfahren zu klären, ob Herr Mollath zu recht untergebracht ist oder nicht – und damit auch die Zweifel, die viele Menschen an dieser Entscheidung haben.“

Merk hatte mit ihrer Weisung an den Generalstaatsanwalt vom 30. November 2012, einen Wiederaufnahmeantrag in Sachen des Herrn Mollath zu stellen, den entscheidenden Schritt getan, der zu der heutigen Entscheidung geführt hat.

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2013/214.php

Da war ihr in der Hektik wohl entgangen, daß die sofortige Freilassung angeordnet worden war und daher zukünftig geklärt wird, ob die vergangene Unterbringung gerechtfertigt war oder nicht. Daß sie selbst keinerlei Zweifel an dem Urteil vom 8.8.2006 hat, gibt sie zwischen den Zeilen zu verstehen: ihr geht es lediglich um die Zweifel, die „viele Menschen“ haben. Sie selbst steht treu und fest sogar noch zu aufgehobenen Unrechts-Urteilen ihrer Justiz.

Diese gespaltene Haltung trug ihr freilich nur Hohn und Spott ein:

„Erst legt sie die Hände in den Schoß, ist 20 Monate untätig – und will nun den Anschein erwecken, sie sei die Retterin von Herrn Mollath. Das ist billige Polemik und ein Beweis für die Charakterlosigkeit dieser Frau.“ Grünen-Fraktionschef Martin Runge kritisiert, Merk habe Mollath im Landtag und in der Öffentlichkeit immer wieder als „wahnkranken und gemeingefährlichen Gewalttäter dargestellt“.

„Dass der Ruf der bayerischen Justiz massiv Schaden genommen hat, das ist auch dem unsäglichen Verhalten der Justizministerin zuzuschreiben.“ Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) müsse sie unverzüglich entlassen.

Brisanz des Falls zu spät erkannt

Merk verteidigt dagegen ihr spätes Handeln erneut. Sie habe erst aktiv werden und ein neues Verfahren fordern können, als es einen tatsächlichen Wiederaufnahmegrund gegeben habe, sagt sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Das sei erst im November 2012 der Fall gewesen – bis dahin habe sie das rechtskräftige Urteil akzeptieren müssen. „Ich habe die Möglichkeiten genutzt, die ich hatte.“

Auch Koalitionspolitiker werfen der Justizministerin vor, die Brisanz des Falls zu spät erkannt zu haben.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article118795793/Bayerns-Justiz-befuerchtet-Talkshow-Tour-Mollaths.html

Wie sie noch im Juli 2013 gegen Gustl Mollath gearbeitet hat, läßt sich jedenfalls belegen – die persönliche Intervention ihres Nürnberger Generalstaatsanwalts bei der Regensburger Kammer, die das Ziel hatte, das Wiederaufnahmeverfahren zu Fall zu bringen, dürfte jedenfalls kaum hinter ihrem Rücken geschehen sein. Falls doch, wäre es ein weiteres Anzeichen dafür, daß sie ihren Laden nicht im Griff oder falsche Personalentscheidungen getroffen hat.

Am 9.7.2013 war es die Generalstaatsanwaltschaft in München, die eine verhängnisvolle Entscheidung traf, über die die Ministerin wegen der Brisanz der Angelegenheit vorab unterrichtet gewesen sein muß, ohne Bedenken gegen die Sachbehandlung zu erheben. Es ging um die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 26.2.2013, die Aufnahme von Ermittlungen gegen Richter am Amtsgericht Eberl und den Forensikleiter Dr. Leipziger wegen Freiheitsberaubung in einem besonders schweren Fall mangels Anfangsverdacht abzulehnen.

In diesen Blogbeiträgen habe ich mich mit der Entscheidung der von Ministerin Merk handverlesenen Staatsanwaltschaft Augsburg und mit der Beschwerde von Rechtsanwalt Gerhard Strate befaßt:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/02/28/der-fall-mollath-augsburg-die-blinde-justitia/

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/04/07/der-fall-mollath-augsburg-die-blinde-justitia-ii/

Am 9.7.2013 hat die Generalstaatsanwaltschaft München die Beschwerde abgewiesen und den Bescheid der Unterbehörde gehalten:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Bescheid-GSt-Muenchen-13-07-09.pdf

Wortreicher als die Unterbehörde, aber mit denselben Stilmitteln arbeitend – Uminterpretationen des völlig eindeutigen Sachverhalts ständiger ausdrücklicher Weigerungen des seinerzeitigen Angeklagten, sich explorieren zu lassen; Negieren des Sachverhalts, der dieser Uminterpretation im Wege steht –: so wird eine faktische Entscheidungsgrundlage gezimmert, die aus Sicht des RiAG Eberl den Gedanken an eine Verfassungswidrigkeit seines Unterbringungsbeschlusses nicht aufkommen ließ. Insoweit agiert die Generalstaatsanwaltschaft etwas vorsichtiger als die Staatsanwaltschaft: sie wertet stets aus dem Blickwinkel des Kollegen Amtsrichters, in den sie sich empathisch hineinversetzt und verkneift sich Reinwaschungen seiner Beschlüsse, wie es noch die Staatsanwaltschaft tat:

Vielmehr ergibt sich aus den gesichteten Unterlagen, dass der Angezeigte sich auf die Ausführungen des aus seiner Sicht vertrauenswürdigen Gutachters bezog und seine Anordnung, allenfalls formell nicht ganz vollständig aber dennoch auch in diesem Punkt nicht gesetzwidrig verfasste (zur rechtlich hier nicht relevanten Frage, ob er bei gebotener und zumutbarer Sorgfalt ein genaueres Konzept hätte erfragen und dieses in die Begründung hätte aufnehmen müssen, siehe oben).

http://www.strate.net/de/dokumentation/Bescheid-GSt-Muenchen-13-07-09.pdf#page=11

Kommen einem diese Töne nicht bekannt vor? Hat sich nicht auch die 7. Kammer des LG Regensburg in derselben Weise verrenkt, um Rechtsbeugungen zu Fahrlässigkeiten und Sorgfaltspflichtverletzungen herunterzuzonen? Und Arm in Arm mit der Psychiatrie zeigt die Justiz mit dem Finger auf die Psychiater, die wiederum mit dem Finger auf die Justiz als die Verantwortliche zeigt. Wir haben es also mit Komplizen der Verantwortungslosigkeit zu tun.

Das Zusammenwirken Eberls mit der Polizei, um dem Gutachter Dr. Leipziger dringend benötigtes aktuelles Material liefern zu können,  ohne das er zu seinem haltlosen Verdikt nicht gekommen wäre, ist selbstverständlich unverdächtig.

Ergänzend ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass Ermittlungen und ein Ergreifungsversuch im Folge-Verfahren (um dessen Weiterleitung es hier geht) auch im Zusammenhang mit dem Vollzug des Beschluss des Angezeigten nach § 81 StPO im Hauptverfahren erfolgte. Hierüber musste der Angezeigte logischerweise daher informiert werden, so dass schon daher eine frühzeitige Einbeziehung des Angezeigten (und des Sachverständigen) erklärlich und in keiner Weise zu beanstanden war.

Ob die Staatsanwaltschaft hierbei in ihrer eigentlichen funktionalen Zuständigkeit kurzzeitig übergangen worden sein könnte, mag dahinstehen, da sich hieraus weder gesondertes strafbares Verhalten noch Hinweise auf vorsätzliche Manipulation der Gutachtensergebnisse ergeben.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Bescheid-GSt-Muenchen-13-07-09.pdf#page=13

So funktioniert Sachverhaltsquetsche: der Vollzug richterlicher Beschlüsse ist Sache der Staatsanwaltschaft und der Polizei, wobei das Gericht über den Vollzug unterrichtet wird. Daß ein Ergreifungsversuch der Polizei zur Vollstreckung des Unterbringungsbeschlusses im Rahmen des Sachbeschädigungsverfahrens erfolgte, ist dagegen mangels Sachzusammenhangs auszuschließen, ebenso eine Kenntnis der Staatsanwaltschaft, daß bei der Polizei ein Sachbeschädigungsverfahren gegen Gustl Mollath überhaupt anhängig war. Das wußte exclusiv vorab nur der RiAG Eberl.

Die Manipulation der Zuständigkeit des VRiLG Otto Brixner durch zögerliche Bearbeitung im Jahr 2005 und mittels des Verschwinden der Akte aus dem Geschäftsgang zwischen dem 3.1.2006 und dem 20.1.2006?

Iwo, da gab es nur ein paar „Leerlaufzeiten“, und der punktgenaue Eingang der Akte beim Landgericht zur Zuständigkeitsbegründung der Brixner-Kammer lag außerhalb des „Verantwortungsbereichs“ des Angezeigten (S. 14).

Wie der Amtsrichter sich auf den kompetenten Sachverständigen Lippert verlassen durfte, so durfte sich Dr. Leipziger wiederum auf den richterlichen Beschluß Eberls verlassen (S. 15) – ja, das Spiel kennen wir schon. Und, hatte der Richter ihm etwa vorgegeben, bei Verweigerung des Probanden irgendetwas zu unternehmen? So durfte Dr. Leipziger also Jan und Mann den Probanden Mollath beobachten und bewerten lassen, und wie sinnvoll dieses Hearsay-Fakten waren, ergibt sich schließlich aus seinem Gutachten. Dann wird auf eine absolute Kommentar-Mindermeinung verwiesen und behauptet:

Unabhängig davon, ob man sich dieser (von anderen kritisierten) Ansicht anschließt (bzw. Sie [sic!] zumindest für vertretbar erachtet), zeigt diese Argumentation jedenfalls, dass der Begriff der „Totalbeobachtung“ und der Bereich zulässiger Verhaltensbeobachtung unscharf und daher einer gewissen Auslegung unterworfen ist. Unter Berücksichtigung dieser Überlegung erfassen die vom angezeigten Gutachter zitierten Beobachtungen keinen solch klaren, höchstpersönlichen Bereich, der_den unzweideutigen Schluss auf vorsätzliche Verletzung des innersten Schutzbereichs begründen würde.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Bescheid-GSt-Muenchen-13-07-09.pdf#page=13

Ach was. Das BVerfG läßt keinen Spielraum für derartige Kommentar-Interpretationen, die Dr. Leipziger zudem gewiß nicht gekannt hat. Wenn ein Mensch in allen seinen Äußerungen und Verhaltensweisen zum bloßen Untersuchungsobjekt gegen sein Recht, zu strafrechtlichen Vorwürfen zu schweigen, herabgewürdigt wird, sind Grundrechte tangiert. Aber es wird noch toller:

Hinzu kommt, dass bei Freiwilligkeit oder bei entsprechender Belehrung über die Verwendung eine weiterreichende Verwertbarkeit auch von der Rechtsprechung anerkannt wird. Nicht widerlegbar hat der Sachverständige den Beschwerdeführer nicht nur zu Beginn der Unterbringung über sein Recht der Aussagefreiheit belehrt (S. 21 des Gutachtens), sondern auch später darauf hingewiesen, dass weitere Untersuchungen und Gespräche nötig wären. Aus Sicht des Angezeigten ist daher nicht zu widerlegen, dass dieser davon ausgehen durfte, der Beschwerdeführer sei dadurch hinreichend belehrt und er könne die Erkenntnisse dokumentieren und verwenden.

(wie vor)

Nicht einmal aus Sicht von Dr. Leipziger liegt hierin eine Belehrung dahingehend, daß alles, was der Proband gegenüber jedermann sagt oder unter Beobachtung von jedermann (wozu sogar Mitpatienten gehören) tut, dokumentiert und gegen ihn verwendet werden wird. Aus Sicht des Empfängerhorizontes schon einmal gar nicht. Ob die Generalstaatsanwaltschaft bei Dr. Leipziger angefragt hat, welche „unwiderlegbare“ Sicht der Dinge er habe? Obwohl für die Generalstaatsanwaltschaft  angeblich kein Anfangsverdacht besteht und ein Herantreten an den bloß „Angezeigten“ daher ausscheidet? Die entsprechende Äußerung von Dr. Leipziger, der seit Monaten an seiner öffentlichen Verteidigung arbeitet, fiel jedenfalls erst in einem Interview mit Otto Lapp vom 19.7.2013, zehn Tage nach der Entschließung der Generalstaatsanwalt [Hervorhebung von mir]:

Wie soll ich jemanden begutachten, der nicht mitmacht?

Leipziger: Begutachtungen sind gesetzlich möglich gemacht, auch für Personen, die es nicht wollen, d.h., Patienten werden nach Paragraf 81 der Strafprozessordnung durch das Gericht zugewiesen. Sie werden darüber aufgeklärt, dass die Unterbringung zur Begutachtung dienen soll und wie sie vor sich gehen soll. Dann sollen nach Möglichkeit im Rahmen der Unterbringung Untersuchung und Gespräche stattfinden und Wahrnehmungen über Stimmungen, Affekte, Impulsivität, aber auch sozial (in)adäquates Verhalten gemacht werden können. Wie wir es bei jeder psychiatrischen Diagnostik bei allen Patienten tun, die uns zur Behandlung oder Diagnostik auch in der Allgemeinpsychiatrie zugewiesen werden. Auch die Patienten, die in Gesprächen nicht erreicht werden können, können in ihrem Alltagsverhalten und unter Wahrung der Intimsphäre, aber nicht rund um die Uhr, beobachtet werden. Es finden so beispielsweise auch bei Gesprächen über alltägliche Abläufe oder bei Visiten Kontakte mit dem Patienten statt, die Aufschluss über den Gesundheitszustand der Patienten geben können.

Auch Herr Mollath wusste, dass und wie er beobachtet wird?
Leipziger: Ja.
Er wusste auch, dass er lange Strecken des Tages hat, in denen er für sich sein konnte.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath_jetzt_spricht_sein_gutacher_170680#comment-10372

Die Verzweiflung muß groß sein, wenn zu solchen Mitteln gegriffen wird.

Am 15.8.2013 hat Rechtsanwalt Strate den Antrag beim OLG München eingebracht, anzuordnen, daß die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehme:

http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Klagerzwingung-2013-08-15.pdf

Keine Frage, wer hier die besseren Argumente hat.

Mit dem systemstabilisierenden Wirken ihres Generalstaatsanwalts in München ist Frau Merk sicherlich zufrieden, und die Tätigkeit unabhängiger Gerichte darf sie zwar nicht kommentieren, sich deren Ergebnisse, soweit sie ihr zusagen, aber vehement zu eigen machen. Dann schau’n wir mal, wie es dieses Mal ausgeht. Vor den Oberlandesgerichten Bamberg und Nürnberg hat die Verteidigung jedenfalls Erfolge erzielt. So abhängig von der Politik wie Staatsanwaltschaften sind Gerichte nun einmal nicht, wenn auch oftmals durch ministerielle Beförderungen auf der richtigen Spur.

Noch immer hält die Ministerin jedenfalls an ihren Crème de la Crème-Gutachtern im Fall Mollath wie dem Prof. Dr. Pfäfflin fest, wie es sich ihrer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht vom 5.7.2013 entnehmen läßt:

Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Päfflin vom 12. Februar 2011 erfüllt dabei die Anforderungen, die die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung an ein Gutachten im Rahmen der Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug stellt. Das Gutachten von Prof. Dr. Pläfflin ist hinreichend substantiiert. Der Sachverständige setzt sich ausführlich mit der Person des Beschwerdeführers auseinander. Dabei geht er auch darauf ein, ob sich an der Diagnose etwas ändern würde, wenn die vom Beschwerdeführer vorgetragenen grenzüberschreitenden illegalen Finanztransaktionen tatsächlich stattgefunden haben. Er hielt es sogar für nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer Wissen über illegale Praktiken erworben habe.

Die Fachgerichte sind bei ihren Entscheidungen auch ihrer richterlichen Kontrollpflicht hinsichtlich des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Pfäfflin nachgekommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt, dass der Strafvollstreckungsrichter, wenn er die Hilfe eines ärztlichen Sachverständigen in Anspruch genommen hat, sich bewusst sein muss, dass er die Aussagen des Sachverständigen selbständig zu beurteilen hat. Der Richter hat die Prognoseentscheidung selbst zu treffen; er darf sie nicht dem Sachverständigen überlassen (BVerfG 58, 208, 223).

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die verfahrensgegenständlichen Entscheidungen gerecht. Die Gerichte haben die maßgeblichen Aussagen aus dem externen Sachverständigengutachten nicht ungeprüft übernommen, sondern diese aufgrund eigener Wertungen hinterfragt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Stellungnahme-Staatsministerin-2013-07-05.pdf#page=17

Das war Gegenstand der Gehörsrüge von Gustl Mollath: daß die Gerichte die Widersprüchlichkeit des Pfäfflin-Gutachtens in Diagnose und Prognose nicht gewürdigt hätten. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht vom 24.7.2013 die Gehörsrüge dahingestellt sein lassen, weil das Oberlandesgericht jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsprinzip mißachtet habe und die Verfassungsbeschwerde daher aussichtsreich sei; zur gutachterlichen Prognose, zu der sich Frau Merk vorsichtshalber erst gar nicht geäußert hat, fand er im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allerdings deutliche Worte, die sich auf die unbegründete, lediglich den Kollegen Dr. Leipziger stützende, Diagnose ebenso erstrecken lassen:

b) Entsprechendes gilt für das vom Oberlandesgericht Bamberg pauschal in Bezug genommene schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Pfäfflin. Darin äußert der Sachverständige zur Beschreibung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr, es liege die Annahme nahe, dass der Beschwerdeführer „womöglich“ wieder den im Einweisungsurteil vergleichbare Taten begehen werde. Später heißt es, zunächst dränge sich die Annahme auf, dass der Beschwerdeführer zukünftig entsprechende Taten begehen „könnte“. Beide Formulierungen sind bereits weder für sich noch in der Gesamtschau geeignet, die Gefahr neuer erheblicher Straftaten zu qualifizieren und zu quantifizieren.

c) Angesichts des Inhalts des schriftlichen Gutachtens konnte sich das Oberlandesgericht Bamberg zudem nicht auf den weiterführenden Hinweis beschränken, der Sachverständige habe in der mündlichen Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer von einer hohen Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten gesprochen. Es erschließt sich nicht und wäre daher begründungs- und erläuterungsbedürftig gewesen, wie der Sachverständige zu dieser Bewertung gelangt, nachdem seinem schriftlichen Gutachten allenfalls die – zudem nicht quantifizierte – Möglichkeit neuer Straftaten zu entnehmen war.

d) Darüber hinaus setzt sich das Oberlandesgericht nicht mit den von dem Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten aufgezeigten zahlreichen Gesichtspunkten auseinander, die gegen eine aktuelle erhebliche Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, sondern vielmehr für eine zwischenzeitliche Verminderung des von ihm ausgehenden Risikos sprechen […]

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Stellungnahme-GBA-2013-07-24.pdf#page=21

Das Gutachten war mithin in seiner unbasierten Beliebigkeit wissenschaftlich unbrauchbar. Entsprechend geht der Generalbundesanwalt mit den unwissenschaftlichen Stellungnahmen von Dr. Leipziger ins Gericht:

Aus der in der Beschlussbegründung wiedergegebenen Äußerung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth ist indes lediglich ersichtlich, dass der Beschwerdeführer sich uneinsichtig zeige und jede Art von Behandlung und Therapie ablehne. Darüber hinaus wird nur deutlich, dass er im Maßregelvollzug insbesondere gegenüber Mitpatienten kaum kompromissfähig, provozierend und dominant auftrete. Dass zur Vermeidung weiterer Eskalationen wiederholt der Fernsehraum habe geschlossen werden müssen und es durch das Verhalten des Beschwerdeführers zu Auseinandersetzungen komme, die über das Verbale hinausgingen, belegt ebenso wenig eine gesteigerte Gefahr neuer erheblicher Straftaten wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach einem Ausgang die Atemalkoholkontrolle verweigert habe.

Auch sind der wiedergegebenen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses keine Tatsachen zu entnehmen, die eine aus der angenommenen Erweiterung der Wahnvorstellung des Beschwerdeführers möglicherweise folgende erhöhte Gefährlichkeit nahe legen. Die im Beschluss angeführten Umstände vermögen die angenommene sehr hohe Gefahr erheblicher Straftaten weder isoliert betrachtet noch in der Zusammenschau zu tragen.

(wie vor)

Jahrelang ist die Wegsperrung Gustl Mollaths mit derartigen inhaltlosen Verlaufsbeschreibungen begründet worden, deren subjektive Bewertungen hinsichtlich der Ursache von Konflikten zwischen dem lästigen Nicht-Patienten Mollath und anderen Patienten und dem Personal nicht einmal überprüfbar sind. Sollte Frau Merk nicht spätestens nach Kenntnisnahme dieser Stellungnahme des Generalbundesanwalts auch selber Zweifel haben, ob Gustl Mollath zurecht oder zu Unrecht jahrelang in der Psychiatrie einsaß?

Wie verfassungswidrig sie selbst über die Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung denkt, zeigt sie im Rahmen ihrer Stellungnahme gegenüber dem BVerfG hier:

Auch wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gerade keiner durch Gesetz vorgegebenen zeitlichen Begrenzung unterliegt, wird der geltenden Höchststrafe von 10 Jahren für die gefährliche Körperverletzung die aktuelle Dauer des Maßregelvollzugs gegenüber zu  stellen sein. Bei einer bereits vorliegenden Unterbringungsdauer von nunmehr 7 Jahren nähert man sich dieser Grenze und damit Schritt für Schritt einer möglichen Unverhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung an.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Stellungnahme-Staatsministerin-2013-07-05.pdf#page=25

Erneut: gegen Gustl Mollath war eine Anklage zum Strafrichter erhoben worden, die mit einer Bewährungsstrafe von maximal einem Jahr geendet hätte. Wie kann man sich da an Höchststrafen orientieren? Was für ein Rechtsverständnis offenbart sich hier?

Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht am 24.7.2013 zwei unfaßbar unverhältnismäßige Fortdauerbeschlüsse des Landgerichts Deggendorf und des OLG München für verfassungswidrig erklärt (zu dieser Verfassungsbeschwerde des Untergebrachten hatte das Justizministerium wohlweislich keine Stellung genommen):

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20130724_2bvr029812.html

Die nächste einschlägige Aufhebung bayerischer Entscheidungen kommt bestimmt. Für das LG Bayreuth und das OLG Bamberg wäre das zwar nichts Neues. Dieses Ungemach ist ihnen schon im Oktober 2012 widerfahren:

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Der langjährige Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer Bayreuth, VRiLG Kahler, sollte sich aber fragen, ob es seiner Unabhängigkeit guttut, auf den von Dr. Leipziger organisierten Forensiktagungen in Bayreuth als Vortragender aufzutreten:

http://www.bezirkskliniken-oberfranken.de/pdf/bayreuth/veranstaltungen/2012/Flyer_Forensiktagung_2012.pdf

Und dann noch mit einem Thema, von dem er augenscheinlich nicht viel versteht.

Zur Fortsetzung geht es hier:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/09/06/der-fall-mollath-das-bundesverfassungsgericht-hat-gesprochen/

 

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1.993 Gedanken zu „Der Fall Mollath: Etappensieg und Raumgewinn

  1. http://www.sueddeutsche.de/bayern/mutmasslicher-geiselnehmer-von-ingolstadt-dann-zerstoere-ich-dein-leben-1.1749796

    Zur Geiselnahme mal wieder Widersprüchliches:

    Kindheit und Jugend verbrachte er laut Donaukurier in psychiatrischen Einrichtungen und Heimen.

    und

    „Wegen seiner bisherigen Lebensgeschichte musste er zwangsläufig ein solche Entwicklung einschlagen.“

    Leider wird sich die Erkenntnis nicht durchsetzen, dass psychiatrische Einrichtungen das Problem nicht lösen, sondern verstärken. Und so wird die Angst weiter geschürt:

    Ein Prozessbeteiligter erinnerte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an den Fall Gustl Mollath: Auch im Fall des Stalkers habe man sich die Frage gestellt, wie lange der Staat einen Menschen gegen seinen Willen in die Psychiatrie einsperren dürfe. In Ingolstadt fiel die Abwägung zugunsten des Täters aus – wie sich nun herausstellt, war es womöglich ein großer Irrtum.

    Die Unkenntnis über diese Anstalten ist erschreckend. Aber Hauptsache weg vom Fenster und das Gewissen beruhigen, dass ja jetzt die guten Ärzte zuständig sind.

    Das in einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft nie jemand auf die Idee kommt, einen Leistungs- und Erfolgsnachweis von diesen Anstalten zu verlangen, ist so erschreckend wie unverständlich.

    Aus welchem Patienten ist denn je etwas ordentliches geworden? Man zeige die „Geheilten“ vor! Raus lässt man nur diejenigen, die in panischer Angst vor der eigenen Krankheit leben. Die kann man nämlich kontrollieren…Es wird ewig so weitergehen. Der Mensch hat sich von sich selber entfremdet.

    • Ich hätte eine Lösung für die Stalking-Problematik, die sich leider nie durchsetzen wird.

      Statt schärferen Gesetzen bräuchte es eine Trennungstherapie mit Teilnahme des Täters und des Opfers.

      Wie eine Eheberatung, nur umgekehrt. Das widerspricht natürlich dem Ausgangsbedürfnis des Opfers einfach seine Ruhe haben zu wollen. Und diese Kontaktfreiheit ist ja auch rechtlich zugesichert.

      Wäre auf alle Fälle der bessere Weg. Denn so wie die Stalking-Problematik heute behandelt wird, eskaliert das regelmässig. Der Mensch will immer das, was er gerade nicht haben kann…

      • Schon heute kann ein solches Verfahren im Weg des Täter-Opfer-Ausgleichs durch professionelle Mediation beendet werden – wenn sich das Opfer dazu bereiterklärt, mitzuwirken. Auch einseitige Wiedergutmachung durch den Täter oder die Täterin (soweit eingesehen wurde, daß die Beziehung nicht mehr zu retten ist) kann über den TOA zur Verfahrenseinstellung führen. Kriminalisierung hilft in der Regel nicht.

    • Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasste 2012 rund 24 600 Stalking-Fälle. Die Deutsche Stalking-Opferhilfe geht jedoch jährlich schätzungsweise von 600 000 und 800 000 Fällen aus.

      Hat jemand eine Erklärung für diese Diskrepanz?

    • Ich kann nur die Aussage Mollaths vor dem UA anführen.

      Nach seiner (wohl auch zutreffenden) Darstellung, wurde eine medikamentöse Zwangsbehandlung angestrebt.
      Da das Urteil aber noch nicht gefällt war und somit Leipziger noch als Zeuge vor Gericht auftreten musste, lag der Sinn darin, den Anschein der Unbefangenheit aufrecht zu erhalten.

      Weisungsgemäss hat Richterin Schwarz ja auch umgehend, die Zwangs-Betreuung für alle Belange angeordnet.

      Dass Straubing die angestrebte Zwangsmedikamentation nicht vollzogen hat, lag wohl daran, dass Schwarz die Beschwerden Mollaths einfach nicht weitergereicht hat. Schwarz hat wohl darauf vertraut, dass Straubing es bei Gefahr in Verzug nicht so ernst nimmt, mit den rechtlichen Vorraussetzungen.

      Wie Mollath einer deftigen Depotspritze entgangen ist, bleibt ein Rätsel.

      Leipziger wird nach dieser Erfahrung in Zukunft wohl bei jedem Patienten darauf bestehen, dass die komplett zugeballert werden. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, das einmal Nachfragen kommen, steht halt was von akuten Schub mit suizidaler Tendenz im Bericht. Fertig ist der Lack.

      • Daß Gustl Mollath einer Zwangsbehandlung entging, lag an der Rechtslage: am 6.10.2006 – da war das Urteil noch nicht rechtskräftig – lief die zeitlich befristete Betreuung durch einstweilige Anordnung des AG Bayreuth aus. Später fand ein erneuter Versuch der Installierung einer Betreuung vor dem AG Straubing statt, die dank des Gutachtens von Dr. Simmerl scheiterte. Im bayerischen Maßregelvollzug war aber eine Zwangsbehandlung nur mit Zustimmung eines Betreuers möglich.
        Es kommt hinzu, daß eine arzneimittelrechtliche Zulassung von Neuroleptika für isolierte „Wahnstörungen“ nicht existiert – und auch dies kommt hinzu:

        Klaus Leipziger: „Wahnhafte Störungen sind schlecht behandelbar.“

        http://www.heise.de/tp/artikel/39/39646/1.html

      • @GW
        Nachfrage: Inwieweit war die gesetzliche Betreuung in medizinischer Hinsicht denn dann gefasst?
        Der akute Krankheitsverlauf nimmt ja keine Rücksicht auf Urteile.
        Was hinderte denn Straubing daran, die Zustimmung des Betreuers einzuholen?

      • @GW
        Auf die Gefahr hin mich als Blödel zu outen, aber das verstehe ich jetzt nicht.

        Schwarz stellte GM doch unter Betreuung.
        P3M beruft sich ja gerade auf die Erlaubnis des Betreuers.
        Wie passt das zusammen? Den gabs doch…

        • Langsam kommen wir wohl wirklich zum Punkt: Vom 27.2.2006 bis zur Rechtskraft des Urteils am 13.2.2007 befand sich Herr Mollath lediglich in vorläufiger Unterbringung gemäß § 126 a StPO. In dieser Zeit findet eine Behandlung nicht statt.

      • @GW

        Inhaltlich möchte ich Ihnen ja nicht widersprechen, aber angesichts der Absurdität wird die Frage erlaubt sein:

        Was soll der denn dann da drinnen? 😀

        Wird die Unterbringung nicht regelmässig damit begründet, dass er sich nicht behandeln lässt? Und man darf ihn auch nicht gegen seinen Willen behandeln? Na dann schickt ihn doch nach Hause bis zur Rechtskraft des Urteils. Oder setzt ihn in das ökonomisch und eingriffstechnische mildere Mittel der normalen U-Haft…

        Wie absurd.

      • @MaxMustermann u.a.
        Da ich selbst nach Par. 126 a StPO untergebracht war, möchte ich mich hier mit Hinweis auf die Akten unter martindeeg@wordpress kurz einschalten:

        Der Zweck der Unterbringung nach 126 StPO IST die Gutachtenerstellung.

        Eine Zwangsmedikation während dieser Form der Unterbringung ist nicht erlaubt. Deshalb sollte Herr Mollath ja auch entmündigt werden, damit der Betreuer stellvertretend der Medikation „zustimmt“. Immerhin das hat das Gutachten Simmerl (?) verhindert, worauf auch Dr. Strate im SWR hingewiesen hatte („SWR 1 – Leute“).

        Was Straubing angeht: die Drohung mit Verlegung dorthin ist intern und allgemein bekannt bei Insassen ein Druckmittel gegen „renitente“ Patienten – von dort gibt es keine Entlassung. Das bedeutet mitunter weitere Jahre, der Weg zur Entlassung führt nur wieder über die Verlegung von Straubing zurück in ein BKH.

      • Man mag es mir nachsehen, aber das ist doch contradiktisch

        Eine Zwangsmedikation während dieser Form der Unterbringung ist nicht erlaubt. Deshalb sollte Herr Mollath ja auch entmündigt werden, damit der Betreuer stellvertretend der Medikation “zustimmt”.

        Er war doch in Straubing mit einem Betreuer auch in medizinischen Fragen belegt.
        Darf der Betreuer nun zustimmen oder nicht?

        Mollath ist doch schwer krank= Gefahr im Verzug, dass sich die Krankheit verfestigt. Er hat ja sogar eine Pflegerin „beleidigt“ 😉

        Ich kenn das so:
        Da kommt der SD und nachträglich wird die Zustimmung des Betreuers eingeholt. Um Rechtsfragen schert sich doch keiner.

        Mit Betreuer kann GM ja gar nicht widersprechen und selbst wenn, wer soll denn einem Bekloppten glauben?

        Das geht sich alles irgendwie nicht aus. Wofür ein Betreuer, wenn der gar nichts zu sagen hat?

        • Wieso verstehen Sie es nicht, daß eine Zwangsbehandlung wegen der angeblichen psychischen Erkrankung überhaupt nicht möglich ist, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist? Das war erst am 13.2.2007 der Fall, und da gab es keinen Betreuer mehr. Der existierte nur für sechs Monate im Vorjahr.

      • @Susanne
        Eben. Der BGH ist erst ab 2011 mit der sich geänderten Rechtsauffassung des BVerfG von der bisher ständigen Rechtsprechung abgekommen, dass der Betreuer sich nicht über den natürlichen Willen des Betreuten hinwegsetzen darf.

        Warum die 2004 bei Mollath den Sack nicht zugemacht haben in Straubing verwundert nun doch sehr.

        Als ich vor 2000 in solchen Anstalten zu tun hatte, wurde mit irgendeiner Floskel die unmittelbare Gefahr für einen nachhaltigen, anders nicht anwendbaren Schaden postuliert und fröhlich rungespritzt. Hat doch nie Konsequenzen gehabt. Ärztliche Fürsorgepflicht halt…

        • Ich bemühe mich nun ein letztes Mal um Rechtsklarheit.

          Nirgendwo gab es Rechtsgrundlagen für eine Zwangsbehandlung im Rahmen einer vorläufigen Unterbringung gemäß § 126 StPO, die eine Sicherungsmaßnahme bis zur Rechtskraft eines Uteils ist (vergleichbar mit U-Haft) und sonst nichts. Das versteht sich von selbst, denn bis zur Rechtskraft sind alle Diagnosen und Prognosen ja nur vorläufig. Was wäre denn, wenn der BGH das Urteil aufheben würde, weil die Gutachten bei kritischer Würdigung nichts wert sind?

          In Bayern ist die Rechtslage besonders lückenhaft. Ein gesondertes Gesetz zum Maßregelvollzug gibt es nicht, nur ein allgemeines für psychiatrische Unterbringung, das dann tw. entsprechend für strafrechtliche Unterbringungen gilt (Hervorhebung von mir).

          Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung
          (Unterbringungsgesetz – UnterbrG)
          in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. April 1992
          Zum Ausgangs- oder Titeldokument
          Fundstelle: GVBl 1992, S. 60
          Stand: letzte berücksichtigte Änderung: Inhaltsverzeichnis und Art. 31 geänd, sowie Art. 28 a eingefügt (G v. 20.7.2011, 309)

          […]

          Art. 13
          Heilbehandlung
          (1) 1 Wer auf Grund dieses Gesetzes in einer Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 untergebracht ist, hat Anspruch auf notwendige Heilbehandlung. 2 Die Heilbehandlung umfaßt auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Kranken nach seiner Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.

          (2) 1 Der in der Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 Untergebrachte hat unaufschiebbare Behandlungsmaßnahmen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst geboten sind, zu dulden, soweit sie sich auf die psychische Erkrankung oder Störung des Untergebrachten beziehen oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung notwendig sind. 2 In diesem Rahmen kann unmittelbarer Zwang angewandt werden.

          (3) Ärztliche Eingriffe und Behandlungsverfahren nach Absatz 2, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind oder die Persönlichkeit in ihrem Kernbereich verändern können, dürfen nur mit rechtswirksamer Einwilligung des Untergebrachten oder, falls er die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen kann, desjenigen, dem die Sorge für die Person obliegt, vorgenommen werden.

          Neuroleptika-Gaben, die hier angesprochen sind, sind in der Allgemein-Psychiatrie bei fehlender Krankheitseinsicht also nur über die Betreuerlösung möglich – was mittlerweile als verfassungswidrig gilt, wobei die neue gesetzliche Lösung ebenfalls verfassungswidrig sein dürfte.

          Für den Maßregelvollzug sieht das bayerische Landesgesetz dieselbe Lösug vor:

          Art. 28
          Unterbringung auf Grund strafgerichtlicher Entscheidung
          (1) 1 Für die Unterbringung auf Grund strafgerichtlicher Entscheidung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (§§ 63, 64 StGB, §§ 136 bis 138 des Strafvollzugsgesetzes – StVollzG) gelten die Art. 12 bis 21 entsprechend.

          http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-UbrgGBY1992rahmen&doc.part=X&doc.origin=bs

          Eine Regelung für vorläufige Unterbringungen gem. § 126 StPO fehlt demnach völlig.

          Deshalb also schied eine Zwangsbehandlung während der Zeit der vorläufigen Unterbringung bis zur Rechtskraft des Urteils aus. Dr. Leipziger wollte lediglich Vorsorge treffen, daß die Betreuerlösung nach Rechtkraft des Urteils ziehen würde, und zwar in der gefürchteten zentralen Hochsicherheitsforensik in Bayern, in die Gustl Mollath nicht hineingehörte. Dort wiederum gab es keine Zwangsbehandlung mit Neuroleptika, weil Herr Mollath nicht unter Betreuung stand.

          Da hatte sich Dr. Leipziger nämlich gewaltig geirrt. Zwar war es klar, daß sein Hausgericht in Bayreuth auf unqualifizierten Zuruf seines Oberarztes Dr. Zappe parieren und eine einstweilige Anordnung auf Betreuung erlassen würde. Das danach zuständige Amtsgericht Straubing spielte aber nicht mit, und der Gutachter Dr. Simmerl schon gar nicht. Der sah zurecht weder Wahn noch Psychose.

          Es muß ein Schock für Dr. Leipziger gewesen sein, den mangels Neuroleptika-Behandlung völlig ungebrochenen Herrn Mollath im Jahr 2009 wieder bei sich zu sehen. Man fragt sich, warum der Chefarzt nicht auf eine vollstreckungsplankonforme Überweisung nach Erlangen hingewirkt hat: Bayreuth war schlicht gar nicht zuständig für Herrn Mollath.
          Eine äußerst lebendige Widerlegung seiner Fehldiagnose und -prognose befand sich nun also in seinem Machtbereich. Aber als Chefarzt kann man sich ja schützen: man verbarrikadiert sich in seinem Chefarztzimmer und überläßt die Exekution der eigenen Verdikte den weisungsabhängigen leitenden Oberärzten, die im autoritären Medizin-Betrieb schon aus Karrieregründen niemals etwas anderes als die Meinung des Chefs vertreten würden. Vier Jahre ist er damit durchgekommen, auch dank seines guten Kollegen Pfäfflin, der die Exploration Mollaths vom 29.11.2011 mit einem Vortrag bei den Bayreuther Forensik-Tagungen von Leipziger am 30.11.2011 koordinierte, das Angenehme mit dem Nützlichen verbindend, und bei beiden Gelegenheiten kassierend – es ist unglaublich, was auf diesem wissenschaftsfernen Gebiet alles so läuft.

      • Die Perspektive des BKH bzw. des Dr. L. wäre hier sogar sehr wichtig.
        Da sie aber derzeit von Lapp/ Braun und Schieseck vertreten und
        verbreitet wird, ist nichts Erhellendes zu erwarten.

        Was hätte eigentlich dagegen gesprochen, Mollath im Jahr 2006 in der eigentlich zuständigen Forensik in Erlangen unterzubringen? Welche Bedeutung hätten da Gerüchte über länger zurückliegende Eheprobleme noch gehabt, gerade im Vergleich zu der unsäglichen Doppelrolle des Dr. L. als Chefarzt und Belastungszeuge vor Gericht?

        Ist etwas darüber bekannt, ob Dr. W. auch an den einschlägigen Tagungen teilnimmt?

        • Er war von der Polizei ja fälschlicherweise ohne Vorführung vor den Richter direkt zur Forensik nach Erlangen gebracht worden. Schon diese Aufnahme in Erlangen war ja nicht nur strafprozessual falsch, sondern auch ein Verstoß gegen den Vollstreckungsplan, der ein Aufnahmeersuchen durch das Gericht voraussetzt. Die danach erfolgten Verlegungen – gegen den Vollstreckungsplan! – nach Bayreuth und dann sogar in die Hochsicherheitsforensik nach Straubing sind völlig ungeklärt. Zuständig hierfür war VRiLG Otto Brixner, der sich mit Dr. Wörtmüller und Dr. Leipziger abgesprochen haben muß. Die wiederum müssen die zuständigen Bezirke eingeschaltet haben, weil „Übernahmen“ nur möglich sind, wenn sich der abgebende Bezirk und der aufnehmende Bezirk einigen.
          Wo man auch hinsieht im Fall Mollath: überall hakt es.

      • @GW

        ….eben…weil es überall hakt….ist für mich immer noch vorstellbar, dass wirklich und wahrhaftig das Ziel war, diesen Mann „verschwinden“ zu lassen..(er hat Insiderwissen und könnte es veröffentlichen)……..rein in die Tiefen der Forensik…kleinmachen, knicken, runtermachen….verschwinden lassen….auch vor sich selbst…durch eine entsprechende Medikation….

        das Ganze hat aber nicht so geklappt, wie geplant….und zum Glück kann man dann heute sagen, hat es überall gehakt…

        wäre es, wie vermutlich geplant, verlaufen…dann hätten wir nie wieder etwas von ihm gehört….er wäre einfach nur „weg“ gewesen, wie scheinbar noch etliche andere…

      • Das ist mir schon klar. Ich hatte mir auch gerade die Diskussion von Mitte Januar mit den Informationen zu Vollstreckungsplänen und Fachaufsicht noch einmal angesehen. Da wollte Dr. L. ja Mollath aus Verunsicherung und Überforderung per Überrumpelung und Täuschung nach Ansbach
        verlegen – was gescheitert war, da dieses Mal die Anwälte einschritten und die Öffentlichkeit alarmiert war.
        Mag sein, dass Brixner die Unterbringung in Bayreuth initiiert hat – aber auch die Weiterverlegung nach Straubing? Könnte die nicht auch Dr. L. selbst veranlasst haben, weil er erkannt bzw. erahnt hat, womit er es zu tun hat und vom Wiedersehen mit Mollath ähnlich begeistert war wie fast zwei Jahre zuvor schon Dr. W.?
        Natürlich, das liegt alles im Dunkeln. Was man dank Otto Lapp weiß, ist, dass das BKH sich eifrig um die Einrichtung einer Betreuung gekümmert hat, was auch noch bekannt ist, ist, dass Dr. L. sich bei der ersten Aufnahme Mollaths im BKH gar nicht eifrig, sondern quasi in letzter Minute um seinen eigentlichen Auftrag gekümmert hat – er konnte Begegnungen mit ihm durchaus vermeiden.
        Was sich auch feststellen lässt ist, dass der Konflikt mit dem Mitpatienten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der wirkliche Grund für die Verlegung nach Straubing gewesen ist. Solche Auseinandersetzungen dürften an der Tagesordnung sein, es müsste weitere gravierende Vorfälle geben, die dann auch dokumentiert sein müssten. Erst wenn andere Maßnahmen nicht greifen, wäre an eine Verlegung als Ultima ratio zu denken.
        Ein nachvollziehbares Motiv für eine Verlegung wären organisatorische Engpässe beispielsweise bei Überbelegung oder bei Baumaßnahmen,
        davon ist aber nichts bekannt geworden.
        Es ist also ziemlich klar, dass Mollath aus sachfremden Erwägungen entgegen dem Vollstreckungsplan verlegt wurde. Aber hatte Brixner tatsächlich so großes Interesse und so viel Energie und Überblick, das alles allein zu betreiben und den widerrechtlichen Zustand noch über seine Amtszeit hinaus aufrechtzuerhalten?
        Also für mich hakt es deutlich weniger, wenn ich die Sache aus der Perspektive der Psychiater betrachte.

        • Wenn diese Stellungnahme echt sein sollte und ich habe keinen Grund das zu bezweifeln, würde ich mir jetzt auch wünschen, dass das Gutachten von GM veröffentlicht wird.

          Des weiteren wünsche ich mir dann, dass wenn dieses Gutachten wirklich derart substanzlos ist, a) Herr Leipziger sofort aus seinem Amt befördert wird, b) ihm eine Klage wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung für die 7,5 Jahre (nicht für 5 Wochen) ins Haus flattert.

          Ich habe gerade einen ganz dicken Hals!

        • @anni b. – ich denke diese Fundstelle sollte ganz nach oben – viele werden die hier unten gar nicht lesen…

    • Da das missverständlich war:

      Der Zweck des Par. 126 a StPO ist natürlich auch und vor allem die Sicherung – da ja angeblich eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ abgewendet werden muss.

    • Warum war er eigentlich so lange im Hochsicherheits-BKH Straubing (ganze 3 Jahre)?
      Gab es eigentlich zur anvisierten Betreuung einen konkreten Hinweis, dass man eine Zwangsmedikamentierung anstrebte bzw. über den offiziellen Hintergrund der Betreuung (war Anlass die Zwangsversteigerung?).
      Falls man wirklich auf eine erzwungene Verabreichung von Medikamenten aus war, dann tun sich hier noch inhumanere Abgründe auf als ohnehin schon. Müsste denn nicht bei einer Zwangsmedikamentierung ganz genau geprüft werden und die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein? Angenommen, man hätte diese erfolgreich durchgeführt, wäre das denn eigentlich legal gewesen, gemessen an den vorgeworfenen Anlasstaten und der angeblichen „wahnhaften Störung“? Immerhin sprechen wir nicht von einem geistig kranken Mörder oder Treibtäter. Und würde eine Medikamentierung nicht auch eine Diagnose voraussetzen, damit man weiß, welches Medikament wofür verwendet werden soll? Oder ist es tatsächlich so, wie ich bereits las, dass man verschiedenartige Medikament ausprobiert und wartet, wie und ob es angschlägt?

      • „Anlaß“ für die Betreuung war vermutlich das Zwangsversteigerungsverfahren, Ursache jedoch etwas anderes; soviel ist bislang dazu bekannt:

        In Bayreuth wurde ich vorher, auf die Schnelle, einer Amtsrichterin vorgeführt. Ich sagte gleich, jetzt gibt’s die „Medizinische Betreuung“. Nein, nein, meinte die Frau Amtsrichterin Schwarz, nur wirtschaftlich. 6 Wochen später wird mir in Straubing ihr Beschluss zugestellt. Am nächsten Tag hatte sie auch eine „medizinische“ Betreuung beschlossen. Ich schreibe um mein Leben, die Amtsrichterin Schwarz aus Bayreuth will nicht mehr zuständig sein, will abgegeben haben an’s Gericht Straubing. Die wollen mit der Sache nichts zu tun haben und nehmen nicht an.

        http://www.nuernbergwiki.de/index.php/Gustl_Mollath_%28Brief_an_StVK_Regensburg%29

        Zitat des Psychiaters Dr. Hans Simmerl aus seinem Gutachten vom 26.9.2007, S. 2f., mit dem er nach Exploration des Gustl Mollath das Vorliegen einer psychotischen Erkrankung verneinte und dem Probanden volle Geschäftsfähigkeit zuerkannte:

        In einem Schreiben der Forensischen Klinik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth vom 05.04.2006 wird bei Herrn Mollath ein “paranoider Wahn im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie, zumindest aber eine wahnhafte Störung mit paranoiden Inhalten” diagnostiziert. Die Störung führe dazu, dass sich der Betroffene im Umgang mit anderen Menschen unbegründet bedroht fühle u. den Kontakt verweigere. Im Rahmen der paranoiden Verkennung der Wirklichkeit sei Herr Mollath nicht dazu in der Lage seine Krankheit einzusehen oder die Notwendigkeit der Behandlung der Erkrankung begreifen zu können. Eine Betreuung wird für die Bereiche Gesundheitsfürsorge bzw. Behandlung, sozialrechtliche Angelegenheiten einschließlich der Geltendmachung von Ansprüchen u. Vermögensangelegenheiten, sowie gerichtliche Vertretung insbesondere auch strafrechtlicher u. sozialrechtlicher Vertretung für notwendig erachtet. Eine Anordnung einer Betreuung sei auch gegen den Willen des Betroffenen notwendig. Er sei nicht zu einer freien Willensbestimmung fähig.

        http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/Stellungn.htm#Ergebnisse%20des%20Mainkofener%20Gutachtens%20vom

        [teilweise faksimilegestützt zitiert durch den Psychologen Dr. Rudolf Sponsel]
        https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/02/19/der-fall-gustl-mollath-rosenkrieg-und-versagen-von-justiz-psychiatrie-ix/

    • Eine schlechte Figur gibt diesbezüglich auch die SZ ab.
      Der ganze Vorgang um die Verlegung nach Straubing sind sogenannte Hard-Facts, die nach Aufklärung und Nachfrage gerade zu schreien.

      Ich werde den Eindruck nicht los, man möchte sich bei der SZ auf die politische Ebene des Skandals beschränken. Dass der Skandal aber im erfahrenen Unrecht zu suchen ist, welches Mollath völlig losgelöst von der (noch zu klärenden) Tatfrage erleiden musste, scheint die SZ nicht in ihrem journalistischen Anspruch zu beflügeln.

      @Mayr

      Noch als kleines Bonmot am Rande: Ein Klient von mir, der mit der HVB im Streit steht, hat auf meinen Hinweis auf Schlötterers Buch, die dort beschriebenen Vorgänge in ein Schreiben eingebaut.

      Die BaFin hat tatsächlich geantwortet, man werde die Vorgänge nun untersuchen. Selbstverständlich könne man über den Stand keine Auskunft erteilen. Aber immerhin… 🙂

    • sogar mit dem verflixten “i.V.”….

      Hier ist es ja ein „i.A.“!
      Was von der Lautsprache ja wieder passend ist. 😉

      Davon abgesehen steht ja auch die Frage im Raum die Frau Lorenz-Löblein schon mal in einem Interview nebenbei hat fallen gelassen. Da ging es darum, ob Mama Reichel überhaupt eine Weiterbildungsgenehmigung hatte, somit die Frage, ob das Sohnemännchen überhaupt dort seine Weiterbildung machen durfte.
      Spannend ist auch die Frage nach der ja eine Kassenarztpraxis nicht durch andere Ärzte die Patientenzahl erhöhen darf. Und das Sohnemännchen hatte damals ja keine Kassenzulassung.
      Ich bin mal gespannt, ob sich die Beiden (Lorenz-Löblein und Strate) auch noch rechtlich mit diesem Strang beschäftigen werden (vielleicht ja mit Mama Reichel auf der Zeugenbank). Die Antwort dieser Frage könnte dabei auch das seltsame „i.V.“ bei einer eigenen Untersuchung des Sohnemännchen erklären.

    • Das dankeswerter Weise verlinkte Urteil des OLG Frankfurt – dort: Seite 1, rechte Spalte unten – Stichwort: unechte Urkunde – mag auch für die Frage der evt. Haftung (von Mutter und/oder Sohn, sobald die Umstände der behaupteten Untersuchung der Ex-Frau von GM, wann durch wen, mit/ohne Vertretungsmacht geklärt sind) eine Rolle spielen.

      Der LINK mag mithin für den Kollegen Strate eine Fundgrube sein. Er sollte ihm besser direkt zugehen.

      • @mkveits
        Der Hinweis auf das o.g. Urteil (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 31.3.2009–2Ss 325/08) wurde soeben an RA S., Hamburg, weitergeleitet.

  2. Auch einer der sich nicht vom „justiznahen“ Kröber begutachten lassen wollte und deswegen in Isolationshaft bleibt (seit 17 Jahren) .
    „In seinem über 60 Seiten umfassenden „Gutachten“ kam Kröber zu dem Ergebnis, eine Alternative zur Unterbringung in Isolationshaft sei nicht erkennbar.
    Zwingende „Mindestvoraussetzung für eine Veränderung der aktuellen Situation“ sei, dass Peter sich bereit erkläre, „an einer Sachaufklärung (…) aber auch den subjektiven Erwartungen mitzuwirken“.
    Ein anderer Gutachter (von Ihm ließ der Gefangene sich untersuchen)
    „Dieser kam zu einem ganz erstaunlichen Ergebnis, was die Isolationshaft betrifft. Denn deren Fortdauer hält der Facharzt für nicht angebracht und empfiehlt eine sofortige Verlegung in den Normalvollzug. Danach und nach einer Therapie könne man durchaus eine bedingte Entlassung, sprich eine Freilassung auf Bewährung erwägen.“
    http://freedomforthomas.wordpress.com/2012/05/07/17-jahre-isohaft-und-kein-ende/

    .

    • In der JVA muss doch jede Massnahme dieser Natur vom Ministerium abgesegnet werden, wenn die drei Monatsdauer überschritten wird.

      Wie rechtfertigen die denn das in dem Fall? Wegen verweigerten Begutachtung? Das wäre doch widersinnig. Wenn die ohne Gutachten nicht wissen, ob man ihn in den Normalvollzug verlegen kann, wie wollen die dann rechtfertigen, dass er in die Isohaft gehört?!?

      Unerhört.

      Und zu Mollaths 6 Monaten Isohaft muss doch auch ein Beschluss von Ministerin Haderthauer vorgelegen haben. Warum hört man nur nie was von der Geschichte? Das wäre doch Beckmann tauglich gewesen…

      • @ Susanne Stetter

        Bitte nicht Googeln und dann die nicht geprüften Erkenntnisse als „Wahrheit“ herausposaunen.
        Dieser von Ihnen verlinkte „Thomas“ hat einen Bankraub mit Geiselnahme verübt und sitzt derzeit (so scheint es) in Freiburg in Einzelhaft und soll dieses Jahr in Sicherheitsverwahrung.
        Der oben zitierten Beitrag geht es um einen „Peter“, der zur Zeit in Niedersachsen (also so ziemlich am anderen Ende Deutschlands) sitzt. Dieser hatte vor 17 Jahren eine Geiselnahme in der JVA Celle vorgenommen. Über seine Reue oder seiner Einstellung zu seiner Tat damals wird nichts berichtet.

        Nebenbei, in der JVA Celle hat unser „Rechtsstaat“ schon mal ein Loch rein gesprengt um Terroristen zu befreien (natürlich nur aus ermittlungstechnischen Gründen begann man diese „Straftat“ und ich weiß, es ist natürlich viel vielschichtiger, aber das würde zu weit führen). 😉

      • @Gaston: Ich google nicht, ich habe da eine viel bessere Suchmaschine. Der Eingangslink ist auf die Seite freedomforthomas. Der Text ist so angelegt, dass mehrere Fälle verwurstelt sind, ohne erkennen zu können, was zu welchem Fall passt. Ich posaune keine Unwahrheit hinaus, wenn ich darauf hinweise, dass Falk nichts bereut. Steht doch dort auf dessen Seite. Was da über diesen Peter steht und Kröber, ist ja ganz nett, wo sind die Verweise zum Original. Und dieser Thomas ist es nunmal gewesen, der – weil eine fürchterliche Figur – vor dem Landesparlament keine gute Grundstimmung erzeugt hat, auch wenn sachlich das Begehren richtig gewesen ist. Wenn man unterstützt fällt auf einen selbst zurück. Jedenfalls sollte da schon gesagt sein, dass ich nicht zur Sorte der ‚Gerüchtestreuer‘ gehöre. Insoweit sollten Sie sich vielleicht mal mit der Frage beschäftigen: Welche Botschaft hat das mit Peter und Kröber, gefunden auf der Privatmeinungsseite des Thomas?

    • Interessiert habe ich nun mal die Geschichte des Herrn Peter Strüdinger gelesen.
      Dieser Mann ist genau das Gegenbeispiel zu Herrn Mollath und völlig zu Recht in Einzelhaft und Sicherungsverwahrung. Vor solchen Menschen muß die Gesellschaft in der Tat geschützt werden. Sein Lebenslauf weist Herrn Strüdinger als unbelehrbaren Gewaltverbrecher aus.

      • Sein Lebenslauf weist Herrn Strüdinger als unbelehrbaren Gewaltverbrecher aus.

        Ich lese in den leider wenigen Dokumenten heraus, das mit der 2. Hälfte der 90er Jahre eine langsame und stetige Änderung im Verhalten des Herrn Stründinger erfolgte. Das einzige Gutachten mit einer wirklichen Untersuchung des Herrn (im Jahr 2000) eine positive Tendenz aus. Er hat sich freiwillig in Therapie begeben (1998 – 2001), die auf Grund der begrenzten Möglichkeiten in der Isolationshaft an ihre Grenzen stieß und dann eingeschlafen ist.

        Man hatte scheinbar kein Interesse an einer positiven Entwicklung, weswegen man eine sinnvolle Weiterführung einer Therapie durch starre Regeln verhindert hat. Zudem ist Isolationshaft auch im Blick auf Menschenrechte mehr als Problematisch.

  3. Super, danke Frau Wolf.

    Ein „abstract“ kann man das wohl nicht nennen. Das ist ein üppiges Kapitel eines Buches. Aktuell die vierte Episode – oder Episode IV. Raum nach oben hat @GW ja gelassen und die Nachwelt wird das in wenigen Worten „zusammen fassen“. Das ist es, was mich „immer so umtreibt“, wie man fast 8 Jahre, oder ein ganzes Leben, oder ein Zeitalter in ein paar Worte packen kann. Gut diese neue „summary“ ist in meinem .pdf print 14 Seiten lang (ohne erste Kommentare) und fasst knapp einen Monat an Geschehnissen und Quellen zusammen. Spaeter heisst es eingedampft vielleicht „Der WA hatte in zweiter Instanz Erfolg und Herr Mollath wurde aus der Forensik entlassen“. Eingedampft von der Geschichte und der Zeit, die nie jemand im Ueberfluss hat.

    Ich haette mich auch kuerzer fassen koennen, um die posts wieder in die e-mail abonniert zu erhalten, weil die bei einer neuen GW Episode immer abbrechen und erst mit einem Initialpost neu gestartet werden muessen.

    Also ganz kurz – „just perfect, Ms. Wolff“. civis E

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