Heute beginnt das Wiederaufnahmeverfahren von Ulvi Kulac, der im Jahr 2004 vom Landgericht Hof zu Unrecht wegen Mordes der am 7.5.2001 verschwundenen 9-jährigen Peggy Knobloch aus Lichtenberg verurteilt worden ist. Das kann man deshalb so wuchtig sagen, weil es damals wie heute weder einen Beweis für ein Tötungsdelikt an jenem Tag noch für eine Täterschaft des geistig behinderten Ulvi Kulac gab und gibt. Wer von dem Fall noch nie etwas gehört hat, dem empfehle ich einen ersten Überblick anhand dieses Artikels:
Mordfall „Peggy Knobloch“
Viele Zweifel an einem zweifelsfreien Urteil
17.03.2013 · Im Mai 2001 verschwand die neunjährige Peggy Knobloch spurlos. Eine Leiche wurde nie gefunden, dennoch verurteilte das Landgericht Hof den geistig behinderten Ulvi Kulac wegen Mordes. Nun will sein Anwalt beweisen, dass er unschuldig ist.
Von David Klaubert
Welches Ergebnis das Wiederaufnahmeverfahren haben muß, geht es dort rechtsstaatlich einwandfrei zu, steht bereits fest: eine Staatsanwaltschaft Bayreuth, die einerseits seit 2012, getrieben von den Medien, neue Ermittlungen zur Aufklärung des Falls Peggy aufgenommen hat, alte, nie ausermittelte Spuren der Soko Peggy II aufnehmend, kann andererseits in der neuen Hauptverhandlung nicht volltönend ihre Überzeugung von der Schuld des Ulvi Kulac vertreten. Auch dann nicht, wenn sie ihren engagierten ergebnisoffenen Ermittler, Oberstaatsanwalt Dr. Ernst Schmalz, kurz vor Prozeßbeginn öffentlich als überengagiert darstellte und ihren Experten auch als Sitzungsvertreter im Wiederaufnahmeverfahren aus dem Rennen nahm. Auf eigenen Wunsch selbstverständlich.
Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bayreuth vom 2. April 2014
Seit Mitte 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft Bayreuth unabhängig vom Wiederaufnahmeantrag des Angeklagten Ulvi K. im Zusammenhang mit dem Verschwinden der damals 9-jährigen Peggy K.
In einem der entsprechenden Verfahren wurde in einer Vernehmung dem Wunsch des dortigen Verdächtigen nach Hinzuziehung eines Verteidigers in prozessual angreifbarer Weise nicht entsprochen. Der bisher mit der Sache betraute Staatsanwalt hat dies im Nachhinein erkannt und um seine Entbindung gebeten.
Um bestmöglich zu gewährleisten, dass auch das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy frei von jeglichen Belastungen ist, hat der bislang zuständige Staatsanwalt dort ebenfalls darum gebeten, einen anderen Staatsanwalt mit der Sachbearbeitung zu beauftragen. Dem ist nachgekommen worden.
Es wird um Verständnis dafür gebeten, dass dazu keine weiteren Einzelheiten bekannt gegeben werden können.
Im Wiederaufnahmeverfahren hinsichtlich Ulvi K. nehmen Frau Staatsanwältin als Gruppenleiterin Sandra Staade und Herr Staatsanwalt als Gruppenleiter Daniel Götz die Sitzungsvertretung wahr.
http://www.justiz.bayern.de/sta/sta/bt/presse/archiv/2014/04329/index.php
Wenig wahrscheinlich, daß sich die neuen Sitzungsvertreter in dem Aktenmaterial, das schon vor Stellung des Wiederaufnahmeantrags knapp 14.000 Seiten betrug, so zurechtfinden werden wie der versierte Oberstaatsanwalt.
Er hat das Wiederaufnahmeverfahren befürwortet und die neuen Ermittlungen im Fall Peggy vorangetrieben: der Bayreuther Oberstaatsanwalt Ernst Schmalz. Am Mittwoch wurde er überraschend ausgetauscht, um den neuen Prozess „frei von jeglichen Belastungen“ zu halten, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Bei einer Vernehmung habe Schmalz einem Verdächtigen den Anwalt vorenthalten, so die Begründung, und deshalb um seine „Entbindung“ gebeten. Bei Prozessbeobachtern sorgt die Auswechslung kurz vor Verfahrensbeginn für große Verwunderung. Den engagierten Ermittler jetzt aus dem Verkehr zu ziehen, sei ein Skandal, sagt einer.
Das kann man durchaus so sehen. Ulvi Kulac hat jedenfalls einen Verteidiger verloren. „Gruppenleiter“ bei den bayerischen Staatsanwaltschaften sollen übrigens, so wird gemunkelt, auf einem Karrieresprungbett stehen, das ihnen in der Regel eine Beförderungsstelle in der Richterschaft verschafft.
Die Wiederaufnahmeentscheidung hat das Landgericht Bayreuth so begründet:
Landgericht Bayreuth ordnet Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Fall „Peggy“ an
Die 1. Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth hat mit Beschluss vom 09.12.2013 die Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Fall „Peggy“ angeordnet. Damit kommt es gegen den am 30.04.2004 vom Landgericht Hof wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Ulvi K. zu einer neuen Hauptverhandlung. Der Angeklagte befindet sich derzeit wegen anderer Taten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese Unterbringung ist von der heutigen Entscheidung nicht betroffen.Die Jugendkammer stützt sich auf zwei Gründe, welche die Wiederaufnahme notwendig machen.
So habe sich ein – zwischenzeitlich verstorbener – Zeuge mit seiner Aussage vor dem Landgericht Hof einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage zu Ungunsten des Angeklagten schuldig gemacht. Dieser Zeuge hat seine Falschaussage im Jahr 2010 vor dem Ermittlungsrichter eingeräumt. Es könne auch nicht sicher ausgeschlossen werden, dass die Aussage dieses Zeugen auf die Urteilsfindung Einfluss hatte. Die Aussage dieses Zeugen habe auch als Tatsachengrundlage für das seinerzeitige psychiatrische Sachverständigengutachten gedient.
Als weiteren Grund für die Wiederaufnahme führt die Jugendkammer das Vorliegen einer sogenannten Tathergangshypothese vom 30.04.2002 an, welche dem Gericht in Hof nicht bekannt gewesen sei. Diese Tathergangshypothese sei erheblich, weil der Sachverständige, der im Verfahren vor dem Landgericht Hof die Glaubhaftigkeit der Geständnisse des Angeklagten zu beurteilten hatte, ausgeschlossen habe, dass deren Inhalt ihm durch vernehmende Kriminalbeamte suggeriert worden sei. Der Sachverständige begründete dies damit, dass den Beamten selbst zum Zeitpunkt der Geständnisse am 02.07.2002 ein hypothetisches Tatszenario gefehlt habe, das sie dem Angeklagten hätten vorhalten können. Eine solche Tathergangshypothese hat es aber, wie sich im Wiederaufnahmeverfahren herausgestellt hat, tatsächlich gegeben. Auf die weiteren von der Verteidigung vorgetragenen möglichen Wiederaufnahmegründe kam es nicht an.
Eine bemerkenswert mutige Entscheidung, denn sie zielt in medias res eines konstruierten Verfahrens: die Polizei hatte einen Spitzel auf den bereits im BKH untergebrachten Ulvi Kulac angesetzt, Peter Hoffmann, der dort ebenfalls untergebracht war und der sich Vorteile erhoffte, wenn er der Polizei vorlog, Kulac habe ihm gegenüber ein Geständnis abgelegt. Dieses angebliche durch Hoffman kolportierte Geständnis von Kulac war wiederum Grundlage der Tathergangshypothese der Polizei. Jedenfalls in dem Vernehmungskonzept der durch den Innenminister Günther Beckstein unter Erfolgsdruck gesetzten, seit Februar 2002 neuformierten Soko Peggy II unter der Leitung von Wolfgang Geier, die vorwiegend auf Geständniserwirkung bedacht war.
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hatte sich dem Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung zwar angeschlossen, allerdings eine andere, gesichtswahrende, Begründung gewählt:
Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bayreuth vom 20.11.2013 zum Fall Peggy
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hat nach eingehender Überprüfung am 20. Nov. 2013 dem Landgericht Bayreuth ihre Stellungnahme zum Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten Ulvi K. vom 03./19. April 2013 vorgelegt.
Zumindest einer der im Antrag des Verurteilten vorgebrachten Punkte – nämlich die Benennung einer Zeugin, die dem damals erkennenden Landgericht Hof nicht bekannt war – könnte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Bayreuth die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Verurteilung wegen Mordes an Peggy Knobloch rechtfertigen.
Zu Einzelheiten können vor einer Entscheidung durch das Landgericht Bayreuth keine weiteren Erklärungen abgegeben werden.
http://www.justiz.bayern.de/sta/sta/bt/presse/archiv/2013/04132/
Nun ist unbekannt, welche Zeugin die Staatsanwaltschaft dabei im Visier hatte; schließlich gibt es zahlreiche Zeugen und Zeuginnen, die Peggy nach der vom Gericht „festgestellten“ Tötung durch Ulvi Kulac am 7.5.2001 bis 13:45 Uhr gesehen oder gesprochen haben. Aber die Präsentation von neuen Beweismitteln ist immer geeignet, das ersturteilende Gericht zu entlasten…
Man war also guten Mutes, was das Wiederaufnahmeverfahren anging. Bis diese Nachricht hineinplatzte:
Neuer Prozess, alter Gutachter Fall Peggy: Schock-Nachricht für Ulvi K.
Helmut Reister, 14.01.2014 12:21 Uhr
[…]
Ein Skandal?
Für die Jugendkammer des Landgerichts, wo der neue Prozess gegen Ulvi im April starten wird, stellt der Berliner Universitätsprofessor als Gutachter kein Problem dar. „Er hat den gerichtlichen Auftrag bekommen, sein früheres Gutachten zu ergänzen“, erklärt Behördensprecher Thomas Goger die juristische Ebene.
Irgendwelche Interessenskonflikte oder mögliche Befangenheitsgründe sind für ihn nicht erkennbar: „Er hat damals sein Gutachten auf der Grundlage objektiv unzureichender oder falscher Vorgaben gemacht und kann das jetzt berücksichtigen.“
Für Rechtsanwalt Michael Euler, der Ulvi K. vertritt und den neuen Prozess durchgesetzt hat, stellt sich die erneute Beauftragung Kröbers als Gutachter wesentlich komplizierter dar. „Mein erster Gedanke war, sofort einen Befangenheitsantrag zu stellen, als ich das gehört habe“, sagt Euler.
Nach der Schock-Nachricht will er seinen Worten zufolge erst einmal abwarten, zu welchen Ergebnissen der psychiatrische Sachverständige diesmal kommt – und erst dann entscheiden, wie es weiterläuft.
Skeptisch, sagt Euler, bleibe er auch deshalb, weil er Zweifel an der handwerklichen Qualität des ersten Gutachtens bestünden. Er könne dies auch belegen.
Wie wahr. Der Psychiater Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber hatte die zweifelhaften Geständnisse von Juli 2002 trotz fehlender Kompetenz als Aussagepsychologe und unterbliebener Wertung polizeilicher Vernehmungsmethoden im Ergebnis so gewürdigt:
Zusammenfassend sprechen die zu prüfenden aussagepsychologischen Gesichtspunkte im Falle von Herrn Kulac gegen die Nullhypothese, dass das in seinen Geständnissen dargestellte Geschehen unwahr, z.B. von ihm erfunden ist oder ihm suggeriert wurde und mithin für die Annahme, dass diese Angaben in tatsächlichem Erleben begründet sind.
[S. 124 f. seines Gutachtens vom 19.10.2002]
Diese bloße Annahme reichte dem Landgericht Hof für eine Verurteilung von Ulvi Kulac aufgrund seines widerrufenen Geständnisses aus.
Das Landgericht Bayreuth, das diesen Gutachter zur „Ergänzung“ seiner Expertise unter Zugrundelegung des Vernehmungskonzepts der Soko Peggy II beauftragte, ging offenbar davon aus, es mit einem unbefangenen Gutachter zu tun haben, der zur Selbstkorrektur angesichts neuer Sachverhalte fähig ist.
Nun bilden womöglich Richter eine Berufsgruppe, die nicht besonders internetaffin ist – aber es lohnt sich manchmal, sich im Internet zu informieren. Der Journalist Christoph Lemmer, Co-Autor von Ina Jung („Der Fall Peggy. Die Geschichte eines Skandals“, Droemer 2013, ein Buch, in dem exakt jene polizeiliche Geständnisproduktion nach dem rechtlich bedenklichen Reid-Verfahren und die angebliche Unkenntnis des Gutachters Kröbers von der Tathergangshypothese thematisiert wurde), hat bereits am 12.12.2013 offenbart, wie emotional-voreingenommen Kröber auf bloße kritische Nachfragen zu seinen Peggy-Gutachten reagiert.
Warum sich der Fall #Peggy zum Debakel für Psychiatrie-Gutachter #Kröber entwickelt
[…]
Ich habe auch versucht, Kröber selbst zu einer Stellungnahme zu bewegen, und zwar erstmals im April 2012. Da hatte Rechtsanwalt Michael Euler gerade erst mit der Arbeit an seinem – nunmehr erfolgreichen – Wiederaufnahmeantrag begonnen. Ich wollte von Kröber wissen, wie er angesichts der wachsenden Zweifel am Mordurteil gegen Ulvi Kulac zu seinem Gutachten stehe. Er antwortete:
Sehr geehrter Herr Lemmer,
dieser Rechtsanwalt Michael Euler, nicht zu verwechseln mit dem renommierten Rechtsanwalt Wolfgang Euler, hat mich schon vor mehr als einem Jahr “zwecks Wiederaufnahme” mit vermeintlich neuen Erkenntnissen konfrontiert, von denen jedes einzelne im Prozess in Hof lang und breit erörtert und geklärt worden ist.
Die Verschwörungstheoretiker verschweigen übrigens alle, dass Ulvi unstreitig Peggy am Donnerstag vor der Tat am Montag massiv vergewaltigt hatte und vorher bekanntermaßen andere Kinder des Ortes sexuell missbraucht hatte.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Kröber
Aus seiner subjektiven Sicht müßten mithin jetzt auch die Staatsanwaltschaft und das Landgericht Bayreuth zu „Verschwörungstheoretikern“ mutiert sein, und, wie auch im Fall Mollath, in dem er bei seiner Verteidigung seines bayernfreundlichen Bestätigungsgutachtens feuilletonistisch zu Werke ging, weist er bei dieser Replik bedenkliche Gedächtnislücken auf *. Von einer „unstreitigen massiven Vergewaltigung“ Peggys durch Ulvi Kulac kann nämlich keine Rede sein, wie er wissen muß. Kröber selbst hat in seinem Gutachten die beiden Varianten des „Geständnisses“ von Ulvi Kulac aufgeführt:
Ulvi Kulac hatte einen schweren sexuellen Mißbrauch der Peggy, begangen am Donnerstag, dem 3.5.2001, in einer Vernehmung am 06.09.2001 gestanden. Bei einer weiteren Beschuldigtenvernehmung zu diesem Thema am 24.06.2002 hatte er, wie auch nachher immer wieder, betont, daß er mit seinem Glied nicht in Scheide oder Anus des Mädchens gewesen sei, sonden dieses zwischen ihren Pobacken auf- und nieder bewegt habe.
[S. 6 des Gutachtens]
Ihm gegenüber hat Ulvi Kulac konstant die zweite Variante aufrechterhalten.
Ulvi Kulacs überaus fragwürdiges und aktuell bestrittenes „Geständnis“, was die Tat vom 3.5.2001 zum Nachteil Peggys angeht – sie weicht von den niedrigschwelligeren sonstigen Sexualdelikten, die durch Zeugenaussagen von ausschließlich männlichen Kindern belegt sind, auffällig ab – ist vom Landgericht Hof in seinem nun wegen der Mord-Verurteilung hinfälligen Urteil vom 30.4.2004 als „Tatsache“ im Sinn des zweiten und der späteren Geständnisse „festgestellt“ worden.
In der Beweiswürdigung zur Geständnisqualität heißt es dort:
Im Fall B V. 4. schilderte der Angeklagte in der Hauptverhandlung das Geschehen gleichfalls in sich widerspruchsfrei in einem stimmigen, zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhang mit hohem Grad an Konkretisierung und Detaillierung sowohl hinsichtlich des Kerngeschehens als auch des Rahmengeschehens: So bekundete er zum Rahmengeschehen, es sei am Donnerstag gewesen. Das sei der Donnerstag vor dem Verschwinden von Peggy gewesen. Peggy habe am Nachmittag ans Fenster seiner Wohnung geklopft, es sei das linke der beiden Fenster gewesen. Er habe aufgemacht, sie reingelassen, sie hätten sich unterhalten und play-Station gespielt. Zum Geschehen nach den Vorfällen bekundete der Angeklagte, Peggy habe geheult, sie habe raus rennen wollen. Er habe zu ihr gesagt, sie solle sich anziehen. Sie habe sich angezogen und er habe sie gefragt, ob sie so einen Brauereilaster habe, wie er sie sammele. Sie habe gesagt, sie habe so einen und habe einen gebracht. Das sei aber nicht der Richtige gewesen, sondern ein „orangener Straßenbaulaster“.
[UA, S. 22 f.]
Über die Plausibilität einer solchen Nachtat-Schilderung möge jeder selbst urteilen. Für unvoreingenommene Betrachter, die ein Motiv für einen Verdeckungsmord nicht benötigen, hat dieses Geständnis jedenfalls den Anschein, als sei ein sexueller Vorgang lediglich in einen typischen Alltagsbesuch eingebaut worden.
Erschwerend kommt hinzu, daß eine faktische Überprüfung des „Geständnisses“, wie es Gerichten auferlegt ist, nicht stattgefunden hat. Gudrun Röbel, Ulvi Kulacs rührige Betreuerin, hat aus den Akten den Tagesablauf Peggys am 3.5.2001 rekonstruiert: es kann praktisch ausgeschlossen werden, daß Peggy den Beschuldigten Kulac am Nachmittag des 3.5.2001 besuchte und daß es hier zu einem sie belastenden Geschehen kam.
http://www.ulvi-kulac.de/prozess.html
Prof. Kröber scheint bei seiner Antwort an Christoph Lemmer auch auszublenden, daß Ulvi Kulac entsprechend dem psychiatrischen Gutachten von Prof. Nedopil wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit bezüglich der Sexualdelikte freigesprochen und gegen ihn die Maßregel gemäß § 63 StGB verhängt wurde.
Diese Minderbegabung des Angeklagten mit der darauf fußenden Retardierung im psychosozialen und psychosexuellen Bereich ist den Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. Nedopil zufolge als Schwachsinn im Sinne des § 20 StGB zu qualifizieren.
[UA S. 117]
Daß Kröber zu dieser Wertung im psychiatrischen Teil seiner Beurteilung der Aussagetüchtigkeit nicht gelangte, versteht sich von selbst.
Am 2.4.2014 lancierten Ina Jung und Christoph Lemmer folgendes:
Zeitgleich haben am Mittwoch zwei Journalisten schwere Vorwürfe gegen den Vorsitzenden Richter Michael Eckstein erhoben. Die Autoren Christoph Lemmer und Ina Jung, die ein vieldiskutiertes Buch über den Fall geschrieben haben, erklärten in einer Pressekonferenz in Bayreuth, ihnen lägen Informationen vor, wonach der Richter in einem Telefongespräch mit dem Berliner Gerichtspsychiater Hans Ludwig Kröber „diskutiert“ habe, zu welchem Ergebnis ein von Kröber zu erstellendes Gutachten über die Glaubwürdigkeit des wegen des Mordes an Peggy verurteilten Ulvi K. kommen solle.
„Mehr oder weniger frei erfunden“
Kröber war im ersten Peggy-Prozess vor dem Landgericht Hof zu dem Ergebnis gekommen, das von Ulvi K. später widerrufene Geständnis sei glaubwürdig. Dafür, so Kröber damals, spreche auch, dass die Polizei kein Szenario über den Tathergang gehabt habe, mit dem sie Ulvi hätte konfrontieren und so sein Geständnis beeinflussen können. Dass es ein solches Tatszenario doch gab, war einer der Gründe, warum das Landgericht Bayreuth die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügte.
Das Landgericht will von Kröber nun wissen, ob er unter diesen Umständen zu einer neuen Einschätzung komme. Der Vorsitzende Richter, so Lemmer, habe Kröber nahegelegt, er möge Ulvis Geständnis für „mehr oder weniger frei erfunden“ erklären. Kröber, so besagten die Informationen, deren Quelle Lemmer nicht offenlegte, „soll das vom Richter gewünschte Ergebnis schon zugesagt haben“. Überraschenderweise, so Lemmer, sei Kröber aber in seiner Stellungnahme entgegen dieser Zusage zu dem Ergebnis gekommen, Ulvis Geständnis sei doch glaubwürdig.
Die beiden Journalisten berufen sich dabei auf nicht näher bezeichnete Quellen aus dem „Berliner Umfeld“ des Gutachters.
Im Licht der ersichtlichen Voreinstellung des Gutachters scheint eine solche Fehldeutung des Vorgangs des Gutachtenauftrags plausibel. Denn wie sollte er aus seiner Sicht die wiederholt vorgetragenen Ergänzungswünsche des Gerichts anders verstehen als ein Mißtrauensvotum gegen sein altes Gutachtenergebnis?
Es kann ihm schließlich nicht entgangen sein, daß die Staatsanwaltschaft Hof ihn deshalb bereits am 8.8.2002 mit einem Gutachten über die Aussagetüchtigkeit von Ulvi Kulac betraut hatte, weil die polizeilich erwirkten Geständnisse eines geistig Behinderten allein, die zeitnah aus gutem Grund nicht als Ermittlungserfolg öffentlich gemacht wurden, zur Überführung nicht ausreichten. Bei Abwesenheit von polizeilichem Druck war erfahrungsgemäß jederzeit mit einem Widerruf zu rechnen.
Prompt bestritt Ulvi Kulac gegenüber dem Sachverständigen am 22. und 23.08.2002 sowie am 10.09. 2002 (selbst noch am 14. 10.2002) die Tötung Peggys. War das der Grund, weshalb diese Explorationen entgegen den Mindestbestimmungen für die Anfertigung von aussagepsychologischen Gutachten nicht aufgezeichnet wurden? Waren diese Explorationen nur Aufwärmübungen für die eigentliche (aufgezeichnete) Exploration vom 14.10.2002, in der Ulvi Kulac aufgefordert wurde, sein gegenüber der Polizei abgegebenes Geständnis zu wiederholen?
In seiner methodenkritischen Erstanalyse des Gutachtens kommt der forensische Psychologe Dr. Rudolf Sponsel bei Untersuchung dieser zunächst komplett fehlgeschlagenen Gedächtnisprobe vom 14.10.2002 u.a. zu folgenden Ergebnissen:
4.5 Komplizierte Mehrfachvorgaben – mindestens zwei – , die miteinander nicht in direktem, unmittelbaren Zusammenhang stehen, die überwiegend auch zudem noch Suggestivfragen beinhalten. Ein ganz fatales Beispiel (siehe auch oben Kröber-01):
„Kröber-02.2: Jetzt haben wir uns das angehört, das letzte Stückchen, und das ist soweit okay. Nun haben Sie ja eine Geschichte erzählt, die noch nicht ganz dem entspricht, was Sie bei der Polizei erzählt haben. [S. 74] Da fehlt mittags rum ein Stück. Dieses Stück würde mich noch mal interessieren, was Sie da der Polizei erzählt haben, daß Sie der Peggy begegnet sind. Ich weiß, daß Sie jetzt sagen, Sie sind der Peggy an dem Montag nicht begegnet. Aber damals haben Sie der Polizei was anderes erzählt. Das würde ich gerne noch einmal von Ihnen hören, was Sie damals der Polizei erzählt haben, als Sie da am Henri-Marteau-Platz sitzen, auf der Rentnerbank, glaube ich.“
Kulac-02: Das war nicht die Rentnerbank.“Wie hätte an dieser Stelle richtig gefragt werden können und müssen? Nun, z.B.
- Gibt es noch was oder ist diese Geschichte fertig? Falsch suggestiv wären: Gibt es noch was? ebenso wie Ist die Geschichte fertig? Oder: Fehlt noch was?
- Hm. Ist das haarklein die Geschichte, die Sie der Polizei erzählt haben oder ist das noch nicht haarklein die Geschichte, die Sie der Polizei erzählt haben?
- Haben Sie etwas vergessen oder fehlt nichts mehr? Falsch suggestiv wäre: Haben Sie etwas vergessen? Oder: Fehlt vielleicht noch was?
Völlig unmöglich sind natürlich Kröbers Suggestionen: 1) entspricht nicht der Geschichte bei der Polizei. 2) Es fehlt mittags rum ein Stück. Und völlig fatal 3) Peggybegegnung. 4) Henri-Marteau-Platz, 5) sitzen, 6) Rentnerbank – von Ulvi Kulac übrigens zurückgewiesen. Kröber gibt hier – wie der allerschlimmste Anfänger – genau das vor, was Ulvi erzählen soll, um anschließend zu schlussfolgern, dass Ulvi die „falsche“ Geschichte gut nacherzählen konnte – bei einer Suggestivfragenrate von 68%. Tatsächlich erzählte Ulvi Kulac bereits in seiner ersten umfassenden Antwort weitgehend die seiner Meinung nach richtige (Erst)- Geschichte
[…]
6.2.c Geständnisvergleiche
Ulvi Kulac wird aufgefordert dem Gutachter „haarklein“ zu erzählen, was er im Juli der Polizei erzählt hat. Die Konstanz bezieht sich auf das widerrufene Geständnis und damit auf die Nacherzählung einer falschen Geschichte, die noch dazu eine ganze Reihe durch Zeugenaussagen und Rekonstruktion bestätigbarer Aussageteile enthält. Was soll das für einen Beweiswert haben? Die Schlusslogik ist mir aus der aussagepsychologischen Literatur auch nicht bekannt. Grundidee und Hauptsatz des Kröber’schen Ergebnisses:
Eine falsche Geschichte ist wahr, wenn sie richtig nacherzählt werden kann. Ein solches Kriterium findet sich nicht unter den 19 Kriterien, die der BGH in seinem aussagepsychologischen Urteil 1999 ausweist.
http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/MKEAKr%C3%B6b.htm
Aus welchen Gründen könnte sein „Berliner Umfeld“ gegenüber Journalisten Auskunft über sein Verständnis des neuen Gutachtenauftrags gegeben haben? Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus seinem Gutachten, denn so rechtfertigte er sein Tätigwerden auf einem fachfremden Gebiet:
In der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassungen von Herrn Kulac bei den Vernehmungen am 2. Juli 2002, 23.07.2002 und 24.07.2002 sowie den Video-Rekonstruktionen vom 30.07 und 01.08.2002 stützt sich das Gutachten auf die Kriterien und Qualitätsmaßstäbe zur aussagepsychologischen Beurteilung, wie sie von Max Steller und Renate Volbert, Institut für Forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin, in ihrem Gutachten für den Bundesgerichtshof dargelegt wurden.
Dieses Gutachten bildete eine wesentliche Grundlage des Urteils des BGH vom 30. Juli 1999 (1 StR 618/98)2 „Wissenschaftliche Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtungen (Glaubhaftigkeitsgutachten )“.
M. Steller, R. Volbert (1999) Wissenschaftliches Gutachten Forersisch- aussagepsychologische Begutachtung (Glaubwürdigkeitsbegutachtung).
Praxis der Rechtspsychologie 9: 46-112; siehe auch: M. Steller, R. Volbert (2000) Anforderungen an die Qualität forensisch-psychologischer Glaubhaftigkeitsbegutachtungen. Praxis der Rechtspsychologie 10, Sonderheft 1, 102-116: 46-112 2 I;3GH, Urteil vom 30.07.1999 – 1 StR 618198, abgedruckt in: NJW 1999, S. 2746-2751, Strafverteidiger 9199, S. 473-478, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2000, S. 100-105, sowie Praxis der Rechtspsychologie 9 (1999) 113-125 sowie 10 (Sonderheft Glaubhaftigkeitsbegutachtung) S. 117-130
Der Sachverständige ist als Leiter dieses Instituts in ständiger Diskussion mit Prof. Dr. Max Steiler, Frau Dr. Renate Volbert und weiteren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Instituts im Hinblick auf die fortlaufende Forschung zu Realkennzeichen und Qualitätskriterien der Glaubhaftigkeitsbegutachtung; der konkrete Fall wurde vom Sachverständigen auch eingehend mit Prof. Steller diskutiert.
[S. 3 f. des Kröber-Gutachtens]
Daß er sich mit dieser indirekten Einbeziehung des leitenden Personals der Abteilung „Rechtspsychologie“ in seinem Berliner Umfeld nicht nur Freunde gemacht haben wird, leuchtet ein.
Christoph Lemmer hatte schon im Dezember 2013 versucht, die behauptete Assistenz der aussagepsychologischen Koryphäen Steller/Volbert zu ermitteln:
Dass Kröbers Gutachten erst jetzt kritisch untersucht wird, könnte damit zusammenhängen, dass er als Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie in Berlin in seiner Zunft zu den Mächtigen gehört, mit denen man sich nicht ohne weiteres anlegt. Es könnte außerdem damit zusammenhängen, dass er in seinem Gutachten anmerkt, er habe sich mit zweien seiner Kollegen ausgetauscht, nämlich Professorin Renate Volbert und Professor Max Steller, was wohl auf zusätzliche fachliche Autorität weisen soll. Das hätte ich gern hinterfragt, was aber größtenteils misslang. Steller wollte das auf meine Anfrage nicht kommentieren. Auch Frau Volbert beantwortete meine Fragen nicht, schickte mir aber stattdessen einen von ihr verfassten Aufsatz. Der trägt sinnigerweise den Titel “Falsche Geständnisse”, zitiert Studien, bei denen zehn bis 20 Prozent früherer Verhörpersonen sagten, sie hätten schon einmal falsche Geständnisse abgelegt und befasst sich umfassend mit den Motiven für falsche Geständnisse.
Was ist demnach von der angeblichen „Absprache“ zwischen dem Vorsitzenden Richter und dem Sachverständigen zu halten?
Das glaubwürdige Dementi des LG Bayreuth liest sich so:
In diesem Zusammenhang hat der Vorsitzende in Telefonaten mit dem Sachverständigen im Rahmen seiner Verpflichtung zur sachgerechten Vorbereitung der Hauptverhandlung diesem den Wiederaufnahmegrund erläutert, der sein Gutachten betrifft. Der Vorsitzende hat dem Sachverständigen, welchem zum Zeitpunkt der vorbereitenden Telefonate die Akten und der Wiederaufnahmebeschluss noch nicht vorlagen, deutlich gemacht, weshalb es sich bei der Existenz der Tathergangshypothese aus Sicht der Kammer um eine wesentliche Änderung der Tatsachengrundlage seines vormals erstatteten Gutachtens handelt. Zu keinem Zeitpunkt hat der Vorsitzende dem Sachverständigen inhaltliche Vorgaben für das von ihm zu erstattende Gutachten gemacht oder gar ein Ergebnis vorgegeben. Der Vorsitzende hat dies auch den Verfahrensbeteiligten heute so mitgeteilt.
Übersetzt: es bedurfte mehrere Telefonate, um den Gutachter Kröber davon zu überzeugen, sein damaliges Gutachten zu ergänzen. Kröber mußte mehrfach klargemacht werden, daß die Tathergangsghypothese, die ihm seinerzeit nicht vorgelegen haben soll, eine wesentliche Änderung der Tatsachengrundlage seines Gutachtens darstelle. Diese Wertung greift der sachverständigen Stellungnahme vor; denn wenn eine wesentliche Änderung vorliegt, dann müßte sich auch am Ergebnis etwas ändern – insoweit könnte der Eindruck entstanden sein, das Gericht habe eine inhaltliche Vorgabe gemacht. Daß Prof. Kröber entsprechendes explizit zugesagt haben soll, halte ich angesichts seiner akzentuierten Persönlichkeit wiederum für absolut unwahrscheinlich. Ihm dürfte subjektiv bereits die Annahme des neuen Auftrags als Niederlage erschienen sein, stellt man seine vehemente Mail an Christoph Lemmer von April/Mai 2012 in Rechnung.
Aufklärungsbedarf sehe ich eher bei der Vorfrage, die Gisela Friedrichsen aufwirft:
Kröber, der Ulvi K.s Geständnis für glaubhaft hält, ist Psychiater, nicht Psychologe. Warum ausgerechnet er und nicht, wie üblich und geboten, ein namhafter Aussagepsychologe von der Staatsanwaltschaft beauftragt wurde, bleibt das Geheimnis der Ankläger in Hof. Dass es nur pragmatische oder ökonomische Gründe gewesen sein sollen, ist wenig glaubhaft.
Da hat sie recht. Prof. Kröber macht solche pragmatischen Gründe in seinem Gutachten zwar geltend:
Nach den beiden ersten Untersuchungsgesprächen wurde in Rücksprache mit der auftraggebenden Staatsanwaltschaft entschieden, daß auch die aussagepsychologische Beurteilung durch den Sachverständigen übernommen wird, zumal unter pragmatischem Aspekt ansonsten ein Begutachtungsabschluß im Jahre 2002 nicht möglich gewesen wäre.
Speziell unter diesem Gesichtspunkt erfolgten dann die beiden nachfolgenden Gespräche am 10.09. und am 14.10.2002, wobei Herr Kulac bei letztgenanntem Gespräch bereit war, nochmals eingehend sein der Polizei gemachtes Geständnis dem Sachverständigen zu wiederholen und auf Tonband aufzeichnen zu lassen.
[S. 114]
Aber er widerspricht dieser angeblich nachträglichen Auftragserweiterung aus praktischen Gründen durch die Staatsanwaltschaft selbst. Bei der Wiedergabe seiner Belehrung von Ulvi Kulac vor der ersten Exploration am 22.8.2002 heißt es [Hervorhebung von mir]:
Herr Ulvi Kulac wurde nach Vorankündigung erstmals am 22.08.2002 im BKH Bayreuth auf der Station FP 6 aufgesucht. Er war über das Kommen des Sachverständigen informiert.
Es wurden ihm zu Beginn Gegenstand und Ablauf der Begutachtung erläutert.
Er wurde darauf hingewiesen, daß es hierbei speziell um die Aussagetüchtigkeit ginge und um die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Er wurde darauf hingewiesen, daß er die Teilnahme an der Begutachtung verweigern könne.
[S. 47]
Soll man sich jetzt aussuchen, an welcher Stelle Kröber die Unwahrheit spricht?
Daß Kröber bei seinem Gutachtenergebnis trotz Vorliegens einer in ein umfassendes Vernehmungskonzept eingebetteten Tathergangshypothese geblieben sein soll, ist nahezu unerklärlich; Friedrichsen hierzu:
Unter anderem heißt es in der Tathergangshypothese: „Im vorliegenden Delikt dürfte es zu einer Eskalation im Handlungsablauf gekommen sein… Grund für die Eskalation könnte die Vergewaltigung der Peggy durch Ulvi im Vorfeld sein und er am 7.5.01 bei einer erneuten Kontaktaufnahme mit Peggy eine Überreaktion auf ihre ‚Flucht‘ vor ihm zeigte, wobei eine Einwirkung auf den Hals aufgrund von Schreien der Peggy nicht auszuschließen ist. Bei der Beseitigung der Leiche wirkten weitere Personen, evtl. enges familiäres Umfeld des Ulvi mit…“ Dürfte, könnte, eventuell, alles Hypothesen, bis heute. Genauso hat es Ulvi K. dann gestanden. Zudem hatte man ihn mit angeblichen Blutspuren an seiner Kleidung konfrontiert, die tatsächlich nicht existierten.
Aber letztlich, da stimme ich ihr zu, wird es auf ein unrichtiges Gutachten zu einem falschen Geständnis gar nicht ankommen. Die Tatsachen sprechen für sich.
Falsch ist auf jeden Fall der Tathergang, von dem die Polizei ausging, da sind sich Jung und Lemmer einig. Ein Indiz: Ulvi K. soll Peggy aus dem Ortskern bis zur Burg nachgelaufen sein (siehe Karte). „Ulvi K. kann gar nicht rennen“, sagt Lemmer.
Am Nachmittag nach dem Pressetermin in Bayreuth stehen er und Jung hinter dem Haus in Lichtenberg, in dem Peggy lebte. Es ist verwahrlost, am Fenster im ersten Stock verblassen Kinder-Aufkleber. Zwischen dem Grundstück und dem Friedhof verläuft der bucklige, schmale Weg, den die Ermittler für Peggys Fluchtweg hielten. „Hätten die Polizisten Ulvi nur ein einziges Mal die Strecke rennen lassen“, sagt Ina Jung, „dann hätten sie gemerkt, dass es so nicht gewesen sein kann.“
Gleich der erste Prozesstag könnte für die Polizei brisant werden. Zwei junge Männer werden aussagen – sie sahen ihre Schulkameradin Peggy am 7. Mai 2001 in einen roten Mercedes mit tschechischem Kennzeichen einsteigen. Sie machten detaillierte Aussagen, wussten sogar noch, dass sie an dem Tag Würstel zu Mittag gegessen hatten. Doch ihre Aussage spielte im ersten Prozess keine Rolle.
Jung und Lemmer machten die beiden ausfindig. Sie erzählten ihnen, dass die Ermittler sie kurz nach ihrer ersten Aussage unter Druck gesetzt hatten: Die Polizisten besuchten die Buben getrennt voneinander, ohne Eltern, erzählten ihnen, der jeweils andere habe seine Angaben zurückgenommen. Die Kinder bekamen Angst, zogen ihre Aussagen zurück. Jetzt bekommen sie eine zweite Chance. Und vielleicht auch Ulvi K.
Von Carina Lechner
http://www.merkur-online.de/aktuelles/bayern/peggy-suche-nach-wahrheit-3466751.html
Die Vernehmung
Am zweiten Tag des „Peggy-Prozesses“ sind etliche Kripo-Beamte als Zeugen geladen. Auf sie warten viele, sehr unangenehme Fragen.
Von Joachim Dankbar
Hof – Es spricht viel für die Annahme, dass der kommende Freitag, als der zweite Verhandlungstag des Peggy-Prozesses, ein besonders unangenehmer Tag werden wird. Das gilt weniger für den Angeklagten Ulvi Kulac, als viel mehr für die Polizisten, die ihn im Juli 2002 vernommen haben. Das Bayreuther Gericht hat an diesem Tag die Chance zu klären, wie es zu jenem Geständnis kam, das der wesentliche Grund für die Verurteilung von Kulac am 30. April 2004 durch das Hofer Landgericht geworden ist. Das Wiederaufnahmeverfahren fußt auf der Annahme, dass das Hofer Gericht wesentliche Umstände des – später widerrufenen – Geständnisses nicht kannte. In Bayreuth könnte nun geklärt werden, ob die Richter bewusst getäuscht wurden.
Als Zeugen sind der prominente Profiler bei der Münchner Kripo, Alexander Horn, und Wolfgang Geier, der damalige Chef der „Soko Peggy II“ geladen. Der damals 31-jährige Alexander Horn verfasste eine genaue Gebrauchsanleitung für die Vernehmung von Ulvi Kulac, die am 2. Mai 2001 bei der Soko Peggy II einging. Darin stand, wo die Vernehmung stattfinden sollte, wer an ihr teilnehmen sollte und im Grunde stand auch darin, was dabei herauskommen sollte. Denn Horn gab eine komplette Version der angeblichen Vorgänge vor, die am 7. Mai 2011 zum Tod von Peggy Knobloch geführt haben sollen. Unter dem Begriff „Tathergangshypothese“ sollte diese Version noch traurige Berühmtheit erlangen. Fakt ist: Diese Hypothese ähnelt in weiten Zügen dem Geständnis, das Ulvi Kulac später ablegen sollte.
[…]
Es ist nicht das einzige Mal, dass Geier Ärger mit den eigenen Mitarbeitern bekommt. Nach Informationen unserer Zeitung gab es auch innerhalb der Kripo immer wieder Beschwerden über Geiers Ermittlungsmethoden. So sollen Hinweise der Beamten auf andere Spuren oder Bedenken weggefegt worden sein.
Der forsche Geier gilt als „Mann mit Scheuklappen“. Das wird ihm später spektakulär zum Verhängnis. Die von ihm geleitete „Soko Bosporus“ übersieht jahrelang jede Spur der NSU-Mörder und sucht nur Täter im Umfeld der zumeist türkischen Opfer. Sie kriminalisiert sie und ihre Familien – obwohl Profiler Horn auf die Handschrift rechtsextremer Einzeltäter hinweist.
Trotz aller penibler Vorbereitungen bestreitet Ulvi Kulac auch am 2. Juli zunächst jede Schuld. Nun überschlagen sich die Merkwürdigkeiten: Am Ende des Verhörs soll Kulac in die Psychiatrie zurückgebracht werden. Deswegen verabschiedet sich sein Verteidiger. Kaum ist er fort, soll Kulac es sich anders überlegt haben. Die Beamten bringen ihn zurück in den Verhörraum, wo Kulac gesteht. Auf einmal ist aber das Tonband defekt, mit dem die Vernehmungen sonst protokolliert werden. Im Nebenzimmer soll es ein weiteres Tonband gegeben haben, das aber auch nicht verwendet wird. Warum, das weiß keiner mehr – oder keiner kann es schlüssig erklären.
So gibt es vom Geständnis nur ein Gedächtnisprotokoll eines einfachen Polizeihauptmeisters, eben „jenes väterlichen Freundes“ aus Lichtenberg. Trotz der Tragweite des Geschehens fertigt er es auch erst am nächsten Morgen an. Später wird Ulvi sagen, dass er nur gestanden habe, um wieder in Ruhe gelassen zu werden. Er klagt auch darüber, dass er körperlich angegangen wurde.
Obwohl sich später alles, was Ulvi Kulac an jenem Abend zum Verbleib der Leiche sagt, als erfunden herausstellt, bleibt das Geständnis die wichtigste Grundlage seiner Verurteilung wegen Mordes. Es gibt nicht einen einzigen Sachbeweis gegen ihn.
[…]
Klarheit könnte auch Gerhard Heindl schaffen. Er vertrat 2003 und 2004 die Anklage gegen Ulvi Kulac. Unserer Zeitung sagte Heindl, dass er zu diesem Fall gar nichts mehr sagen werde, da er nicht mehr Staatsanwalt sei. Heindl ist heute Direktor des Amtsgerichts in Weiden. Alexander Horn ist weiter der prominenteste Profiler Bayerns. Wolfgang Geier ist der oberste Verbrechensbekämpfer der Kripo in Unterfranken. Ulvi Kulac freut sich über den ersten Freigang seit zwölf Jahren.
http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Die-Vernehmung;art2388,3263713
Ja, über „Erfolge“ bei einer Staatsanwaltschaft Bayerns macht man Karriere als Richter. Amtsgerichtsdirektor wird nicht jeder.
Nachzutragen bleibt, daß an jenem berüchtigten 2. Juli 2002 nicht nur das Tonbandgerät versagte, sondern auch die Videokamera: da funktionierte nur der Ton…
Beides ist verständlich. Das Geständnis vom 2.7.2002 war ja in seinen nachprüfbaren Teilen schnell widerlegt, und mußte in den nachfolgenden zwei Vernehmungen optimiert werden. Es ist zu hoffen, daß dieser Polizei-, Psychiatrie- und Justizskandal in der jetzt anstehenden Hauptverhandlung geklärt wird. Denn noch steht die Behauptung von Jung/Lemmer im Raum, daß sowohl das Gericht als auch der Gutachter Kröber die Tathergangshypothese gekannt hätten, bevor sie ihr Urteil fällten.
http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Anmerkung-der-Verteidigung-2013-11-16.pdf
Aufregung im Landtag:
http://www.sueddeutsche.de/bayern/verfassungsbeschwerde-schottdorf-will-ausschuss-stoppen-1.2047010
http://www.sueddeutsche.de/bayern/schottdorf-affaere-landtag-kaempft-um-sein-kontrollrecht-1.2047459
Oha, Prof. Schünemanns Stimme hat sicher Gewicht …
Die Gute will die Revision. Ob es wohl in die Verlängerung geht?
„Schlechte Verliererin“ trifft es da durchaus.
http://taz.de/Kommentar-Schwarzer-und-Kachelmann/!141748/
Apropos „Schlechte Verliererin“ 😉
Habe gerade bemerkt, das die Webseite http://www.petra-maske.de/ scheinbar derzeit so ganz ohne Inhalt ist (nicht mal als Baustelle gekennzeichnet, sondern nur ganz einfach komplett weiß).
Schade, dabei wollte ich dort so gerne einen Workshop besuchen.
Vermutlich auf Rat des Anwalts. Es kommt jetzt vor allem auf ihre Glaubwürdigkeit an, und die ist durch ihre Aussageverweigerung stark beeinträchtigt. Uneidliche Falschaussage verjährt nach 5 Jahren. Wenn sie erneut dasselbe aussagen würde, könnte sie mit einem Strafverfahren rechnen. Ihre damalige Aussage zurücknehmen will sie offenbar nicht – das hätte sicher auch zivilrechtliche Konsequenzen.
Es ist also wichtig für sie, dass das Gericht sich nicht so einfach über ihre aktuellen Tätigkeitsfelder informieren kann:
– Quantum Entrainment nach Dr. Frank Kinslow
– Theta Healing
– Bio-Energetik
– Wohnungs-, Haus- und Schlafplatz-Optimierung mit Pyramiden-Energie
– Wünschelruten-Workshops
Das scheinen mir alles typische Beispiele für Scharlatanerie zu sein, an die viele der Praktizierenden selbst nicht glauben. Vor allem Mittel, mit denen man zu Wohlhabenden das Geld aus der Tasche leiern kann. Und das passt ja wunderbar zu dem Bild, das man sich auf Grund der Aktenlage vom Treiben der damaligen Petra Mollath im Bankenumfeld machen kann.
Na na na, die gute Frau hat nicht „Wünschelruten-Workshops“ angeboten, sondern Workshops für die „Einhand-Wünscherute“, da bleibt eine Hand frei für andere wichtige Sachen, wie z.B. Nasebohren (weswegen ich mich dafür interessiert habe 😉 ) oder … (hier überlasse ich mal die Lösung der Phantasie der Leser, wozu die freie Hand noch so gebrauchen ist).
Hinweis zum Wiederaufnahmeverfahren
Um während des Wiederaufnahmeverfahrens die Aktualisierungen zu vereinfachen, werden die direkten Vorgänge um das Verfahren auf der Webseite „Drei Säulen“ unter der Kategorie „Gustl Mollath“ eingestellt.
Die ersten geplanten 17 Verhandlungstage sind bereits dort unter dem Stichwort ‚Verhandlungstermine Wiederaufnahmeverfahren „Gustl Mollath“‚ zu finden.
Bitte um Mithilfe
Es wollen viele zu den Verhandlungen. Es ist schön, wenn die Besucher, die zu den Verhandlungen gehen einen kleinen Bericht über Ihre Wahrnehmung der Verhandlung erstellen würden und uns zu Verfügung stellen (gerne auch Anonym). Den Text dann einfach unter der bekannten Mailadresse info@gustl-for-help.de zusenden oder für das Wiki auf „Drei Säulen“einen Account anfragen und selbst dort direkt einen Text schreiben (ich helfe gerne).
Georg S.
Mollath im SZ-Magazin:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/Eine-Wahnsinnsgeschichte
Es sieht so aus, als würde die Entlassung von Ulvi Kulac näher rücken:
http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/ulvi-kulac-gutachten-bayreuth-100.html
Heute gab es ein Portrait über Gustl Mollath im Magazin „Kontrovers“ des BR:
http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/kontrovers/dossiers-und-mehr/mollath-wiederaufnahmeverfahren-prozess-100.html
Interessant: am Ende die Argumente pro und contra Tondokumentation von Explorationsgesprächen.
Ja, natürlich kommt Ulvi Kulac bald frei – er ist ja nur wegen des Mord-Fehlurteils als „gefährlich“ eingestuft worden. Seine einzigen nachweisbaren Sexualstraftaten beschränkten sich ja auf teilweise auf Zuruf vollführtes Onanieren vor Kindern und auf Masturbieren von Kindern, denen er intellektuell gleichstand – bei entsprechenden fehlendem Unrechtsbewußtsein.
Hätte es das Fehlurteil „Mord“ unter tätiger Mithilfe von Kröber nicht gegeben, wäre Ulvi Kulac schon längst der freiheitsenziehenden forensischen Psychiatrie entronnen und in einem schützendem Umfeld untergebracht worden – weit entfernt von den Lichtenbergern, die ihn aufstachelten, sich zu entblößen.
Natürlich müssen psychiatrische Explorationen aufgenommen werden – bei aussagepsychologischen Explorationen ist das schon längst Pflicht. Gustl Mollaths Schicksal hing aber nicht von diesem Defizit ab. Denn bekanntlich haben weder Dr. Leipziger noch sein treuer Bestätiger Prof. Dr. Kröber eine Exploration durchgeführt.
Letzterer kannte noch nicht einmal die Ermittlungsakten, die seinerzeit Dr. Leipziger vorlagen.
Aber natürlich siegt allenthalben die Kollegialität. Das beste Beispiel liefert Prof. Pfäfflin, der den Explorations-Termin mit Mollath so legt, daß er zeitgleich bei der von Dr. Leipziger veranstalteten Bayreuther Forensik-Tagung auftreten kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat jedem klargemacht, was von Pfäfflins Gutachten zu halten ist: nämlich nichts.
So selbstverständlich ist das nur in der Theorie bzw. in der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte. In der Praxis sieht es leider anders aus. Da sitzen einige Leute in den Maßregelvollzugseinrichtungen, deren Anlasstaten bei verfassungsgerichtlicher Überprüfung niemals die Erheblichkeitsschwelle erreichen würden. Was die Strafvollstreckungskammern Jahr für Jahr abnicken.
Ich glaube mich auch zu erinnern, dass Ulvi Kulac in die Forensik kam bevor es überhaupt zu dem Mordverfahren gekommen ist. – Eigentlich hätte er einen Therapieplatz (freiwilliger Aufenthalt) in Bayreuth gehabt, den ihm die Eltern besorgt hatten und dann kam es plötzlich zu dem Zwangstherapieaufenthalt wegen Mißbrauchsvorwürfen. – Oder habe ich das nicht mehr richtig in Erinnerung?
Er befand sich seit September 2001 nach einem Unterbringungsbeschluß gemäß § 126 a StPO wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern im LKH Bayreuth. Der damals tätigen Soko I erschien er nicht tatverdächtig, was das Verschwinden von Peggy von Mai 2001 anging. Beide Verfahren wurden später verbunden.
Was auch immer das sofort nach dem Freispruch in der Wiederaufnahme angeordnete neue Gutachten im Vollstreckungsverfahren ergeben mag – eine Beendigung der Unterbringung gebietet schon der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Den sollte die StVK Bayreuth mittlerweile kennen.
Natürlich kennt sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aber wie wir inzwischen wissen, ist die verfassungsgemäße Auslegung des einfachen Rechts aus bayrischer Sicht ausschließlich Sache der Bundesorgane. Ist ja auch logisch, nachdem der Landtag des Freistaats damals das Grundgesetz abgelehnt hat. In Bayern wird also das einfache Recht rein und unverwässert angewandt. Falls den Organen des Bundes das nicht passt, müssen sie halt selber entscheiden.
Bayern ist da vielleicht besonders resistent, aber doch nicht allein. Es gibt diverse Beispiele auch aus anderen Bundesländern. Zum Beispiel ordnete das LG Wiesbaden 2003 die Unterbringung eines Mannes an, der dem Urteil zufolge eine Nötigung, zwei versuchte Nötigungen und drei Beleidigungen begangen hatte. Der Mann musste fast 10 Jahre warten, bis das OLG Frankfurt/Main seine Unterbringung für erledigt erklärte (Beschluss vom 4. Januar 2013 – 3 Ws 717/12). Oder ein Beispiel aus Schleswig-Holstein: Das Landgericht Lübeck ordnete 1999 die Unterbringung eines Mannes nach § 63 StGB an. Anlasstaten waren sexuelle Nötigung und Beleidigung, nachdem der Mann schon zuvor durch exhibitionistische Handlungen aufgefallen war. Dass dieser Mann zumindest noch bis 2008 untergebracht war, lässt sich einer vollzugsrechtlichen Entscheidung des OLG Schleswig entnehmen (Beschluss vom 9. April 2008 – 2 VollzWs 42/08, 2 Vollz Ws 42/08).
Bei den Unterbringungsanordnungen im 5-Jahres-Zeitraum 2008-2012 gem. § 63 StGB belegen übrigens – vor Bayern – die Länder Bremen, Berlin und Schleswig-Holstein die ersten drei Plätze, siehe http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Heinz2014_Freiheitsentziehende_Massregeln.pdf (Seite 89).
Sicher, dass die Verfassung nicht beachtet wird, kommt auch anderswo vor. Allerdings hatte ich zwei besonders krasse bayrische Fälle im Auge:
– den Beschluss des OLG Bamberg im Fall Mollath vom 27.03.2014, in dem dieses eine klaren Auftrag des BVerfG bewusst einfach missachtet und dafür eine windige Ausrede vorgeschoben hat
– einen Fall, den ich jetzt gerade nicht mehr finde, in dem – wenn ich mich richtig erinnere – das Bundesverfassungsgericht dreimal mit derselben Sache befasst war, weil dasselbe bayerische Gericht sich einfach nicht an den Auftrag einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung gehalten hat.
An solchen Fällen erkennt man, dass es in Bayern offenbar eher der Karriere schadet, einen Gefangenen aus rechtlichen Gründen freizulassen, als zu seinen Lasten Recht zu beugen.
@ A. Hirsch, Erheblichkeitsschwelle bzgl. der Anlasstaten? Davon steht leider nichts im deutschen Gesetz. Das gehört dringend geändert. Die Österreicher sind da weiter („Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist“).
Herr Nedopil argumentiert mit steigenden Kosten für das Gutachten, sollte es auf Tonband oder Video aufgezeichnet werden. Wegen dem Zeitaufwand könnte er nur 20 statt 50 Gutachten erstellen. Nur wäre auf dem Tonband oder dem Video auch ziemlich genau dokumentiert, welchen ZEITAUFWAND die Exploration erfordert hat. !0 Minuten???
„Am Montag wird das Verfahren gegen Gustl Mollath wieder aufgenommen. Dafür musste der größte Gerichtssaal ausgewählt werden.“
http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/44-Zeugen-im-Gustl-Mollath-Prozess-geladen-id30416647.html
Im aktuellen Spiegel 27 findet sich ein Artikel zum neuen Mollath-Prozess, verfasst von Beate Lakotta.
Wer sich schlechte Laune und unnötige Aufregung ersparen möchte, sollte das Traktat komplett vermeiden. Lakotta ist auch weiterhin komplett ignorant und unbelehrbar, nur ihre Antipathie gegenüber Mollath und allen Unterstützern wird nochmals ausführlichst ausgebreitet.
ALLEN Unterstützern?
Mich hat sie jedenfalls bislang ignoriert… 😉
Schade – ich dachte, daß der SPIEGEL schlau geworden und Gisela Friedrichsen rangelassen hätte. Ich kann den SPIEGEL erst morgen lesen, drängel aber auch nicht. Muß erst einmal ein Fußballspiel verdauen.
https://gabrielewolff.wordpress.com/2014/06/14/die-fusball-wm-und-die-garten-ecke/comment-page-1/#comment-37133
Hoffentlich gewinnt wenigstens das wackere Costa Rica gegen das minimalistische Griechenland. Ist halt schwierig, die Sache mit der Gerechtigkeit, ob vor Gericht oder aufm Platz.
„ALLEN Unterstützern?
Mich hat sie jedenfalls bislang ignoriert…“
Diesmal nicht!
Ansonsten ist der Artikel ein klein bisschen sachlicher als die üblichen Pamphlete dieser Dame. Zwischen den Zeilen lese ich einen gewissen Defätismus heraus. Frau Lakotta bereitet sich innerlich schon mal auf eine schmerzende Niederlage vor. Ausserdem: es ist durchaus wahrscheinlich, dass die SPIEGEL-Redaktion ihr nicht mehr alles durchgehen lässt.
Nun ja, man hat ihr die Lapp’sche Sprachregelung durchgehen lassen, daß es sich bei dem Wiederaufnahmegrund der unechten Urkunde um eine Formalität handele, und daß das zugrundeliegende Urteil dennoch in der Sache stimmen könne – das sei eben Rechtsstaat.
Stimmt, sie hat mich mit einer Einschätzung wiedergegeben, die ich auf dem Beck-Blog gemacht haben soll, nämlich mit der, daß die StA Regensburg in der neuen Hauptverhandlung als 2. Verteidiger agieren werde. Das hält sie ersichtlich für naiv, denn für sie ist der WA-Antrag der Staatsanwaltschaft von Seehofer persönlich durchgedrückt worden, und OStA Meindl habe im Ausschuß gesagt, daß ein Jurist alles begründen könne: damit stellt sie ihn als Mietmaul dar, der gegen seine Überzeugung und nur auf politischen Druck gehandelt habe.
Eine perfide Darstellung, denn sie weiß es ja besser: OStA Meindl hat auf Druck von GStA Nerlich den ursprünglichen Entwurf, der auch Rechtsbeugungsvorwürfe gegen Brixner enthielt, eingedampft.
Ich fürchte, es ist schlimmer. Lakotta nimmt tatsächlich nur die neuen Fakten oder Darstellungen wahr, die zu ihrer voreingenommenen eigenen Einschätzung passen. Alles weitere blendet sie schlicht aus.
Anders ist es z.B. nicht erklärbar, dass sie auf all die anderen Wiederaufnahmegründe nicht eingeht oder auf die Tatsache, dass das OLG nur einen einzigen Grund benötigte und sich mit den anderen deshalb nicht beschäftigte.
@Lothar B.
Das ist, auch wenn mir die Verteidigung Lakottas widerstrebt, aus der menschlichen Natur nicht wegzudenken. Stichwort: Kognitive Dissonanz. Vielfach auch in der Strafjustiz anzutreffen.