Der Fall Mollath: eine Hängepartie II

Rosenkrieg 1

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/05/26/der-fall-mollath-eine-hangepartie/

Wiederum fünfundzwanzig Tage nach meinem letzten Blog-Beitrag läßt sich konstatieren,  daß sich seitdem grundsätzlich nichts geändert hat.  Der deus ex machina läßt weiter auf sich warten, und der rechtswidrigen Freiheitsentziehung Gustl Mollaths haben auch bayerische Instanzen noch immer kein Ende gesetzt. Was sich grundlegend geändert hat, ist der Charakter dieses „Dramas antiken Ausmaßes“, wie ich letzthin schrieb. Es hat sich eindeutig hin zur Tragikomödie entwickelt, die sogar mit bizarren Szenen aufwartet, die man eher in einer schrillen Farce vermuten würde.

Und noch etwas hat sich verändert: der Druck im Kessel ist gestiegen. Die Öffentlichkeit, die Medien, das Internet und die Politik haben sich des Falls  auf eine Art und Weise angenommen, die sämtliche Vertuschungs- und Verdummungsversuche der Vergangenheit  nun auch der Vergangenheit angehören läßt.  Von „handwerklichen Fehlern“ und „Schludrigkeiten“ im Urteil kann heute niemand mehr sprechen, ohne sich lächerlich zu machen.  Die Informationen sind ja alle da – und selbst Politiker korrigieren sich, soweit sie uninformiert Aussagen gemacht haben, wie hier der SPD-Spitzenkandidat Christian Ude [Hervorhebung von mir]:

18.6.2013

„Fall Mollath ist unfassbar“

SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nennt die Fehler im Verfahren gegen den Zwangspatienten der Psychiatrie im Gespräch mit der MZ „beklemmend“.

Der SPD-Spitzenkandidat und Münchner OB Christian Ude ist selbst Jurist. Eine so große Anzahl von Fehlern und Ungereimtheiten in einem Prozess habe er noch nie erlebt, sagt er. Foto: dpa

Von Christine Schröpf, MZ

[…]

Ich kann eine Gefährlichkeit nicht vollkommen ausschließen. Herr Mollath hat ja unstrittig Autoreifen zerstochen. Alle Aussagen über Angriffe auf die Ehefrau beruhen allerdings auf Aussagen der Ehefrau. Ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit bedarf auf jeden Fall zweifelsfreier Begründungen. Da reichen psychische Auffälligkeiten nicht aus.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/politik/artikel/fall-mollath-ist-unfassbar/928132/fall-mollath-ist-unfassbar.html#928132

[S. 1, S. 3]

Nur einen Tag später korrigiert er seine Falschinformation:

Christian Ude Offensichtlich ist es noch schlimmer, als ich den Medien entnehmen konnte: die Urheberschaft der Messerstiche in den Autoreifen ist nicht unstrittig, sondern nur Gegenstand einer Beweiswürdigung durch das Gericht. Das macht die Sache nur noch zweifelhafter!

https://www.facebook.com/Ude.fuer.Bayern/posts/531630670233766?comment_id=4942522&offset=0&total_comments=25

Auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit: die angebliche Sachbeschädigungsserie ist Ergebnis einer Beweiswürdigungssimulation auf der Basis grober Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, wie sich den eingehenden Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung vom 1.5.2013 „unstrittig“, da aktengestützt, entnehmen läßt. Und sich auch dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft hätte entnehmen lassen, wenn sie gedurft hätte, wie sie einstmals gewollt hat – aber das kriegen wir später.

Gerhard Strate:

Die meisten Sachverhaltsverfälschungen betreffen den Vorwurf der Sachbeschädigungen, was nicht verwundert, da es sich insoweit um ein konstruiertes Verfahren handelt, das durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Woertge/Greger initiiert und durch Richter am Amtsgericht Eberl in Zusammenarbeit mit POK Grötsch vorangetrieben wurde, da der Sachverständige Dr. Leipziger dringend weiteres aktuelles Anknüpfungsmaterial für ein Gutachten im Sinn des Auftraggebers benötigte. Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 154 StPO eingestellt hatte, führten erst Dienstaufsichtsbeschwerden der Rechtsanwälte Greger und Dr. Woertge zu einer Anklageerhebung, wobei von zwanzig durch POK Grötsch offerierten Taten lediglich neun angeklagt wurden. Im Hinblick auf den ersichtlich fehlenden Tatnachweis gab es mithin ein besonderes Bedürfnis, gegenüber dem BGH den Sachverhalt zu verfälschen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf#page=12

Nun ist zwar der deus ex machina hinter den Kulissen geblieben, aber immerhin Zeus hatte seinen zweiten großen Auftritt in der causa Mollath. Seinem ersten war bekanntlich die Weisung der Ministerin vom 30.11.2012 an den Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich gefolgt, einen Wiederaufnahmeantrag zugunsten des Verurteilten herbeizuführen – was natürlich nur eine rein zeitliche Koinzidenz darstellte.

Jetzt also grummelte der als Bürger verkleidete Gottvater, der vom Schwan über den Goldregen bis hin zum sterblichen Menschen Amphitryon bekanntlich in mancherlei Gestalt auftreten kann und den Blitz im Gewande führt:

17. Juni 2013 16:46

Fall Mollath

Seehofer mahnt Justiz zur Eile

[…]

Ministerpräsident Horst Seehofer hat im Fall Gustl Mollath die Justiz aufgefordert, „möglichst zeitnah zu entscheiden“. Ihm sei eine „zügige und schnelle Behandlung“ der Causa wichtig. Seehofer sagte nach einer Sitzung des CSU-Parteivorstandes: „Ich bin auch der Vertreter der bayerischen Bevölkerung. Und die Bevölkerung sagt: Geht es hier nicht ein Stück schneller?“

Er respektiere die Unabhängigkeit der Gerichte. Im Volk höre er aber den Wunsch: „Können Sie nichts tun, dass man schneller Klarheit bekommt?“

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-seehofer-mahnt-justiz-zur-eile-1.1698555

Bislang hatte die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg allerdings in einem Vermerk vom 28.5.2013 erklärt, sie sehe sich wegen der Komplexität des Verfahrens außerstande, nach einer kursorischen Prüfung der Erfolgsaussicht der Anträge über die beantragte und von Amts wegen jederzeit zu prüfende Unterbrechung der Vollstreckung zu entscheiden.

Eine stillschweigende Ablehnung der Freilassung also, gegen die von der Verteidigung mit Beschwerde zum OLG Nürnberg vorgangen wurde. Eine für Juristen schon deshalb interessante Démarche, weil sie dem OLG Nürnberg Gelegenheit gibt, sich zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde zu positionieren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Verfuegung-LG-Regensburg-2013-05-28.pdf

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-28.pdf

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-29.pdf

In einer Presseerklärung der Verteidigung heißt es hierzu:

 Die Vorsitzende teilt nicht mit, weshalb die 7. Strafkammer den von der Staatsanwaltschaft Regensburg geführten Nachweis, dass zur Beweisführung gegen Gustl Mollath ein gefälschtes Attest benutzt worden ist, als nicht erbracht sieht.

Es wird auch nicht mitgeteilt, innerhalb welchen Zeitraums die Strafkammer beabsichtigt, „die Komplexität der in den beiden Wiederaufnahmeanträge dargelegten Sach- und Rechtslage“ soweit zu reduzieren, dass sie sich zu einer Entscheidung über die Freilassung in der Lage sieht. In zwei Wochen, in zwei Monaten oder gar erst am 16. September 2013?

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Presseerklaerung-2013-05-28.pdf

Hierauf antwortete der Gerichtssprecher des Landgerichts Regensburg, zunächst hoffnungsschürend, dann aber wieder dementierend:

Das Landgericht Regensburg widerspricht unterdessen einem Medienbericht, wonach in das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath in dieser Woche mit Bewegung zu rechnen ist. „Ich habe nicht gesagt, dass ich in dieser Woche ein Signal erwarte.“ Er hoffe vielmehr, dass er dieses Signal bekomme“, sagte Pressesprecher Johann Piendl. Er wisse nicht, wann entschieden wird.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/politik/artikel/fall-mollath-ist-unfassbar/928132/fall-mollath-ist-unfassbar.html#928132

Nach dem leisen Donnergrollen von Vater Zeus ergriff dann aber der scheidende Landgerichtspräsident das Wort:

Bald kommt Bewegung in den Fall

Die zuständige Richterin will Ende der Woche sagen, wie lange die Prüfung der Wiederaufnahmeanträge im Fall Mollath noch dauert. Das teilte der Präsident des Landgerichts Regensburg, Günther Ruckdäschl, am Dienstag (18.6.) mit.

Stand: 18.06.2013

[…]

http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/bewegung-im-fall-mollath-100.html

Eine optimistische Überschrift – denn noch wissen wir ja nicht, welche Zeitangabe die VRi’inLG Dr. Bettina Mielke ins Auge gefaßt hat: wir wissen nur, daß die drei Wochen seit ihrem Vermerk vom 28.5.2013 immer noch nicht ausgereicht haben, zu erkennen, daß bereits die „absoluten“ Wiederaufnahmegründe des Verwendens einer unechten Urkunde (Staatsanwaltschaft) und die bis zur Unkenntlichkeit des Sachverhalts verbogenen verlogenen „Feststellungen“ im Urteil (Verteidigung) – wenn das keine Rechtsbeugung ist, dann gibt es keine! – zulässig und begründet sind. Aber möglicherweise steht ja nur die Urlaubsplanung der Kammer dieser Einsicht, daß die Anordnung der Wiederaufnahme nicht zu vermeiden ist, im Weg.

Daß sämtliche Wiederaufnahmegründe zulässig sind, erscheint ebenfalls nicht zweifelhaft.

Während man also im Fall Regensburg noch auf den berühmten „Ruck“ wartet, den Altbundespräsident Roman Herzog einst angemahnt hatte, blieb er im Fall Bayreuth aus. Dort hatte man beschlossen, wie immer zu beschließen, also dem bewährten Gutachter Dr. Leipziger zu folgen, arbeitshypothetisch die „festgestellten“ Straftaten als in Stein gemeißelte Wahrheit zugrunde zu legen und aus der Nichtbehandlung auf eine Fortdauer der Gefährlichkeit zu schließen – das Verhältnismäßigkeitsgedöns des Bundesverfassungsgerichts macht man in Bayern nicht mit, das hat die Ministerin ja selber erklärt: Sicherheit geht vor! Und das OLG Bamberg hält die entsprechenden Entscheidungen, da paßt kein Blatt dazwischen.

Daß das Bundesverfassungsgericht erst im Oktober 2012 Maßregelvollzugsentscheidungen dieser beiden Spruchkörper wegen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgehoben hat, ist ein Kollateralschaden, der wegen des Wohlwollens der Ministerin folgenlos bleibt.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Sie, die „Sicherheitspolitikerin“, hat in ihrer Regierungserklärung vom 17.10.2012 u.a. Folgendes ausgeführt:

Auffassung des BVerfG

Wir erliegen nicht dem Bild des Bundesverfassungsgerichts, dass wirklich jeder Täter geläutert, wieder gut werden kann!

Das ist gerade nicht die Realität. Es gibt extrem gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter, deren Gefährlichkeit man selbst mit intensivster Betreuung in jahrelangem Strafvollzug nicht auf ein Maß reduzieren kann, das für die Allgemeinheit zumutbar wäre.

Und es gibt auch Straftäter, die eine Therapie ablehnen, weil sie sich mit ihrer Straftat nicht auseinander setzen wollen. Dennoch sind solche gefährlichen Straftäter mit einem evidenten Risiko für die Bevölkerung zu entlassen.

Diese Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, denn die Entscheidung wird ihrem Bedürfnis nach Sicherheit nicht gerecht.

http://www.bayern.de/Anlage10396998/Regierungserkl%C3%A4rung%20von%20Frau%20Staatsministerin%20Dr.%20Merk%20am%2017.10.2012.pdf

[S. 11f.]

Wie der Herr, so’s Gescherr.

12. Juni 2013 17:55

Mollath bleibt in der Psychiatrie

Skandalöse Entscheidung

Keine 24 Stunden nach dem Auftritt von Gustl Mollath vor dem Landtag erklärt die Strafvollstreckungskammer Bayreuth: Mollath bleibt weggesperrt. Nicht nur der Zeitpunkt dieser Entscheidung ist verstörend – ihre Begründung wirkt schlicht skandalös.

Ein Kommentar von Olaf Przybilla

http://www.sueddeutsche.de/bayern/mollath-bleibt-in-der-psychiatrie-skandaloese-entscheidung-1.1694933

In der Tat: die Kammer hat mit diesem Beschluß die Befürchtungen, die man angesichts ihrer früheren Beschlüsse hegen mußte, noch übertroffen. In ihrem Beschluß vom 26.4.2013 hieß es noch:

Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer es im Interesse einer sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung für geboten, noch einmal einen externen Sachverständigen ergänzend zu Rate zu ziehen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-Beschluss-2013-04-26.pdf

[S. 2]

Und zwar zu den Fragen, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad weitere Straftaten zu erwarten seien und welche Art, Häufigkeit und Schweregrad sie haben werden – so einige der  Vorgaben des BVerfG zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hierzu hatte das BKH nichts vorgetragen – wie sollte es auch? Dort wird ja um die Ehrenrettung der falschen Eingangsdiagnose seines Chefs gerungen. Der noch nicht einmal in seinem Eingangsgutachten Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit weiterer Straftatbegehungen getroffen hatte. Das hat freihändig VRiLG Brixner erledigt.

Beauftragt wurde der emeritierte Prof. Dr. Pfäfflin, weil er ja nur sein Gutachten vom 12.2.2011 (Exploration: Ende November 2010) auf der Basis der uninformativen Verlaufsberichte des BKH zu ergänzen brauche. Der Auftrag wurde kontaminiert mit der Auflage, entsprechend des Antrags der Staatsanwaltschaft solle der Gutachter „arbeitshypothetisch“ davon ausgehen, der Verurteilte habe die Straftaten begangen, wegen der er verurteilt worden sei.

Klar ist: die Kammer hat einen Persilschein für ihre ohnehin feststehende Entscheidung in Auftrag geben wollen. Vermutlich hoffte sie, daß die Verfassungsbeschwerde Mollaths gegen ihre Entscheidung aus dem Jahr 2011 weiter im Stapel liegenbleiben wird. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich maßgeblich darauf, daß die Kammer und auch das OLG Bamberg sich strikt geweigert hatten, das widersprüchliche Gutachten Pfäfflins und seine erst in der mündlichen Anhörung vom 19.5.2011 begründungslos „nachgebesserte“ Prognose (von „Möglichkeit“ zu „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ der Begehung weiterer Straftaten) zu evaluieren – was aber die Aufgabe eines Gerichts ist.

http://www.gustl-for-help.de/download/2012-01-11-Kleine-Cosack-Verfassungsbeschwerde.pdf

[S. 9 ff.]

Fundamentale Kritik des forensischen Psychologen Dr. Rudolf Sponsel an dem Pfäfflin-Gutachten findet sich hier:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/SKIDII.htm#Prof.%20Pf%C3%A4fflins%20Auseinandersetzung%20mit%20dem

Prof. Dr. Pfäfflin erschien der StVK als der geeignete – aber auch einzig mögliche – Kandidat, sein altes Gutachten unter Zuhilfenahme der Bayreuther Stellungnahmen seit 2012 zu extrapolieren. Kein seriöser Sachverständiger hätte sich, nur weil die Staatsanwaltschaft das so möchte (GStA Nerlich hat irgendwie seine Fachaufsicht vernachlässigt und OStA Lupko von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth noch nicht auf den von ihm vertretenen Wiederaufnahmeantrag eingeschworen), auf diese Stichwortgeber-Rolle reduzieren lassen.

Die Berichte aus dem BKH Bayreuth sind allesamt inhaltslos und beglaubigen zunehmend nur noch die narzißtische Kränkung, daß dieser resistente Nicht-Patient nun auch noch medial und politisch Gehör findet. Jeder im BKH weiß doch genau, daß Gustl Mollath nicht aggressiv ist und sein Leiden wegen der Fehleinweisung seit nunmehr über sieben Jahren allenfalls durch sarkastische Äußerungen oder Bekundungen offenbart, die ein autoritärer Apparat als beleidigende Zumutung auffaßt.

Nun, in diese Falle, die ihm die Strafvollstreckungskammer gestellt hat, ist Prof. Dr. Pfäfflin nicht getappt. Er hat den unsittlichen Auftrag abgelehnt. Ich kann auch nachvollziehen, daß er die Ablehnung mit gesundheitlichen Gründen wegen Beschimpfungen begründet hat – und hege keinen Zweifel daran, daß es diese Beschimpfungen gab. Die Idiotendichte in der Bevölkerung ist hoch, und Mollath selbst wie auch die wahren „Mollath-Unterstützer“ haben alle Hände voll damit zu tun, sich von durchgeknallten Trittbrettfahrern in eigener Sache zu distanzieren.

Daß das der entscheidende Grund seiner Ablehnung war, erscheint mir dennoch zweifelhaft.  Er wird gewußt haben, daß er der Einzige war, der für die StVK als Legitimierer in Betracht kam.

In der Pressemitteilung des Landgerichts Bayreuth heißt es:

Die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen, der den Untergebracht[en] zuletzt untersucht hatte (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Bayreuth vom 29.04.2013), war der Strafvollstreckungskammer nicht möglich, da der Sachverständige angegeben hat, dass er seit dem auf sein Gutachten folgenden Fortdauerbeschluss der Kammer „wellenartig in übelster Weise als Verbrecher beschimpft“ werde. Diese Aktionen seien für ihn extrem beeinträchtigend, und er sehe darin einen schwerwiegenden Angriff auf seine

Gesundheit. Vor diesem Hintergrund und angesichts dessen, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens „nach Aktenlage“ keine zusätzlichen Erkenntnisse verspricht, hatte die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung auf Grundlage der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen und des persönlichen Eindrucks vom Untergebrachten nach dessen umfangreicher Anhörung zu treffen.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Janun, da war es Essig mit dem erhofften paßgenauen Gutachten, dem sich das Gericht bloß noch anzuschließen braucht („nach eigener kritischer Würdigung“). Ein weiteres Gutachten „nach Aktenlage“, wie sie von der Strafvollstreckungskammer gesehen wird, die sich den neuen Erkenntnissen durch die Wiederaufnahmeanträge nicht widmen mag, ist tatsächlich nicht zu erwarten – welcher Gutachter wird sich angesichts der Realität denn als Gefälligkeitsgutachter für die auf Merk-Sicherheitspolitikerin-Kurs befindliche StVK Bayreuth verbrennen lassen?

Niemand.

Wie der Auftritt von Gustl Mollath am 18.4.2013 vor der StVK ausgefallen ist, wird nicht thematisiert. Er wird, denn so ist er allen, die ihn persönlich erlebt haben, bekannt, nicht anders ausgefallen sein als bei seinem eindrucksvollen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuß am 11.6.2013:

Gustl Mollath

Sein bester Anwalt

11.06.2013 ·  Der berühmteste Psychiatriepatient der Republik tritt vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags als Zeuge in eigener Sache auf: Sprachlich präzise und äußerst rational ist Gustl Mollath der beste Anwalt seiner selbst.

Von Albert Schäffer, München

[…]

Präzise und prägnant

Mollath nickte zu diesen Ausführungen zustimmend, als nehme er an einem staatsrechtlichen Kolloquium teil. Als ihm das Wort erteilt wurde, sprach er mit einer Präzision, als wäre er die ganzen Jahre nicht Beschuldigter und Angeklagter gewesen, sondern Staatsanwalt oder Richter. Prägnant fasste er seinen Fall aus seiner Sicht zusammen.

Wie er beginnend in den neunziger Jahren bemerkt habe, dass seine Frau von ihrem Arbeitgeber, einer Bank, dazu angehalten worden sei, Kunden bei der Verschiebung von Schwarzgeld in die Schweiz behilflich zu sein. Wie seine Frau nach einiger Zeit damit begonnen habe, noch eigene zweifelhafte Geschäfte zu tätigen. Wie er aus der Befürchtung heraus, seine Frau werde dieses Gebaren zum Verhängnis werden, bei den beteiligten Banken vorstellig geworden sei. Er habe aber bemerkt, dass dort nur das Interesse bestanden habe, herauszufinden, ob er mit seinem Wissen gefährlich werden könne.

Es war eine Geschichte mit vielen Seitensträngen – Mollath brachte sie immer wieder auf den Punkt, als sei er geschult, juristische Sachverhalte zu formulieren. Seine Frau habe schließlich begonnen, ihm mit Zivilverfahren und Anzeigen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Mollath, begleitet von zwei Anwälten, war an diesem Tag sein bester Anwalt, indem er zielsicher auf die Frage zusteuerte, warum er, je länger die Auseinandersetzung mit seiner Frau dauerte, für seine Schreiben an Justiz und Steuerbehörden eine Form wählte, die den Eindruck erwecken konnte, hier werde eine querulatorische Neigung ausgelebt.

Es war ein Weg, der Mollath in einen psychischen Ausnahmezustand brachte – daran lassen die Wortwahl und das Schriftbild seiner damaligen Schreiben keine Zweifel. Mollath war zu dieser Zeit alles andere als ein guter Anwalt seiner selbst. Statt nur kühl Sachverhalte mitzuteilen, bei denen die Bank, bei der Frau Mollath beschäftigt war, bei einer internen Prüfung zu dem Schluss kam, sie seien zutreffend, garnierte er seine Schreiben mit Tiraden über eine „geldgeile Gesellschaft“.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gustl-mollath-sein-bester-anwalt-12218079.html

Aber Psychiater und Juristen wissen oft nichts über existentielle Krisen, die einen Menschen „außer sich“ geraten lassen. Und wenn so jemand, Jahre nach dieser Krise, gesammelt und geordnet über anderthalb Stunden frei vorträgt (was eine Justizministerin nicht schaffte, die vom Blatt ablas, was ihre Zuarbeiter für sie formuliert hatten), dann erregt das natürlich Aufsehen.

Gustl Mollath wird vor der Strafvollstreckungskammer nicht anders aufgetreten sein – und nach diesem „persönlichen Eindruck“ will die Kammer zu dem Schluß gekommen sein, der Mann sei wahnkrank und gefährlich?

Das ist auszuschließen. Ihre Entscheidung stand schon vor der Anhörung fest -: denn nach der Absage des Gutachters nahm sie Abschied von ihrem vorgeblichen Kurs  der „sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung“ und entschied auf der Grundlage alter und mittlerweile widerlegter Gutachten, daß der Untergebrachte aktuell noch gefährlich sei. Wie das möglich sein soll, bleibt ihr Geheimnis.

Immerhin, von der rechtsirrigen Meinung, im Strafvollstreckungsverfahren komme es auf die Wahrheit als Tatsachengrundlage nicht an, scheint die Kammer ein wenig abgerückt zu sein [Hervorhebung von mir]

Zur Begründung führt die Strafvollstreckungskammer aus, dass sie an die rechtskräftigen Tatsachenfeststellungen aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.08.2006 gebunden ist. Zur Korrektur der Rechtskraftwirkung dieses Urteils habe der Gesetzgeber die Regelungen über das Wiederaufnahmeverfahren geschaffen. Umstände, welche die gestellten Wiederaufnahmeanträge bereits jetzt als mit Sicherheit erfolgreich erscheinen lassen würden, vermochte die Kammer nicht zu erkennen.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Offensichtlich hat sie die Anträge, insbesondere den der Verteidigung vom 1.5.2013, aber nicht gelesen, sonst hätte sie diese Brixnersche „Beweiswürdigung“ nicht zugrundegelegt:

Die weitere Unterbringung sei angesichts der Anlassdelikte und der vom Untergebrachten ausgehenden Gefahr auch verhältnismäßig. Die körperliche Unversehrtheit und das Leben eines Menschen stellten eines der höchsten Rechtsgüter überhaupt dar. Auch die vom Untergebrachten begangenen Sachbeschädigungen („Reifenstechereien“) gingen weit über das Maß „normaler“ Tatbestandserfüllung hinaus. Zumindest teilweise seien die „Reifenstechereien“ so raffiniert durchgeführt worden, dass die Luft nicht sogleich, sondern erst während der nachfolgenden Fahrt entwichen ist.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Alles Lüge, wie wir mittlerweile wissen – denn die Wahrheit kommt, auch dank der Arbeit des Untersuchungsausschusses, ans Licht des Tages. Wie immer, wenn Positionen unhaltbar geworden sind, den Betroffenen aber Korrekturen nicht möglich sind, wird auf Emotionen gesetzt.

Der LaLa-Journalismus setzte wieder ein; ein gewisser Otto Lapp versorgte regional, eine gewisse Beate Lakotta, bei diesem abschreibend, bei SPIEGEL online überregional das allerdings wenig geneigte Publikum mit Schmutzwäsche, die die geschiedene Frau Mollath plötzlich über ihre Ehe auszuwringen beliebte. Garniert werden solche Beiträge gern mit Anmerkungen über durchgeknallte Menschen, die flugs zu „Mollath-Unterstützern“ erklärt werden (beiseite gesprochen: so sind sie nun mal alle, diese Unterstützer):

Fall Gustl Mollath: Das achte Jahr Psychiatrie

Von Beate Lakotta

Gustl Mollath muss weiter in der Psychiatrie bleiben, so hat es das Landgericht Bayreuth verkündet. Seine Unterstützer wird das empören. Doch manche haben das Maß verloren: Gutachter, Juristen und Politiker berichten von Beschimpfungen und Drohbriefen.

[…]

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-bleibt-weiteres-jahr-in-psychiatrie-a-905355.html

Vorsichtshalber war die Kommentarfunktion zu diesem Artikel nicht freigeschaltet worden. Immerhin erreichte die Redaktion eine Beschwerde, die zu einer Fehlerberichtigung führte:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Gustl Mollath habe sich erst bei dem Arbeitgeber seiner früheren Ehefrau gemeldet, nachdem sie ihn wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Dies ist nicht korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Vieles an dem Artikel ist nicht korrekt – aber lohnt es sich wirklich, dem nachzugehen?

Glücklicherweise hat sich Sascha Pommrenke ans Werk begeben und den Artikel von Otto Lapp, aus dem Beate Lakotta sich bediente, mustergültig seziert: diese Lektüre lege ich dringend ans Herz:

Petra M. bricht ihr Schweigen – Exklusives Bedeutungsloses

Otto Lapp und der Nordbayerische Kurier haben sich besonders hervorgetan in einseitiger und manipulativer Berichterstattung in Bezug auf den Fall Mollath. In Teil 1 hatte ich den Artikel „Mensch Mollath“ als Beispiel angeführt. Im Nordbayerischen Kurier finden sich jedoch noch zahlreiche weitere Beiträge, die selbst ein Mindestmaß an journalistischer Objektivität vermissen lassen. Zumindest hat die tendenziöse Berichterstattung dazu geführt, dass Petra M. das Gespräch mit dem Kurier gesucht hat. Im zweiten Teil soll es einerseits um die Art und Weise der Berichterstattung gehen, andererseits sollen auch die Aussagen und „neuen Erkenntnisse“ des Artikels „Fall Mollath: Warum die Ex-Frau all seinen Behauptungen widerspricht“ gehen.

Petra M. hatte sich also entschieden der „hysterisch und weit entfernt von objektiven Grundlagen“ geführten Diskussion entgegenzutreten und ihre „Sicht der Dinge“ mitzuteilen. Das ist nur zu begrüßen, waren und sind einige Artikel doch wirklich weit entfernt von objektiven Grundlagen (siehe einige Artikel bei SPON, Zeit und vor allem dem Nordbayerischen Kurier, neuerdings auch CICERO). Insofern ist es dringend geboten, der Versachlichung der Diskussion Vorschub zu leisten.

[…]

http://www.humana-conditio.de/?p=260

Auch die ZEIT konnte es nicht lassen, „ihre Sicht der Dinge“ ein weiteres Mal zu inszenieren, indem sie zu einem Interview mit dem Psychiater Prof. Dr. Henning Saß eine Überschrift nebst Untertitel ersann, denen der Interviewtext widersprach:

Psychiatrie

„Mancher Wahn hat einen wahren Kern“

Der Fall Mollath beweist, psychisch Kranke können die Wahrheit sagen, meint der Gerichtspsychiater H. Saß im Interview. Man müsse auch Menschen dulden, die anders ticken.

[…]

Saß: Ich habe Herrn Mollath nicht untersucht, daher kann ich über den Einzelfall nichts sagen.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/psychiatrie-mollath-krankheit-unterbringung-interview-henning-sass/komplettansicht

Aber das sind Nachwehen falscher Entscheidungen und Parteinahmen, wie sie sich auch die Psychiatrieseite leistete, die ein Fortbildungsseminar mit einem gemeinsamen Vortrag von Dr. Leipziger und Prof. Dr. Kröber unter dem hämisch-herablassenden Titel: „Unser Gustl: Realität, Wahn, Justiz und Medien“ anbot. Hier ist der ursprüngliche Text gesichert worden:

http://opablogdotnet.files.wordpress.com/2013/06/krc3b6berleipz.jpg

Nachdem dieser Titel im Internet gar nicht gut ankam, wurde er in „Der Fall Gustl Mollath“ umgetauft:

http://www.forensik-berlin.de/content/Fallseminar_2013.pdf

Soll ich noch den weiteren Farcen nachgehen? Wie das Justizministerium nach Tweets einer Medizin-Professorin (auch CSU-Mitglied, gleichwohl „Mollath-Unterstützerin“) bzw., so die offizielle Version, nach dem Brief eines „besorgten“ Anwalts ihres Ex-Ehemannes, sogleich den Personenschutz alarmierte, der dann dafür sorgte, daß sich zwei ratlose Polizeibeamte bei der Tweeterin einfanden: schließlich mußte verhindert werden, daß bei einem Gasthof-Vortrag der Ministerin zu sozialen Netzwerken ein Fremdthema angesprochen werden könnte…

Oder die Story mit der Kommunikationspanne im BKH Bayreuth, dessen Leiter zwar durch den Generalstaatsanwalt persönlich über ein gefälschtes Entlassungsfax informiert worden war, diese Warnung aber nicht an seinen Stellvertreter weitergab, so daß dieser dem Untergebrachten zunächst die frohe Botschaft überbrachte, dann aber stutzig wurde und eine halbe Stunde später verkünden mußte: April, April?

Nein, lassen wir die Fußnoten dieser endlichen Geschichte beiseite.

Michael Kasperowitsch, dem gar nicht genug zu danken ist, hat in den letzten Tagen bewirkt, daß die politischen Eingriffe und Zurichtungen des ersten Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft Regensburg öffentlich wurden, der zunächst dem Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung geglichen haben muß wie ein Ei dem anderen:

Nürnberger Nachrichten, 15.6.2013

Wiederaufnahme-Antrag „light“

 Begründung für erneuten Mollath-Prozess wurde offensichtlich entschärft

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

[…]

Die unserer Zeitung vorliegende Fas­sung des Wiederaufnahme-Antrags aus Regensburg vom Dezember 2012 ist eine bestürzende Bewertung der Nürnberger Verhandlung 2006 gegen Mollath. Das Gericht habe sich „ele­mentare Verstöße gegen die Rechts­pflege“ zuschulden kommen lassen und sich „bewusst und in schwerer Weise vom Gesetz entfernt“.

Das „eklatant prozessordnungswid­rige Verhalten“ Brixners sei, so heißt es weiter, nicht nur „ein Indiz der Vor­eingenommenheit gegenüber Herrn Mollath, sondern stellt sich als eigen­ständiges rechtsbeugendes Verhalten dar“. Es begründe einen „selbstständi­gen Wiederaufnahmegrund“. So heißt es etwa zu den Reifenstechereien, die Mollath neben der Gewalt gegen seine Frau als besonders gemeingefährliche Taten angelastet worden waren, in die­sem ersten Wiederaufnahme-Antrag: „Angesichts der Beweislage war eine Verurteilung nicht begründbar und bar jeder tragfähigen Beweise. Letzt­lich wurde kein Motiv festgestellt, nie­mand hat den Täter gesehen, Spuren gab es keine, andere Täter mit glei­cher Motivlage sind vorhanden.“ Dem Revisionsgericht, also dem Bundesgerichtshof, der das Urteil gegen Mollath später bestätigte, sei eine Aufhebung der Nürnberger Gerichtsentscheidung von 2006 unter den gegebenen Umständen gar nicht möglich gewesen. „Das Ziel, durch Manipulationen der Urteilsfeststel­lung ein ‚revisionssicheres‘ Urteil zu erreichen, stellt einen besonders gra­vierenden Gesetzesverstoß dar, da dem Verurteilten jede Möglichkeit ent­zogen wird, das Urteil erfolgreich anzufechten“, stellte die Regensbur­ger Staatsanwaltschaft fest.

Die Abgeordneten Martin Runge (Grüne) und Inge Aures (SPD) haben im Ausschuss darauf hingewiesen, dass der dann tatsächlich beim Regensburger Landgericht einge­reichte Antrag im Vergleich zur ersten Fassung „kleingeschrieben“ und „ein­gedampft“ worden sei. Plötzlich sei nur noch von „Nichtbeachtung prozes­sualer Normen“ oder einer „Fülle von Rechtsfehlern“ die Rede.

Dass es sich bei der ersten Form des Regensburger Antrags nicht um einen „Entwurf“ oder eine „Stoffsamm­lung“ handelt, wie die Ministerin andeutete, belegt ein Brief — er liegt unserer Zeitung vor — aus Regensburg an Generalstaatsanwalt Hasso Ner­lich. „Am 06.02.2013 wurde erneut ein kompletter Wiederaufnahmeantrag mit dem Dienstwagen übersandt.“ Dies belegt, dass offensichtlich meh­rere Versionen kursierten.

Es dürfe, so heißt es darin weiter, in der Öffentlichkeit auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass die Justiz mit der Erledigung ihres Auftrags in Verzug gera­ten ist. Man müsse ver­hindern, dass die Staats­anwaltschaft nur passi­ver Zuschauer in diesem Verfahren ist, und „dass ein ,rechtswidriger Zu­stand‘, der mit einer fort­dauernden Freiheitsent­ziehung“ Gustl Mol­laths verbunden ist, nicht rechtzeitig beendet werde.

Am Ende reduziert

Wenn das Gericht dem Wiederaufnahmeantrag von Mollath-Anwalt Ger­hard Strate stattgebe, „dann wird in den Medien unsere Untätigkeit mit den sicher unberechtigten, aber unausrott­baren Vorwürfen unlauterer Motive (Vertuschung) garniert werden“, heißt es in dem Brief von Ende Februar an Nerlich.

[…]

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a53

Heute hat er noch einmal nachgelegt:

Nürnberger Nachrichten, 20.6.2013

Die „Ausschmückung“ im Mollath-Urteil
Wie aus einer schweren „Rechtsbeugung“ eine harmlosere „unrichtige Rechtsanwendung“ wurde

Von Michael Kasperowitsch
[…]
In der ersten Version setzt sich der hochgestellte Jurist unter anderem intensiv mit den Taten auseinander, die Mollath damals vorgeworfen wurden, insbesondere den angeblichen Reifenstechereien. Diese hatten eine besondere Bedeutung für seine Unterbringung in der Psychiatrie, weil sie als Ausdruck seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit galten. Die Mollath vorgeworfene Gewalt gegen seine damalige Ehefrau allein hätte dazu nicht gereicht, „weil es sich dabei um Taten im persönlichen Nahbereich während der Trennungsphase gehandelt hat“, heißt es.
Die Aussagen im ersten Papier der Regensburger Justiz beim Thema Reifenstecherei sind vernichtend. Die Schilderungen im Urteil von 2006 dazu „stellen nichts anderes dar als die bewusst wahrheitswidrige Ausschmückung des Sachverhalts“. Ziel „der Unwahrheiten konnte es nur sein, die Voraussetzungen der Unterbringung ausreichend und überzeugend begründen zu können.“ Diese „nicht begründbare Ausschmückung“ sei auch deshalb fatal, weil alle folgenden Sachverständigen sich bei Gefährlichkeitsprognosen darauf stützten.
Umstände einem Angeklagten anzulasten, die „bar jeder Beweisführung behauptet werden“, bedeute aber einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Staatsanwalt zitiert in diesem Zusammenhang sogar die Europäische Menschenrechtskonvention.
[…]
Die Frage ist, warum von all dem im März bei Gericht tatsächlich vorgelegten Wiederaufnahmeantrag kaum mehr die Rede ist. Das Ministerium schiebt den Schwarzen Peter dem Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zu.

Entscheidung offen

Die erste Fassung sei ihm vorgelegt, „von diesem nicht gebilligt und auch nicht an das Ministerium weitergeleitet“ worden, heißt es auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten. Das Ministerium und damit Justizministerin Beate Merk (CSU) hätten überhaupt erst Anfang Mai davon erfahren. Ob die Ministerin nun weitere Schlüsse aus diesen Vorgängen zieht, hänge von der Entscheidung des Landgerichts Regensburg im Wiederaufnahmeverfahren ab. Wann diese wiederum kommt, ist völlig offen.
[…]

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a56

Und der General schiebt den Schwarzen Peter der Staatsanwaltschaft zu, die ja “freiwillig” ihren ersten Antrag geändert habe; er habe sich ja nur fachaufsichtlich geäußert…

Michael Kasperowitsch hat hierzu auch noch einen engagierten Kommentar unter dem Titel “Justiz-Chaos” geschrieben. Darin heißt es u.a.:

Als Erklärung für diesen wundersamen Wandel gibt das Justizministerium unter Führung von Beate Merk (CSU), der obersten Dienstherrin der bayerischen Staatsanwälte, unbekümmert an, der Nürnberger Generalstaatsanwalt habe die erste Fassung halt nicht gebilligt. Da könne man leider nichts machen.
Nun ist Merk ebenso wenig alleroberste Staatsanwältin im Freistaat wie ein Generalstaatsanwalt in einem Rechtsstaat willkürlicher Eichmeister an der Waage der Gerechtigkeit ist, aber sie hat Möglichkeiten. Die hat sie auch schon genutzt, als sie im vergangenen Jahr den „General“ strikt anwies, einen Wiederaufnahmeantrag ausarbeiten zu lassen. Das wies die Staatsanwaltschaft jahrelang empört von sich. Jetzt gibt es zwei Fassungen eines Autors, die sich stark widersprechen.

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a56

Wer als Justizministerin angesichts dieser Sachlage die Hände in den Schoß legt und abwartet, was das LG Regensburg denn wohl mit den identischen Rechtsbeugungsvorwürfen anstellt, die allerdings „nur“ die Verteidigung vorlegte, hat den Ernst der Lage wohl immer noch nicht begriffen.

Update (20.6.2013)

Die Juristin Elke Elizabeth Rampfl-Platte hat sich näher mit dem von Prof. Kröber organisierten Seminar befaßt:

Mollath – Die Stunde der Gutachter

[…]

Das dreitägige Seminar   entspricht – so die Ankündigung – den Qualifikationsrichtlinien DGPPN für „Forensische Psychiatrie“. Es ist als forensisch-psychiatrischer Baustein auch verwertbar für die Ausbildung in Rechtspsychologie incl. Leistungskontrolle. Die Landesärztekammer Brandenburg hat dieVeranstaltung stets für das Fortbildungszertifikat anerkannt (24 Punkte, Kategorie C, Nr. #)

Die folgenden (nicht abschliessenden) Fragen müssen erlaubt sein und sind zu stellen:

  • welche Ausbildungsinhalte von Sachverständigen wie diesen vermittelt werden, die in bekannter Weise im Fall Gustl Mollath involviert sind und nicht einmal Grundrechten der persönlichen Anhörung eines zu begutachtenden Betroffenen Bedeutung beimessen.
  • welche Ausbildungsqualität Fortbildungsmassnahmen der LÄK Brandenburg benötigen oder nicht, die mit Fortbildungspunkten per se und in der genannten Zahl belohnt werden
  • welche Auffassung die LÄK Brandenburg damit zu erkennen gibt, welcher Sorgfaltspflicht Gutachter nach Vorschriften ihres Berufsrechts wie auch der übrigen gesetzlichen Vorschriften an den Tag legen oder getrost über Bord werfen dürfen, ohne dass deren Vorträge und Seminare als rechtlich, berufsrechtlich und mindestens berufsethisch in Disharmonie zu derzeit laufenden Verfahren eines Falles wie Gustl Mollaths stehen; In denen derzeit Wiederaufnahmeantrag und Verfassungsbeschwerde noch zur Entscheidung anstehen und der Untersuchungsausschuss eines Landtages auch die Gutachten und deren Verwendung behandelt.
  • Kann es wünschens- oder billigens- und mit Fortbildungspunkten belohnenswert sein, dass Gutachter mit einem hinreichend bekannt gewordenem Grund(miss)verständnis der Art und Weise der Gutachtenserstellung bei derart schwerwiegenden Eingriffen in ein verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht der Freiheitsentziehung Fortbildung für andere Gutachter betreiben? Und diesen – ja, was vermitteln werden? Dieselbe Praxis, wie die von ihnen geübte?

Die Frage wäre auch zu stellen an den weiteren Referenten der Veranstaltung. Der referieren wird zum Thema: “Der Sachverständige im Strafverfahren – Auswahl, Kompetenz, Anforderungen” : Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Pfister.

Der BGH hatte die Revision von Gustl Mollath als unbegründet am 13.2.2007 verworfen und festgestellt, dass “die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat”.

http://jusatpublicum.wordpress.com/2013/06/20/mollath-die-stunde-der-gutachter/

Dem wäre nur noch mit Blick auf das zweite Referat:

Bad Girls: Zur narrativen Struktur in der Entwicklung einiger Fehlbeschuldigungen

Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber

Seminarteil vormittags 9.00

http://www.forensik-berlin.de/content/Fallseminar_2013.pdf

hinzuzufügen, daß mir unbekannt ist, daß Prof. Dr. Kröber auch eine Ausbildung zum Aussagepsychologen absolviert hat.  In seiner offiziellen Veröffentlichungsliste finden sich jedenfalls keine einschlägigen Schriften:

http://www.forensik-berlin.de/home.php?c=hkroeber

Update (22.6.2013)

Nun hat sich der deus ex machina überraschenderweise doch gezeigt. Am 20.6.2013, nach meinem Posting, hat Rechtsanwalt Gerhard Strate u.a. folgene neue Information gepostet:

Verfassungsbeschwerdeverfahren

Dieses Verfahren ist beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts seit Januar 2012 unter dem Aktenzeichen 2 BvR 371/12 anhängig. Berichterstatter ist der Richter am Bundesverfassungsgericht Müller. Hier gab es zunächst Unklarheiten über die formelle Gültigkeit der von Gustl Mollath dem Kollegen Rechtsanwalt Kleine-Cosack erteilten Vollmacht. Diese Unklarheiten dürften, nachdem Gustl Mollath in einem persönlichen Schreiben an das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, dass er Herrn Rechtsanwalt Kleine-Cosack mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des LG Bayreuth und des OLG Bamberg aus dem Jahre 2011 habe bevollmächtigen wollen, bereinigt sein. Der Kollege Kleine-Cosack arbeitet eng mit der Verteidigung zusammen und hat unter dem 15.5.2013 einen umfangreichen ergänzenden Schriftsatz eingereicht, in welchem die Verfahrensentwicklung der letzten anderthalb Jahre geschildert wird (einschließlich des Wiederaufnahmeverfahrens). Das ist zulässig, soweit durch eine Schilderung dieser neuen Tatsachen retrospektiv die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidungen (aus dem Jahre 2011) ergänt und erleichtert wird. Unzulässig ist es allein, durch nachträgliches Vorbringen der Verfassungsbeschwerde einen neuen Verfahrensgegenstand unterzuschieben. Ein Signal, wann die zuständige Kammer des Zweiten Senats sich mit der Beschwerde befassen wird, gibt es zur Zeit noch nicht. Angesichts der gewaltigen Arbeitslast der beiden Senate mag in Karlsruhe die Hoffnung bestehen, dass die bayerische Justiz die von ihr geschaffenen Probleme alsbad selbst lösen wird.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Erklaerung-zum-Stand-der-Verfahren-2013-06-20.pdf

Die klar verfassungswidrige Entscheidung der StVK Bayreuth, die am 12.6.2013 bekanntgegeben wurde, liegt mit Sicherheit ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht vor – es weiß also, daß das Bayreuther Landgericht,  gedeckt durch das OLG Bamberg, auch weiterhin verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht genügt. Das BverfG hat zeitnah – und wie! – nach Klärung der Vollmachtsfrage reagiert:

Justizskandal

Verfassungsgericht fordert Auskunft zum Fall Mollath

22.06.2013, 11:47 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht schaltet sich in den Fall Gustl Mollath ein. Das bayerische Justizministerium und die Bundesanwaltschaft sollen zur Psychatrie-Einweisung Mollaths Stellung beziehen, fordert das Gericht.

München Das Bundesverfassungsgericht hat das bayerische Justizministerium um Stellungnahme zur umstrittenen Psychiatrie-Einweisung des Gustl Mollath gebeten. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte am Samstag der Nachrichtenagentur dpa einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Auch die Bundesanwaltschaft wurde dem Bericht zufolge zur Stellungnahme aufgefordert. Die Behörden haben bis zum 23. Juli Zeit, sich zu äußern. Ein Anwalt hatte im Januar 2012 Verfassungsbeschwerde wegen mangelnder Verhältnismäßigkeit der Unterbringung Mollaths eingereicht und seine Beschwerde vor kurzem erweitert.

[…]

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/justizskandal-verfassungsgericht-fordert-auskunft-zum-fall-mollath/8391408.html

Und das Justizministerium hat sich gegenüber der Presse auch schon positioniert:

Verfassungsgericht will Auskunft zum Fall Gustl Mollath

Bayerns Justizministerium verspricht rasche Antwort

Der Fall des bayerischen Psychiatriepatienten Gustl Mollath interessiert nun auch das Bundesverfassungsgericht. Beim bayerischen Justizministerium sei aus Karlsruhe eine Bitte um Stellungnahme eingegangen, bestätigte ein Ministeriumssprecher in München einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Zuständig als Berichterstatter im Fall Mollath ist dem Bericht zufolge der Verfassungsrichter Peter Müller, der frühere Ministerpräsident des Saarlands.

„Wir werden die Frage unseres höchsten Gerichts schnell und umsichtig beantworten“, sagte der bayerische Ministeriumssprecher. Dabei werde besonders berücksichtigt, dass Mollath schon seit sieben Jahren in der Psychiatrie untergebracht sei – „eine sehr lange Zeit ohne Freiheit“. Die Anfrage gebe nun die Möglichkeit, „auf diesen Umstand einzugehen“.

http://www.123recht.net/article.asp?a=149380

Nun, man kann nur hoffen, daß das Ministerium spätestens jetzt beweist, daß seine Anordnung einer Wiederaufnahme des Mollath-Verfahrens auf der positiven Kenntnis beruhte, daß es sich um ein Rechtsbeugungsurteil  handelte, dem ein willfähriger Gutachter in bayerischen Diensten zugearbeitet hat. Daß es sich von dem unglaublich rechtsstaatswidrig agierenden GStA Nerlich endlich eindeutig distanziert. Man kann nur hoffen, daß es sich für die Nattern innerhalb der Justiz, die es an seiner Brust genährt hat, schämt.

Bei der letzten Verteidigung der „offensichtlich verfassungswidrigen“ Maßregelvollzugsentscheidungen der StVK Bayreuth und des OLG Bamberg kriegte das Ministerium jedenfalls eine Klatsche:

III.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Diese sei unbegründet. Das Oberlandesgericht habe angenommen, dass ein erneuter Mord begangen werden könne. Eine Aussetzung einer Maßregel dürfe nicht zu einem erneuten Kapitaldelikt führen. Sowohl die Anlasstat als auch die Therapiefortschritte, die Entlassungssituation und die drohenden Straftaten seien umfassend abgewogen worden. Eine nicht hinreichende Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechts der Beschwerdeführerin sei nicht ersichtlich. Da als Anlasstat ein Mord zugrunde liege, bestünden auch angesichts der Dauer des Maßregelvollzugs von 13 Jahren keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Jetzt will es sich immerhin gegen das indolente LG Bayreuth positionieren, das ja just begründungslos nicht nur sieben, sondern gar acht Jahre  Zwangspsychiatrie angesichts widerlegter Gutachten und durch Wiederaufnahmeanträge  ins Nullum geführter geringfügiger Anlaßstraftaten für rechtmäßig hielt.

Tiefer als die StVK Bayreuth kann ein Gericht nicht sinken. Daß es das trotz der pressemäßigen Beobachtung tat, läßt tief blicken.

Selbst die „Sicherheitspolitikerin“ Merk muß sich von diesem Gericht distanzieren, das doch nur ihrer Beförderungspolitik entsprechend existiert. Was natürlich auch für das OLG Bamberg gilt, das zuverlässig begründungslos die begründungslos politisch korrekte „der-muß-drinbleiben“ Entscheidung der StVK Bayreuth hielt.

Das OLG Nürnberg hat es in der Hand, zu beweisen, daß es den Freiheitsanspruch des Bürgers ernstnimmt – oder ob es diese Entscheidung, weil sie in Bayern nicht mehr möglich ist, dem BVerfG überläßt,

Das LG Regensburg vertagt, wie erwartet, derweil. Vermutlich möchte es à la Nerlich die Rechtsbeugungsvorwürfe außen vor lassen – obwohl das Gericht, anders als GStA Nerlich, angeblich unabhängig ist. Nicht einmal den überfälligen Verbindungsentschluß kriegt es zustande.

Fall Mollath Landgericht Regensburg lässt sich noch Zeit

Das Landgericht Regensburg hat noch nicht über die Wiederaufnahmeanträge im Fall Gustl Mollath entschieden. „Es kann noch Wochen, aber keine Monate dauern“, sagte Pressesprecher Hans Piendl am Freitag (21.6.)

Stand: 21.06.2013

http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/mollath-landgericht-regensburg-wiederaufnahme-100.html

Dabei ist auch diese Öffentlichkeitsarbeit nichts als Augenwischerei: die Entscheidung über die WA-Anträge mag aufgeschoben werden – der Antrag über die Unterbrechung der Vollstreckung allerdings nicht. Hier geht es um den Freiheitsanspruch  eines durch klar ersichtlichen Fehlurteils (das in Wahrheit ein rechtbeugendes Urteil ist) seit sieben Jahren Untergebrachten.

Im Grunde läuft jetzt ein edler Wettstreit zwischen dem OLG Nürnberg, das am Montag entscheiden will, und dem BVerfG: welche Instanz befreit Gustl Mollath? Muß wirklich erst das Bundesverfassungsgericht eingreifen – was beweisen würde, daß die bayerische Justiz unter dieser Sicherheitspolitik-Ministerin mitsamt ihrer seit zehn Jahren betriebenen Beförderungspolitik  den Rechtsstaat in Bayern abgeschafft hat, mithilfe des VRiBGH am 1. Senat Armin Nack, der auch  noch die krausesten Beweiswürdigungen zulasten von Angeklagten begründungslos hielt?

Ich denke mal, daß das OLG Nürnberg, das sich bislang durch klare rechtsstaatliche Signale bewährt hat, sich seiner Verantwortung  bewußt ist.

Hier geht es weiter:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/

 

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Der Fall Mollath: die Anhörung vom 18.4.2013 oder der Kaiser ist nackt

Rosenkrieg 1

Um was ging es eigentlich bei der gestrigen Anhörung von Gustl Mollath beim Landgericht Bayreuth? Darüber könnte man fast ins Grübeln kommen, liest man journalistische Glanzleistungen wie die von Chefreporter Otto Lapp vom Nordbayerischen Kurier:

Es war ein langer Tag für Gustl Mollath (56). Einer, wie er ihn mag. Mollath im Blick der Öffentlichkeit. Sechs Kamerateams, Fotografen, Reporter. Seine Anhörung vor dem Landgericht Bayreuth gerät zum Einzug. Eigentlich ist es nur eine Formsache: Die Richter prüfen nur, ob er noch im Bezirksklinikum Bayreuth untergebracht werden muss. Ob er immer noch gefährlich ist. Jedes Jahr die gleiche Prozedur. Das Ergebnis: Es gab kein Ergebnis. Die Richter werden sich Zeit lassen für eine Entscheidung.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/anhoerung_beendet_patient_fast_zufrieden_144061

Achso, es ist eine Formsache, wenn über die Fortdauer einer unbefristeten Unterbringung entschieden wird. Reine Routine, die Klinik sagt nein, der Untergebrachte will raus, die Richter nicken die Einschätzung der Klinik ab und tschüß bis zum nächsten Jahr.

Mag sein, daß der rasende Chefreporter sich auskennt, wie sowas läuft im lieblichen Franken. Andererseits kommen einem Zweifel, liest man, was ihm an dem Fall Mollath als auffälliges Merkmal so in Erinnerung geblieben ist:

Inzwischen liegen auch zwei Wiederaufnahmeverfahren vor, deren Ziel es ist, seinen Prozess aus dem Jahr 2006 wieder aufzurollen. Damals war er zwar wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung nicht verurteilt, aber in der Psychiatrie untergebracht worden. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass das Verfahren in einigen Punkten nicht ordnungsgemäß abgelaufen sein könnte.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/anhoerung_beendet_patient_fast_zufrieden_144061

Das liest man doch einigermaßen beklommen. Meint er jetzt, daß die Wiederaufnahmeanträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft  bloße unverbindliche Hinweise auf konjunktivische Prozeß-Fehlerchen seien? Oder will er dem zwischen den Zeilen Leser mitteilen, daß er, Otto Lapp, nur chefreportet und daher keine Zeit hat, auch noch die Nürnberger Nachrichten, die Süddeutsche Zeitung oder gar die viel zu langen Wiederaufnahmeanträge höchstselbst zu lesen?

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf

Ganz abwegig scheint diese Vermutung nicht zu sein, zumal ihm auch sonst eine Sehschwäche  eigen ist.

Bayreuth

18.04.2013 10:15 Uhr

Mollath in Fesseln vor Gericht

Von Otto Lapp und Peter Bayerl

Bayreuth. Bleibt Gustl Mollath weiter gefährlich? Heute überprüft diese Frage das Landgericht in Bayreuth. Die sogenannte Anhörung ist nichtöffentlich.

Es ist 9.49 Uhr. Die Eingangstore zur Forensik sind verschlossen. Gustl F. Mollath (56) kommt  aus der geschlossenen Psychiatrie, setzt sich in den grauen Polizeibus. „Wie geht es Ihnen, Herr Mollath? Haben Sie Hoffnungen?“ Mollath winkt, schaut in die Kamera und antwortet: „Nacht über Bayreuth“. Mehr sagt er nicht.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath_fesseln_vor_gericht

Das Foto zeigt einen ungefesselten Gustl Mollath im Gerichtsgebäude; und folgt man dem Link jetzt, ist von einer Fesselung auch keine Rede mehr. Mollath also auch noch als Entfesselungskünstler Houdini, als der sich übrigens der Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, Joachim Braun, ebenfalls entpuppt; der hat wohl bei der besser informierten SÜDDEUTSCHEN nachgeschlagen:

18. April 2013 17:39

Gericht entscheidet über Mollath Freiheit oder Psychiatrie

Von Olaf Przybilla

Eines hat sich geändert, seit dem letzten Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer Bayreuth: Gustl Mollath, 56, wird nicht mehr in Handschellen bei Gericht vorgeführt.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/gericht-entscheidet-ueber-mollath-freiheit-oder-psychiatrie-1.1652622

Joachim Braun schreibt:

19. April 2013 um 12:01

Herr Mollath muss keine Strategien ändern, nur weil eine Zeitung über ihn schreibt. Wir sind weder seine Berater, noch sind wir Beteiligte, wir beobachten nur und recherchieren ergebnisoffen. Genau das hat Herr Lapp getan. Dass Ihnen das Ergebnis seiner Recherchen nicht gefällt, ist völlig in Ordnung.
P.S.: Auf unserer Website steht nichts von Fesseln, in unserer Zeitung steht, dass ihm erstmals keine Fesseln angelegt wurden.

http://opablog.net/2013/04/17/mensch-mollath-wenn-otto-lapp-die-blodmaschine-heizt/#comment-1915

Richtig wäre gewesen: »Auf unserer Website steht nichts mehr von Fesseln«, weil die Überschrift später ausgetauscht wurde. Aber die Fesseln paßten doch so gut zur ergebnisoffenen Recherche von Herrn Lapp, die zur entsprechend ergebnisoffenen Eingangsfrage führte:

Bleibt Gustl Mollath weiter gefährlich?

Die Frage impliziert, daß Gustl jemals gefährlich war. Und sie belegt, daß sich die Recherche nicht auf die Antragsschrift des Verteidigers Gerhard Strate in diesem Vollstreckungsverfahren erstreckt haben kann. Zuviel ergebnisoffene Recherche verwirrt ja nur, und der oberbayerische Leser braucht einen festen Standpunkt, den Herr Lapp ihm gerne liefern will.

Hätte er diesen Antrag gelesen:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-2013-04-12.pdf

dann wäre ihm bewußt geworden, inwiefern  sich aus den Wiederaufnahmeanträgen hinsichtlich des Mollath-Verfahrens, das »in einigen Punkten nicht ordnungsgemäß abgelaufen sein könnte«, Auswirkungen auf das Vollstreckungsverfahren ergeben.

Denn beide Wiederaufnahmeanträge erschüttern nicht nur die Annahme, daß Gustl Mollath Straftaten begangen habe, sondern auch die Diagnose von Dr. Leipziger in seinem auf bloße Verhaltensbeobachtungen und Aktenstudium gestützten Gutachten vom 25.7.2005.

Diese Dokumente ergeben, dass der zentralen Annahme des Landgerichts Nürnberg-Fürth, der Wahn des Gustl Mollath offenbare sich gerade in dessen Ausweitung auf die Person des ursprünglich als psychiatrischen Sachverständigen eingesetzten Arztes Dr. Wörthmüller –

 „Eindrucksvoll könne am Beispiel des Dr. Wörthmüller ausgeführt werden, dass der Angeklagte weitere Personen, die sich mit ihm befassen müssten, in dieses Wahnsystem einbeziehe, wobei in geradezu klassischer Weise der Angeklagte eine für ihn logische Erklärung biete, dass Dr. Wörthmüller ihm angeboten habe, ein Gefälligkeitsgutachten zu schreiben, wenn der Angeklagte die Verwicklung des Dr. Wörthmüller in den Schwarzgeldskandal nicht offenbare.“

(UA S. 22)

 „Auch in der Hauptverhandlung hat sich – wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen – die wahnhafte Gedankenwelt vor allem in Bezug auf den ‚Schwarzgeldskandal’ der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller, völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.“ (UA S. 25) –,

falsch ist und keine tatsächliche Grundlage hat.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-2013-04-12.pdf

[S. 6]

Was zu der Konsequenz führt:

Es erweist sich also, dass schon zum Einweisungszeitpunkt die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht vorgelegen haben. Die Behauptung des Landgerichts Nürnberg-Fürth in seinem Urteil vom 8.8.2006,

 „dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller, völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.“ (UA S. 25)

ist falsch und ohne tatsächliche Grundlage. Ohne dass noch abgewartet werden müsste, was das Landgericht Regensburg hierzu sagt, steht die Falschheit hier und heute schon fest.

Hiervor kann und darf die Strafvollstreckungskammer aus verfassungsrechtlichen Gründen die Augen nicht verschließen. Eine Bindung an vermeintlich rechtskräftig gewordene Feststellungen in dem Urteil vom 8.8.2006 gibt es nicht.

Die Maßregel ist in entsprechender Anwendung des § 67c Abs. 2 Satz 5 StGB für erledigt zu erklären. Die Freilassung Gustl Mollaths ist anzuordnen. Es ist festzustellen, dass Führungsaufsicht nicht eintritt.

Aus der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Bayreuth vom 4.3.2013 ergibt sich nichts, was meinem Vortrag entgegenstünde.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-2013-04-12.pdf

[S. 18f.]

Wo kein Wahn, da auch keine aus dem Wahn folgende Gefährlichkeit – das müßte auch einem Herrn Lapp einleuchten.  Und wer von Anfang an zu Unrecht der Psychiatrie überantwortet wurde, muß spätestens jetzt, wo die Fehldiagnose offenkundig geworden ist, entlassen werden.

Ganz so weit reicht das Verständnis der Klinikleitung noch nicht.

2013-04-19 Kurzbericht der gemeinsamen Verteidigung zum Anhörungstermin der StVK Bayreuth:

Das BKH Bayreuth hat eine weitere Gefährlichkeit prognostiziert. Diese Prognose geht von den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil von 2006 aus. Die WA-Anträge blieben für die Stellungnahme des BKH unbeachtet. Dr. Zappe sagte vor Gericht aus, wenn die Tatvorwürfe als Prognosegrundlage wegfallen, gäbe es keine Grundlage für eine weitere Prognose der Gefahrlichkeit, dann bliebe nichts übrig.

2013-03-22 wurde der WA-Antrag der StA Regensburg an das LG Bayreuth gesendet und ist somit Aktenbestandteil. Sowohl der WA-Antrag von Dr. Strate und die Stellungnahme der StA Regensburg sind der StVK Bayreuth bisher (offiziell) unbekannt. Gustl Mollath hat im Gerichtstermin eine sofortige Entlassung für sich gefordert. Die Kammer will ab Montag weiter über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung beraten.

http://www.gustl-for-help.de/#aktuell

Daß der Chef der Bayreuther Forensik sowie alle ihm in der strengen Hierarchie eines Krankenhauses nachgeordneten Kräfte selbstverständlich an seiner Diagnose festhalten und die Leitungsebene der Klinik aus sämtlichen Verhaltensbeobachtungen neue Wahnsymptome erschließt, versteht sich von selbst. Weder im medizinischen noch im juristischen Sektor gehören Qualitätsmanagement und Fehlerkultur zu gepflegten Geschäftsfeldern. Im Gegenteil.

Und so ging Dr. Leipzigers Stellvertreter Dr. Zappe auch nur auf den Wegfall der Straftaten ein, wie er nach dem Vorbringen insbesondere im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft mit Sicherheit zu erwarten ist, nicht aber auf den schon jetzt feststehenden Wegfall der Eingangsdiagnose.

Nachdem Rechtsanwalt Strate am 4.1.2013 eine Strafanzeige gegen Dr. Leipziger wegen schwerer Freiheitsberaubung erstattet hatte, wird sich das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Personal und dem widerspenstigen Nicht-Patienten Gustl Mollath weiter verschärft haben – erkennbar an dem Versuch von Dr. Leipziger von Mitte Januar 2013, Mollath in eine andere Klinik ›abzuschieben‹. Dank des Engagements seiner Anwälte und des Unterstützerkreises scheiterte dieses Vorhaben.

2013-01-15 Dr. Leipziger kündigt bei Gustl Mollath unbegründet Verlegung ins BKH Ansbach an, incl. Falschbehauptung. Unterstützer reichen deswegen Petition beim Bayerischen Landtag gegen Verlegung ein. Anwälte widersprechen dieser Maßnahme und protestieren gegen den Manipulationsversuch.
Kurzfassung der Petition

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Je mehr sich die Endphase der Unterbringung abzeichnet, je größer der öffentliche Druck wird, den Skandalfall mitsamt seinen politischen Implikationen aufzuklären, desto höher steigt auch das klinikinterne Rechtfertigungsbedürfnis.

Dieser Geist weht einen aus jeder Zeile der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, in Vertretung für den Chefarzt vermutlich von Dr. Zappe unterschrieben, an. Man liest diesen bloßen, tendenziösen, Verlaufsbericht und sieht: der Kaiser ist nackt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-03-04.pdf

Kontaktgestaltung zum und seitens des Patienten ausgesprochen problematisch, da sich Herr Mollath aktiven Kontaktaufnahmen seitens der Mitarbeiter der Klinik überwiegend entzieht. Insofern sind ein ausgeprägter Rückzug mit Vermeidung von Beziehungsaufnahmen zu den meisten Patienten und dem Personal zu beschreiben, wobei der Patient im direkten Kontakt höflich und ausreichend angemessen in Erscheinung tritt. Wortwechsel begrenzen sich auf wenige Worte, die meist zur Klärung administrativ-logistischer Sachverhalte im Stationsalltag notwendig sind (Postausgabe, Anrufvermittlungen, Terminabsprachen bei Medienpräsenz).

Stimmung weitestgehend – in erster Linie aus Verhaltensbeobachtungen zu schließen – ausgeglichen bei unbeeinträchtigt wirkendem Antriebsverhalten und ausreichender Fähigkeit zur Eigendynamisierung unter den Bedingungen eines geschützten und unterstützenden Stationsalltags. Formaler Denkablauf und inhaltliches Denken aus o.g. Gründen erschwert bzw. nicht ausreichend beurteilbar.

[S.2]

Damit hätte es sein Bewenden haben können: wir wissen nichts über den ›Patienten‹, und somit können wir auch nichts zu seiner aktuellen Gefährlichkeit sagen, die – ohne Berücksichtigung der Wiederaufnahmeanträge und der hierdurch geschaffenen neuen Faktenlage – Grundlage einer Entscheidung über Fortdauer oder Beendigung der Unterbringung ist. Aber die Subjektivität der Verfasser dieser Stellungnahme bricht bereits hier durch: ein »geschützter und unterstützender Stationsalltag«?

Handelt es sich etwa nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme gegenüber einer Zwangsgemeinschaft von Männern, die in ihrer Mehrheit tatsächlich schwer gestört und tatsächlich mit erheblichen Straftaten in Erscheinung getreten sind? Personen, deren Umgang in Freiheit wohl kaum gesucht werden würde? Zusammengepfercht unter Umständen, die das ohnehin vorhandene natürliche Konfliktpotential noch vergrößern?

Aus der Stellungnahme des BKH Bayreuth vom 20.4.2011:

Er zeige sich seinen Mitpatienten gegenüber in Gemeinschaftsräumen sehr provozierend, z.B. durch eigenmächtiges Umschalten des Fernsehprogramms, Beharren auf einem bestimmten Sitzplatz, Behinderungen der anderen in ihrer Sicht auf den Fernseher, was vorsätzlich geschehe‚ so dass wiederholt der Fernsehraum geschlossen werden musste, um weitere Eskalationen zu vermeiden.

http://www.gustl-for-help.de/download/2012-01-11-Kleine-Cosack-Verfassungsbeschwerde.pdf#page=12

Wieso kam die Klinikleitung erst im Januar 2012 auf die deeskalierende Möglichkeit, dem gegenüber den Mitpatienten sicherlich intelligenteren Untergebrachten einen eigenen Fernseher zu gestatten?

Süddeutsche Zeitung, Nr. 279     S. 3

Montag, der 03. Dezember 2012

Der verräumte Mann

 […]

VON OLAF PRZYBILLA UND UWE RITZER

Aber der Weggesperrte mit dem Schwarzgeldwahn hätte keinen dieser Berichte sehen können: Mollath durfte damals keinen Fernseher haben. Bis Februar 2012 musste er im Gemeinschaftsraum schauen. Mollath ist eingesperrt mit Vergewaltigern, Dealern, Mehrfachmördern.

Die Mehrheit entscheidet über das Programm. Das „Heute Journal“ läuft da eher nicht.

In der Zeit, als Klaus Leipziger, der Chefarzt, noch Antworten auf eingereichte Fragen gab, erklärte er den verweigerten Fernseher so: Vorher sei das „aus Sicherheitsgründen“ nicht möglich gewesen. Die Nachfrage, was das genau für Gründe gewesen sind, die eine Klinikleitung dazu bewegen, einem inzwischen 56 Jahre alten Mann jahrelang zu verwehren, abends das Fernsehprogramm zu wählen, lässt Leipziger fünf Tage unbeantwortet. Dann teilt er mit, er könne aufgrund eines laufenden Verfahrens nicht mehr antworten.

Denn die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen des Verdachtes der Freiheitsberaubung zuungunsten Gustl Mollaths.

http://dokumentenblog.files.wordpress.com/2012/12/2012-12-03-sz-der-verraeumte-mann.pdf

Ähnliches gilt für das einzige Telefon auf der Station, das sich ein gutes Dutzend Insassen teilen müssen, und das nun dazu herhalten muß, dem Untergebrachten unangemessenes Verhalten attestieren zu können – Patientenbeschwerden reichen als unüberprüfte Grundlage aus:

Der vorstehend benannte Patient führte in seiner Eingabe weiter aus, dass er Herrn Mollath am Telefon (als Herr Mollath telefonierte) darauf angesprochen hätte, er, der Mitpatient, müsste mit seiner Anwältin dringend sprechen wegen der bevorstehenden Anhörung. Daraufhin hätte Herr Mollath den Mitpatienten angeschrien, dieser solle Herrn Mollath nicht anfassen, obwohl der Mitpatient Herrn Mollath nicht angefasst hatte.

Herr Mollath versuche auch die Mitarbeiter des Pflegedienstes unter Druck zu setzen, mehr als vier Telefongespräche pro Tag genehmigt zu bekommen, da er sonst hierüber Fernsehsendern Mitteilung machen würde. Herr Mollath nimmt keinerlei Rücksicht auf seine Mitpatienten und er gebe Patientennamen am Telefon ohne deren Erlaubnis weiter.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-03-04.pdf

[S. 4]

So sieht also der »geschützte und unterstützende Klinikalltag« aus, der wahrlich genug Frustrationen bereithält. Nun gut, der Herr Mollath beschwert sich, er schimpft, er sagt zu Dritten über einen Pfleger, der ihn selbstverständlich immer freundlich behandelt hat, daß er »auftrete, wie von einer faschistischen Terrortruppe …. Derartige Leute hätten in einem normalen Arbeitsverhältnis keine Chance, würden hier aber die Puppen tanzen lassen. Adolf Eichmann sei nur ein kleines Würstchen und habe trotzdem Millionen in den .Tod geschickt«.

Aus diesen angesichts der einengenden und bedrückenden Umstände ›normalen‹ Reaktionen wird in der Stellungnahme ohne nähere Begründung plötzlich wieder ein Krankheitssymptom [Hervorhebungen von mir]:

Auf konkrete Nachfrage bei den Pflegemitarbeitern habe Herr Mollath zu keinem der Pflegemitarbeiter bisher ein derartiges Verhältnis aufbauen können, welches wenigstens small-talk als basale Beziehungsgrundlage zulassen würde. Diese generalisierte Misstrauenshaltung, welche wir in unmittelbarem Zusammenhang mit der Störung des Patienten sehen, bildet die von den Gutachtern und aktuellen Behandlern beschriebene Problematik ab, dass Herr Mollath auch Personen, welche nicht unmittelbar mit seiner Unterbringung im Maßregelvollzug kausal befasst waren und sind, in das generalisierte Erleben von Unrecht und Benachteiligung mit einbaut und diesen auch nicht offener oder zugänglicher gegenübertreten kann. Selbst ihm von verschiedenen ärztlichen Kollegen angetragene hausärztliche Versorgungsmaßnahmen z.B. Laborkontrollen bzw. übliche ärztliche Vorsorgeuntersuchungen werden abgelehnt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-03-04.pdf

[S. 4]

Selbstverständlich sind auch die Pfleger und Mitpatienten kausal in die Fortdauer des Maßregelvollzugs eingebunden, das hat Gustl Mollath doch jahrelang erlebt: sämtliche negative Äußerungen des Pflegepersonals oder von Mitpatienten über ihn fließen ungeprüft in die Stellungnahmen der leitenden Ärzte, die Jahr für Jahr zu einer Verlängerung seines Zwangsaufenthalts geführt haben. Das ist kein Wahn, das ist das zutreffende Erleben von Wirklichkeit.

Entsprechend dürr fällt dann auch die Conclusio aus:

Von daher muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus forensisch-psychiatrischer Sicht festgestellt werden, dass Sinn und Zweck der Maßregelvollzugsbehandlung nicht in Ansätzen erreicht werden konnten und somit weitere rechtserhebliche Straftaten, wie in den Anlassdelikten, zu erwarten sind.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-BKH-2013-03-04.pdf

[S. 5]

Das Thema wurde völlig verfehlt. Gefragt wurde nach der aktuellen Gefährlichkeit des Untergebrachten, die nach dem Verlaufsbericht schlicht nicht erkennbar ist. Gustl Mollath ist trotz frustrierendster Alltagserfahrungen kein enziges Mal physisch aggressiv worden oder hat in einem cholerischen Anfall Sachbeschädigungen begangen. Weil das so ist, klammert sich die Klinikleitung an die im Jahr 2005 selbst attestierte Gefährlichkeit und schreibt sie schlicht fort, als ob die entgegenstehende Realität des Verhaltens von Gustl Mollath nicht existiere.

Oder gehört zu einer Wahnsymptomatik, daß der Betroffene sieben Jahre lang seine Ungefährlichkeit nur simuliert?

Auch für die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die »Feststellung« unbrauchbar.

Konkreter Prüfmaßstab ist u.a. der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4.10. 2012, mit dem Entscheidungen der StVK Bayreuth und des OLG Bamberg über eine Fortdauer der Unterbringung wegen Verkennung des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufgehoben worden waren:

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Nun entspricht es zwar nicht dem Wunsch von Gustl Mollath, aus Verhältnismäßigkeitsgründen entlassen zu werden; diese Prüfung muß die Kammer aber von Amts wegen vornehmen.

Zu diesem Themenkomplex hat Oliver García eine umfassende Betrachtung verfaßt:

Insoweit ist die BVerfG-Entscheidung also nicht übertragbar. Andere sehr wohl, nämlich wenn das BVerfG bei langjährig Untergebrachten eine “Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus” verlangt (Rn. 17) und vom Vollstreckungsgericht fordert, daß es auch bei einer negativen Prognose durch den Sachverständigen “im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Maß der Gefährdung und das Gewicht der bedrohten Rechtsgüter konkretisier[t] und auf dieser Grundlage eine Abwägung mit dem Freiheitsanspruch der Beschwerdeführerin [vornimmt]” (Rn. 24).
[…]

Doch auch “Gesundbeter” stoßen an Grenzen und diese Grenze ist spätestens erreicht bei folgendem Teil der Begründung des BVerfG, warum das Vorgehen der Strafvollstreckungskammer im entschiedenen Fall verfassungswidrig war: “Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung damit, inwieweit etwaigen Gefahren durch geeignete Auflagen entgegengewirkt werden könnte.” (Rn. 25).

http://blog.delegibus.com/2013/04/14/fall-mollath-bewegt-sich-der-fels-in-der-brandung/

Wenn man die aktuelle Stellungnahme des BKH Bayreuth vom 3.4.2013 ansieht, so wird klar, daß darin nichts enthalten ist, was das Gericht bei dieser Prüfung zugrundelegen könnte. Ob Dr. Zappe im Anhörungstermin weitere Ausführungen machte, bleibt abzuwarten.

Belastungsfähige Grundlagen stehen ihm jedenfalls nicht zur Verfügung.

Wann die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung treffen wird, das wußte Otto Lapp schon am Vormittag des 18.4.2013 ganz genau:

Mit einer Entscheidung des Gerichtes ist frühestens in sieben bis zehn Tagen zu rechnen.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath_fesseln_vor_gericht

Am frühen Abend desselben Tages widersprach er allerdings der Verteidigung und sich selbst:

Die Richter werden sich Zeit lassen für eine Entscheidung.

Dies sei ein Zeichen dafür, wie komplex der Fall sei, sagte der Gerichtssprecher. Mollaths Anwalt Gerhard Strate (63) rechnet dagegen mit einer Entscheidung Ende nächster Woche.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/anhoerung_beendet_patient_fast_zufrieden_144061

Mensch, Lapp!

Update (24.4.2013):

Während die Strafvollstreckungskammer berät (und das ist ja schon einmal ein Fortschritt gegenüber den unkritischen Routine-Anschlüssen an Stellungnahmen und Gutachten des Psychiatriekomplexes, der eigentlich nur seine Hilflosigkeit demonstriert hat, Tatsachen als Anknüpfungssachverhalte anzuerkennen und sich stattdessen an willkürlich hypothesegeleiteten Auswahlakten des unkritisch gewählten Aktenmaterials abarbeitete) – da kann man nun zwischenzeitlich besichtigen, was ein Chefpsychiater einer bayerischen Psychiatrie öffentlich zum Besten gibt.

Es geht um Dr. Wörthmüller, den wohl wendigsten Vertreter seines Fachs.

Er hat sich nämlich zu Wort gemeldet. Auf dieses Blogposting von Oliver García hin:

7. April 2013

Der Fall Mollath: Ein Mehrpersonenstück (Teil 5)

Michael Wörthmüller (ein Psychiater)

Oliver García

gab er Gegenäußerungen ab, die sich u.a. gegen diese Passage wendeten:

Doch eines dürfte aufgrund der Vernehmung Wörthmüllers durch die Staatsanwaltschaft klar sein – und dies steht der Sache mit dem Strafbefehl als tragische Weichenstellung in keiner Weise nach: Wäre Mollath auf das “Entgegenkommen” (Zitat Wörthmüller, Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft, Aktenblatt 250) eingegangen, hätte er einen fachlich-psychiatrischen Nachweis erhalten, daß bei ihm keine psychische Störung vorlag. Im weiteren Verlauf wäre niemals § 126a StPO oder gar § 63 StGB auf ihn angewandt worden. Den “Fall Mollath” im heutigen Sinne gäbe es nicht.“

http://blog.delegibus.com/2013/04/07/der-fall-mollath-ein-mehrpersonenstuck-teil-5/

Am 17.4.2013 rückte Oliver García folgendes Statement von Dr. Michael Wörthmüller ein:

Nachtrag vom 17. April 2013

Herr Wörthmüller hat mir nach Veröffentlichung dieses Beitrags eine ausführliche Stellungnahme geschickt. Aufgrund seiner Hinweise habe ich einen Fehler im Text korrigiert und eine verkürzte Darstellung erweitert, nämlich: Die ursprüngliche Darstellung, daß der hinzugerufene Anwalt Mollaths selbst an den Besprechungen zwischen Wörthmüller und Mollath teilgenommen habe, traf nicht zu. Die zitierte Stelle aus dem Wiederaufnahmeantrag, an dem von “Gefälligkeitsgutachten” die Rede ist, erlaubt mehrere Deutungen. Um die Darstellung in diesem Punkt nicht auf eine Deutung zu verengen, habe ich zwei Sätze eingefügt.

Herr Wörthmüller legt darüber hinaus Wert auf folgende Feststellungen:

Allein auf den zeitlichen Ablauf (Beschleunigung der Abwicklung), nicht auf den Inhalt der Begutachtung, bezog sich mein “Angebot” an Herrn Mollath. So ist auch meine zitierte Aussage bei der Staatsanwaltschaft zu verstehen (“Wenn Herr Mollath das als ‘Gefälligkeitsgutachten’ ansieht, so mag das aus seiner Sicht nicht ganz abwegig sein.”).

Wie man darauf kommen kann, dass Herr Mollath von mir einen Nachweis erhalten hätte, dass “bei ihm keine psychische Störung vorliege”, ist für mich nicht nachvollziehbar. Schließlich war es ja gerade der Umstand, dass ich mir nach dem Aufeinandertreffen mit ihm im privaten Umfeld und unter dem Eindruck von Berichten meines Nachbarn bereits eine andere Meinung gebildet (und geäußert) hatte, ein wesentlicher Grund dafür, dass ich Bedenken bezüglich meiner Unbefangenheit entwickelte, die ich letztlich nicht unberücksichtigt lassen konnte.“

http://blog.delegibus.com/2013/04/07/der-fall-mollath-ein-mehrpersonenstuck-teil-5/

Es bleibt festzuhalten: nach einem kurzen Gespräch mit Gustl Mollath und nach einem Gespräch mit seinem Nachbarn über ihn hatte sich Dr. Wörthmüller die Meinung gebildet, daß bei Gustl Mollath eine „psychische Störung“ ungenannter Art vorliege.

Das ist schon wahnsinnig, wie sich bayerische psychiatrische Forensiker ihre Meinungen bilden.

Und in ihre Befangenheitserklärungen noch nicht einmal hineinschreiben, daß sie sich eine Meinung gebildet und diese auch geäußert haben und genau deshalb befangen sind:

http://www.gustl-for-help.de/download/2004-07-01-Mollath-Forensik-Befangenheit.pdf

Iwo. Solche schnellfertigen Vorurteile werden erst, überaus spät, im Wiederaufnahmeverfahren offenbart. Wenn es nicht mehr anders geht. Weil: es ist ja eigentlich doch doch zu genant.

Man sehe sich seine Vernehmung vom 14.12.2012 im Wiederaufnahmeverfahren an:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-2013-04-12.pdf

Da ist keine Rede davon, daß er sich – auf komplett unzureichender Basis – irgendwie ein Urteil über eine psychische Störung des „skurrilen“, aber nicht bedrohlich oder gefährlich wirkenden Gustl Mollath gebildet habe, das er seinem Nachbarn weitergereicht habe – weshalb er befangen sei.

Diesen absolut neuen und unbekannten Befangenheitsgrund brachte er erst am 11.3.2013 vor, als ihm aufgrund der Anfrage der Nürnberger Nachrichten (Michael Kasperowitsch) bekannt war, daß es nun um seinen Auftritt bei dem VRiLG Brixner am 8.8.2006 gehen würde.

Um diesen nämlich:

Justiz überprüft auch die Rolle der Erlanger Klinik

Im Fall Mollath sind Fragen nach der Rolle von Chefarzt Wörthmüller aufgetaucht — Strafkammer „eingenordet“?

[…]

Begegnung im Richterbüro

Jetzt haben gut informierte Justizkreise gegenüber unserer Zeitung von einer Begegnung Wörthmüllers mit dem Nürnberger Richter Otto Brixner berichtet, der Mollath mit seiner Entscheidung in die Psychiatrie brachte. Das Treffen war 2006, zwei Jahre nachdem Wörthmüller sich für befangen erklärt hatte.

Der Arzt soll, so schildern es diese Kreise in einer Verhandlungspause anscheinend beiläufig, in das Richterzimmer Brixners gekommen sein, und in Worten und Gesten deutlich zu verstehen gegeben haben, dass Mollath psychisch gestört sei. Brixner habe darauf zustimmend geantwortet und angemerkt, dem Angeklagten schaue der Wahnsinn aus den Augen. Stunden später sprach Brixner das folgenreiche Urteil. Man habe den Eindruck gewinnen können, die Mitglieder der Strafkammer sollten „eingenordet“ werden, sagen die Justizkreise.

Otto Brixner erklärte jetzt auf Anfrage, er könne sich nicht an eine solche, sieben Jahre zurückliegende Szene erinnern. Michael Wörthmüller gab gegenüber unserer Zeitung eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin versichert er, „nie das Gespräch mit einer der mit dem Hauptverfahren gegen Herrn Mollath befassten Personen gesucht“ zu haben. Weitere Auskünfte könne er momentan „leider“ nicht geben, da eine Befragung durch die Staatsanwaltschaft anstehe. „Von dortiger Seite wurde ich darum gebeten, mich nicht weiter vorab gegenüber der Presse zu äußern“. Wie berichtet, prüft die Staatsanwaltschaft Regensburg derzeit, ob sie in der Sache Mollath einen Wiederaufnahmeantrag stellt. […]

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a38

Leider war er dadurch gezwungen worden, es nun publik zu machen, was für ein Küchenpsychologe er gewesen war. Denn ohne Exploration war ihm aufgrund des ›skurrilen‹ Auftretens und der Erzählungen seines Nachbars vom Hörensagen, Geschäftspartner des ebenso wie Frau Mollath geschasssten Ex-Mitarbeiters  der HypoVereinsbank, klar, daß Mollath irgendwie gestört sein müsse. Dieses Geständnis seiner unzulänglichen Urteilsbildung nebst Weiterverbreitung erfolgte erst am 11.3.2013:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-2013-04-12.pdf

Tatsächlich hatte er seine küchenpsychologische Einschätzung informell und ohne verräterische Aktenvermerke, so geht es in Bayern nun mal zu, zuvor auch Lippert, Eberl und Brixner gesteckt – nur, angeblich, Dr. Leipziger, den von ihm empfohlenen Gutachter, nicht. Was einen schon verwundert.

Allerdings: der kaprizierte sich auf einen Schwarzgeld-Wahn, zu dem unser Dr. Wörthmüller jedenfalls nicht gelangt wäre: denn diesen Schwarzgeld-Komplex wollte er ja »hintanstellen«. Auf dieses ›Angebot‹ von Dr. Wörthmüller ist Gustl Mollath, anwaltlich beraten, nicht eingegangen.

Zurecht.

Ein Psychiater, der derartig vorurteilsbefangen ist wie Dr. Wörthmüller, hätte bei diesem »skurrilen« Probanden auch bei ۛHintanstellung des Schwarzgeldkomplexes irgendeine relevante Störung diagnostiziert, und vielleicht wäre die sogar freihändig, wie Dr. Leipziger es sich traute, auf die Zeiten der vorgeworfenen Taten ausgeweitet und für diese als Symptom gewertet worden. Und das müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn man dann nicht auch noch eine Gemeingefährlichkeit hingekriegt hätte.

Die bayerische Forensik weiß, was die Gerichte von ihr erwartet. Sie müßte von einer Gutachtenerstattung generell ausgeschlossen werden.

Unerwartbar war allerdings, daß Dr. Wörthmüller sich in die Weiten des Internets vorwagen würde, um die bayerische Zunft zu verteidigen. In diesem Raum hat er allerdings nicht die gewohnte Akzeptanz einer verschworenen Gemeinschaft zwischen Forensik und Gericht, sondern Kritik zu erwarten.

Er weiß wohl selbst am besten, wie »unverbindlich« seine Meinung über Mollath war, und daß es keinen psychiatrischen Grund gibt, ihm öffentlich in die Parade zu fahren. Oder Dr. Leipzigers auf falschen Tatsachen beruhendes Fehlgutachten zu verteidigen.