Jörg und Miriam Kachelmann: statt der Fortsetzung der Rezension ein Intermezzo

Eigentlich wäre jetzt die Würdigung der Beiträge von Miriam Kachelmann angebracht, wie versprochen. Und die möchte ich doch eher ausführlich gestalten, gerade weil die dumpfe Reaktion der angegriffenen Medien sich, was Miriam Kachelmann angeht, auf so sexistische Formeln wie Löwin, Amazone, Übermutter oder eben BILD-mäßig auf ›hochnäsig‹ verständigt hat. Es ist auch nicht zu erwarten, daß Alice Schwarzer sich gegen diese sexistische Bewertung in die Schlacht werfen wird. Ihr Motor ist ja keineswegs die Gerechtigkeit, wie sie nur glaubt. Frauen sind ihr nur wichtig, wenn sie sich gegen den Mann instrumentalisieren lassen. Und Miriam Kachelmann tut ihr den Gefallen nicht: im Gegenteil.

Selbstbewußte kämpferische Frauen müssen auf sowas gefaßt sein in einem feministisch unterwandertem Mainstream der Medien, der wie die Ideologie selbst Frauen nur als Opfer gebrauchen kann. Ohne das Klagelied von Nachteilen kann für die KIientel ja nichts herausgeholt werden. Ganz normale Frauen bringen für die Sache nichts. Dazu (und nicht nur dazu) muß ich ganz unbedingt etwas schreiben.

Aber irgendetwas kommt ja immer dazwischen. Abgesehen von den irrelevanten persönlichen Verhinderungen sind es jetzt die Aktualitäten, die mich ein wenig von meinem Vorhaben abbringen:

25.10.2012 15:15

Heute Verhandlung gegen EV in Sachen Kachelmann-Buch / Entscheidung wird in Kürze bekanntgegeben

Heute verhandelt das Landgericht Mannheim über den Widerspruch des Heyne Verlags und des Ehepaars Kachelmann gegen die Einstweilige Verfügung [mehr…], durch welche die Ex-Geliebte von Jörg Kachelmann vor zwei Wochen Verlag und Autoren untersagt hatte, das Buch Recht und Gerechtigkeit zu vertreiben, wenn dort ihr Nachname ausgeschrieben wird.

In der heutigen Verhandlung nahm sich das Gericht, wie buchmarkt.de aus dem Gerichtssaal erfahren hat, vor allem die Anwälte von Claudia D. zur Brust, die durch ihre ungeschickte PR-Strategie die Mannheimer Richter offenbar sehr verärgert hatten. Wie komme es, so eine Frage des Vorsitzenden Richters, dass die Kanzlei Zipper laut Medienberichten nicht nur den Klarnamen, sondern auch vertrauliche Verfahrensakten mit sensibelsten, seine Mandantin betreffenden Daten an einen Journalisten weitergegeben hatte, wo Claudia D. doch so großen Wert auf Privatsphäre lege?

Anwalt Zipper sprach von einem Versehen und erläuterte, dass er jenen von ihm informierten Journalisten gar nicht vorher gekannt habe.

Im weiteren Verlauf hat Heyne-Anwalt Dr. Konstantin Wegner dem Gericht eine aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis gebracht, die dem Gericht bei Erlass des Verbotes offenbar unbekannt war. In einem höchstrichterlichen Urteil, das unter dem Stichwort „Wenn Frauen zu sehr lieben“ in offiziellen Entscheidungssammlungen geführt wird, war entschieden worden, dass jemand, der sich bewusst und aus kommerziellen Gründen für Fotoaufnahmen zur Verfügung stellt, aus Rechtsgründen hinnehmen muss, dass man ihn künftig in der Öffentlichkeit mit Namen nennt.

Genau das hatte Claudia D. nach Kachelmanns Freispruch getan: Auf ganzen vierzehn Hochglanz-Seiten hatte Claudia D. im „Peoplemagazin“ Bunte über ihr Seelenleben Auskunft gegeben. Der Artikel enthielt nicht weniger als zehn zum Teil ganzseitige Fotos, darunter eines auf der Titelseite, der Nachname der so von der Bunte wiederholt als „blonde, attraktive Radiomoderatorin“ bezeichneten Claudia D. jedoch war stets abgekürzt.

Im Lichte des zitierten Urteils, so RA Dr. Wegner, habe Claudia D. durch die Zustimmung in das Interview und den Fotoabdruck das Recht verloren, die Nachnamensnennung zu verbieten.

Weiteres Stirnrunzeln in Richtung D.s Anwalt beim Gericht war zu erkennen, als es erfuhr, dass Medienberichten zufolge Claudia D.s Leben verfilmt werden solle und sie sich auf Nachfrage der Bunte vorstellen könne, dass niemand Geringeres als George Clooney die Rolle von Jörg Kachelmann im Film verkörpern solle.

[…]

http://www.buchmarkt.de/content/52779-heute-verhandlung-gegen-ev-in-sachen-kachelmann-buch-entscheidung-wird-in-kuerze-bekanntgegeben.htm

Lebt man in Mannheim hinter dem Mond? Hat dort niemand die BUNTE-Artikel gelesen, vielleicht mal ein wenig gesurft, was die Filmrechte und den google- und internetmäßig weithin bekannten Namen der Antragstellerin angeht, und noch nicht einmal die BGH-Rechtsprechung konsultiert? Die 5. Große Strafkammer hat sich diesbezüglich zeitgemäßer orientiert, sonst hätte sie die zur eigenen Rechtfertigung umfunktionierte mündliche Urteilsbegründung nicht auch auf Schelte des Internets ausgedehnt (wo ja nicht nur krakeelende Fans unterwegs waren, sondern auch Justizkritiker).

Kauft die nur nebenbei mit Pressesachen befaßte und insoweit mehr schlecht als recht unterrichtete 3. Zivilkammer des LG Mannheim (wer würde sich in presserechtlichen Angelegenheiten schon an das LG Mannheim wenden, wenn nicht ein regionaler Anwalt, der auf seiner Homepage überregionale Siege feiern möchte?) RA Zipper das „Versehen“ ab, wo doch der Meedia-Artikel dessen Absicht nachweist? Was muß das für ein Anwalt sein, der jetzt auch noch zugibt, den Journalisten gar nicht zu kennen, dem er die intimen Details aus der Akte (und dann auch noch die seine Mandantin belastenden Gutachten) und einen Fragekatalog für die Pressekonferenz bei der Buchmesse, alles ohne Vertraulichkeitszusage, übermittelt hat… All das, um in Frankfurt während der Buchmesse einen Show-Termin zu landen, der gründlich danebenging. Vielleicht ahnte er das Debakel und schickte deshalb den Vater mit provinziellem Hütchen und die bedauernswerte Kollegin vor?

Hier noch einmal der Link zum entlarvenden Meedia-Artikel:

http://meedia.de/fernsehen/kachelmanns-ex-vom-eigenen-anwalt-blossgestellt/2012/10/16.html

Vielleicht merkt das Gericht jetzt, daß es als instrumentalisierter Teil einer Litigation-PR von Claudia D.s Anwalt eingeplant war und als unbedarfte Mannheimer Landrichter vorgeführt werden sollte. Wie Schwenn die 5. Große Strafkammer vorgeführt hat, wenn auch aus den gegenteiligen Motiven.

Hier der Link zu dem von dem Heyne-Anwalt angezogenen Urteil, das sicherlich der vor Drucklegung erfolgten Entscheidung, den Klarnamen der Anzeigeerstatterin auszuschreiben, zugrundegelegen hat:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=58383&pos=30&anz=602

In diesem Urteil geht es zwar darum, daß der Lebensgefährte einer Schauspielerin rechtmäßig als Porno-Darsteller geoutet wurde, ein öffentliches Wirken, das ja nicht so direkt auf BUNTE-Fotostrecken übertragbar ist: im Sinne eines ›dann aber erst recht‹ ist dieses hochbezahlte Hineinwirken in die Öffentlichkeit durch die Anzeigenerstatterin gegenüber dem körperlichen Treiben eines weniger honorierten männlichen Pornodarstellers aber gewiß bedeutsam, auch wenn die Photoshop-Arbeit des BUNTE-Fotografen  eine Wiedererkennbarkeit derjenigen, die dieses unselige Verfahren in Gang gesetzt hat, erschwert hatte. Die Wiederkennbarkeit wiederum wurde sichergestellt durch die nachträgliche Entpixelung der im Gerichtssaal aufgenommenen realistischen Bilder sowie durch die aktuellen Aufnahmen in der Vox-Sendung ›prominent!‹ vom 14.10.2012, in der ihre Anwältin Schimmel für sie sprach und in der auf aktuelle ungeschönte Fotos von ihr, nunmehr unblondiert und also brünett, gezoomt wurde. Auch dieses öffentlichkeitswirksame Auftreten reduziert den Persönlichkeitsschutz der ›Anklägerin‹, die durch sachverständig festgestellte unglaubhafte Beschuldigungen imponierte, auf Null. Ihr Opfer hatte den zu keiner Zeit…

Sie hatte aufgrund der Anzeige nicht unerhebliche Einnahmen, und demgegenüber der, wie selbst der durch die 5. Große Strafkammer falsch kommunizierte Freispruch belegt, zu Unrecht Beschuldigte, extreme Ausgaben. Selbstverständlich hatte die Anzeigenerstatterin lediglich deshalb kommerzielle Verwertungsmöglichkeiten, weil sie einen Prominenten angezeigt hatte. Aber gerade durch diese vorgenommene kommerzielle Verwertung hat sie sich jeglichen Persönlichkeitsrechtsschutzes begeben. Sie ist quasi von der regionalen Halböffentlichkeit als Moderatorin eines Spartensenders mit Autogrammkarte aufgestiegen in die Liga ihres Opfers. Und ihr sie découvrierender Anwalt ersehnt offenbar Ähnliches.

Die entscheidende Passage des durch den Heyne-Anwalt angezogenen BGH-Urteils lautet [Hervorhebung von mir]:

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger in allen Pornofilmen, in denen er mitgewirkt hat, jeweils für kurze Zeit im Bild zu sehen und mit dem Gesicht erkennbar. Er hat nicht nur an Massenszenen gleich einem Statisten mitgewirkt, sondern ist auch in Szenen mit nur einer oder bis zu drei weiteren Personen zu sehen. Dies wird anschaulich durch den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Screenshot dokumentiert, der den Kläger – gut erkennbar, ohne Gesichtsmaske oder in sonstiger Weise anonymisiert – aktiv im Zentrum des Geschehens und im Mittelpunkt des Bildes zeigt (so bereits KG, Urteil vom 18. Juli 2008 – 9 U 131/07, aaO). Darüber hinaus ist der Kläger auf dem Cover eines der Filme abgebildet. Bei dieser Sachlage ist der Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in den Filmen nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper aufgetreten, nicht zu folgen. Hiervon könnte man allenfalls dann ausgehen, wenn der Kläger Maßnahmen zum Schutz vor seiner Identifizierung getroffen, d.h. beispielsweise eine Gesichtsmaske getragen hätte. Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall. Ein Darsteller in einem Pornofilm, der sich dem Publikum ohne jede Einschränkung präsentiert und sein Gesicht erkennen lässt, kann aber nicht auf einen namen- und indentitätslosen Körper reduziert werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Filmen namentlich nicht benannt wird. Denn durch die Abbildung seiner Person, vor allem seines Gesichts ist er identifizierbar (vgl. KG, Urteil vom 18. Juli 2008 – 9 U 131/07, aaO unter II. 3. a) aa) (4)).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Mitwirkung des Klägers in den Pornofilmen auch nicht deshalb der Privatsphäre zuzuordnen, weil es sich hierbei um eine bloße Nebentätigkeit des hauptberuflich als Bildhauer tätigen Klägers handle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich privater Lebensgestaltung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet war. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt der Öffentlichkeit als Pornodarsteller präsentiert. Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende Pornofilme wie diejenigen, an denen der Kläger mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme hat abbilden lassen.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=58383&pos=30&anz=602

Dasselbe gilt auch für die Anzeigeerstatterin, die sich erkennbar und honoriert durch die BUNTE an die Öffentlichkeit gerichtet hat. Um den BGH zu paraphrasieren:

Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende People-Magazine wie diejenigen, an denen der Antragstellerin mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem sie sich auf dem Cover einer der BUNTE-Ausgaben hat abbilden lassen.

Das kann mir keiner einreden, daß zwischen dem Verkauf von Intimitäten an den Boulevard, Prostitution und Pronodrehs ein mehr als nur gradueller Unterschied besteht. In meinem Wertesystem steht all das auf derselben Stufe – mit dem entscheidenden Unterschied, daß nur der Boulevard zur Vernichtung von Existenzen beiträgt und beitragen will.

Prostitution und Pornographie gehören zum Leben und der conditio humana – da muß man realistisch sein und dafür eintreten, daß die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Protagonisten so human und unter Wahrung der Würde der Menschen wie nur irgend möglich zu gestalten ist.

Wer sich an den Boulevard verkauft, sich also seelisch prostituiert, um Dritten zu schaden, verdient weder Verständnis noch Gnade.

Update (26.10.2012):

Pressekammer des LG Mannheim hebt EV gegen Kachelmann-Buch auf

Wie BuchMarkt eben vom Landgericht Mannheim erfuhr, hat dessen Pressekammer in einer spektakulären Entscheidung seine eigene Einstweilige Verfügung vom 10. Oktober 2012 gegen den Heyne Verlag und gegen Jörg und Miriam Kachelmann aufgehoben.

Damit darf Clauda D. nunmehr Claudia Dinkel genannt werden.

[…]

http://www.buchmarkt.de/content/52787-pressekammer-des-lg-mannheim-hebt-ev-gegen-kachelmann-buch-auf.htm

Update II (26.10.2012):

Was war heute noch über die zutreffende Entscheidung des Landgerichts Mannheim in Erfahrung zu bringen?

Nun, der Pressesprecher Dr. Joachim Bock, der noch am 11.10.2012 zeitnah auskunftsfreudig war:

Pressemitteilung im Verfahren Claudia D. ./. Verlagsgruppe Random House GmbH

Datum:  11.10.2012

Kurzbeschreibung:

Pressemitteilung im Verfahren
Claudia D. ./. Verlagsgruppe Random House GmbH

Einstweilige Verfügung im Verfahren 3 O 98/12 zugestellt
Die vom Landgericht Mannheim mit Beschluss vom 10.10.2012 erlassene einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin am 11.10.2012 durch eine Gerichtsvollzieherin zugestellt worden.

Mit der einstweiligen Verfügung ist der Antragsgegnerin verboten worden, das Buch „Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz“ in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, sofern darin die Antragstellerin mit vollständigem Familiennamen benannt ist.

[…]

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1279583/index.html?ROOT=1160629

schweigt sich bislang (21 Uhr) aus – dabei hätte man gern mehr über die Begründung erfahren, wieso sowohl in dem Buch (Verfahren 3 O 98/12) als auch durch Jörg Kachelmann persönlich (Verfahren 3 O 99/12) öffentlich der Nachname der früheren Anzeigenerstatterin genannt werden darf.

Rechtsanwalt Höcker deutet die Begründung an:

26.10.2012

Kachelmann darf Anzeigenerstatterin wieder mit vollem Namen nennen.

Das LG Mannheim hatte es Jörg Kachelmann am 11.10.2012 zunächst per einstweiliger Verfügung verboten, öffentlich den Namen der Schwetzinger Radio-Moderatorin zu nennen, die ihn fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt hatte (Az. LG Mannheim 3 O 99/12). Kachelmann legte durch HÖCKER Widerspruch gegen die Verfügung ein. Gestern fand die mündliche Verhandlung über den Widerspruch statt, in der Kachelmann durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. Ralf Höcker und Dr. Ruben Engel vertreten wurde. Die Richter eröffneten die Verhandlung mit dem Hinweis darauf, dass sich ihre Rechtsauffassung nicht geändert habe, die Verfügung also nicht aufgehoben werde. In einer zweistündigen, zum Teil turbulenten Verhandlung konnte das Gericht vom Gegenteil überzeugt werden. Heute wurde bekannt, dass die Kammer die Verfügung aufgehoben hat. Die Begründung der Entscheidung steht noch aus.

Prof. Dr. Ralf Höcker:

„Herr Kachelmann darf diese Dame nun wieder beim Namen nennen, denn eine Radiomoderatorin, die ihre Persönlichkeitsrechte an die BUNTE und an eine Filmfirma verkauft hat, verliert natürlich jeglichen Anspruch auf Anonymität.“

http://www.hoecker.eu/mitteilungen/artikel.htm?id=288

und verweist auch auf die Dynamik der mündlichen Verhandlung, die den Rechtsanwalt der Antragstellerin mit seinem ungeschickten Versuch einer Litigation-PR in einem schlechten Licht dastehen ließ (die Homepage seiner Kanzlei ist mittlerweile um die Eintragungen zu den zwei Niederlagen, die das LG Mannheim Jörg Kachelmann zugefügt habe, bereinigt worden). So ähnlich formuliert es auch Rainer Dresen, der Justitiar von Random House:

26.10.2012 16:06

Rainer Dresen zum Kachelmann-Buch: Ich rechne mit keinen Belästigungen mehr

Das Buch Recht und Gerechtigkeit von Jörg und Miriam Kachelmann (Heyne) darf wieder ungeschwärzt vertrieben werden: die am 10. Oktober erlassene EV [mehr…] wurde heute von Landgericht Mannheim aufgehoben [mehr…]. buchmarkt.de sprach mit Random House-Justitiar Rainer Dresen über den Fall…

Erst Namensnennung, dann EV gegen Namensnennung, die nun aus einsichtigen Gründen abgeschmettert wurde: Man hat ein bißchen den Eindruck, Ihr Gegenanwalt sei mit Google-Algoritmen und Urteilen in Pressedingen recht unvertraut…

Das mag ich nicht kommentieren. Aber auf unserer Seite waren mit Professor Dr. Ralf Höcker als einem der führenden deutschen Medienanwälte und mit Dr. Konstantin Wegner als dem wohl besten deutschen Verlagsanwalt in der Tat ausgewiesene Experten zugange. Da war es für den Schwetzinger Lokalmatadoren Zipper vielleicht nicht so ganz leicht, zumal er laut eigener Homepage als u.a. Fachanwalt für Strafrecht und als Experte für Führerscheinrecht und EU-Fahrerlaubnisrecht auch nicht jeden Tag gegen Buchverlage zu klagen scheint.

Abgesehen von seinen „Glanzleistungen“ beim E-Mail-Versand vertraulichster Mandantendaten: Wie kann man einem unbekannten Journalisten – angeblich versehentlich – belastendes Material über die eigene Mandantin zuspielen?

Ich bitte um Nachsicht mit dem Kollegen. Was soll man auch tun, wenn man auf einmal in einem bundesweit beachteten Medienverfahren mitspielen darf, aber offenbar bislang noch keine verlässlichen Pressekontakte über den Bereich des Schwetzinger Gerichtssprengel hinaus hat? Da informiert man vielleicht jeden, dessen man habhaft werden kann. Der Kollege hat sich beim Gerichtstermin deshalb ja auch zerknirscht gezeigt. Es war einer wenigen Fälle, bei dem ich erleben durfte, daß der die Verhandlung führende Richter eine Aussage des Gegenanwalts „Ich war naiv und töricht.“ ins Sitzungsprotokoll nahm.

[…]

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Zum großen Erstaunen des lesenden Publikums erfuhr es dann allerdings noch, daß für Claudia D. noch eine dritte einstweilige Verfügung beim LG Mannheim erwirkt worden war, die völlig unbeworben geblieben war; auch sie bezog sich nicht auf das Buch, sondern auf das Verbot von öffentlichen Äußerungen Jörg Kachelmanns:

Zugleich hob das Gericht auch eine weitere, separat verhandelte Verfügung gegen Kachelmann teilweise auf. Der abschließenden Entscheidung zufolge darf er seine Ex-Partnerin öffentlich nun doch als „Falschbeschuldigerin“ bezeichnen, weiterhin nicht jedoch als „Kriminelle“. Zu mündlichen Verhandlungen kommt es, wenn die von einer einstweiligen Verfügung Betroffenen Widerspruch einlegen. Dann befasst sich das Gericht noch einmal mit der Sache und fällt ein Urteil.

http://www.welt.de/newsticker/news1/article110287755/Kachelmann-siegt-im-Streit-um-Namensnennung-von-Ex.html

Falschbeschuldigerin ja, Kriminelle nein. Das eine ist zulässige Meinungsäußerung, das andere unzulässige Schmähkritik. Die Begründung würde ich doch gern einmal lesen.

Einstweilen muß ich mich mit dem Kommentar von Rainer Dresen begnügen:

Das Gericht untersagt, daß Kachelmann Frau Dinkel eine Kriminelle nennt, läßt aber den Begriff „Falschbeschuldigerin“ durch. Für mein journalistisches Selbstverständnis: Falschbeschuldigung ist dann lt. Mannheimer Rechtsprechung eher ein Kavaliersdelikt? Was ja auch einiges erklären würde…

Ich glaube, das Gericht fürchtete, dass der Begriff „Kriminelle“ so verstanden werden könnte, als sei die Anzeigeerstatterin tatsächlich wegen ihrer nicht zum Erfolg führenden Strafanzeige verurteilt worden, was sie ja bislang nicht wurde. Es wurden nicht einmal Ermittlungen aufgenommen. „Falschbeschuldigerin“ hingegen darf sie wohl deshalb genannt werden, weil Jörg Kachelmann rechtskräftig freigesprochen wurde und damit unverrückbar und unumkehrbar feststeht, daß er unschuldig ist und sie ihn deshalb denknotwendig zu Unrecht, also im Wortsinne „falsch“, beschuldigt hat.

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Das erscheint mir nicht schlüssig: Falschbeschuldigung wird als nicht-rechtstechnischer Begriff behandelt, der Ausdruck ›Kriminelle‹ dagegen durchaus? Nun, da gibt es andere Entscheidungen, vorhin habe ich eine des Sächsischen Staatsgerichtshofs gefunden, der eine Verurteilung wegen Beleidigung von Richtern und Staatsanwälten als ›Kriminelle‹ und ›kriminelle Vereinigung‹ aufgehoben hat, weil die Bezeichnung im Zusammenhang mit konkreten Vorwürfen nicht aus der Luft gegriffen sei, wenn auch rechtstechnisch ›daneben‹. Vielleicht finde ich den Link noch…

Ich denke, daß diese Frage höheren Orts entschieden werden wird. Denn tatsächlich sind intentionale Falschbeschuldigungen kriminell, rechtstechnisch wie im alltäglichen Sprachgebrauch – nur daß es weder ein gesellschaftliches moralisches Unwerturteil über derartige Verhaltensweisen von Frauen gibt, denen so viel Ungemach zugestoßen ist, daß Falschbeschuldigungen wie eine läßliche Sünde erscheinen – auch die Justiz ist unwillig, von Amts wegen dieses Offizialdelikt auch nur durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu nehmen. Das geschieht regelmäßig erst bei wasserdichten Beweislagen, die genauso selten sind wie bei den Gegenverfahren, die ein Sexualdelikt zum Gegenstand haben. Dabei reicht hier wie dort ein Anfangsverdacht aus.

Nein, es ist ein Tabu-Thema, das niemand anpacken möchte. Schon gar nicht die Medien, für die selbst ein rechtskräftig freigesprochener Mann Freiwild bleibt. Langsam löst sich diese Starre, immer öfter gelangen im Internet und in juristischen Fachkreisen schon lange geführte Diskussionen in den Mainstream-Diskurs der Medien. Rainer Dresen hofft, daß das Buch ›Recht und Gerechtigkeit‹ die Grabenkämpfe des Fundamental-Feminismus, die in Justiz und Medien deutliche Spuren hinterlassen haben, beenden und die vielfältig sichtbaren Beschädigungen und Mißstände zum breiten Diskussionsgegenstand machen könnte:

Ist jetzt – mal deutlich gefragt – Ruhe im Karton? Kann der Buchhändler jetzt drauf vertrauen, daß er das Buch ungeschwärzt und unbehindert verkaufen kann?

Die nächsten Wochen und Monate rechne ich mit keinen weiteren Belästigungen mehr. Der Gegenanwalt hat ja nur angekündigt, Rechtsmittel gegen den aufhebenden Beschluss zu „prüfen“. Selbst das kann er erst tun, wenn das Urteil des Landgerichts Mannheim begründet vorliegt, und das kann dauern. Erst danach könnte das Oberlandesgericht Karlsruhe, wenn überhaupt, befaßt sein. Ganz zu schweigen davon, wann ein Verhandlungstermin anberaumt werden würde. Nein, das Buch ist meines Erachtens juristisch „durch“. Es ist deshalb vielleicht auch an der Zeit, daß die zahlreichen Medien, die bisher eine fast schon unheimlich anmutende Zurückhaltung bei der Befassung mit den aufrührenden Thesen des Buchs Recht und Gerechtigkeit an den Tag legten, erkennen, daß sie sich nicht mehr länger vor dem Feigenblatt „Das Buch ist ja rechtlich umstritten“ verstecken können, sondern sich mit den dort aufgezeigten Mißständen beschäftigen.

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Optimismus ist etwas Feines.

Update (29.10.2012)

Zu dem Zivilverfahren in Frankfurt a. M. und zu dem Fortgang in den Verfahren wegen einstweiliger Verfügungen in Mannheim schreibt die WELT:

[…]
Verfahren führt an die Wurzeln des Vergewaltigungs-Vorwurfs
Exakt 17 Monate später werden wesentliche Fragen aus dem Prozess noch einmal neu gestellt: Was ist passiert in der angeblichen Tatnacht? Und wer ist eigentlich das Opfer in diesem zur Schlammschlacht ausgearteten Fall? Diesmal wird in einem Zivilprozess um Schadenersatz in Frankfurt am Main verhandelt, wo Kachelmann im März 2010 frisch aus dem Flugzeug kommend am Flughafen verhaftet worden war.
Die Anwälte beider Seiten geben sich vor Prozessbeginn schmallippig. Kachelmanns Frankfurter Rechtsberaterin Ann Marie Welker will sich vor dem Verfahren gar nicht äußern. Claudia D.s Anwalt Manfred Zipper aus dem badischen Schwetzingen sagt zurückhaltend, der Prozess werde schwierig werden. Für Claudia D. sei das persönliche Aufeinandertreffen mit Kachelmann eine „extreme Belastung“.
Zipper hebt die Bedeutung des Prozesses auf eine generelle Ebene. Für ihn geht es um ein Zeichen an alle Opfer von Gewalttaten. „Ich meine, dass man denjenigen, der redlich eine Strafanzeige stellt, nicht zur Zahlung eines Schadenersatzes verurteilen darf“, sagt Zipper der dapd.Möglicherweise werden Kachelmann und Claudia D. ihre Aussagen am Mittwoch hinter verschlossenen Türen machen, sagt Gerichtssprecher Arne Hasse. Zu Beginn der Verhandlung werde die Kammer über einen Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden. Mit einem Urteil am Mittwoch sei nicht zu rechnen.

Kachelmann kündigt schon weitere Schritte an

Schon jetzt ist klar, dass mit dem Prozess in Frankfurt nicht das letzte Wort gesprochen sein wird. Auch der Kölner Medienrechtler Ralf Höcker streitet weiter in Kachelmanns Auftrag. Nach der Veröffentlichung seines Buches „Recht und Gerechtigkeit“, in dem Kachelmann mit Polizei, Justiz und auch mit Claudia D. abrechnet, kündigt Höcker im Gespräch mit der dapd an: „Wir werden dafür kämpfen, dass Herr Kachelmann sie nicht nur ‚Falschbeschuldigerin‘, sondern auch ‚Kriminelle‘ nennen darf.“
Ein Gang durch die Instanzen könnte also bevorstehen. Erst jüngst hatte Kachelmann erwirkt, dass er Claudia D. beim vollen Namen nennen und sie auch eine „Falschbeschuldigerin“ nennen darf. Für Kachelmann gehe es nicht nur ums Prinzip, sondern auch darum, anerkannt zu bekommen, dass er zu Unrecht vor Gericht gelandet sei. „Eine intentionale Falschbeschuldigung ist kriminell“, sagt Medienanwalt Höcker. Mal wieder steht Aussage gegen Aussage.
(Az. 2-18 O 189/12)

http://www.welt.de/newsticker/news3/article110354893/Joerg-Kachelmann-laedt-zur-naechsten-Prozess-Runde.html

Ein Heben auf die generelle Ebene hilft nicht, wenn es um eine konkrete spezielle geht. Eine „redliche“ Anzeige wird ja nicht in Frage gestellt…

Àpropos ›Schlammschlacht‹ und ›Aussage gegen Aussage‹: hätte das Landgericht Mannheim auch nur kommuniziert, daß die belastende Aussage unglaubhaft war, wäre nachverurteilenden Journalisten und Feministinnen der Stoff ausgegangen.
Update (30.10.2012)
Nun gibt es auch eine offizielle Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim zu den drei Entscheidungen vom 26.10.2012 – leider ohne Mitteilung zu den jeweils tragenden Gründen der 3. Zivilkammer. Es wird jedenfalls klargestellt, daß es sich bei dem dritten Urteil nicht um eine Entscheidung über einen Widerspruch gegen eine bereits ergangene einstwweilige Verfügung handelt, sondern um die Bescheidung eines Antrags auf einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung. Schön, daß wenigstens insoweit Klarheit herrscht.

Einstweilige Verfügungen gegen Random House und Jörg Kachelmann aufgehoben

Datum:  30.10.2012

Kurzbeschreibung:

Einstweilige Verfügungen
gegen Random House und Jörg Kachelmann aufgehoben

Urteile der Zivilkammer 3 vom 25.10.2012
in den Verfahren Claudia D ./. Random House (3 O 98/12) und
Claudia D. ./. Jörg Kachelmann (3 O 99/12 und 3 O 100/ 12)

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim hat die mit Beschluss vom 10.10.2012 (Az.: 3 O 98/12; Claudia D. ./. Random House) und die mit Beschluss vom 11.10.2012 (Az.: 3 O 99/12; Claudia D. ./. Jörg Kachelmann) jeweils erlassene einstweilige Verfügung nach der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2012 mit am Ende des Sitzungstages ergangenen Urteilen aufgehoben, die beiden entsprechenden Anträge der Klägerin abgelehnt und der Klägerin jeweils die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit ihren Anträgen hatte die Klägerin die Untersagung ihrer vollen Namensnennung in dem Buch „Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz“ (3 O 98/12) bzw. in der Öffentlichkeit (3 O 99/12) begehrt.

In einem weiteren am 25.10.2012 verhandelten Rechtsstreit (Az. 3 O 100/12; Claudia D. ./. Jörg Kachelmann) hat die Kammer mit Urteil vom selben Tag dem Beklagten verboten, die Klägerin in der Öffentlichkeit als „Kriminelle“ zu bezeichnen. Den weitergehenden Antrag der Klägerin, dem Beklagten auch die Bezeichnung als „Falschbeschuldigerin“ in der Öffentlichkeit zu untersagen, hat die Kammer abgelehnt. Die Kammer hat in diesem Fall nicht auf Widerspruch entschieden, sondern – im Gegensatz zu den beiden o.g. Verfahren – auf den Antrag der Klägerin eine mündliche Verhandlung anberaumt. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Kammer gegeneinander aufgehoben.

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Die Gründe sind grds. innerhalb von drei Wochen zu fertigen und zur Geschäftsstelle zu bringen. Die Berufungsfrist von einem Monat läuft erst ab Zustellung der vollständigen schriftlichen Urteilsgründe.

Dr. Joachim Bock
Pressereferent und VRLG

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1279945/index.html?ROOT=1160629

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