Der STERN und Udo Jürgens – wie mit PC Auflage gemacht werden soll

Udo, 7.2.09[Udo Jürgens am 7.2.2009 in Köln]

Ein Großer ist gegangen. Einer, der Vielen etwas bedeutet hat. Nicht nur mir, die ihm als Zehnjährige im Jahr 1966 verfiel, als ich „Merci Chérie“ im Radio hörte, weil meine Mutter mit dem verhaßten Wäscheziehen plötzlich aufhörte und ganz andächtig sagte, daß dieses Lied gestern den Grand Prix Européen de la Chanson gewonnen habe.

Nie zuvor war mir Musik in einer solchen Intensität begegnet. Sie traf mich in den Magen, ich bekam eine Gänsehaut, ich hatte Tränen in den Augen. Rückblickend kann ich nicht verstehen, was mich damals als Kind so umgehauen hat; ich wußte ja nichts von Liebe und Schmerz der Erwachsenen – aber daß da von Höhen und Tiefen zu hören war, die die Fortsetzung meiner Märchenwelt waren, denen ich gerade entwuchs und die ich zeitgleich bei Karl May wiederfand, nur eben viel realistischer, das werde ich wohl „verstanden“ haben. Und auch, daß Musik viel tiefere Schichten anspricht als Worte. Diese drängenden Triolen, dieses Abzielen auf den hohen, erlösenden Ton, der sogleich beruhigende Abwärtsbewegungen auslöst…

Oliver Polak, 38, hat im SPIEGEL 1/2015 vom 29.12.2015 von einem ähnlichen Initiationserlebnis im Alter von elf Jahren erzählt, von einem Konzertbesuch in Oldenburg während der „Deinetwegen“-Tournee im Jahr 1987.

Ich musste weinen, ich weiß nicht, warum, da war ein Punkt, den dieser Typ in meinem Kinderherzen berührte – es umarmte, es verstand, mich verstand. Ich verliebte mich. Bei seinem Abgang klatschte Udo die zur Bühne hochragenden Hände ab. Auch meine kleine Kinderhand hielt er kurz in seiner großen verschwitzten Popstar-Hand. Ich saß versteinert auf dem Bühnenrand.

[aaO, S. 135]

Neben den vielen Millionen, die lediglich Udo Jürgens‘ kultige Hits kennen, gibt es Millionen, die mit Udo Jürgens seit ihrer Kindheit bis zu seinem Tod (und darüber hinaus) verbunden waren und kaum jemals eines seiner magischen Konzerte verpaßten, in denen er über sich hinauswuchs, sich völlig verausgabte und in denen eine geheimnisvolle Alchimie herrschte: Publikum und Sänger gaben in gleichem Maß. Dankbarkeit, Ergriffenheit, Jubel und Ekstase der einen Seite trieben die andere zu Energieleistungen, die an den Rand der Erschöpfung führten.

Bei seiner Tournee „Mitten im Leben“ in Köln am 5.11.2014 hatte dieses Bündnis zwischen Publikum und Sänger etwas Überirdisches: Udo Jürgens wurde mit standing ovations empfangen – Köln war immer ein besonders inniges Heimspiel für ihn -, weil die Endlichkeit dieser gemeinsamen Erlebnisse unausgesprochen im Raum stand. Weil man sich für die jahrelangen Beglückungen bedanken wollte. Und auch er wußte um die Endlichkeit dieser gemeinsamen Verschwörungen der idealen Lieder gegen die Realität. Schon beim ersten Lied nach der Pause begann der run auf die Bühne – das Pepe Lienhard-Orchester hat sich selbst übertroffen, Jürgens war nie besser als bei diesem Konzert, das ihn die letzten Kräfte kostete. Was man ihm bei den Zugaben, so nah an der Bühne, deutlich ansah – aber diese symbiotischen Kräfte trieben einander eben bis zum letzten an.

Obwohl ich ahnte, daß dieses Konzert ein Abschied war, kaufte ich Karten für das Wiederholungskonzert im März 2015. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und nun der STERN.

Erinnern Sie sich noch, wie er gegen Christian Wulff hetzte, ohne sich später für seine Entgleisungen zu entschuldigen?

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/03/08/der-stern-kontra-wulff-kann-journalismus-noch-tiefer-sinken/

Erinnern Sie sich noch an seine Sexismus-Kampagne gegen Rainer Brüderle, als die Täterin Laura Himmelreich diesen FDP-Politiker niederschrieb, und sich, gender mainstreaming sei Dank, zugleich zum Opfer stilisierte, das nach einem Jahr der im Busen gehüteten Schmach zum Rache-Artikel ausholte? Nun, Brüderle, die FDP und Himmelreich sind Geschichte – wer sie nachlesen will, findet sie hier:

http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-portraet-ueber-rainer-bruederle-der-herrenwitz-1964668.html

Festzuhalten bleibt, daß der Feminismus, der Frauen als Opfer von Sexismus kleinhält, in Wirklichkeit denunziatorischen Täterinnen einen moralischen Vorwand liefert. Dieses Denkmuster schreitet immer weiter fort bis hin zur Forderung einer Aufweichung des Vergewaltigungsparagraphens, der Frauen die Definitionshoheit darüber zuspricht, wann ein später als unangenehm empfundener Geschlechtsverkehr strafbar sein soll. Und das auch noch zwanzig bis dreißig Jahre später. Ja, in den USA gehen die Überlegungen so weit, daß man sagt, daß ein zu Unrecht beschuldigter Mann weniger leide als eine Frau, deren Beschuldigungen man nicht glaube – diese Perversion des Rechtsstaats und seiner Unschuldsvermutung ist in Politik und Medien längst Mainstream, der wie immer gegen die Rechtswirklichkeit und gegen die Meinung des Volks steht. Das nämlich genau weiß, daß Gut und Böse, Dominanz und Schwäche zwischen Männern und Frauen ziemlich genau gleich verteilt sind. Auch Provokation und Aggression sind gleich verteilt, mag auch in der medialen Darstellung die spektakulärere physische Aggression der Männer überwiegen.

Nun sind die Leitmedien nicht ohne Grund wirtschaftlich bedroht: es muß Folgen haben, wenn ausschließlich neoliberalistische, feministische und transatlantische Positionen vertreten werden, Elitenmeinungen also, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Der Vorwurf der „Lügenpresse“ wird ja nicht nur durch „Pegida“ erhoben. Das Publikum wendet sich ab, wenn es merkt, daß es indoktriniert werden soll.

Ein schönes Beispiel bietet der gerade aktuelle Chefredakteur des STERN. Er meint, posthum Udo Jürgens diffamieren zu können. Christian Krug heißt der Mann, der zur Zeit dort Chefredakteur ist und der wohl hofft, mit diesem Editorial im STERN 2/2015 vom 2.1.2015 auf S. 5 auflagesteigernd zu wirken – man merkt ihm allerdings an, daß er keine Ahnung von Udo Jürgens und seiner Wirkung hat.

Ich bin sicher, dass unter den Weihnachtsbäumen nie so viel getanzt wurde. Vor allem nach „Merci Chérie“, dem nach meiner Überzeugung meist falsch interpretierten Lied, dem er seinen Durchbruch verdankte. Jürgens hatte den Song als eine Art Entschuldigung für ein Davonstehlen nach einer durchliebten Nacht getextet. Eine Liebeserklärung an die unbekannte Schöne, deren Namen er schnell wieder vergessen hatte, als er die Tür hinter sich zuzog.

[Hervorhebungen im STERN]

Krug kann weder Musik empfinden noch Texte lesen – es geht ihm um sexistische Denunziation des Mannes, wie es gerade feministische Mode ist. Männer sind Schweine, und Frauen Opfer. So der mediale Diskurs, der mit dem wahren Leben nichts zu tun  hat.

Der Text des Liedes aus dem Jahr 1966 lautet – und ich markiere die Silbe, die den höchsten Ton markiert, auf den die Musik hindrängt -:

Merci, Merci, Merci
Für die Stunden Cherie, Cherie
Unsere Liebe war schön, so schön
Merci Cherie
Sei nicht traurig, muß ich auch von Dir geh’n

Adieu, Adieu, Adieu
Deine Tränen tun weh, so weh, so weh
Unser Traum fliegt dahin, dahin
Merci Cherie, weine nicht
Auch das hat so seinen Sinn

Schau nach vor’n, nicht zurück
Zwingen kann man kein Glück
Denn kein Meer ist so wild, wie die Liebe
Die Liebe allein, nur die kann so sein, so sein

Merci, Merci, Merci
Für die Stunden Cherie, Cherie
Unsere Liebe war schön, so schön
Merci Cherie, so schön, so schön
Merci Cherie, so schön, so schön
Merci Cherie
Merci

http://www.golyr.de/udo-juergens/songtext-merci-cherie-196992.html

Nur ein politisch korrekter Chefredakteur kann im Jahr 2015 dieses Lied von 1966, dessen Schmelz von Liebe und Liebesleid kündet, so mißverstehen wie der Herr Krug das tut. Aber er macht das mit Absicht, denn er muß den denunziatorischen Charakter des in seinem Heft publizierten Artikels verteidigen. Und also schreibt er, wiederum komplett an der Realität vorbei und ohne Interpunktionskenntnis:

Diese dunklere Seite von ihm, dieser Ausdruck seiner Beziehungsunfähigkeit [,] wird heute als Schmachtschlager geträllert. Als Helene Fischer den Song auf ihrer Gala für ihn zum Besten gab, sah er sie an, als hätte sie rein gar nichts verstanden. Nichts von seiner Zerrissenheit, nichts von seinem Narzissmus, nichts von seiner Hintergründigkeit als Künstler.

[Hervorhebung im Originaltext]

Klar, Männer sind narzisstisch, und nur Männer, so will es die feministische Definition. Krug lügt allerdings, nur um dieses Klischee zu begründen. Und es ist ihm leicht nachzuweisen. Udo Jürgens war nach der Interpretration seines uralten Liedes durch Helene Fischer ergriffen, dankbar, begeistert, er fand sie wunderbar und er applaudierte jeweils, als sie den hohen Ton des „sauschwierigen“ Liedes ideal vortrug – er darf nämlich nicht angesungen und dann mit Schwellton ausgeführt werden, er muß mit Attacke vorgetragen werden. Das hat Helene Fischer getan – und Udo Jürgens hat jeweils anerkennend applaudiert. Wohlgemerkt: es geht um das Wort „Liebe“, dessen erste Silbe so vehement interpretiert werden muß.

Helene Fischer in der Geburtstagsshow für Udo Jürgens mit „Merci Chérie“ (aufgezeichnet am 1.9.2014)

http://www.youtube.com/watch?v=VOEAANdAN8g

Helene Fischer in ihrer Show mit Merci Chérie (aufgezeichnet am 11./12.12.2014)

https://www.youtube.com/watch?v=VnlqLm8208k

Krug lügt also. Und wieso? Weil er den unterirdischen Beitrag eines Interviews mit einem prekären Cousin von Udo Jürgens (die üblichen Geier umkreisen berühmte Tote sogleich) mithilfe eines feministischen Mainstreams adeln möchte:

Applaus war sein Antrieb und seine Lebensdroge. Er hat sein Publikum gebraucht wie ein Vampir das Blut. Sein Cousin Andrej Bockelmann beschreibt ihn im Interview mit dem STERN als einen Einzelgänger, der seine erste Ehe nur zum Schein aufrechterhielt (ab S. 70). Geliebt hat er wohl nur sich selbst.

[Hervorhebung im Editorial]

An dieser Stelle ist man wirklich dem Kotzen nah.

Die Familie Bockelmann hat von ihren Sprößlingen viel verlangt. Darunter hat auch Udo Jürgens gelitten. Andrej Bockelmann hat den Maßstäben seines Vaters Werner Bockelmann wohl kaum entsprochen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Bockelmann

Mit über siebzig Jahren muß er sich noch als Werbefilmer auf dem Markt verdingen, weil er als freier Autor sicherlich keine auskömmliche Rente hat:

Ich kann meine Arbeit sehr preiswert für 200 € pro Arbeitstag (incl. Ausrüstung) anbieten. In der Regel lässt sich ein etwa 15 Minuten langer Film an 4 – 5 Tagen herstellen und kostet um die Tausend EURO. Aber auch schon für 600 – 800 € lässt sich ein passabler 5 – 8-Minuten-Film realisieren. Größere Werke kosten je nach Aufwand in der Regel zwischen 2000 und 5000 €.

http://www.andrejbockelmann-imagefilm.de/kosten-und-preise.html

Das Gästbuch seiner seit 2011 eingerichteten Website sieht mau aus: es gibt dort sechs Einträge, drei stammen von ihm selbst, einer von seinem Sohn und zwei von obskuren Bekannten:

http://www.andrejbockelmann-imagefilm.de/guestbook.html

Dieser Mann darf also gegen Udo Jürgens losschießen; das Wichtigste hat der STERN auch online gestellt.

http://www.stern.de/kultur/musik/udo-juergens-vetter-im-stern-udo-hat-die-menschen-nie-geliebt-2163102.html

Natürlich macht dieser neidzerfressene unerfolgreiche Verwandte lediglich Reklame für sein Buch, das er im Frühjahr herausbringen will – der alberne Titel lautet: „Udo Jürgens – der Mann, der mir das Schwimmen beibrachte“ [STERN Nr.2, 2.1.2015, S. 78]

Wieso hat der STERN die haltlosen Aussagen dieses krückeligen Verwandten, der Udo Jürgens kaum kannte, für seine feministische Agenda und sein Bashing gegen Männer, die bei Frauen erfolgreich sind, derartig mißbraucht?

Daß die Frauen Udo Jürgens nachliefen und daß er Probleme hatte, Nein zu sagen, ist ja bekannt. Daran soll er jetzt schuld und die Frauen Opfer sein? Come on. Get it straight.

Udo Jürgens hat nie ein Hehl aus seiner Vita gemacht:

Talkrunde mit Lanz, 2012

https://www.youtube.com/watch?v=e_0C0EtN5TE

Hier ein letztes großes Interview mit Giovanni die Lorenzo, das am 28.8.2014 im ZEIT-Magazin erschienen ist und in dem er zur aktuellen sexuellen Verklemmtheit wie auch zu seinen Defiziten einiges sagt:

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2014/36/udo-juergens-geburtstag

Ich denke, daß die Kalkulation des STERN, mittels feministischer Mainstream-Schablonen ein Interview zu adeln, in dem ein minderer Verwandter Udo Jürgens abwertet, nicht aufgehen wird, auch wenn der prekäre Verwandte mehr als seinen üblichen 200-Euro-Stundensatz erhalten haben wird.

Udo Jürgens läßt sich dadurch nicht skandalisieren, und auf eine Auflagenerhöhung darf der STERN auch nicht hoffen. Mal sehen, wie lange es der neue Chefredakteur auf dem Schleudersitz aushält.

Ich bin sicher, daß ihm dieser Beitrag sehr übelgenommen wird. Da nützt es nichts, daß dieses Interview auf BILD-Niveau mit Andrej Bockelmann von einem weiblichen Reporter namens Sophie Albers Ben Chamo geführt wurde, die am Schluß anmerkte:

erlebte Andrej Bockelmann als warmherzigen Gesprächspartner, dem Gerechtigkeit ein besonderes Anliegen war.

[aaO, S. 79]

Frauen lassen sich, wie Männer auch, im prekären Job des Journalisten wirklich zu allem mißbrauchen. Warmherzig ist an diesem Interview nichts, das lediglich zu einer auflagesteigernden Skandalisierung eines gerade Verstorbenen beitragen soll. Wobei die Skandalisierung durch den Chefredakteur auch noch ideologisch geadelt wird. Da fehlen einem wirklich fast die Worte dazu, wie weit die Presse geht.

Dieser Schuß wird aber gewiß nach hinten losgehen. Udo Jürgens, der von derselben psychisch kranken Frau gestalkt und physisch bedroht wurde, die Karl Dall der Vergewaltigung zieh, der dennoch angeklagt aber dann zurecht freigesprochen wurde, kennt die Frauen sehr gut. Zuletzt hatte er es mit einer aggressiven Frau zu tun, die behauptete, seine Tochter zu sein, was sie allerdings nicht war. Einem Star wie ihm schlug schon immer weiblicher wie männlicher Haß entgegen – typisch, daß der um Auflagesteigerung barmende STERN diesem Haß ein Sprachrohr bietet und den auch noch ideologisch rechtfertigt. Ich sage mal voraus, daß dieser Schuß nach hinten losgeht.

Als Antidot empfehle ich dieses Interview mit Jürgens‘ langjährigem Manager Freddy Burger, der ihn wirklich kannte:

http://m.schweizamsonntag.ch/ipad/articleView.htm?article=bGluZTJfTFRHX2xpbmUyLTI4XzEyXzIwMTRfU29ubnRhZ19SZWRha3Rpb25fdjFfMTczMjgyNg%3D%3D

Nachtrag (26.1.2015):

Natürlich entschuldigt sich der STERN nicht für seine Entgleisungen in der Wulff-Hatz, die weder juristisch noch politisch angemessen war.

12.03.14

„Stern“-Reporter Tillack will sich nicht entschuldigen

Frankfurt am Main. Der „Stern“-Reporter Hans-Martin Tillack wehrt sich gegen Vorwürfe, Journalisten hätten im Fall Christian Wulff vorschnell unhaltbare Vorwürfe erhoben. „Mit Verlaub, das ist grober Unfug“, schreibt der Enthüllungsjournalist, der seit vielen Jahren für das Hamburger Magazin tätig ist, in einem Beitrag für das aktuelle „medium magazin“. „Keine einzige Zeile meiner Artikel wurde vor Gericht attackiert.“ In den Beiträgen sei es nicht um „Klein-Klein“ gegangen, sondern um millionenschwere Geschäfte. „Mich stört die Nonchalance, mit der jetzt einige Journalisten eine regelrechte neue Meute des Ermittler- und Journalisten-Bashings schaffen“, so Tillack in seinen Ausführungen. Neben der „Bild“-Zeitung war er einer der Ersten, die über den umstrittenen Hauskredit des einstigen Staatsoberhaupts berichtet hatten.

Der inzwischen vom Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochene Ex-Bundespräsident hat laut Tillack in seinen Aussagen vor Gericht vieles zugegeben, was er in Statements zuvor bestritten habe. „Ich finde daher nicht, dass ich mich als Journalist heute dafür entschuldigen muss, wenn ich Anfang 2012 ein bisschen den Respekt vor ihm verloren hatte und nicht bereit war, mich auch noch für eine Inszenierung der präsidialen Normalität auf Staatsbesuch in Italien einspannen zu lassen.“

http://www.abendblatt.de/kultur-live/article125698922/Stern-Reporter-Tillack-will-sich-nicht-entschuldigen.html

Das sieht Jan Fleischhauer zurecht vollkommen anders, denn Tillacks jeglichen Anstands entbehrende Entgleisung anläßlich des Italien-Besuches ist schlicht nicht zu rechtfertigen:

S.P.O.N. – Der Schwarze Kanal: Maßlose Jäger

Eine Kolumne von Jan Fleischhauer

Wenn sich Journalisten wie Staatsanwälte aufführen, dürfen sie sich nicht wundern, dass sie schlecht aussehen, wenn vor Gericht nichts herauskommt. Vielen Bürgern wird der Fall Wulff als Beispiel für Macht und Machtmissbrauch von Medien in Erinnerung bleiben.

Der MDR-Redakteur Michael Götschenberg hat in seinem Buch „Der böse Wulff?“ festgehalten, wie es an Bord des Regierungsfliegers zuging, als der Bundespräsident im Februar 2012 zu seiner letzten Dienstreise nach Italien aufbrach. Wenn die Details der Affäre längst in die Dämmerung des Vergessens gesunken sind, wird diese Szene bleiben.

„Treten Sie nur aus Angst vor Mittellosigkeit nicht zurück?“ fragte einer der Journalisten, als Christian Wulff die Presse begrüßte. „Glauben Sie im Ernst, dass sich jemand dafür interessiert, was Sie in Italien vorhaben?“, lautete später eine andere Frage. Vier Tage blieben Wulff zu diesem Zeitpunkt noch bis zu seinem Rücktritt, aber für die nachbohrenden Redakteure war schon nicht mehr genug Zeit für die korrekte Anrede. Für sie war das Staatsoberhaupt nur noch „Herr Wulff“.

„Absolut grenzwertig“ sei das Verhalten gewesen, erinnert sich Götschenberg: Einige Kollegen, die dabei waren, hätten aus Scham zu Boden geschaut. Zu denen, die sich besonders hervortaten, gehörte der „Stern“-Reporter Hans-Martin Tillack. „Etwas frech“, findet Tillack im Nachhinein seine Fragen, aber es sei das „Kennzeichen einer Untertanengesellschaft“, Amtsträgern eine Ehrerbietung unabhängig von ihrem Verhalten zu gewähren. Normaler menschlicher Anstand hätte auch gereicht, um einen vor solcher Anmaßung zu bewahren.

[…]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/christian-wulff-jan-fleischhauer-kolumne-zum-freispruch-im-prozess-a-955971.html

Für die STERN-Hetze gegen Wulf, der heute als Repräsentant Deutschlands zu der Trauerfeierlichkeit in Saudiarabien geschickt wird, hat sich ein einziger entschuldigt. Der einzige unabhängige Journalist des STERN, der sich zu sehr spät zu einem einzigen Hetz-Artikel entschlossen hat, ist Hans-Ulrich Joerges:

http://www.stern.de/politik/deutschland/joerges-der-video-zwischenruf-die-medien-haben-wulff-kaputt-gemacht-2093252.html

http://www.stern.de/politik/deutschland/zwischenruf-aus-berlin-fuersorgliche-vernichtung-2001136.html

Aber Hans-Martin Tillack, um dessen Intellekt man sich ebensoviel Sorgen machen muß wie um seine intakte Psyche, setzt natürlich nach:

http://blogs.stern.de/hans-martin_tillack/wie-schoenfaerberisch-ist-das-wulff-buch/

Der STERN ist, wie sein Udo Jürgens-Editorial und -Artikel deutlich zeigt, auf einem falschen Weg. Noch deutlicher wird der falsche Weg, sieht man sich seine Ukraine. Berichterstattung an.

Auch hier ragt Jörges wie ein Leuchtturm heraus.

Denn hier muß man die Ausnahme hervorheben: Hans-Ulrich Jörges in seinem “Zwischenruf aus Berlin” im STERN vom 23.12.2014, S. 81. Üblicherweise kommt sein Zwischenruf weiter vorne. Aber der STERN mußte zuvor unbedingt noch zwei unendlich lange Propaganda-Artikel vorschalten.

Von S. 54 – 62 den Artikel

Der kalte Hauch des Gestrigen

Seit der Annexion durch Russland im März feiern die meisten Krimbewohner Putin, ihren starken Mann. Widerspruch wird nicht geduldet. Eine Reise durch eine Region am Wendepunkt der Geschichte

von Bettina Sengling

Düstere Fotos, fast ausschließlich Innenaufnahmen.
Die Autorin besucht ein Veteranen-Treffen (mit Stalin-Bild an der Wand), zwei Kadettenschulen (und wundert sich, daß die Kinder schon militärische Übungen machen), ein Armee-Museum, und sie redet ausschließlich mit Maidan-Anhängern, die schon nicht mehr in der Krim wohnen oder kurz davor sind, die Krim zu verlassen, und mit einem Krim-Tataren, dessen Sohn verschwunden ist, etc. Soweit die Ukraine vehement abgelehnt wird, sind das alles Leute, die von Propaganda vernebelt wurden. So kam es dann wohl zum mehrheitlichen Sezessions-Votum der Krimbewohner. Die waren alle von Propaganda umnebelt.

Unmittelbar danach folgt auf den S. 64 – 70 der Artikel

Aus dem Himmel gerissen
Auf Feldern in der Ostukraine liegen verstreut die Überreste des Fluges MH 17, zerfetzt von einer Rakete.298 Menschen starben, die meisten davon Niederländer.Ihre Angehörigen verzweifeln – an den Lügen, der Ungewissheit und der Unmöglichkeit, Abschied zu nehmen

Von Joachim Rienhardt

Zu sehen ist ein Kornfeld mit Flugzeugsitzen, also ein altes Foto. Die Machart des Artikels ist genauso, wie es schon die Überschrift andeutet: viel Herzeleid der Angehörigen, dazwischen eingestreut Unterstellungen (Rakete), Falschinformationen und Schuldzuweisungen.

Verbrannt, verkohlt, verstümmelt. Schutzlos bärtigen Kämpfern in Tarnuniform ausgeliefert, die vor laufender Kamera mit Plüschtieren der toten Kinder hantierten und Ringe von Fingern streiften.

[S. 66]

Nicht einmal vor der Wiederholung dieser bereits längst widerlegten Propaganda wird zurückgeschreckt.

Vom ersten Tag verteidigte sich Russland mit schmutziger Kriegspropaganda.

[S. 68]

Und kaum sagt ein Angehöriger, der drei Tage nach dem Abschuß vor Ort war, mal etwas Falsches, kriegt er einen drüber:

“Wieso kann ich da hin und meine Regierung nicht?”, fragt Oehlers, obwohl er weiß, dass die offiziellen Missionen immer wieder Attentatsversuchen der Separatisten ausgesetzt sind. Die haben kein Interesse daran, die Absturzstelle von Experten untersuchen zu lassen. Eher daran, Spuren zu verwischen.

[S. 70]

Ein einziger Lügensumpf, getarnt als Opferempathie.

Dagegen sticht Jörges tatsächlich heraus:

Amerikas Verirrungen
2014 gilt als russisches Krisenjahr. Doch die USA haben viel mehr angerichtet, ihre Fehler erschütttern die Welt.

Es ist ein Meisterwerk der Bewusstseinstrübung und Perspektivverschiebung, wie das Krisenjahr 2014 im öffentlichen Bewussstsein verankert wurde. Wegen der Annexion der Krim und des von Moskau mitgetragenen Bürgerkriegs in der Ostukraine gilt es gemeinhin als russisches Jahr. […]
Dabei müsste 2014 eher als amerikanisches Jahr in Erinnerung bleiben. Denn die globale Datenschnüffelei der NSA, die Bedrohung durch den IS, die nun auch amtlich bestätigte Folterpraxis nach 9/11 und selbst der Ukraine-Konflikt markieren fatale Fehler und Verirrungen amerikanischer Politik. Dagegen Putin zum Weltfeind Nummer eins zu erklären, ist ein Triumph gelenkter Kommunikation.

STERN Nr. 1 o.J., S. 70

Später spricht er es tatsächlich aus, was jeder weiß, es sich aber entweder nicht zu schreiben traut oder es bewußt verschweigt:

Beim Umsturz in der Ukraine Anfang des Jahres hatten die USA denn auch die Finger im Spiel, wie ein abgehörtes Telefonat der Diplomatin Victoria Nuland mit dem US-Botschafter in Kiew offenbarte. Sie empfahl “Jats” als Regierungschef, den Hardliner Arsenij Jazenjuk, der es dann auch wurde, und verwarf “Klitsch”, Vitali Klitschko. Europa? “Fuck the EU!”

Und er weiß sogar zu berichten, was 2008 geschah, als Deutschland sich vergebens der Aufnahme-Einladung der Ukraine und Georgiens in die NATO widersetzte.
Denn Steinmeier wurde von seiner US-Kollegin Condoleeza Rice am Telefon derart angebrüllt, dass er das niemals vergaß. Steinmeier wird mit den Worten zitiert:

“2008 war ein wichtiges Jahr, das schon Vorzeichen des heutigen Ukraine-Konflikts trägt.”

 

Ja, in Ausnahmefällen leistet sich der STERN mal die Wahrheit. Jörges ist so ein Ausnahmefall. Ansonsten hält er sich an den Mainstream, insbesondere den feministischen – der im Fall Udo Jürgens gewaltig in die Hose ging. Weil er ganz offensichtlich nur ein diffamierendes Interview mit einem prekären Verwandten rechtfertigen sollte.

Ich glaube nicht, daß Henri Nannen einen solchen Journalismus gut finden würde.