Der Fall Mollath: das Buch von Gerhard Strate

Rosenkrieg 2

 Der Fall Mollath

Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie

lautet der Titel des von Gerhard Strate verfaßten Buches zum Prozeß, das soeben im orell füssli Verlag erschienen ist.

Gleich zu Beginn wird der Leser darauf eingestimmt, daß dieses Werk des früheren Verteidigers von Gustl Mollath tatsächlich auch eine Abrechnung mit der Psychiatrie ist, die an seinem Mandanten schuldig wurde – und die diese Schuld an eine versagende Justiz weiterreicht, die ihr unkritisch folgt.

Vor der Titelei befindet sich ein Foto, das den Verfasser neben einem überlebensgroßen Porträt König Ludwigs II. zeigt, dessen Untertitel „Kennen Sie mich?“ lautet.

Gerhard Strates Kommentar:

Die Zuschreibung geistiger Verwirrtheit allein auf den Zuruf Dritter hat – wie das Beispiel König Ludwigs II. zeigt – eine unselige Tradition.

Auch die Widmung deutet in diese Richtung:

Dieses Buch ist gewidmet Dr. Johann Simmerl aus Mainkofen – einem Psychiater, der mit den Augen und Ohren eines Menschen seinen Beruf ausübt.

Was im Verfahren selbst kaum möglich war, weil die psychiatrische Meinung der lediglich als Zeugen gehörten Psychiater nicht gefragt war, wird hier nachgeholt; der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. Er schont weder die Justiz noch die Psychiatrie noch deren Protagonisten, die, in bewährter Kraus’scher Manier, durch Zitieren ihrer schriftlichen wie mündlichen Aussagen hinreichend kenntlich gemacht werden. Mehr braucht es nicht, um als Leser Strates Einschätzung der Situation nach dem Freispruch vom 14.8.2014 zu teilen:

Damit ist klar: Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2006 war ein Unrechtsurteil. Die Anordnung der Unterbringung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth war und ist eine Schande der Justiz in Deutschland, nicht nur in Bayern. Das gilt aber nicht allein für die Strafjustiz, sondern auch für die forensische Psychiatrie, die mit einer omnipotenten Weltsicht jede Regung des Andersseins als „Auffälligkeit“ registriert und zu jeder Einflüsterung von Krankheitsbildern in die Ohren vorurteilsstarker Richter gut und bereit ist. „Die Psychiatrie – der dunkle Ort des Rechts“ – so lautet die treffende Überschrift eines Kommentars von Heribert Prantl. Diesen dunklen Ort etwas aufzuhellen, ist das Anliegen dieses Buches. Es wird sich zeigen, dass die mit Hilfe der forensischen Psychiatrie erreichte schnelle Stigmatisierung von Menschen auch das Denken und Handeln von Juristen kontaminiert. Die Lust und Laune zur Entrechtung von Menschen befreit sich von den Fesseln des Gesetzes.

[S. 12]

Welches Publikum will der frühere Verteidiger des Gustl Mollath ansprechen, dem so viel Unrecht widerfahren ist? Einen kleinen Hinweis gibt diese Passage:

Die durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebene Rechtslage war eindeutig. Sie wurde durch den Amtsrichter bei der Anordnung der Unterbringung ignoriert. Seine Unkenntnis einer für ihn verbindlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die er bei der Entscheidung über die vorläufige Unterbringung Mollaths objektiv missachtet hatte, reichte dem Oberlandesgericht aber nicht für den Vorwurf der schweren Freiheitsberaubung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möge vielfach veröffentlicht und kommentiert worden sein. Das beweise nicht – so das Oberlandesgericht –, dass der Amtsrichter auch Kenntnis von ihr erlangt hatte. Verallgemeinert gesagt: Rechtskenntnis ist bei einem Richter in Bayern nicht vorauszusetzen. So das höchste Gericht in der bayerischen Hauptstadt. Jede Beugung des Rechts ist damit stets frei von Vorsatz, allenfalls ein Geschehen aus Versehen. Eine Nachlässigkeit.

[…]

Lohnt es dann überhaupt, den Fall des Gustl Mollath zu berichten? Eine Kriminalgeschichte, die nicht richtig eine werden wird, da die Akteure um ihn herum absehbar nie zur Verantwortung gezogen werden? Die Frage ist rhetorisch. Sie ist zu bejahen. Im Staat des Grundgesetzes ist zwar die rechtsprechende Gewalt „den Richtern anvertraut“. Der Rechtsstaat selbst ist jedoch uns allen anvertraut. Urteilsgewalt haben nur wenige, Urteilskraft jedoch viele. Ihnen wird die Geschichte des Falles Mollath erzählt.

[S. 16 f.]

Damit ist der Kreis derjenigen, für die das Buch geschrieben wurde, schon sehr weit gezogen. Und wird auch nicht die „Kriminalgeschichte“, die Gerhard Strate im Sinn hatte, geschrieben werden können – zum traditionellen Krimi gehört die Überführung und Bestrafung der Täter –, so entfalten viele Passagen doch krimihafte Spannung, u.a. im zweiten Kapitel „Kriminalisierung Mollaths: Wechselnde Schauplätze“, das dem Plädoyer nachempfunden ist und (Jagd)-Szenen einer zu Ende gehenden Ehe beschreibt. Wie schnell Psychiatrie und Justiz zum Nachteil des Mannes Partei ergreifen, wie es anschaulich im 3. Kapitel geschildert wird, gibt einem auch dann zu denken, wenn man den Ausgang des Verfahrens schon kennt, das mit zeitlich unbegrenzter Unterbringung in der Psychiatrie endete. Wie war es angesichts dieser aktenkundigen Vorgeschichte möglich, daß die Unschuldsvermutung in den Wind geschlagen wurde?

Breiteste Leserkreise wird das Buch allerdings nicht erreichen: mag Gerhard Strate sprachlich auch alle Saiten aufziehen, vom untertourigen Reportagestil über Polemik und feine Ironie bis hin zu Funkelstücken an stilistischer Eleganz, so ist er als Jurist doch zu sehr der Genauigkeit verpflichtet, als daß er sich beim Publikum durch Betroffenheitsbekundungen und/oder journalistische Einebnungen anbiedern würde.

Bestsellererfolge à la Norbert Blüm mit seiner Justiz-Breitseite „Einspruch“ sind eher nicht zu erwarten.

Hier ein paar Auszüge aus dem Buch von Norbert Blüm:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=23403

RiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer schießt allerdings mit Kanonen auf Spatzen und belegt damit unfreiwillig Blüms Verdikt, daß Kritik an Richtern als Majestätsbeleidigung aufgefaßt werde:

Norbert Blüm“Vom Recht verstehe ich wenig bis nichts“

In seinem neuen Buch „Einspruch“ führt der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm einen wütenden Feldzug gegen Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte – kurz, gegen die gesamte deutsche Justiz. Ein heftiger Widerspruch Ein Gastbeitrag von Thomas Fischer

DIE ZEIT Nº 45/2014 1. November 2014  15:58 Uhr

http://www.zeit.de/2014/45/norbert-bluem-einspruch-justiz

Die Anklagen von Gerhard Strate haben mehr Wucht – er nennt Roß und Reiter, bezieht sich auf Akten, zitiert die Normen: er hat schlicht und nachvollziehbar recht:

Die Verweigerung jeglichen Rechtsschutzes gegen die von den Regelbestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung abweichenden Maßnahmen der Klinik für Forensische Psychiatrie hinsichtlich Hofgang und Fesselung war Rechtsbeugung durch den Richter Brixner. Er kannte Mollaths Eingaben. Seine massiven Klagen über die Fesselung hatte Mollath sogar in der Anhörung vor der 7. Strafkammer am 31. März 2006 mündlich allen drei Richtern und zum Protokoll vorgetragen.

Trotzdem geschah nichts – kein Wort, keine Entscheidung. Nur Entrechtung.

[S. 104]

Anders als Norbert Blüms Werk mit dem offenbar zutreffenden Untertitel „Polemik“ wendet sich Gerhard Strate natürlich auch an Juristen, die aus dem entsetzten Staunen nicht herauskommen dürften, werden sie der Fülle an Rechtsfehlern gewahr, die sich in den Mollath-Verfahren ereignet haben, so auch im Betreuungsverfahren, das im 8. Kapitel mit beißender Ironie präsentiert wird (S. 105 ff.). Der unheimliche Subtext dieser Erzählung stellt das letztlich gescheiterte Unterfangen als ein Komplott zwischen Psychiatern in Bayreuth und Straubing und einer unzuständigen Amtsrichterin in Bayreuth dar, mit dem letztlich eine Zwangsmedikation des nur vorläufig gemäß § 126 a StPO untergebrachten Gustl Mollath ermöglicht werden sollte. Die angestrebte Maßnahme war rechtswidrig, denn über die Betreuerlösung können Zwangsbehandlungen bei dieser strafprozessualen Unterbringung nicht durch die Hintertür eingeführt werden.

Jetzt sollen sie nach dem aktuellen bayerischen Gesetzentwurf durch die Vordertür ermöglicht werden – die bayerischen Richter und Staatsanwälte haben anscheinend aus dem Mollath-Verfahren gelernt und laufen Sturm.

Stellungnahme des Bayerischen Richtervereins e.V.

Gesetzentwurf der Staatsregierung über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung
(Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz – BayMRVG)

Der Bayerische Richterverein e.V. hält den vorgelegten Entwurf für überfällig.
Er ist jedoch insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch im Hinblick auf die Praktikabilität, dringend ergänzungs- und verbesserungsbedürftig.

[…]
2. Regelungsbedarf im Hinblick auf § 81 Strafprozessordnung (StPO) (Unterbringung zur Beobachtung des Beschuldigten) und das UnterbrG

Neben den Unterbringungen gemäß den §§ 63 und 64 Strafgesetzbuch (StGB) und Entscheidungen nach § 126a StPO kann eine Unterbringung auch nach § 81 StPO erforderlich sein. Obwohl es sich auch bei diesen Fällen um gravierende Eingriffe in das Freiheitsrecht des Betroffenen handelt, gibt es keine Vorschriften zum Vollzug. Es sollte deshalb im vorliegenden Gesetzentwurf auch der Vollzug dieser freiheitsentziehende Maßnahme geregelt werden. Die Praxis einer Unterbringung nach § 81 StPO zeigt, dass man die Betroffenen ohne Sonderstatus im Alltag einer geschlossenen Klinik alleine lässt. Dies ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Mitarbeiter der Klinik eine Zumutung. Es gibt schließlich in ganz Bayern keine Einrichtung, die speziell für eine Unterbringung zur Beobachtung Vorrichtungen bereithält. Das Zusammenleben mit psychisch kranken Patienten etwa auf einer Aufnahmestation dürfte für einen Menschen, der von heute auf morgen aus dem Alltag herausgerissen wurde, eine extreme Erfahrung sein und womöglich das Untersuchungsergebnis verfremden.

http://www.bayrv.de/DesktopModules/ExpandableTextHtml_News/PopUpContent.aspx?moduleid=615&itemid=64

Diese Forderung ist sicherlich ein Reflex auf die Causa Mollath, in der § 81 StPO nicht nur verfassungswidrig angewandt wurde, sondern man es auch noch mit Psychiatern wie Leipziger und Kröber zu tun hatte, die allen Ernstes meinten, man könne unter den Bedingungen dieser Extremerfahrung “Alltagsbeobachtungen” über das Verhalten eines Menschen anstellen. Ist es zwangsläufig, daß Psychiater, die in der Zwangseinrichtung „Maßregelvollzug“ arbeiten oder mit ihr beruflich befaßt sind, ethische Standards durch Abstumpfung verlieren?

  1. Kritik an den Regeln zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung (Teil 3)

    a. Unschuldsvermutung […] Bis zur Rechtskraft hat der Untergebrachte als unschuldig zu gelten und muss auch so behandelt werden.

Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang Art. 41 Nr. 3 des Entwurfs. Demnach soll die Einrichtung alle Behandlungsmaßnahmen durchführen können und zwar auch gegen den Willen des Untergebrachten, solange sich die Behandlung auf die Erkrankung bezieht, die Anlass für die einstweilige Unterbringung ist. Eine derartige „Erkrankung“ muss aber erst einmal vom Gericht festgestellt werden, bevor man dem Staat die Befugnis erteilt, dass er sie möglicherweise auch zwangsweise behandelt.

Diese voreilige „Zwangsbehandlung“ ist auch aus anderen Gründen bedenklich. In der Praxis kann man auf den Untergebrachten durch Verabreichung von Psychopharmaka so einwirken, dass er sich ruhig, besonnen, apathisch, resignierend, kooperativ oder einfach nur „vernünftig“ verhält, entsprechend den Bedürfnissen der Klinik. Psychopharmaka sollen ja gerade auf die Psyche einwirken. Der Mensch wird dadurch aber nicht immer geheilt, sondern man erreicht nur, dass er nicht mehr unter den Symptomen leidet. Eine derartige medikamentöse „Einstellung“ des Betroffenen darf gerade im Hinblick auf das Verfahren nicht Folge der einstweiligen Unterbringung sein und wird fast ausnahmslos von den Staatsanwälten und Richtern nicht gewünscht.

Wer nunmehr einwendet, dass man den Betroffenen doch nicht ohne Heilbehandlung seinem Schicksal überlassen dürfe, sollte sich überlegen, was bei Behandlungsbedürftigkeit und krankheitsbedingter Uneinsichtigkeit mit einem Patienten in Freiheit passiert: Es wird ein Betreuer für ihn bestellt, der dann die ganze Palette des § 1906 BGB prüfen und nach betreuungsgerichtlicher Genehmigung durchführen kann. Diese Position darf man dem Betroffenen nicht nehmen, indem man ihn ohne Verurteilung dem Behandlungsregime der Einrichtung unterstellt.

Schließlich würde es niemanden einfallen, während der Untersuchungshaft mit der Resozialisierung zu beginnen, weil man damit die Verurteilung vorwegnehmen würde. Eine Zwangsbehandlung während der einstweiligen Unterbringung würde sich genauso auswirken.

http://www.bayrv.de/DesktopModules/ExpandableTextHtml_News/PopUpContent.aspx?moduleid=615&itemid=64

In der Tat, vorläufig ist vorläufig, weshalb sich auch U-Haft und Strafhaft voneinander unterscheiden. Ein Gegengutachten ist ja nichts Außergewöhnliches, und nicht wenigen Anklagen liegen fehlende Tatnachweise zugrunde. Daß die Juristen des Bayerischen Richtervereins grundsätzlich an der Behandlung mit Psychopharmaka zweifeln, ergibt sich nicht nur aus der Formulierung “oder einfach nur „vernünftig“ verhält, entsprechend den Bedürfnissen der Klinik”, sondern auch aus anderen Formulierungen, insbesondere bei der Kommentierung zu der vom Freistaat vorgesehen Regelung zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug.

Insoweit ist das Buch Psychiatern nicht nur unverbindlich zu empfehlen, sondern es sollte zur Pflichtlektüre gedeihen. Denn es gibt in diesem Buch nicht nur eklatante Fehlleistungen bekannter und weniger bekannter Kollegen zu besichtigen, sondern auch Kapitel mit grundsätzlichen Fragestellungen, wie das Kapitel 15, „Zeitgeist – der Wahn der Mehrheit“.

Institutionelle Strukturen aller Art sind stets genaue Abbilder der sie hervorbringenden Gesellschaft und des kulturprägenden Menschenbildes. Vorherrschende Glaubenssätze und Überzeugungsinhalte, vermeintliches oder tatsächliches Wissen, all dies fließt in den Organen des Staates zu einer die allgemeine Ordnung vorgebenden Struktur zusammen, die ihre trügerische Ewigkeitsanmutung nur der zwangsläufigen Blindheit der Zeitgenossen verdankt. Würde man sich der psychiatrischen Terminologie befleißigen, könnte man die Erscheinungsbilder des wechselnden Zeitgeists durchaus als induzierte Wahnvorstellungen bezeichnen, die nur deshalb nicht leicht als solche erkennbar sind, weil sie von einer Mehrheit geteilt werden. So blicken wir heute mit Schaudern auf die Rechtsvorstellungen der Inquisition zurück. Mit welchen Gefühlen werden künftige Generationen die heute noch von vielen Menschen achselzuckend zur Kenntnis genommenen Errungenschaften der forensischen Psychiatrie betrachten? Wird der Gedanke, dass derartigem Unfug einst gerichtsfeste Beweiskraft zuerkannt worden war, allgemeines Kopfschütteln hervorrufen? Mit welchen Begriffen werden die Historiker der Zukunft das merkwürdige Phänomen rückblickend belegen, um darzustellen, dass man es eben damals einfach nicht besser wusste?

[S. 167]

So hebt dieses Grundsatz-Kapitel an, das man eigentlich in Gänze zitieren müßte, und es findet seine ebenbürtige Fortsetzung in Kapitel 19, „Einige Schlussbemerkungen zur forensischen Psychiatrie“, das sich mit den Stellungnahmen der DGPPN befaßt:

Der Fall des Gustl Mollath sei eine „Lackmusprobe“ für die forensische Psychiatrie, heißt es in der „Presseinformation Nr. 19 der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)“, welche die maßgebliche Fachgesellschaft hierzulande darstellt. Die Branche zeigt sich beunruhigt, wurde ihr doch durch den unbeugsamen Franken in nie gekannter Weise ein Spiegel vorgehalten, den man für das hässliche Bild, das er nun zurückwirft, nicht verantwortlich machen kann. Nun üben sich die Wortführer der Profession in Schadensbegrenzung, wie aus der genannten Pressemitteilung unschwer erkennbar hervorgeht. „Bundesweite Reform des Maßregelrechts konsequent vorantreiben“, so lautet die Kernforderung der Psychobranche. Und worin diese Reform bestehen soll, daran lässt sie keinen Zweifel: Die DGPPN sehe „dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die Qualifizierung forensischer Gutachter“. Weiter heißt es:

Dringender Reformbedarf besteht im Maßregelvollzug vor allem auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Qualitätssicherung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung psychisch kranker Straftäter.

 

Die Stoßrichtung ist eindeutig: Nach Auffassung der maßgeblichen Fachgesellschaft lassen sich die Unsäglichkeiten nur durch den weiteren Ausbau eben jener Mechanismen lösen, die sie verursacht haben.

[S. 199 f.]

Strate ist kein Anhänger der Anti-Psychiatrie, die so weit geht, die Existenz psychischer Krankheiten zu leugnen. Als Jurist würde er auch niemals die rechtsstaatliche Lösung, Menschen, die wegen eines seelischen Ausnahmezustands Straftaten begehen, nicht mit Strafhaft zu belegen, ablehnen. Worin also sieht er die Lösung des Dilemmas?

Darin, die zerstörerische Definitionshoheit, die den Psychowissenschaften trotz fehlender Wissenschaftlichkeit der Diagnose (oder gar der einer Prognose) zuerkannt wird, durch eine ethisch-humanitäre Grunddisposition der im Machtbereich der Psychiatrie Tätigkeit auszutarieren.

Nicht nur das Beispiel des Allgemeinpsychiaters Dr. Simmerl zeigt, dass es Mediziner gibt, deren lebendige Individualität in der Lage ist, sich der Mittel ihres Fachs in einfühlsamer Weise und zum Wohle der Menschheit zu bedienen: Derart eigenständige Denker gibt es immer wieder auch im Bereich der forensischen Psychiatrie. Erinnert sei an dieser Stelle an Willi Schumacher, einen der Nestoren der deutschen Gerichtspsychiatrie. Er setzte sich mit Vehemenz gegen die „Verobjektivierung“ des Menschen zum Zwecke der Beobachtung ein. Seine Gutachten blieben unabhängig und entsprachen nicht immer den Erwartungen der Strafjustiz, so im Fall Weimar und auch im Flowtex-Fall.

[…]

Solche Ärzte sind zum Glück nicht einmal selten und zeigen hohes Engagement, wenn es darum geht, den Leidensdruck ihrer Patienten auf einvernehmlichen Wegen zu vermindern. Ihrer täglichen Kreativität sollte unser aller Dank gelten. Ihre ethische Festigkeit alleine schützt sie davor, die ihnen anvertrauten, nicht unerheblichen Machtmittel missbrauchen zu wollen. Damit erweist sich gerade eine Eigenschaft, die mit keinem Zertifikat der Welt erworben werden kann, als ihre wichtigste Qualifikation. Eine Tatsache im Übrigen, die auch für Juristen gilt.

[S. 204 f.]

Deren Wissenschaftlichkeit er im übrigen ebenfalls in Frage stellt, als er die Verteidigungsartikel zugunsten der bankseitigen Steuerhinterziehungs-Beihelfer darstellt:

Die in Grünton gefärbten Annoncen der Dresdner Bank für „eine sichere Geldanlage“ nun ausgerechnet bei der Dresdner Bank Luxembourg S.A. mögen bei der Steuerfahndung in Düsseldorf und der dortigen Staatsanwaltschaft besonderen Anstoß erregt haben. Jedenfalls ist es die Dresdner Bank, die am 5. Januar 1994 Betroffene einer vom Amtsgericht Düsseldorf angeordneten Durchsuchung wird. Nach einer erfolglosen Beschwerde zum Landgericht ruft die Rechtsabteilung der Dresdner Bank, unterstützt durch eine Frankfurter Steuerrechtsozietät, erfolgsgewiss das Bundesverfassungsgericht an. Großangelegte Razzien bei Banken hat es bis dahin nicht gegeben. Der Ruf von Banken ist zu diesem Zeitpunkt noch frei von Tadel. Banken sind sakrosankt, weshalb die Gerichtsbeschlüsse aus Düsseldorf noch als Unfall gelten, eine Karambolage, deren Schrott schnell aus dem Weg geräumt werden muss. Doch die Eilentscheidung aus Karlsruhe fällt gänzlich anders als erwartet aus: Die Unterstützung der Bank bei der Anonymisierung von Geldtransfers nach Luxemburg lege den Schluss nahe,

„dass es sich bei den Beihilfehandlungen nicht um vereinzelte Taten handelte, sondern um aufgedeckte Teile einer geschäftsmäßig und in großem Umfang betriebenen Praxis der Verschleierung zum Zwecke der Erleichterung der Steuerhinterziehung.“

 

Der Verdacht einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung – so die damaligen Verfassungsrichter, Mahrenholz, Kruis und Winter in ihrem Beschluss vom 23.3.1994 – sei verfassungsrechtlich nicht angreifbar.

 

Eigentlich war mit diesem Machtspruch aus Karlsruhe schon 1994 klar: Der anonymisierte Kapitaltransfer nach Luxemburg und in die Schweiz war eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Denn die Anonymisierung machte nur Sinn, wenn die Bankkunden die Erträge aus ihren im Ausland angelegten Geldern im Inland nicht versteuern wollten. Das wussten auch die Banken und ihre Mitarbeiter. Für den anonymen Geldverkehr ins Ausland war seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Ampel auf Rot geschaltet. Seit dem Frühjahr 1994!

 

Wenn dennoch – nicht nur am Arbeitsplatz von Petra Mollath bei der Hypobank in Nürnberg, sondern bei allen Vermögensberatern bundesdeutscher Banken – weiterhin so getan wurde, als sei die Ampel für den anonymen Kapitalverkehr ins Ausland allenfalls auf Gelb geschaltet, so ist hierfür eine Wissenschaft verantwortlich, die fern davon ist, eine zu sein, jedoch große Leistungen darin vollbringt, die Suggestion von Wissenschaftlichkeit zu verbreiten: die Strafrechtswissenschaft. Ihre Leistung war es, noch weitere sechs Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Anschein zu erwecken, Mitarbeiter von Geldinstituten, die ihren Kunden einen spurenlos bleibenden Kapitaltransfer in Ausland ermöglichen, handelten straflos. „Da wird nie was passieren“ – das war nicht nur (möglicherweise) die Einstellung von Petra Mollath, sondern auch die Devise der Strafrechtswissenschaft (jedenfalls des überwiegenden Teils der ihr Zugehörigen) […]

[S.20f.]

Eigentlich sollten auch diejenigen Unterstützer, die von dem Wiederaufnahmeverfahren mehr erwartet hätten, mit diesem Buch zufrieden sein. Einer hat sich bei AMAZON gemeldet und seine partielle Unzufriedenheit via 3 Sternen (von fünf) kundgetan.

Lesenswert. Aber der Autor bleibt unter seinen Möglichkeiten.

Von Erwin Bixler am 11. Dezember 2014

Format: Gebundene Ausgabe Verifizierter Kauf

Das Buch ist durchaus lesenswert. Aber der Untertitel „Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie“ hätte eigentlich zum Titel des Buches erhoben werden sollen. Denn der Schwerpunkt liegt auf der „Abrechnung“ mit der forensischen Psychiatrie und einigen Psychiatern, der Justiz und einigen Richtern. Und anderen.
„Der Fall Mollath“ dient Strate vor allem als Aufhänger für besagte Abrechnung. Wobei die gründliche Ausleuchtung des eigentlichen Falles an entscheidender Stelle Not leidet. Das scheint vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich Strate nach wie vor partout nicht dem Verdacht aussetzen will, im Fall Mollath einer Komplott-Theorie anzuhängen. Unter diesem Bestreben des Autors leidet die augenfällige Klärung und Aufklärung des Falles.
Dabei sind es doch gerade Strates eigene Feststellungen, Aussagen und Andeutungen, sonstige Veröffentlichungen (Mitschriften der Hauptverhandlung) und ihm vorliegende Akten, die bei genauerem Hinsehen eine perfide Intrige zum Nachteil Mollaths und einen „demolierenden“ Beweis für den Belastungseifer der Ex-Gattin liefern. In dieser Hinsicht bleibt der Autor weit unter seinen Möglichkeiten.

Lieber Herr Strate, insoweit schade.

http://www.amazon.de/review/R3QV4BQ4EEQU7D/ref=cm_cr_dp_title?ie=UTF8&ASIN=3280055598&channel=detail-glance&nodeID=299956&store=books

Erwin Bixler hat, so scheint es mir, das Buch nur oberflächlich gelesen. Tatsächlich eignet es sich nicht für eine Schnell-Lektüre: sein Reichtum liegt in der andeutenden Interpretation des Materials. Ein kurzer Vergleich mit dem tatsächlich ergangenen Urteil, das einen gravierenden Teil der Ergebnisse der Hauptverhandlung schlicht wegläßt und die verschwommenen Aussagen Nedopils auf eine Art und Weise ausbeutet, die ihm nicht recht sein kann, nur um einen kleinen Rest von Legitimität des ansonsten in die Tonne versenkten Nürnberger Urteils und seiner psychiatrischen Zuarbeiter zu erhalten, dürfte eigentlich ausreichen, um zu einer anderen Schlußfolgerung zu gelangen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Urteil-schriftlich.pdf

Sowohl die Justiz als auch die Psychiatrie können ihre Macht mißbrauchen, das ist die Botschaft dieses Buches. Daß beide Institutionen das tun, ist hinlänglich historisch belegt und wird anhand dieses Falls auf die Ebene der Aktualität gehoben.

Woran mag es liegen, daß die Justiz sich gegenüber der Politik und autoritären Regimen traditionell willfährig erweist – und für ihre Entgleisungen nicht einmal bestraft wird? An der fehlenden Wissenschaftlichkeit der Disziplin? Logik allein ist nur ein methodischer Bestandteil von Wissenschaftlichkeit. Wenn die Materie, die derart behandelt wird, aus menschengemachten Gesetzen und gesellschaftlich-politischen Strömungen, die sie hervorbringen, besteht, dann kann „Gerechtigkeit“ nur gelingen, wenn Juristen den richtigen inneren Kompaß haben.

Dasselbe gilt für die Psycho-Wissenschaften, die dann zum Zuge kommen, wenn medizinische Erklärungen für „Auffälligkeiten“ und subjektives Leiden ausscheiden, die aber, soweit es um die Psychiatrie geht, dennoch darum buhlen, als Naturwissenschaftler anerkannt zu werden, und die mit verheerenden Psychodrogen arbeiten, obwohl die Behauptung von entgleisten Gehirn-Chemie-Prozessen als Ursache von psychischen Krankheiten nicht erwiesen ist und die uralten Mittel nur der Symptomunterdrückung und nicht der Heilung dienen. An dieser fehlenden diagnostischen biologischen Herleitung liegt es auch, daß es seit langem keine Psychopharmaka-Forschung mehr gibt.

Daß allein die behauptete „Krankheit“ eines „abweichenden Verhaltens“ zur Stigmatisierung, Ausgrenzung, Einsperrung, schlimmstenfalls zur Tötung „lebensunwerten Lebens“ führt, ist bekannt. Wie aber können die Psychowissenschaften ihre Nähe zur Macht, auch zur wirtschaftlichen (Pharmaziebranche) eindämmen? Wie entfernt man die ethisch Unfähigen aus diesem System?

Diese Frage stellt sich umso drängender, wenn man sich vor Augen hält, wie zwei Psychologen das Folterprogramm der CIA inszeniert und umgesetzt haben.

Erich Möchel

11.12.2014

Die „schwarze Psychologie“ der CIA

Die CIA-Folterpsychologen orientierten sich an Tierversuchen mit Einsatz von Elektroschocks der kognitiven Verhaltensforschung der späten 60er Jahre.

Die im CIA-Bericht des US-Senats aufgezählten Folterpraktiken wurden weder von der CIA noch in den USA erfunden. Wie aus dem Senatsbericht hervorgeht, stammen sie vielmehr von erklärten Feinden der USA. Jene beiden Psychologen, deren Firma dieses millionenschwere Programm „verschärfter Verhörmethoden“ für die CIA betrieb, hatten ihren Katolog der Grausamkeiten nämlich anhand von Methoden der Gestapo und stalinistischer Regime zusammengestellt. Davor hatten James Mitchell und Bruce Jessen nämlich jahrelang für das SERE-Programm des US-Verteidigungsministeriums gearbeitet.

Jessen und Mitchell hatten das SERE-Überlebenstraining für US-Kriegsgefangene sozusagen umgedreht und daraus ein mit Elementen der kognitiven Verhaltensforschung pseudowissenschaftlich verbrämtes Folterprogramm konstruiert. Laut einem bereits 2010 veröffentlichten Erlass des Generalinspektors für die US-Militärgeheimdienste war ein solcher Ansatz, aus dem Überlebenstraining mittels „schwarzer Psychologie“ neue, „verschärfte Verhörmethoden“ abzuleiten, bereits im Juni 2009 bei den US-Streitkräften generell verboten worden.

„Erlernte Hilflosigkeit“

Ziel des mit insgesamt 81 Millionen Dollar dotierten Programms war erklärtermaßen, einen Zustand der „erlernten Hilflosigkeit“ bei den Gefolterten herbeizuführen. Dieser Begriff, der sich siebenmal im Text des Senatsberichts findet, stammt aus der kognitiven Verhaltensforschung der späten 60er Jahre. Er bezeichnet einen für das Krankheitsbild der Depression charakteristischen Zustand völliger Passivität.

[…]

Wie im Behaviorismus üblich arbeitete man dabei mit Kontrollgruppen, die jeweils eine andere Behandlung erfuhren. Die erste Gruppe bestand aus Hunden, die im Lauf des Experiments nur mit Riemen fixiert wurden. Die zweite Gruppe wurde zusätzlich so lange mit Stromstößen traktiert, bis diese Hunde gelernt hatten, einen Hebel umzulegen, der den Stromstoß abstellte. Die dritte Gruppe wurde ebenso behandelt wie die zweite – mit dem einzigen Unterschied, dass hier der Hebel die Stromstöße nicht abstellte.

CIA bespitzelte Ausschuss

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Senatsberichts drangen Mitarbeiter der CIA in das Netzwerk jenes parlamentarischen Ausschusses, der ihre Aktivitäten kontrollieren soll, ein und durchsuchten den E-Mail-Verkehr – mehr dazu in fm4.ORF.at.

Tierversuche an Menschen

Diese Hunde ergaben sich nach einiger Zeit winselnd ihrem Schicksal, zeigten nur noch passive Reaktionen, aber keinerlei Versuche zur Abwehr mehr. Auch bei veränderten Bedingungen danach – wenn der Hebel tatsächlich Stromstöße abschaltete – konnten sie sich an die veränderte Situation nicht mehr anpassen, ein Lernprozess wie bei den Hunden der Gruppe zwei fand nicht mehr statt. Diese Tierversuche wurden im Rahmen des „verschärften Verhörmethoden“ von Jessen und Mitchell für Menschen adaptiert.

[…]

„Rektale Rehydration“

Von der Gestapo entlehnte man nicht nur den Begriff „verschärfte Verhöre“ („enhanced interrogation“) sondern auch Foltermethoden wie Schlafentzug über mehrere Tage und systematische Erniedrigung. Die Form musste dabei allerdings gewahrt bleiben, die von allen Folterknechten weltweit bekannten analsadistischen Quälereien wurden deshalb als medіzinische Maßnahmen getarnt. Den Gefangenen wurden Flüssigkeiten zwangsweise nicht nur über Mund und Nase bis knapp vor dem Ersticken zugeführt, sie wurden auch systematisch mit „rektalen Untersuchungen“, „rektaler Rehydration“ und sogar mit „rektaler Zwangsernährung“ gequält. Das Wort „rektal“ findet sich rund 50-mal im Text des Senatsberichts.

[…]

Empirisch falsifiziert

Die Fortführung der behavioristischen Tierversuche aus den 60er Jahren mit Menschen durch die beiden Folterpsychologen im Dienst der CIA hat die damaligen Erkenntnisse Seligmans jedenfalls bestätigt. Der Zustand „erlernter Hilflosigkeit“ führte zu einer vergleichbaren Reaktion auch jener Folteropfer, die sich anfangs kooperativ gezeigt hatten.

Mitchell und Jessen in Wikipedia

Die beiden Folterpsychologen James Elmer Mitchell und Bruce Jessen finden sich bereits in der Wikipedia.

Sie verfielen in einen für schwere Depressionen charaktistischen Zustand völliger Apathie, die für die Folterer keinerlei neue Erkenntnisse über bevorstehende Anschläge brachte. Die These der beiden Folterpsychologen, dass diese „erlernte Hilflosigkeit“ zu erhöhter Kooperationsbereitschaft der Gefangenen führen würde, wurde damit empirisch falsifiziert, um es in der Begrifflichkeit des Behaviorismus zu sagen.

[…]

http://fm4.orf.at/stories/1750651/

Die Reaktion eines der beiden Psychologen kommt einem bekannt vor:

Auch mit der Foltermethode Waterboarding hätten „Swigert“ und „Dunbar“ keinerlei Erfahrungen gehabt, da es im SERE-Training nicht vorgekommen sei, heißt es weiter. Trotzdem hätten sie es als „absolut überzeugende Technik“ beschrieben – und als notwendig, um die „Widerstandsfähigkeit“ von Zubaydah und anderen Gefangenen zu „brechen“.

Am häufigsten wurde 9/11-Drahtzieher Khalid Sheikh Mohammed dem Waterboarding unterzogen: 183 Mal. „Swigert“ und „Dunbar“ hätten die Prozeduren meist persönlich durchgeführt. 2006 wurde Scheich Mohammed ins US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba überführt. Im Jahr darauf löste die CIA ihren Vertrag mit dem Psychologen-Duo auf.

Am Dienstag stöberten US-Reporter „Dr. Swigert“ alias James Mitchell in Florida auf, wo er im Ruhestand lebt. „Warum können Sie mich nicht in Ruhe lassen?“, bellte er einen Reuters-Journalisten am Telefon an. „Sprechen Sie mit der CIA.“

http://www.spiegel.de/politik/ausland/cia-folterbericht-us-psychologen-verdienten-mit-folter-millionen-a-1007587.html

Die Auftraggeber sind schuld. So rechtfertigen sich auch unsere willfährigen Psychiater.

Gerhard Strate hat ein wichtiges Buch geschrieben.

Kritik?

Natürlich hätte ich mir mehr Urteilskritik hinsichtlich des Urteils des LG Regensburg vom 14.8.2014 gewünscht.

Aber die ließ wohl nicht nur der Zeitfaktor, sondern auch das Zerwürfnis mit dem Mandanten nicht zu, dessen Ursachen wohl hier zu verorten sind:

Die Vorstellungen von Sinn und Möglichkeiten der Strafprozessordnung, die in den verschiedenen Lagern vorherrschten, hätten denn auch unvereinbarer nicht sein können. Hatten sich vor seiner Freilassung am 6. August 2013 noch viele Menschen unabhängig von der jeweiligen persönlichen Motivation gemeinsam in großartiger Weise für Mollath eingesetzt, sollten die unterschiedlichen Strömungen in der Folgezeit offen zutage treten und nicht zuletzt die Arbeit der Verteidigung schwer belasten. Der latente Grundkonflikt, die unausgesprochene Frage nämlich, ob in Regensburg ein solider Strafprozess oder aber ein systemstürzendes Staatstribunal stattfinden würde, vergiftete die Atmosphäre grundlegend: Die Stunde der Provokateure mit ganz eigener Agenda hatte geschlagen. Ihr Wirken, das durch manch wohlmeinenden, juristisch völlig unbeleckten Unterstützer wenn nicht in jedem Fall gefördert, so doch mangels Durchblick zumindest geduldet wurde, sollte auch Mollath selbst nicht unberührt lassen und ihm in der Folge schwer beschädigen.

[S. 207 f.]

Das ist leider sehr wahr, und ich kann es diesem engagierten Anwalt nicht verdenken, wenn er die Lichtseiten des aufwendig erstrittenen Urteils hervorhebt und dessen Schattenseiten verschweigt. Zumal sein Mandant mit seiner unzulänglichen Teileinlassung zum Anklagevorwurf der gefährlichen Körperverletzung vom 12.8.2001 das Material lieferte, das die Kammer brauchte – obwohl eine gefährliche Körperverletzung nicht nachweisbar war, allenfalls eine einfache (verjährte) Körperverletzung.

Ob auch die Schattenseiten dieses Urteils ausnahmsweise angreifbar sind, erkundet nun ein anderer Anwalt, dem ich einerseits Erfolg wünsche, allein zur Klärung der Frage, ob ein Freispruch auch eine Beschwer darstellen kann, andererseits auch zurufen möchte, daß dieses Verfahren Gustl Mollath nichts nützen wird. Von der umfassenden Entschädigungsregelung hat er vor Rechtskraft des Urteils nichts, und eine Schadensersatzklage gegen Dr. Leipziger wegen durch Nedopil attestierter Fehler seines Gutachtens wird sich ebenfalls verzögern.

Das Buch von Gerhard Strate hat selbst mir, die ich seit Dezember 2012 den Fall begleite, noch Denkanstöße verpaßt. Aber bin ich, die in der Sache so engagiert war, eigentlich die Richtige, um dieses Buch nicht nur vorzustellen, sondern auch zu empfehlen?

Nachdem so viel von Ethik die Rede war: jeder kann sich über meine Vita und mein rechtsstaatliches Engagement informieren, sei es über meine (seit langem nicht mehr gepflegte) Homepage

http://www.gabrielewolff.de/

als auch über meinen Blog, insbesondere dessen Kachelmann-Beiträge.

Heute bekam ich folgende Mail:

Sofern Sie versuchen bzgl. MH-17 etwas in die Welt zu setzten sind Sie unglaubwürdig, solange Ihr Impressum und die  dahinter befindliche eMail-Adresse nicht stimmig sind….

Sorry, man sollte damit gabrielewolff.wordpress.com meiden …

Der Vorwurf ist mir unerfindlich – selten dürfte klarer sein, wer ich bin und wer da im Internet publiziert.

Nun könnte man einwenden, daß ich mich mit dieser Rezension für die Danksagung von Gerhard Strate bedanke:

Mollath hatte in den letzten zwei Jahren viele Unterstützer. Hervorheben möchte ich vor allem Gabriele Wolff und Ursula Prem mit den von ihnen initiierten Blogs. Hier wurde seit dem Dezember 2012 auf höchstem Niveau die Entwicklung des Wiederaufnahmeverfahrens und des Prozesses in Regensburg dokumentiert und diskutiert. Gleiches gilt für die juristischen Kommentare von Oliver García und Henning Ernst Müller. Der ständige Rat Ursula Prems hat insbesondere die Schlussphase bei der Abfassung dieses Buches begleitet. Den Vieren danke ich besonders.

Gerhard Strate

[S. 13]

Daß sich zwei Geistesverwandte zufälligerweise getroffen haben, ist allerdings zutreffend. Und das ist auch gut so. Ich fühle mich frei.

Update (13.12.2014)

Prof. Dr. Müller, der ebenso wie ich am Mollath-Verfahren Anteil nahm, hat gestern eine Rezension verfaßt, die mir bei Verfassung der meinigen unbekannt war.

Ich will sie nicht vorenthalten:

http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/juraprof-und-blogger-mueller-rezensiert-gerhard-strates-der-fall-gustl-mollath/

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der Fall Gustl Mollath: Die neue Hauptverhandlung

Rosenkrieg 2

Eigentlich hätte ich für diesen Artikel ein anderes Symbolfoto aussuchen sollen, denn der Rosenkrieg fand zwar in der letzten Zeit noch per emphatischer Interviews mit Otto Lapp und Beate Lakotta statt – vor Gericht fällt er allerdings aus. Die einzige Belastungszeugin, die Ex-Ehefrau des Angeklagten, macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wurde bereits abgeladen.

Am nächsten Montag, den 7.7.2014, beginnt die neue Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath – und sie wird ganz anders ausfallen als das sechsstündige Verfahren vom 8.8.2006, ein Schnelldurchgang unter weitgehender Vernachlässigung der Strafprozeßordnung, der mit einem Fehlurteil endete – da bin ich mir ganz sicher. So sicher, wie ich es auch schon vor der Verhandlung in dem Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy (Ulvi Kulac) war.

https://gabrielewolff.wordpress.com/2014/04/10/wiederaufnahmeverfahren-im-fall-peggy-dekonstruierung-einer-konstruktion/

17 Verhandlungstage sind angesetzt, 42 Zeugen sollen gehört werden.

Diese neue Hauptverhandlung steht ganz unter dem Zeichen der Öffentlichkeit; und es freut mich sehr, daß auch zwei profunde Kenner des Falles von diesem Prozeß berichten werden – und zwar ganz unabhängig von den Medien: Prof. Dr. Henning Ernst Müller und Ursula Prem. Beide sind von der professionellen Vorbereitung des Verfahrens positiv beeindruckt:

http://blog.beck.de/2014/07/04/alles-bereit-f-r-die-neue-hauptverhandlung-gegen-gustl-mollath

http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/ab-montag-wiederaufnahmeverfahren-gegen.html

Hier steht ein Forum für weitere Prozeßbeobachter bereit:

http://drei-saeulen.de/index.php?title=Kategorie:Gustl_Mollath

Ich selbst werde an dieser Stelle vor Beginn der Hauptverhandlung noch einmal die Medienbeiträge der letzten Tage analysieren – und weiterhin sowohl die Ukraine-Krise beobachten als auch die WM- und Gartenecke pflegen.

Update 5.7.2014

Das Medieninteresse an diesem Fall ist ausgesprochen groß, so daß hier nur eine kleine Auswahl getroffen werden kann. Zwei große Porträt-Reportagen über den Menschen Gustl Mollath sind erschienen. Zunächst am 27.6.2014 in der Beilage der SÜDDEUTSCHEN von Olaf Przybilla, Uwe Ritzer und Rainer Stadler:

aus Heft 26/2014 Gesellschaft/Leben

Eine Wahnsinnsgeschichte

Der Skandal erschütterte Deutschland: Gustl Mollath saß sieben Jahre in der Psychiatrie, trotz zahlloser Widersprüche in den Gerichtsakten. Jetzt wird sein Fall noch einmal aufgerollt. Porträt eines Mannes, der wieder draußen ist – aber immer noch nicht frei.

Von Olaf Przybilla, Uwe Ritzer und Rainer Stadler  Fotos: Julian Baumann

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1

Ein sensibles Porträt über einen widersprüchlichen Mann, der immer schon eine politische Mission hatte, zugleich aber auch eine Leidenschaft für Sportwagen und Motorsport, kombiniert mit dem Tüftlergeist und der handwerklichen Präzision des Maschinenbauers, der er ist. Sein sarkastischer Humor wird in zwei Szenen eingefangen:

Seine Schüler machen zunächst Brems- und Ausweichübungen, dann quietschen die Reifen über einen kleinen Rennparcours. Mollath wechselt immer wieder das Auto und gibt als Co-Pilot Tipps. Die meisten, sagt er, würden viel zu schnell fahren. Wichtiger sei es, erst mal die Linie zu finden und dann langsam zu beschleunigen. Mollath genießt diesen Morgen sichtlich: »Das ist auf jeden Fall therapeutisch wertvoller als der Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt.«

Und:

Zehn Jahre später nun trägt er einen roten Anorak mit dem Button von König Ludwig II. am Kragen. Den König empfinde er gewissermaßen als seinen frühesten Leidensgenossen, der König sei ja bekanntlich Opfer psychiatrischer Aktengutachten geworden. Auch Mollath beurteilten mehrere Gutachter, ohne je mit ihm gesprochen zu haben. Hat er keine Sorge, dass er mit diesem Button etwas sonderbar wirken könnte? »Möglich«, entgegnet Mollath und zuckt mit den Schultern. Man müsse doch »auch mal was davon haben, wenn man schon offiziell für verrückt erklärt worden ist«, sagt er und lacht.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1

Ein Humor, der nun gerade in der Psychiatrie schlecht ankam, antwortete Mollath doch auf die durchsichtige Frage, ob er Stimmen höre, sarkastisch, daß er eine innere Stimme höre, die ihm sage, daß er ein guter Kerl sei. Schwupps, schon gab es Stimmen, die seine Handlungen kommentierten, und das war natürlich ganz, ganz schlecht, denn nun kam ja neben einem isolierten Wahn, der sich auf Schwarzgeldgeschäfte der HVB sowie Handlungen seiner dort beschäftigten Frau bezogen, auch noch Schizophrenie in Betracht… Angesichts solch dürftiger psychiatrischer Leistungen verwundert es nicht, daß Gust Mollath den neuesten Versuch, ihm über die psychiatrische Schiene zu Leibe zu rücken, abwehren will:

Wieder geht es um die Frage, welche Vergehen Mollath tatsächlich begangen hat, und wieder wird er psychiatrisch begutachtet. Wie soll er sich gegenüber dem Gutachter verhalten, der ihn während des Verfahrens beobachten wird? Es handelt sich um Norbert Nedopil, einen der erfahrensten Gutachter in Deutschland (SZ-Magazin, Interview vom 31. August 2012). Im Internet hat Mollath gelesen, Nedopil habe während einer Fernsehsendung geäußert, dass Gutachter oft irren würden, in den meisten Fällen zu Lasten des Beschuldigten. Das Risiko, die Allgemeinheit einer Gefahr auszusetzen, wiege für viele Gutachter schwerer. »Und so einem bin ich ausgeliefert!«, erregt sich Mollath.

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1

Bei Prof. Dr. Nedopil müßte er mit seiner Weigerung, sich explorieren zu lassen, allerdings auf Verständnis stoßen, zumal der Psychiater selbst seine Explorationen als ‚Angriff‘ auffaßt:

Nedopil lächelt und lässt wissen, jetzt könnten wir normal weitermachen im Gespräch. Er hat mal eben gezeigt, was er draufhat.

Das ging ja jetzt ganz schön schnell mit der Exploration.
Ja, auf einmal waren Sie in einer Verteidigungsposition.

Wie lange dauert denn sonst eine Sitzung bei Ihnen?
Es dauert immer lang. Ich würde nicht nach nur einer Stunde eine für Sie wichtige Lebensentscheidung treffen. Keiner soll denken, ich hätte mich gar nicht richtig mit ihm befasst. Ich selbst würde so eine Prozedur übrigens nie über mich ergehen lassen.

Warum nicht?
Das sollten Sie nicht schreiben, wäre ja geschäftsschädigend. Wenn ich etwas getan habe, dann stehe ich dazu und muss mich in die Hände des Gerichts begeben. Aber ich muss nicht auch noch meine Seele vor denen entblättern.

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38067/3/1

Einen ähnlichen Tenor wie die SÜDDEUTSCHE hat das einfühlsam-kritische Porträt, das Lisa Rokahr für den STERN, 3.7.2014, S. 84-88, ablieferte.

Der Gefangene

Wie findet einer ins Leben zurück, der sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie saß? Der stern hat Gustl Mollath ein Jahr lang begleitet. Von kommender Woche an urteilen erneut Richter, ob er verrückt ist.

Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Die Frage der Schuldfähigkeit kommt ja nur in Betracht, wenn die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden können – das war angesichts der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation nach Ansicht der 7. Kammer des LG Nürnberg-Fürth deshalb der Fall, weil sie „an der Glaubwürdigkeit“ der geschiedenen Ehefrau „keinen Zweifel hat“, zumal diese „ruhig, schlüssig und ohne jeden Belastungseifer“ ausgesagt habe. Einer erneuten Würdigung ihrer Glaubwürdigkeit hat sich die Zeugin aus nachvolllziehbaren Gründen entzogen, und dank der neuen Ermittlungen im Wiederaufnahmeverfahren sieht die Staatsanwaltschaft Regensburg die Glaubwürdigkeit der Zeugin ohnehin als schwer erschüttert an. Beweise für auf Wunsch des Gutachters Dr. Leipziger nachgelieferten aktuellen Straftaten, Sachbeschädigungen von Januar 2005, gab es ohnehin nie, lediglich die polizeiliche Konstruktion einer „Serie“. On verra.

Aber so reißerisch wie Überschrift und Untertitel ist Rokahrs Reportage ohnehin nicht. Sie zeigt die Beschädigungen, die dieses Verfahren hinterlassen hat. So beginnt ihr Bericht:

Gustl Mollath kauft sich einen Espresso. 1, 90 Euro. Er möchte jetzt eigentlich keinen Kaffee trinken. Aber darum geht es nicht, es geht ihm um den Kassenbon. 5. Februar 2014 steht darauf, 14.36 Uhr. Und das Wichtigste, der Ort: Hannover, „Pier 51“, ein Restaurant am Maschsee. „Ich brauche diese Belege“, sagt Gustl Mollath. „Damit ich immer nachweisen kann, wann ich wo war.“ Er will das dokumentieren. Falls sie ihn wieder verdächtigen, beschuldigen, verurteilen wollen.

[STERN, 3.7.2014, S. 84]

Das sind die üblichen Sicherungsmaßnahmen von Fehlurteilsopfern. Die Traumatisierungen durch solche Erfahrungen, siehe den Fall Harry Wörz, halten oft lebenslang an.

Bei seinem Prozess im Jahr 2003 überreichte er dem Amtsgericht Nürnberg eine „Verteidigungsschrift“. Sie enthielt Hinweise auf Schwarzgeldverschiebungen durch seine Frau und ein Tremolo von Weltproblemen. Hunger, Kriege, Umweltzerstörungen.

Obwohl es auch diese wirre Vita war, die ihm den Ruf einbrachte, verrückt zu sein, ist er von seiner Mission auch nach seiner Freilassung nicht abgerückt. Das mag man standhaft nennen. Oder töricht.

[aaO, S. 86]

Ja, so schnell geht das: politisches Engagement, demonstratives Verhalten, flugblatt-ähnliche Gestaltung von Eingaben, passiver Widerstand gegen eine verfassungswidrige „Unterbringung zur Beobachtung“ gemäß § 81 StPO – Laien wie Psychiater ziehen dann schnell eine Schublade, die mit „wirr“ oder „Wahn“ beschriftet ist. Denn normal ist das ja nicht. Normal wäre eine opportunistische Anpassung an ein Gewaltverhältnis. Widerständige Franken ticken allerdings anders. Lisa Rokahr würdigt sein aktuelles Eintreten für Veränderungen bei Justiz und Psychiatrie, einem sich gegenseitig bestätigenden System, in dem der Untergebrachte bzw. Patient, immer verliert, immerhin positiv.

Aber gleichzeitig ist es sein Fall, seine Mission, die die Gesellschaft schon jetzt verändert haben. In Bayern will die CSU die Regeln zur Zwangsunterbringung schuldunfähiger Straftäter reformieren. Ein Gesetzentwurf soll eine Einweisung erschweren und verlangt strengere Maßstäbe für die Fortdauer der Unterbringung.

[aaO, S. 87]

Auch sie schildert seine Ängste vor dem bevorstehenden Prozeß:

Für seinen größten Feind hält Mollath dabei nicht die Juristen auf der Richterbank, sondern einen Mann im Saal: Norbert Nedopil, den forensischen Gutachter. Er wird den Angeklagten begutachten. Ein direktes Gespräch hat Mollath abgelehnt, aber Nedopil wird ihn während des Verfahrens beobachten. „Ich fühle mich dadurch gehemmt, ich weiß nicht, wie ich mich da verhalten soll“, sagt Mollath. Was, wenn wieder jemand vermeintliche Anzeichen des Wahnsinns an ihm entdeckt? Ist es die Gestik? Der Blick? Oder die Wortwahl? „Wie soll ich authentisch sein, wenn ich mir jedes Wort dreimal überlege?“

[aaO, S. 88]

In der Tat, das ist eine arge Belastung. Andererseits grenzt es an einen Wunderglauben, traute man einem Psychiater eine solche Diagnose-Fähigkeit zu – und dann noch einen treffsicheren Rückschluß aus dem Gerichtsverhalten im Juli 2014 auf die Befindlichkeit zu den „Tatzeiten“ 2001, 2002 und 2005, eine Hürde, die schon Dr. Klaus Leipziger in den Jahren 2005 und 2006 mittels bloßer Behauptung genommen hat. Das Gericht in Regensburg sollte auf diese Begutachtung schon deshalb verzichten, weil eine Unterbringungsentscheidung schon aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht kommt.

Das Bundesverfassungsgericht hat das widersprüchliche Gutachten von Prof. Dr. Pfäfflin aus dem Jahr 2011 als Grundlage für eine Gefährlichkeitsprognose ausgeschieden und zudem festgestellt, daß bereits die Fortdauerentscheidungen aus dem Jahr 2011 mit seinen Leerformeln den Begründungsanforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht genügten.

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20130826_2bvr037112.html

Das OLG Bamberg, das sich davor drückte, nunmehr in der Sache zu entscheiden und seinen eigenen Beschluß aufzuheben, weil er nicht begründbar war, hat daraufhin kurzerhand die gerügten Entscheidungen für erledigt erklärt, weil Gustl Mollath ja faktisch auf freiem Fuß sei und er keinen Anspruch auf eine Sachentscheidung habe.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-OLG-Bamberg-Beschluss-2014-03-24.pdf

Keinem verfassungstreuen Gericht würde im Jahr 2014 die Begründung einer erneuten Unterbringungsentscheidung gelingen – der Zug ist definitiv abgefahren. Ein aktuelles Gutachten ist daher überflüssig. Es reicht aus, wenn sich die ursprünglichen Gutachter als Zeugen für ihre Produkte verantworten müssen, sollte es überhaupt notwendig werden, sich mit diesem marginalen Aspekt der Causa befassen zu müssen.

Michael Kasperowitsch, ein Aufdecker der ersten Stunde, hat am 27.6.2014 in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN gleich zwei Artikel zum Thema lanciert. Einer beschäftigt sich mit dem rechtsstaatlichen GAU des ersten Prozesses:

Justizapparat holt die Gründlichkeit sehr spät nach

Am 7. Juli beginnt in Regensburg der neue Prozess gegen Gustl Mollath — Bundesweites Aufsehen — Gutachter sitzt im Gericht

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

[…]

NÜRNBERG — 17 Verhandlungsta­ge sind bereits angesetzt. Ob die Zeit reicht, ist offen. 42 Zeugen sind zur Vernehmung einbestellt. Es könnten noch mehr werden. Alles deutet also darauf hin, dass die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg äußerst gründlich vorgeht.

Das ist deswegen bemerkenswert, weil es sich in dieser Angelegenheit um eine spät nachgeholte Gründlich­keit der Justiz handelt. Als Gustl Mol­lath vor acht Jahren wegen Körperver­letzung und Sachbeschädigung in Nürnberg vor Gericht stand, gab es eine sehr schnelle Entscheidung.

Die Nürnberger Nachrichten hat­ten den Fall mit all seinen tückischen Fehlern ab 2011 öffentlich gemacht. Die Recherchen hatten am Ende zur Folge, dass die damalige Justizministe­rin Beate Merk (CSU) das Wiederauf­nahmeverfahren einleitete. Zuvor hat­te sie das Vorgehen von Staatsanwalt­schaften und Gerichten eisern vertei­digt.

Das Interesse der Öffentlichkeit an der neuen Verhandlung in Regens­burg ist riesig. Um die 40 Journalisten­plätze

Das Ansehen ist beschädigt

Im Gerichtssaal rangelten sich etwa 250 Berichterstatter aus ganz Deutschland. Für viele Beobachter geht es auch um das angekratzte Anse­hen der bayerischen Justiz. Beschä­digt ist es nicht nur wegen der irritie­renden Vorkommnisse im Mol­lath- Verfahren; der oberfränkische Fall Peggy oder die aktuellen Vorgän­ge um den Augsburger Laborarzt Schottdorf kommen hinzu.

Den heute 57-jährigen Gustl Mol­lath brachte vor acht Jahren ein Urteil des Landgerichts Nürnberg hin­ter die Gitter forensischer Kliniken, dort, wo kriminelle Kranke einge­sperrt sind. Die letzten Jahre bis zu sei­ner Freilassung saß er in Bayreuth.

Das Nürnberger Gericht war damals der Überzeugung, Mollath unterliege dem anhaltenden Wahn, Opfer eines kriminellen Bankensys­tems zu sein. Es konnte sich dabei auf psychiatrische Gutachten stützen. In diesem gefährlichen Wahn habe er, so das Gericht, auch seine Frau schwer attackiert und die Reifen von Autos ihm irgendwie missliebiger Personen zerstochen.

Diese Verhandlung endete mit einem für Mollath schrecklichen Frei­spruch wegen Schuldunfähigkeit. Die Folge war nämlich, dass er für Jahre in der Psychiatrie verschwand. In den Jahren vor 2006 tobte ein gnadenloser Streit zwischen den einstigen Eheleu­ten Mollath — das Paar ist seit langem geschieden.

Als sie noch verheiratet waren, betreute die Frau des Nürnbergers Pri­vatkunden bei der Hypo Vereinsbank. Aus seiner Sicht hatte sie sich dabei illegaler Schwarzgeldschiebereien in die Schweiz schuldig gemacht. Er wollte sie unter allen Umständen davon abbringen und drohte ihr offen mit wirksamen Konsequenzen.

Unter anderem informierte er die Vorgesetzten seiner damaligen Frau bei der Bank. Am Ende zeigte Mollath sie sogar an. Die Reaktion der Staats­anwaltschaft Nürnberg-Fürth darauf fiel dünn aus.

Die Anzeige enthalte keine „zurei­chenden tatsächlichen Anhaltspunk­te“, der Verdacht werde nur „pau­schal“ vorgetragen, die Angaben seien „unkonkret“. Das Verfahren wurde eingestellt.

[…]

Ja, im ursprünglichen Verfahren war sogar bekannt, daß der Ex-Ehefrau im Februar 2003 aufgrund zutreffender Angaben von Gustl Mollath fristlos gekündigt wurde – dennoch wurde dieses mögliche Falschbelastungsmotiv völlig außer Acht gelassen. Ich bin sicher, daß dieses Arbeitsgerichtsverfahren einige Scheinwerfer darauf richten wird, warum sich die HVB letztlich zu einem immer noch für sie vorteilhaften Vergleich – Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer geringen Abfindung – bereitfand: die illegalen Schweizgeschäfte der von der bayerischen Vereinsbank mit Staatsbeteiligung 1998 übernommenen Hypobank sollten natürlich nicht öffentlich werden, was durch die Gekündigte eventuell hätte belegt werden können. Entsprechend fiel der von Mollath angestoßene Sonderrevisionsbericht der HVB zu dem Hauptpunkt von Mollaths Begehren aus: inwiefern die Hypo-Bank in den 90iger Jahren, wie alle anderen Privatbanken damals auch nach Einführung der Quellensteuer im Jahr 1993, Beihilfe leistete, um Kundenvermögen klandestin zu Schweizer Tochterbanken zu transferieren, um sie vor der Kapitalertragssteuer zu verschonen, wurde so gut wie nicht untersucht. Denn daran hatte die HVB verständlicherweise kein Interesse.

http://www.swr.de/report/-/id=10583092/property=download/nid=233454/1t395cp/index.pdf

Fast noch interessanter ist Michael Kasperowitsch‘ weiterer Artikel an diesem Tag:

„Es kam Erschreckendes zutage“

Landtagsfraktionen sparen nicht mit harter Kritik an Justiz und Gutachtern

Im vergangenen Jahr hat sich im Landtag ein Untersuchungsaus­schuss monatelang mit dem Justiz­fall Gustl Mollath beschäftigt. Vor Beginn des Wiederaufnahmeverfah­rens gegen den Nürnberger vor dem Landgericht Regensburg haben wir die Fraktionen von CSU, SPD, Freien Wählern (FW) und Grünen um eine Stellungnahme gebeten. Vor allem die Oppositionsparteien sparen nicht mit Kritik und dem Ruf nach Konse­quenzen.

Florian Streibl, Parlamentarischer Geschäftsführer und rechtspoliti­scher Sprecher der Freien Wäh­ler (FW), war einer der Abge­ordneten, die sehr früh und engagiert Feh­ler im ersten Mollath-Verfah­ren angepran­gert haben. „Die Nürnber­ger Staatsan­waltschaft hat Anzeigen von Herrn Mollath nicht ernsthaft geprüft, während Anzeigen gegen ihn sehr wohl weiterverfolgt und ange­klagt wurden“, sagt er. Die Fachauf­sicht im Justizministerium hat aus seiner Sicht „versagt“.

[…]

Janun, das geht ja bis zum heutigen Tag so weiter. Mollaths Anzeigen werden unter zahlreichen Verrenkungen bis hin zum OLG München abgebügelt, wovon nicht nur Justizangehörige und deren Hilfswissenschaftler, sondern auch die Ex-Ehefrau von Gustl Mollath profitieren. Der ist die Justiz schließlich blind gefolgt, und so muß auch die über allen Zweifel erhaben sein. Am aktuellen Dienstherrn liegt das kaum: auf das OLG München hat er keinen Einfluß, und was die von Frau Merk installierten Generalstaatsanwälte so treiben, versucht er, wie im desaströsen Fall Gurlitt, lediglich zu moderieren. Minister Bausback hat ja auch wenig Möglichkeiten, die verfehlte Personalpolitik seiner Vorgängerin zu korrigieren. Das Wegloben des Augsburger Leitenden Oberstaatsanwalts Nemetz, der sich nicht nur im Fall Gurlitt, sondern auch bei Behandlung der Strafanzeige Mollaths gegen Eberl und Leipziger unsterblich blamiert hat, wäre ein erstes Zeichen. Als Präsident des AG München verdient er zwar entscheidend mehr, ist aber kaltgestellt.

Letztlich bedarf es einer Beseitigung des bayerischen Sonderweges, Strafrechtler zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten rotieren zu lassen: das fördert nur die Kumpanei, wo zum Wohle des Rechtsstaats Antagonismus zwischen Staatsanwaltschat und Gericht angesagt wäre.

Kasperowitsch:

Ähnlich sieht es Sepp Dürr von den Grünen. Er war bis 2008 etliche Jah­re Fraktionschef und ist jetzt Mit­glied im Rechtsausschuss im Land­tag. Seine Konsequenzen aus dem Fall Mollath: „Niemand darf mehr so leicht und unverhältnismäßig lange weggesperrt sein und seine ,Gefähr­lichkeit‘ so leichtfertig behauptet werden.“ Dies müsse durch eine Reform des Maßregelvollzugs verhin­dert werden. „Höchste Zeit“ sei es allerdings auch für eine Modernisie­rung des Justizsystems.

Sowohl Staatsanwaltschaft und Gerichte müssten, so Dürr, lernen, Fehler einzugestehen und schneller zu korrigieren. „Da fehlt es weit.“ Selbst der Mehrheitsbericht des Mol­lath- Untersuchungsausschusses sei noch „von der Unfähigkeit zu jegli­cher Selbstkritik durchdrungen“.

Dem läßt sich nichts hinzufügen. Die Reinwaschungstendenz der Regierungsmehrheit ist mit Händen zu greifen.

https://www.bayern.landtag.de/scripts/get_file.php?file=NEU_Drs_16-17741_Mollath_FINAL.pdf

Kasperowitsch:

Die Kulmba­cher SPD-Abge­ordnete Inge Aures war eben­so wie Streibl Mitglied des Mollath-Unter­su­chungsaus­schusses. Zuvor setzte sie sich vehement für die Freilassung des Nürnber­gers ein.

Der Aus­schuss habe, so die Politikerin, „Erschrecken­des“ zutage gefördert.

„Die Finanzbehörden haben gar nicht ermittelt, die Staatsanwalt­schaft hat nur einseitig ermittelt, der Richter hat die Akten nicht gelesen, der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich hat gemauert und die damalige Justizministerin Beate Merk hat vertuscht“, sagt sie im Rückblick. Es sei politisch nicht gewollt, dass man Steuerhinterzie­hern auf die Schliche kommt. „Nicht dass noch das Klientel der CSU ver­schreckt wird.“ Bis heute ist für Inge Aures nicht aufgeklärt, warum die Nürnberger Staatsanwaltschaft seinerzeit ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, für ein ordnungsgemäßes Verfahren gegen Mollath zu sorgen. Die neue Verhandlung in Regensburg werde, so vermutet Inge Aures, „haarsträu­bende Fehler bayerischer Behörden“ feststellen.

Ja, das ist zu vermuten.

Daß der Polizeibeamte Grötsch, der auf Zuruf von Richter Eberl die Reifenstecher-Akte zum Nachteil Mollath zusammenstellte, sich als Ergänzer von Strafanträgen gegen Unbekannt als Urkundenfälscher erwies, indem er selbst den Namen „Gustl Mollath“ eintrug, obwohl niemand Gustl Mollath verdächtigt hatte, in Personalunion als Aktenkompilierer, Zeugenersatz (für Rechtsanwalt Greger, Rechtsanwalt Dr. Woertge und für Petra Mollath, obwohl die ja immerhin als Zeugin zugegen war) und Sachverständiger (für die Gefährlichkeit der angeblich aber nicht tatsächlich immer identischen Reifenattacken) nun nicht mehr auftreten darf, wie bei Brixner, ist ja schon einmal ein gutes Zeichen. Jetzt wird er nur noch als normaler Polizeizeuge über den Gang der Ermittlungen berichten. Und sich auf einige kritische Fragen der Verteidigung einstellen müssen.

Rechtsanwalt Greger, der einzige Geschädigte, der mit zweimonatiger Verspätung schriftlich eine Gefahrensituationen bekundet hatte, ist bereits im Jahr 2009 verstorben. Jetzt ist ein Sachverständiger geladen, der zu den freihändigen Konfabulationen dieses voreingenommenen Polizeibeamten Stellung nehmen wird. Brixner reichten die voreingenommenen Polizei-Erzählungen ja aus, um Gustl Mollath Gemeingefährlichkeit zu attestieren.

Die nicht einmal Dr. Leipziger attestiert hatte.

Aufgrund der dargelegten Progredienz der paranoiden Symptomatik des Angeklagten und des Umstandes, dass er – wie sich aus den nachträglich vorgelegten, dem Angeklagten neuerlich vorgeworfenen strafbaren Handlungen ergibt – immer mehr Personen in das bei ihm bestehende Wahnsystem einbezieht, sich von ihnen benachteiligt, geschädigt und bedroht fühlt und letztlich gegen sie oder deren Eigentum aggressiv vorgeht, muss befürchtet werden, dass vom Angeklagten weitere Handlungen gegenüber Dritten zu erwarten sind.

Von daher muss aus forensisch-psychiatrischer Sicht konstatiert werden – unabhangig der von Sachverständigenseite nicht zu beurteilenden Rechtserheblichkeit oder Verhältnismäßigkeit- ,dass vom Angeklagten zustandsbedingt weitere gleichartige Taten gegenüber Dritten, die er in sein Wahnsystem einbezieht, zu erwarten sind. Von daher müssen aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Voraussetzungen zur Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB als gegeben angesehen werden.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=29

Was ein Herr Dr. Leipziger lediglich befürchtet, ist einerlei. Es muß eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, daß jemand erhebliche Straftaten begehen werde. Die „dargelegte Progredienz der paranoiden Symptomatik“ bestand lediglich darin, daß Dr. Leipziger es bewußt vermied, den „überweisenden“ Kollegen Dr. Wörthmüller zu befragen, warum sich dieser als befangen erklärt hatte. Gustl Mollath hatte zurecht diesen Gutachter als befangen angesehen, was dieser selbst als nachvollziehbare Sicht bestätigte.

Absolut unprofessionell ist überdies eine Einbeziehung von durch den beauftragenden Richter Eberl informell beigezogener Akten, hinsichtlich derer ein Gutachtenauftrag gar nicht bestand. Die von dem konspirativen Zusammenwirken von Richter Eberl und Gutachter Leipziger nicht unterrichtete Staatsanwaltschaft stellte das obskure Fake-Verfahren wegen Sachbeschädigung dann auch prompt gemäß § 154 StPO ein.

Auch über diesen Vorgang wird die neue Hauptverhandlung hoffentlich nachhaltig informieren.

Für Dr. Leipziger mag es einen zusätzlichen Schlag bedeuten, daß das LG Nürnberg konstatierte, daß die Reifengeschädigten ganz real (und nicht wahnhaft) Mollath-Feinde waren.

Und morgen widme ich mich einem Sonderfall des Journalismus‘, nämlich der eigentlich unwahrscheinlichen La-La-Fraktion von Otto Lapp und Beate Lakotta. Die hat sich nämlich auch wieder zu Wort gemeldet.

Update 6.7.2014

Otto Lapp fiel die undankbare Aufgabe zu, erneut als Pressesprecher der Belastungszeugin Petra M. in Erscheinung zu treten. Dieses Mal mit einer Botschaft, die nicht leicht zu verkaufen war. Denn was sollte das Lesepublikum von einer Ex-Frau halten, die über Monate dem Star-Reporter Otto Lapp ihr Herz über diesen gewalttätigen, tyrannischen, eifersüchtigen, wirtschaftlich erfolglosen und kranken Ex-Mann das Herz ausgeschüttet hatte, vor Gericht aber keine Aussage machen will? Ahja, wenn es um die Wurst geht und man unter Wahrheitspflicht steht, macht sie einen Rückzieher – so denkt man im Volk, das ja nicht immer Unrecht hat.
Lapp entledigte sich seiner Aufgabe so:

27.06.2014 13:53 Uhr
Mollath-Prozess ohne die Ex-Frau

Von Otto Lapp

NÜRNBERG. Der Mollath-Prozess wird ohne seine Ex-Frau über die Bühne gehen. Petra M. (53) wird im Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg nicht gegen Gustl Mollath (57) aussagen. Dies bestätigte ihr Anwalt Jochen Horn dem Kurier.
Petra M. (53) sei „mehrfach umfassend vernommen“ worden, sagte Horn, sodass keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien, würde sie nochmal vernommen werden. Außerdem wolle sich Petra M. „einer solchen Situation“ nicht aussetzen.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath-prozess-ohne-die-ex-frau_270390

Es mag ja sein, daß Rechtsanwalt Horn Derartiges gesagt hat. Juristisch handelt es sich dabei um höheren Blödsinn. Das neue Urteil erwächst aus dem Inbegriff der neuen Hauptverhandlung, und da gilt das Mündlichkeitsprinzip. Alle früheren Aussagen sind erst einmal vom Tisch und dienen allenfalls als Vorhalte, um das Gedächtnis aufzufrischen oder um Widersprüche zu klären. „Umfassend“ wurde die Zeugin damals zudem nicht vernommen: hätte man sie seinerzeit ernsthaft zu Beihilfehandlungen der Hypobank beim anonymisierten Schleusen von Kundengeldern auf Konten von Schweizer Tochter-Banken vernommen, hätte sie auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hingewiesen werden müssen – das war allerdings nicht der Fall. Nein, der Vorsitzende Richter verhielt sich deutlich rustikaler: wann immer Gustl Mollath das Thema „Schwarzgeld“ als Ursache der Ehekrise und einer Falschbelastung durch seine Ex-Frau zur Sprache bringen wollte, wurde er angeschrieen. Damit war das Thema erledigt und konnte in die Wahn-Ecke gestellt werden. An einer umfassenden Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 8.8.2006 fehlt es schon deshalb, weil laut Urteilstext die Ex-Ehefrau zu den Sachbeschädigungsvorwürfen gar nicht ausgesagt hat – hier übernahm der Polizeibeamte Grötsch die Aufgabe, dem Gericht mitzuteilen, was die Ehefrau bei Betrachtung eines Tat-Videos gesagt habe. Ja, so wild ging es seinerzeit zu.
Und zu den neuen Erkenntnissen, die sich erst nach diesem Urteil ergeben haben, konnte sie damals naturgemäß nichts aussagen. Bestreiten per Interview ersetzt keine förmliche Aussage.
Interessanterweise offenbart Otto Lapp auch die beabsichtigte Strategie der Nebenklage:

Im Prozess werden also jetzt die Aussagen von Petra M. aus früheren Jahren nur verlesen.

http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath-prozess-ohne-die-ex-frau_270390

Mirko Laudon kommentiert in seinem Blog „Strafakte“ diese Konstellation so:

Nicht unproblematisch ist jedoch, wie ihre Aussagen in das Verfahren eingeführt werden sollen, denn § 252 StPO verbietet grundsätzlich die Verlesung früherer Protokolle, sofern die Aussageperson erst später von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht:
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Kombination aus Zeugnisverweigerung und Verzicht auf das Verwertungsverbot

[…]

Al­ler­dings – und das ist der kri­ti­sche Punkt – darf der Zeuge nach Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs1 die Ver­wer­tung der Aus­sa­gen ge­stat­ten, ohne selbst er­neut aus­sa­gen zu müs­sen. Diese Recht­spre­chung ist ins­be­son­dere bei Op­fer­zeu­gen2 pro­ble­ma­tisch, da dem An­ge­klag­ten (hier dem Ver­ur­teil­ten) das Kon­fron­ta­ti­ons­recht (Art. 6 Abs. 3 d MRK) ver­wehrt wird. Dem Op­fer­zeu­gen wird durch die Kom­bi­na­tion von Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht und Ver­zicht auf das Ver­wer­tungs­ver­bot des § 252 StPO das Recht ein­ge­räumt, sei­ner kon­tra­dik­to­ri­schen Be­fra­gung durch die Ver­tei­di­gung in der Haupt­ver­hand­lung aus dem Weg zu ge­hen und zu­gleich eine den An­ge­klag­ten (oder Ver­ur­teil­ten) be­las­tende mit­tel­bare Ver­wer­tung sei­ner frü­he­ren Aus­sage zu er­mög­li­chen. Die­ses Ver­hal­ten ist in Wie­der­auf­nah­me­ver­fah­ren häu­fi­ger zu be­ob­ach­ten.3

 

http://www.strafakte.de/wiederaufnahmeverfahren/ex-frau-von-mollath-wird-das-zeugnis-verweigern/

Die letztgenannte Fußnote bezieht sich auf einen weiteren Blogbeitrag von ihm, in dem er Johann Schwenns 10 Fehlerursachen in Sexualstrafverfahren darstellt und Schwenn just jene „Kombination“ als „perfide“ bezeichnet:

http://www.strafakte.de/wiederaufnahmeverfahren/fehlurteile-und-ursachen/

Angesichts der dürftigen bzw. gänzlich fehlenden Protokolle ihrer früheren Aussagen ist die Kombination im konkreten Fall allerdings weniger „perfide“ als vielmehr nachteilig für die Nebenklage. Ich teile die Einschätzung von Prof. Henning Ernst Müller:

Der Pressesprecher informierte heute auch darüber, dass die Hauptbelastungszeugin wieder ausgeladen wurde, nachdem sie mitgeteilt hatte, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Ob der Körperverletzungsvorwurf gegen Gustl Mollath dann überhaupt noch bewiesen werden kann, erscheint fraglich.

 

http://blog.beck.de/2014/07/04/alles-bereit-f-r-die-neue-hauptverhandlung-gegen-gustl-mollath

Um das Manko wiedergutzumachern, daß die Belastungszeugin es vorzieht, vor Gericht nicht zu erscheinen, hat der Nordbayerische Kurier nachgelegt und einen Mollath-Blog eingerichtet, um erneut die Sicht der Ehefrau, die bis zur Anordnung der Wiederaufnahme identisch war mit der Sicht der Macht-Instanzen Justiz, Psychiatrie und Politik, zu verbreiten.

http://mollath.blogs.nordbayerischer-kurier.de/

Es ist eine emotionale und tendenziöse Zusammenstellung dessen, wie man beim Nordbayerischen Kurier den Fall wertet, wobei all das ausgeblendet wird, was man nicht wahrnehmen will. Eine Auseinandersetzung ist daher weder möglich noch lohnte sie sich.

Immerhin, zum ersten Mal wird in aller Deutlichkeit zugegeben, daß die Ex-Frau für das illegale Verschwindenlassen seiner Habe (bis auf zwei netterweise aufgehobene Kisten) verantwortlich ist:

Durch die Anzeigen Mollaths hat sie ihre gut bezahlte Stelle verloren. Sie hatte Provisionen hinter dem Rücken der Bank eingestrichen, mehr nicht. Jetzt will sie wenigstens das Geld zurückhaben, das sie in seine Werkstatt gesteckt hat. Ein Gericht ordnet die Zwangsversteigerung seines Hauses an. Sie räumt es aus, ersteigert es und verkauft es dann.

Otto Lapp hat zudem mit heißer Nadel gestrickt:

Was ist, wenn Gustl Mollath krank ist? Sieben erfahrene Psychiater stellen das über sieben Jahre immer wieder fest. Hans-Joachim Kröber aus Berlin, Thomas Lippert aus Nürnberg, Klaus Leipziger aus Bayreuth, Karl Simmerl aus Mainkofen, Friedemann Pfäfflin aus Mainkofen und Gabriele Krach aus Erlangen.

http://mollath.blogs.nordbayerischer-kurier.de/

Statt sieben Psychiater werden nur sechs benannt. Hans-Ludwig mutiert zu Hans-Joachim, aus Hans wird Karl und Pfäfflin wird von Ulm nach Mainkofen versetzt. Es sind auch keine „Feststellungen“, die innerhalb von sieben Jahren gemacht wurden: die erste „Bescheinigung“ von Gabriele Krach datiert von September 2003, die letzte von Pfäfflin von Mai 2011. Von „Feststellungen“ kann bei der gegen die Krankenhausregeln erstellten Bescheinigung von Frau Dr. Krach keine Rede sein, sie beruhte allein auf Erzählungen der Ex-Ehefrau. Thomas Lippert mutmaßte und empfahl eine Unterbringung zur Gutachtenerstellung. Und Dr. Hans Simmerl hat gerade nicht festgestellt, daß Mollath krank sei: er hat im Gegenteil für die von Dr. Leipziger unterstellten psychischen Krankheiten – wahlweise eine isolierte Wahnstörung oder eine paranoide Schizophrenie – keinerlei Anhaltspunkte gefunden. Eben deshalb wurde Prof. Kröber herbeizitiert, der das Leipziger-Gutachten retten sollte und es auch tat.

Otto Lapp:

Erst nach den neuen Vorwürfen der Reifenstecherei steht eine Unterbringung im Raum, weil durchstochene Reifen „Taten von erhöhter Gefährlichkeit“ sein könnten. Denn wenn die Vorwürfe stimmen, war das Leben der Fahrer in Gefahr gewesen.

Unsinn, die Begutachtung sollte bereits 2004 die Prüfung einer Unterbringung gemäß § 63 StGB beinhalten – die Sachbeschädigung wurden erst im Januar 2005 begangen.

Otto Lapp:

Allerdings spielte das angebliche Wahnsystem Mollaths für die Beurteilung seiner Gefährlichkeit eine untergeordnete Rolle. Maßgeblich dafür waren die angebliche Körperverletzung seiner Frau und die 129 durchstochenen Reifen.

Abgesehen von der von Beate Lakotta aufgebrachten Fama, es habe sich um 129 Reifen gehandelt, ist es selbstverständlich das „Wahnsystem“, das die Gefährlichkeit suggeriert. Wegen der Krankheit besteht keine oder nur eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit, auf die bloßen Anlaßtaten kommt es nicht an, sondern auf prognostizierte erhebliche künftige Straftaten. Diese müssen krankheitsbedingt sein.

Auch Beate Lakotta mischt wieder mit – aber bevor ich zu ihrem neuesten Artikel komme, stelle ich ein gemeinsames Zitat von Lapp/Lakotta voran, das ihre Art des affirmativen Journalismus, der gerne mit schmutziger Ehe-Wäsche, anonymen Zeugen, Weglassungen und tendenziösen Akten-Zitaten arbeitet, rechtfertigen soll:

In dem Verfahren wurden Fehler gemacht, auch schwere. Mollath war laut Bundesverfassungsgericht die letzten zwei Jahre ohne ausreichende Begründung in der Psychiatrie untergebracht. Aber das sind nicht die Fehler, die Menschen zum Protestieren gegen die Institutionen des Rechtsstaats auf die Straße treiben. Denn dann könnten sie das auch für andere Maßregelpatienten und Sicherungsverwahrte tun, zum Beispiel für Sexualstraftäter, die ebenfalls zu lange weggesperrt sind.
Sondern es ist die Zauberformel „sieben Jahre unschuldig in der Psychiatrie“, die sich in der öffentlichen Rezeption dieses Falls als Wahrheit durchgesetzt hat. Ebenso wie es als Tatsache gilt, dass Frau M. erhebliche Summen Schwarzgeld in die Schweiz geschafft habe.
Dies sind die beiden Grundannahmen des Skandals. Nach unserer Recherche steht für beide der Nachweis noch aus.
Unsere Rechercheergebnisse wurden nach den jeweiligen Veröffentlichungen weder in Zweifel gezogen oder dementiert. Sie wurden gar nicht aufgegriffen.

http://netzwerkrecherche.org/wordpress/weitblick13werkstatt/2014/04/30/stellungnahme-beate-lakotta-und-otto-lapp/

Dieses Statement bedeutet nichts weiter als den Abschied von einem justizkritischen Journalismus und die Hinwendung zu einer Haltung, die achselzuckend schwere Rechtsfehler hinnimmt (zu denen ein Fehlurteil zweifellos gehört). Aufmucken dürfen Presse und Öffentlichkeit erst, wenn die Justiz in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen hat. Und wenn die Justiz den erforderlichen Nachweis der Schwarzgeldvorwürfe nicht erbringt, waren diese natürlich falsch.

Das Elend bestand aber gerade darin, daß die Justiz den Vorwürfen im Jahr 2004 gar nicht nachging, sondern erst 2012 die Steuerfahndung in Marsch setzte. Ob bei den neuen Ermittlungen die Bank als Beihelferin überhaupt ins Visier genommen wurde, wieviele der Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt schon verjährt waren – das interessiert unsere unkritischen Helden, die sich einem gefühlten Mainstream entgegenstemmen, nicht die Bohne. Und wer nur den CSU-FDP-Mehrheitsbericht zum Untersuchungsausschuß liest, hat seine journalistischen Pflichten verletzt.
Deshalb gab es nichts, das aufzugreifen gewesen wäre.

Alles auf Anfang
Ab nächster Woche findet in Regensburg das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath statt. Er hat angekündigt, seine Unschuld zu beweisen.
Von Beate Lakotta

lautet der Titel ihres SPIEGEL-Artikels in 27/2014 vom 30.6.2014, S. 30 – 31.
Eine stark eingedampfte Version dieses Artikels ist am 6.7.2014 auch auf SPON erschienen – um die schlimmsten Ausrutscher bereinigt und um einige Varianten bereichert:

Landgericht Regensburg: Der neue Prozess gegen Gustl Mollath
Von Beate Lakotta

Am Montag beginnt das Wiederaufnahmeverfahren in Sachen Gustl Mollath. Seit seiner Freilassung tritt er als unbequemer Kritiker der Psychiatrie auf, die Menschen begegnen ihm mit großer Sympathie. Im Prozess geht es nun um schwere Körperverletzung.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-wiederaufnahmeverfahren-beginnt-in-regensburg-a-979168.html

Der erste Satz dieser Passage befindet sich auch im Print-Artikel:

Unstrittig ist aus heutiger Sicht: Mollath war unverhältnismäßig lange in der Psychiatrie untergebracht. Das Urteil gegen ihn steckt voller Faktenfehler, das Verfahren wurde schlampig geführt und verletzte seine Grundrechte. Doch ob er ein unschuldiges Justizopfer ist, muss der neue Prozess erst erweisen.

Der zweite Satz fehlt. Stattdessen wird dort so fortgeführt:

Doch als das Nürnberger Oberlandesgericht am 6. August 2013 beschloss, den Prozess neu aufzurollen und Mollath freizulassen, begründete es dies mit einer Formalie: Das Attest, das seine Exfrau vorlegte, um ihre Verletzungen zu dokumentieren, gilt rechtlich als als „unechte Urkunde“. Der untersuchende Arzt hat es auf dem Praxis-Briefpapier seiner Mutter ausgestellt, die er offiziell vertrat. Das hatte er nur unleserlich vermerkt.

[SPIEGEL 27/2014, S. 30]

Aha, eine Formalie – nix mit Unschuld! Als ob Wiederaufnahmegründe die Unschuld belegen würden. Subtil bereitet sie den Boden vor, um das gesamte Wiederaufnahmeverfahren als politische Farce zu diffamieren, denn es wurde ja von Ministerin Merk angeordnet:

„Das hätte ich gern schriftlich“, habe er deshalb die Ministerin gebeten, berichtete der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Mollath.
Dabei kam der Druck erkennbar von noch weiter oben. Ministerpräsident Horst Seehofer musste befürchten, die öffentliche Empörung könnte mitten im bayerischen Landtagswahlkampf nicht nur seine Justizministerin aus dem Amt fegen, sondern ihn selbst in Mitleidenschaft ziehen.
Der zuständige Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl beschrieb seine Lage vor dem Ausschuss so:“Mein Auftrag war: Führe ein Wiederaufnahmeverfahren zugunsten Gustl Mollaths.“ Nur: Wo nimmt man einen Wiederaufnahmegrund her? Eine undankbare Aufgabe, aber nicht unlösbar: „Ein guter Jurist kann alles in jede Richtung schreiben“, sagte Meindl vor dem Ausschuss. „Sie können Unschuldige hinter Gitter bringen, einen Schuldigen freisprechen.“
Nachdem das Landgericht Regensburg die Auftragsarbeit zugunsten Mollaths abgelehnt hatte, zeigten sich Vertreter aller Parteien bestürzt. Bald darauf ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg die Wiederaufnahme an.

[aaO]

Das ist der klassische Lakotta-Stil: ein perfides Insinuieren, Zitate aus dem Kontext reißen und vermengen, bewußtes Verschweigen (z.B., wie es dazu kam, daß Meindl Rechtsbeugungsvorwürfe aus dem ersten Antragsentwurf wieder herausstrich), zeitliche Abläufe zu kausalen ummodeln – tatsächlich dürfte das OLG über die „Auftragsarbeit“ einer Reinwasch-Justiz in Regensburg bestürzt gewesen sein. All das dient dem Zweck, das ursprüngliche Urteil trotz Fehler und Schlampereien (die im Kern die Unschuldsvermutung und Freiheitsrechte verletzten) für inhaltlich richtig halten zu dürfen.
Daß sie meiner Einschätzung, wonach Meindl als 2. Verteidiger fungieren dürfte, nicht folgt, ist logisch. Meindl ist ein Wetterfähnchen und wird sich in der Hauptverhandlung selbstverständlich mit Verve für eine erneute Verurteilung einsetzen. Denkt sie sich so…
Es ist zu hoffen, daß man sie nicht als Gerichtsberichterstatterin einsetzt. Ein ums andere Mal fabuliert sie von einer „schweren Körperverletzung“, um die es angeblich gehe.
NEIN!

§ 226 StGB
Schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Es geht tatsächlich um eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB.

Spannend bleibt die Frage, wie Sabine Rückert als Mitglied der Chefredaktion die ZEIT in Stellung bringen wird. Vielleicht macht sie es wie im Fall Peggy und läßt gar nicht berichten, um dann den Freispruch unter größtmöglicher Schonung von Prof. Kröber in Grund und Boden schreiben zu lassen.

http://www.zeit.de/2014/21/ulvi-kulac-peggy-urteil