Grass-Gedicht: Gefährdet die Atommacht Israel den Frieden? Ein aktueller Faktencheck

Nichts ist älter als eine Zeitung von gestern. Insbesondere die abgebildete vom 7.5.2012 war schon einen Tag später Makulatur. Die Situation spitzt sich zu. Günter Grass hatte recht, mahnend seine Stimme zu erheben.

Setze ich also meinen Faktencheck fort:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/11/grass-gedicht-gefahrdet-die-atommacht-israel-den-frieden-ein-faktencheck/

Ach, übrigens: Josef Joffe muß seine Sandkastenspiele vom 12.4.2012 ebenfalls überarbeiten.

http://www.zeit.de/2012/16/Kriegsspiele/komplettansicht

Seinen vorgeblich kenntnisreichen, inhaltlich aber wirren Ausführungen war zu entnehmen, daß Israels militärische Gerätschaften für einen erfolgreichen Erstschlag kaum ausreichen, weil es an Flugzeugen für die Betankung in der Luft mangele. Die Möglichkeit, daß Israel seinen Schlag von Aserbaidschan aus starte, schloß er in seinem Szenario aus. Wohl aus diesem Grund verfiel er auf den Gedanken, daß die israelische Kriegsdrohung nicht ernstgemeint sei, sondern nur einen Krieg (welchen?) verhindern solle.

Achje, nicht einmal seine leichtfertigen Aserbaidschan-Prämisse trifft zu. Da hat unser kriegslüsterner Amateur-Feldherr wohl diesen Bericht übersehen:

30.03.2012, 07:17

Atomstreit mit Teheran

Israel macht Flugfeld nahe Iran klar

Aserbaidschan stellt laut US-Diplomaten Israel einen Luftstützpunkt zur Verfügung. Offiziell dementiert Baku – doch der Deal würde einen israelischen Militärschlag wesentlich erleichtern.

Von Silke Mertins Berlin

Die israelische Regierung hat sich US-Vertretern zufolge einen Luftstützpunkt in Aserbaidschan gesichert – in unmittelbarer Nähe zum Erzfeind Iran. „Israel hat sich ein Flugfeld gekauft“, zitiert das renommierte US-Magazin „Foreign Policy“ einen von insgesamt vier hochrangigen amerikanischen Diplomaten. „Und dieses Flugfeld heißt Aserbaidschan.“

Stimmt der Bericht, ist ein möglicher israelischer Militärschlag gegen iranische Atomanlagen ein großes Stück näher gerückt.

Israels F15- und F16-Kampfflugzeuge könnten nach einer Attacke direkt im Nachbarland landen und für den Rückweg auftanken. Das Auftanken in der Luft, für das dem israelischen Militär ausreichend Kapazitäten fehlen, wäre damit unnötig. Gleichzeitig könnten die Kampfflieger mit weniger Treibstoff auch mehr Waffen transportieren, und so die Erfolgschancen der Attacke erhöhen. Ein Flughafen in Aserbaidschan würde Israel „Treibstoff für 1300 Kilometer sparen“, so Sam Gardiner, Militärexperte und Ex-US-Luftwaffen-Oberst.

Dadurch sei ein Angriff „machbarer“. Die Entfernung und die große Anzahl an Zielen galt bisher als Haupthindernis für einen Militärschlag gegen den Iran. Von einem Luftstützpunkt im Nachbarland aus könnten zudem Rettungsaktionen durchgeführt werden, sollte der Angriff missglücken.

Im Weißen Haus sei man über die engen Beziehungen zwischen Israel und Aserbaidschan „nicht glücklich“, so ein Diplomat. Zumal Israel dem als Kleptokratie verrufenen Regime in Baku Waffen im Wert von 1,6 Mrd. Dollar verkauft hat. Darunter sollen israelische Drohnen sein, die zu den besten der Welt gehören, sowie Raketenabwehrsysteme.

[…]

http://www.ftd.de/politik/international/:atomstreit-mit-teheran-israel-macht-flugfeld-nahe-iran-klar/70016240.html

Wer glaubt schon den Dementis eines gewissenlosen Kleptokraten?

19.04.2012

Aserbeidschan widerspricht Meldungen, Israel könne Flughäfen für einen Angriff auf den Iran nutzen

[…]

Militärisch gibt es enge Beziehungen mit Israel. Militärflughäfen in Aserbeidschan wurden von Israel modernisiert, das auch Waffen an das Land verkauft. Zu den Berichten, dass Aserbeidschan Israel bei einem Angriff auf den Iran unterstützen könnte, sagte nun Aliyev, dabei handele es sich um eine „Informationssabotage“ interessierter Kreise, um Aserbeidschans unabhängige Position in Misskredit zu bringen und Konflikte mit seinen Nachbarn zu schüren.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/151827

Daß Netanjahu eine Gefährdung Israels durch den Iran lediglich verschwörungstheoretisch behauptet und nicht einmal vor dem Holocaust-Vergleich zurückschreckt, kritisieren israelische Militär- und Sicherheitsexperten mittlerweile scharf:

30. April 2012

Sicherheitschefs misstrauen Netanyahu

Israels Ministerpräsident am Pranger wegen Iran-Politik

Monika Bolliger, Jerusalem

[…]

Neben ehemaligen Führungspersönlichkeiten aus Armee und Geheimdienst haben sich auch Amtsträger kritisch zum Thema Iran geäussert. Der jetzige Chef des Mossad und Nachfolger Dagans, Tamir Pardo, sagte Ende 2011, dass der Ausdruck «existenzielle Bedrohung» zu beliebig verwendet werde. Iran sei zwar unbestritten eine Gefahr für Israel. Aber selbst wenn Teheran die Atombombe erlange, heisse das nicht, dass Israel zerstört würde.

Vergangene Woche schliesslich hatte auch Generalstabschef Benny Gantz besonnene Töne angeschlagen, welche im Kontrast zu Netanyahus Rede anlässlich des Holocaust-Gedenktages vorletzte Woche standen. Der Ministerpräsident hatte die iranische Bedrohung mit dem Dritten Reich gleichgesetzt und vor einem neuen Holocaust gewarnt. Trotz anhaltender Popularität Netanyahus unterstützen laut einer Umfrage vom Februar nur rund 20 Prozent der Israeli einen militärischen Alleingang gegen Iran. Laut einer anderen Umfrage nehmen 75 Prozent der Israeli Iran als Bedrohung für ihr Land wahr.

http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/sicherheitschefs-misstrauen-netanyahu_1.16677574.html

Letzteres Umfrageergebnis verwundert nicht: wenn Angst propagandistisch geschürt wird, entsteht sie auch. In demselben Artikel aus der Schweiz – in der deutschen Presse kann man solch klare Aussagen ja wegen Selbstzensur aus Angst, wie Grass mit der Antisemitismuskeule niedergemacht zu werden, leider kaum finden –, heißt es zu der militärischen Sinnlosigkeit eines Erstschlags gegen iranische Atomanlagen:

Die Iran-Politik Netanyahus stösst in Israel auf immer grösseren Widerstand. Am Freitag kritisierte erneut eine bedeutende Persönlichkeit aus dem israelischen Sicherheitsapparat den Ministerpräsidenten. Yuval Diskin, der von 2005 bis 2011 Chef des israelischen Inlandgeheimdienstes Shin Bet war, sagte, er habe keinerlei Vertrauen in die Führung des Landes. Netanyahu überschätze die Erfolgschancen eines Militärschlages gegen Iran und führe mit seiner Rhetorik die Öffentlichkeit in die Irre. Der Ministerpräsident hatte wiederholt auf militärische Aktionen gegen die iranischen Atomanlagen gedrängt.

Ein Angriff auf Iran könne laut zahlreichen Experten jedoch auch zu einer Beschleunigung des Atomprogramms führen, begründete Diskin seine Kritik. Netanyahu aber äussere sich so, als ob ein Militärschlag eine iranische Atombombe automatisch verhindern würde. Er kritisierte weiter, dass Netanyahu nur vorgebe, mit den Palästinensern verhandeln zu wollen, zumal er damit seine Koalition aufs Spiel setzen würde. Dabei erschwere jeder weitere ungenutzte Tag die Lösung des Problems.

http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/sicherheitschefs-misstrauen-netanyahu_1.16677574.html

Natürlich hat Vernunft keine Chance. Weder in Diktaturen noch in Demokratien. Das ist schlicht ein Naturgesetz… Der Nationalist Netanjahu will den Krieg, warum auch immer (wobei ich auf den unvernünftigen Drang zur Selbsterhöhung tippe). So hat er Differenzen mit den ultrareligiösen Koalitionspartnern, deren Klientel sich vor der Wehrpflicht noch drücken kann, wenn sie nur eifrig die Thora studiert, beim Säbelrasseln, Kämpfen und Töten der Soldaten als klassische Siedler im Palästinensergebiet aber am meisten profitiert, zum Anlaß genommen, Neuwahlen herbeizuführen. So schrieb es noch am 7.5.2012 der TAGESSPIEGEL, der sich wegen der Hintergründe dieses Vorhabens der Insiderkenntnisse von Charles A. Landsmann bediente:

Damit öffnet Netanjahu nach Informationen des renommierten israelischen Journalisten Amnon Abramowitsch allerdings auch ein zweimonatiges Kriegsfenster für einen Angriff auf Irans Atomanlagen.

Der hochdekorierte Kriegsinvalide äußerte sich entsprechend in dem Wochenmagazin des Fernsehsenders „Kanal 2“. In Israel geht man davon aus, dass es im Sommer auf keinen Fall zu einem Angriff auf den Irans kommen wird. Nach der US-Wahl im November riskiert Jerusalem aber eine heftige Reaktion des gewählten Präsidenten, sei es der Demokrat Barack Obama oder der Republikaner Mitt Romney. Mit Wahlen im September aber entstünde bis zur US-Wahl am 5. November ein zweimonatiges Kriegsfenster. In diesem Zeitraum würde Netanjahu – für dessen Wahlsieg derzeit alles spricht – einer Übergangsregierung vorstehen, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt. In den USA könne sich Obama in der Schlussphase des Wahlkampfes keine politischen Strafmaßnahmen gegen Israel erlauben. Netanjahu und sein Verteidigungsminister Ehud Barak, die gemeinsam gegen den mehrheitlichen Willen der israelischen Regierung und des Parlamentes dem Iran mit einer Attacke drohen, hätten somit zwei Monate Zeit, ihre Pläne umzusetzen. Abramowitschs Enthüllungen stützen sich offenbar – wie schon früher – auf zuverlässige Quellen in höchsten Kreisen.

http://www.tagesspiegel.de/politik/neuwahl-in-israel-wegen-iran/6597574.html

Schon einen Tag später ging die Taktik Netanjahus mit den drohenden Neuwahlen auf, bei denen die Kadima-Partei schlechte Karten gehabt hätte. Mit fliegenden Fahnen trat ein opportunistischer Machtmensch (die israelische Politikerkaste ist flächendeckend korrupt) in die schwächelnde Netanjahu-Regierung ein. Und nun gibt es niemanden mehr, der Netanjahu in den Arm fallen könnte – gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, gegen die Ratio von Militärs und Geheimdiensten. Demokratie läßt sich mißbrauchen, das ist bekannt. In der durchmilitarisierten Gesellschaft von Israel ist die Gefahr noch viel größer als anderswo. Das, was jetzt in Israel geschieht, gefährdet tatsächlich den Weltfrieden…

SPON am 8.5.2012:

Für Israels Premierminister Benjamin Netanjahu war es ein großer Coup: Überraschend hat er in der letzten Minute vorgezogene Neuwahlen doch noch abgewendet. In den frühen Morgenstunden einigte er sich mit Schaul Mofas, Chef der Mitte-Links-Partei Kadima, eine Große Koalition zu bilden. Ihr werden 96 der 120 Abgeordneten im Parlament angehören – eine komfortable Mehrheit.

Damit erhöht Netanjahu den Druck auf Teheran im Streit um das iranische Atomprogramm. Anstatt die nächsten Monate im Wahlkampf zu versinken, bleibt der Premierminister handlungsfähig und kann sich nun auf eine große und stabile Koalition stützen. Gleichzeitig schafft er es, die israelische Innenpolitik auf eine Linie einzustimmen: Mit Mofas bindet er den Politiker ein, der ihm im Streit um die Iran-Politik hätte gefährlich werden können

[…]

Schaul Mofas hatte in den vergangenen Wochen angefangen, sich der Kritik israelischer Sicherheitsexperten an Netanjahus harter Iran-Linie anzuschließen. Ex-Geheimdienstchef Meir Dagan und einzelne Militärs kritisierten, Netanjahu überschätze die Bedrohung für Israel durch Iran.

Dieser Linie schien sich auch der eher als Hardliner bekannte Ex-Militärchef Mofas anschließen zu wollen. Zuletzt sagte er im April in einem Interview mit der „New York Times“, die Gefahr für Israel durch die festgefahrenen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern sei deutlich größer. Seine Kadima-Partei hatte in Umfragen massiv verloren.

[…]

Mit dem Ex-Likud-Mann und Ex-Verteidigungsminister Mofas hat Netanjahu nun einen Partner an seiner Seite, der sich wohl seiner Linie gegen Teheran anschließen wird. Einen Militärschlag gegen Iran hat Mofas bisher nicht ausgeschlossen. Er werde, sollte es dazu kommen, Netanjahu unterstützen, erklärte Mofas im April.

Mofas gilt in Israel als Opportunist und Machtmensch. Erst im vorigen Monat hatte er ausgeschlossen, der Regierung Netanjahus beizutreten. Auch der Kadima-Partei hatte sich der Ex-Likud-Vertreter 2005 erst angeschlossen, nachdem er dies wenige Wochen zuvor noch abgelehnt hatte.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-netanjahu-bildet-grosse-koalition-mit-kadima-a-831964.html

Man darf Israel und seine Bürger nicht diesen Figuren überlassen. Sie, die Menschen, nicht von diesen verachtungswürdigen Politikern ins Verderben stürzen lassen. So wenig wie deutsche Wähler haben sie Einfluß darauf, welche Koalitionen Machtpoliker auch gegen ihren Willen schmieden. Wer das Existenzrecht Israels bejaht, muß diesen Politiker-Kriegstreibern in den Arm fallen.

In Deutschland hat sich neben Günter Grass eigentlich nur die Ein-Mann-Friedensbewegung Jürgen Todenhöfer zu Wort gemeldet und in der FRANKFURTER RUNDSCHAU auf Selbsterständlichstes hingewiesen (zitiert nach dem Online-Ausriß in ›Junge Welt‹):

Vieles spricht dafür, daß das »iranische Nuklearproblem« ein Vorwand ist, um den Iran zu isolieren und in die Knie zu zwingen. Daß es in Wahrheit um die Vorherrschaft in der ölreichen Region geht. Der Iran ist zum Ärger der USA der eigentliche Gewinner des Irakkriegs, ohne daran teilgenommen zu haben. Seither erstreckt sich der iranische Einfluß über den Irak, Syrien, Libanon bis tief in die schiitischen Gebiete Saudi-Arabiens und Bahrains hinein.

Diesen Machtzuwachs wollen die USA rückgängig machen und den Iran durch Druck, Drohung und Gewalt wieder zu einem linientreuen Verbündeten machen. Wie zu Zeiten des CIA-Schützlings Schah Reza Pahlevi, dessen Nuklearpläne der Westen stets bereitwillig unterstützte. Daneben geht es den USA im Mittleren Osten immer auch um die Stabilisierung Israels. Die arabische Revolution hat die Region unberechenbar gemacht. Jeder israelische Politiker muß sich Sorgen um die Zukunft seines Landes machen. (…)

Angriffsdrohungen und erst recht Militärschläge sind völkerrechtswidrig. Die deutsche Unterstützung eines Angriffs widerspräche Artikel 26 unseres Grundgesetzes und wäre nach Paragraph 80 des Strafgesetzbuches strafbar. Die lockere Art, mit der westliche und israelische Politiker völkerrechts- und verfassungswidrige Pläne in Betracht ziehen, zeigt, daß ihnen die rechtlichen und moralischen Maßstäbe abhanden gekommen sind. (…)

http://www.jungewelt.de/2012/05-04/026.php

Hier der Link zum Original-Artikel von Todenhöfer:

http://www.fr-online.de/israel-iran-konflikt/iran-auf-der-suche-nach-der-bombe,11950234,15091698,item,0.html

 

Um Moral geht es der Politik allerdings nur, wenn es nichts kostet. Die Ukraine ist wirtschaftlich uninteressant. Da sagt ein deutscher Bundespräsident zugunsten einer zweifelhaften Gas-Oligarchin und professionellen Selbstinszeniererin namens Julia Timoschenko gerne mal ein langweiliges Treffen ab, und Frau Wendehals Merkel plädiert ebenfalls dafür, sich vor Ort keine Fußballspiele anzusehen (im Fernsehen sieht man sowieso mehr: Nahaufnahmen, Zeitlupenwiederholungen). Die Nagelprobe für den schlichten Populisten von BILDs Gnaden Gauck wird es sein, wie er sich auf seiner Israel- und Palästina-Reise ab dem 31.5. positioniert. Darauf dürfen wir alle gespannt sein.

Ganz klar waren die bislang stattgefundenen angeblichen Verhandlungen mit dem Iran über sein Atomprogramm keine Verhandlungen, sondern Demütigungsveranstaltungen mit dem Ziel & Zweck, den einzigen orientalischen Staat, der nicht auf US-Kurs ist, mit Sanktionen in die Knie zu zwingen. Niemand hat die Sicherheitsbedürfnisse eines von feindlichen Glaubensbrüdern und US-Militärbasen umzingelten Staates jemals ernsthaft in Erwägung gezogen. Oder die Ungleichbehandlung von Iran und Israel in Sachen Atomprogramm thematisiert. Auch das iranische Volk leidet, extremer als das israelische, unter einer schlechten Regierung… Wer sich über die vorgeblichen Verhandlungen informieren möchte, kann hier nachlesen:

Am Rande des Abgrunds.

Norman Paech
http://norman-paech.de/app/download/5784395691/Am+Rande+des+Abgrunds.pdf

Tja. Und welche Signale sendet die feige deutsche Regierung heute aus?

Wie üblich die falschen. Nachzulesen in einem kleinen Kästchen-Bericht im SPIEGEL Print, 19/2012, S. 20

Westerwelle verprellt Palästinenser

Die palästinensische Regierungsspitze fühlt sich von Außenminister Guido Westerwelle hinters Licht geführt. Der hatte bei einem Besuch in Ramallah Anfang Februar angekündigt, dass die palästinensische Generaldirektion in Berlin aufgewertet werden solle. Im Bundestag hatte er sogar von einer „diplomatischen Mission Palästinas“ gesprochen. Davon ist der Minister wieder abgerückt. In einer sogenannten Verbalnote des Auswärtigen Amtes an die palästinensische Mission heißt es nun, der Leiter der paästenisensischen Mission dürfe sich Botschafter nennen, falls die Palästinenser das wollten. Daraus ergäben sich aber „keinerlei zusätzliche  Privilegien oder Immunität“. Die Regierung von Präsident Mahmud Abbas will nun darauf pochen, dass Westerwelle sein Versprechen auch umsetzt. Westerwelles Rückzieher hat wohl damit zu tun, dass Kanzlerin Angela Merkel die Aufwertung der palästinensichen Vertretung für verfrüht hält.

Angesichts dieser Konstellation: ein schon aufgrund parteipolitischer Selbstzerlegung marginalisierter Außenpolitiker, eine moralfreie machtbewußte Realpolitikerin als Kanzlerin ohne Wertegerüst, brauchen wir unsere Dichter wie Grass und unsere Moralisten wie Todenhöfer, der seine alte Sünden glaubhaft abgebüßt hat – Profi-Politiker und Mainstream-Journis haben ja offensichtlich kein Interesse daran, diesen unsinnigen, elenden Krieg zu verhindern.

Daß meine Kommentare unnützlich sind, weiß ich ja. Aber manchmal schmerzt das mehr, als man ertragen kann…

Update:

Und wer sich selbst ein Bild vom Iran machen will und mit anderen als den vorgestanzten Mehrheitsmeinungen zurückkehrt, erntet was? Genau, den Sturm der Entrüstung und jede Menge Nachteile und Ausgrenzungen:

Radikalliberale Unschuld

von Eckhard Stengel

Wie der FDP-Landtagskandidat Claus Hübscher seinen Besuch beim iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verteidigt.

Claus Hübscher hätte es wissen können. „Warum fährst du da hin? Was handelst du dir da ein?“, fragten Bekannte den FDP-Landtagskandidaten aus Delmenhorst bei Bremen, bevor er als Privatmann zu einer zehntägigen Iranreise aufbrach. Jetzt ist er wieder da, und ein Sturm der Entrüstung fegt über ihn hinweg. Denn der 65-jährige ehemalige VHS-Chef war mit seiner Reisegruppe auch Gast bei Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Hübscher hat ihm die Hand geschüttelt, sich mit ihm fotografieren lassen und hinterher erstaunlich Positives über ihn verlautbart: Ahmadinedschad bestreite weder den Holocaust noch lasse er Atomwaffen entwickeln.

Die allgemeine Empörung hat ihn jetzt einen Dozentenjob gekostet: Die Volkshochschule, an der Claus Hübscher als Ruheständler noch einen Gesprächskreis über Kulturen und Religionen leitete, hat ihn fristlos entlassen, weil er „dem Ansehen der VHS erheblich geschadet“ habe.

[…]

Hübscher hat nun keine Ruhe mehr. Ein anonymer Anrufer habe ihm angedroht, alles für seinen Rauswurf aus der FDP zu tun. Der Diplom-Volkswirt und dreifache Vater fühlt sich „missverstanden und überinterpretiert, von A bis Z“ und sagt: „Ich kann dem Günter Grass jetzt nachfühlen, was er mitmacht.“

http://www.tagesspiegel.de/politik/radikalliberale-unschuld/6606826.html

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Grass-Gedicht: Gefährdet die Atommacht Israel den Frieden? Ein Faktencheck

Immerhin, in Schweden hat man die Nerven behalten, und das ist ja keine Kleinigkeit in Zeiten der medialen Hocherregung:

Günter Grass

Posted by Peter Englund under Nobelpriset, då och nu

Unter Bezugnahme auf die jüngste Debatte über Günter Grass‘ Gedicht „Was gesagt werden muβ“ erlaube ich mir festzustellen, daβ Herr Grass den Nobelpreis für Literatur des Jahres 1999 aufgrund literarischer Verdienste, und ausschlieβlich aufgrund literarischer Verdienste, erhalten hat – was, nebenbei gesagt, für alle Preisträger gilt. Die Schwedische Akademie sieht heute wie zukünftig keinen Anlaβ für eine Diskussion, ihm diesen Preis in irgendeiner Weise streitig zu machen.

Peter Englund
Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie

http://akademiblogg.wordpress.com/

Das Lesen von Gedichten scheint eine Schwerarbeit zu sein, der sich Journalisten, Politiker und Adabei-Profiteure der medialen Aufmerksamkeit nur ungern unterziehen. So heißt es allzuoft, Günter Grass habe der israelischen Regierung unterstellt, einen atomaren Erstschlag gegen den Iran zu planen. Er habe zudem unterstellt, die Regierung wolle die Auslöschung des iranischen Volks. Beides ist falsch, wie eigentlich ganz leicht nachzulesen ist:

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

Die Art und Weise des Erstschlags wird nicht konkretisiert, und aus dem konjunktivischen ›könnte‹, das auf die möglichen Konsequenzen eines heillos eskalierenden Militärschlags gegen iranische Atomanlagen verweist, wird mutwillig ein entsprechender Wunsch der israelischen Regierung gebastelt. Das ist intellektuell unredlich – aber mit Intellekt hat die allseitige Schmähkampagne gegen Günter Grass ja auch nichts zu tun.

Weitere öffentliche Vorwürfe knüpfen sich an diese Zeilen:

Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

Grass mache das Opfer zum Täter, heißt es. Iran sei der Aggressor, die Drohungen Ahmadinejads, Israel von der Landkarte zu wischen, seien mehr als bloßes Maulheldentum, Grass verkenne die wahre Situation, er spreche Israel das Recht auf Selbstverteidigung ab, ja, er bestreite geradezu das Existenzrecht Israels.

Solchen Anwürfen kann man nur mit einem Faktencheck begegnen.

Es fängt schon damit an, daß der auch im Jahr 2012 noch immer kolportierte Ausspruch des iranischen Präsidenten aus dem Jahr 2005 spätestens im Jahr 2008 als falsche Übersetzung westlicher Pressedienste entlarvt worden ist:

Umstrittenes Zitat von Ahmadinedschad

Der iranische Schlüsselsatz

26.03.2008, 19:21

Von Katajun Amirpur

Kein Satz wird so häufig mit dem amtierenden Präsidenten Irans, Mahmud Ahmadinedschad, assoziiert wie dieser: Israel muss von der Landkarte radiert werden. Das Problem ist nur – er hat diesen Satz nie gesagt.

[…]

Was also ist passiert? Am 26.10.2005 sprach Ahmadinedschad auf einer Konferenz, die unter dem Motto stand „Die Welt ohne Zionismus“. Es waren im Wesentlichen die großen westlichen Nachrichtenagenturen, die die Übersetzung dieser Passage lieferten: Israel von der Landkarte radieren (AFP), Israel von der Landkarte tilgen (AP, Reuters), Israel ausrotten (DPA). Ahmadinedschad sagte jedoch wörtlich: „in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.“

Das bedeutet: „Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden.“ Oder, weniger blumig ausgedrückt: „Das Besatzerregime muss Geschichte werden.“ Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden.

[…]

http://www.sueddeutsche.de/kultur/umstrittenes-zitat-von-ahmadinedschad-der-iranische-schluesselsatz-1.287333

Nun, die Besetzung von Ost-Jerusalem ist völkerrechtswidrig und muß tatsächlich beendet werden. Und die Forderung nach einem Verschwinden des zionistischen Regimes entspricht auf der Gegenseite der Forderung nach einem Verschwinden des Mullah-Regimes – in beiden Fällen wird nicht zur Vernichtung eines ganzen Volkes aufgerufen. Im übrigen: Bramabarsieren gehört zum innenpolitischen Handwerkszeug, und man sollte auf keiner der beiden Seiten Worte auf die Goldwaage legen. Auch den Ministern Jischai und Lieberman ist herabsetzende Polemik nicht fremd:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,675247,00.html

http://zmag.de/artikel/avigdor-lieberman-schande-israels

Wie ernst ist die Gefahr eines israelischen Erstschlags gegen die Atomanlagen im Iran?

Glaubt man Anshel Pfeffer, der bei der ›Haaretz‹ den ›the-axis-haaretz-iran-blog‹ betreibt, hat Netanjahu Anfang März gegenüber Obama abgelehnt, mit dem Militärschlag bis nach den amerikanischen Wahlen im November 2012 zu warten, sondern lediglich versprochen, bis zum Herbst dieses Jahres abzuwarten, so daß der Angriff in die letzte Zeit des Wahlkampfs des amerikanischen Präsidenten fallen und diesen unter Druck setzen würde. So könnte Israel Konzessionen der USA gegen das Versprechen erzielen, den riskanten Militärschlag zu unterlassen.

Pfeffer bezieht sich dabei auf einen Artikel der israelischen Zeitung Maariv vom 10.4.2012, der sich auf amerikanische Offizielle beruft:

  • Published 15:27 10.04.12
  • Latest update 15:27 10.04.12

Small window of opportunity for a strike on Iran

If recent reports of a Netanyahu promise to postpone an attack on Iran until the fall are true, a possible strike would correspond with the pivotal weeks just before the American presidential election.

By Anshel Pfeffer

[…]

Since most military analysts believe that Israel would almost certainly prefer to carry out a complex and difficult long-range attack on Iran in a period when the skies above the target are cloudless, that either means Israel has agreed to postpone the potential strike for at least another eleven months or that the window of opportunity is open now for September or October. In other words, during the crucial final stages of the American presidential elections campaign.

This seems to be the fear of Maariv’s un-named administration sources, complaining that „Netanyahu refused to commit that Israel would not attack Iran before the elections in November 2012 and agreed to wait with a military operation only until the fall.“

According to the paper, Netanyahu’s reasoning is that „after fall, the Iranian nuclear installations will be in ‚the immunity zone‘ from an Israeli strike and Israel will lose its independence to decide on military action.“

We have no way of verifying this report but it does tally with what Barack Obama said two months ago – „I don’t think that Israel has made a decision on what they need to do.“ And of course, it fits in with Netanyahu’s tendency to play the internal American political arena.

Announcing that Israel may decide to attack Iran at the worst possible political timing puts pressure on Obama, and could potentially lead to some valuable American concessions to Israel, in exchange for an eventual commitment not to strike.

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Pfeffer weist auch auf diesen Artikel in der Washington Post vom 8.4.2012 hin, der auf ein gezieltes Leak von Geheimdiensten und Regierungsoffiziellen in Richtung Israel und Iran hindeute: Israel solle damit beruhigt werden, daß die USA wegen ihrer hervorragenden Aufklärung durch Drohnen und Abhörmaßnahmen genau darüber im Bild seien, ob und wann der Iran heimlich ein Atomwaffen-Programm beginne, und der Iran solle gewarnt werden, daß die USA wüßten, was er im Schilde führe:

Meanwhile, a comprehensive report in Sunday’s Washington Post on America’s intelligence operations within and regarding Iran seems to be intended, at least partly, to allay Israeli fears that a lack of accurate intelligence could allow Iran to quietly slip into the nuclear realm, as North Korea did in October 2006 when it shocked the world with its first nuclear test. It would seem that the report is directed at Iran to warn them that „we know what you are up to.“

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Aus dem entsprechenden Artikel der Washington Post ergibt sich allerdings auch, daß der Iran überhaupt kein Atomwaffen-Programm betreibt. Seit Jahrzehnten wurde also ein großer Popanz aufgebaut:

U.S. intelligence gains in Iran seen as boost to confidence

By Joby Warrick and Greg Miller, Published: April 8

More than three years ago, the CIA dispatched a stealth surveillance drone into the skies over Iran.

The bat-winged aircraft penetrated more than 600 miles inside the country, captured images of Iran’s secret nuclear facility at Qom and then flew home. All the while, analysts at the CIA and other agencies watched carefully for any sign that the craft, dubbed the RQ-170 Sentinel, had been detected by Tehran’s air defenses on its maiden voyage.

[…]

U.S. officials say Iran’s leaders are gathering the materials for a nuclear bomb but have not decided to build one. If they do, they’l have to overcome technical hurdles and risk having their work discovered by outsiders. Here are steps Iran might follow to make its first weapon.

“There was never even a ripple,” said a former senior U.S. intelligence official involved in the previously undisclosed mission.

CIA stealth drones scoured dozens of sites throughout Iran, making hundreds of passes over suspicious facilities, before a version of the RQ-170 crashed inside Iran’s borders in December. The surveillance has been part of what current and former U.S. officials describe as an intelligence surge that is aimed at Iran’s nuclear program and that has been gaining momentum since the final years of George W. Bush’s administration.

http://www.wpost.com/world/national-security/us-sees-intelligence-surge-as-boost-to-confidence/2012/04/07/gIQAlCha2S_story.html

Da sind wir also, wie vor dem Irak-Krieg, in die Irre geführt wurden: die USA wußten schon seit Jahren, daß der Iran keine Atomwaffen baut. Diese Desinformationspolitik wundert einen nicht: Iran war, nach dem Irak, der nächste Schurkenstaaat auf Bush’s Agenda. Daß jetzt offenbar wird, daß an dem Verdacht nichts dran war, hat natürlich mit der Gefahr zu tun, die Netanjahus Ankündigung eines Erstschlags auslöst:

The Obama administration has cited new intelligence reports in arguing against a preemptive military strike by Israel against Iranian nuclear facilities.

Israeli officials have pushed for a more aggressive response to Iran’s nuclear activities, arguing that Iran is nearing what some officials have called a “zone of immunity,” in which Iran can quickly complete the final steps toward becoming a nuclear power inside heavily fortified bunkers protected from Israeli airstrikes.

White House officials contend that Iran’s leaders have not decided to build a nuclear weapon, and they say it would take Iran at least a year to do so if it were to launch a crash program now.

“Even in the absolute worst case — six months — there is time for the president to have options,” said the senior U.S. official, one of seven current or former advisers on security policy who agreed to discuss U.S. options on Iran on the condition of anonymity.

http://www.wpost.com/world/national-security/us-sees-intelligence-surge-as-boost-to-confidence/2012/04/07/gIQAlCha2S_story.html

Israel ist auch für die USA aus dem Ruder gelaufen: also wird jetzt offenbart, daß der Iran ab jetzt noch ein Jahr bis zur Waffenentwicklung brauchen würde, wenn er sich denn wenigstens jetzt zu einen solchem Programm entschlösse. Netanjahu geht allerdings von einem halben Jahr aus – daher die Ankündigung eines Abwartens nur bis September/Oktober.

Für das Maulheldentum iranischer Regierungskreise gibt es übrigens auch hier ein instruktives Beispiel: nachdem vor vier Monaten eine den Iran beobachtende US-Drohne abgestürzt war, berühmte sich der Iran, er habe die Kontrolle über die Drohne übernommen und sie gezielt landen lassen. Komplett ausgeschlossen, sagt ein israelischer Drohnen-Spezialist:

On the tail of the long report, there was a very interesting detail – that despite the capture of one of the U.S.’s ultra-secret RQ-170 surveillance drones that fell in Iran four months ago and was displayed on Iranian television, the „Beast of Kandahar“ is still silently overflying Iran, escaping radar detection.

At the time, the Iranians claimed that they had managed to penetrate the drone’s control system, take it over and land it. I recently asked one of Israel Air Force’s veteran drone experts if this was at all possible and he said that „it is virtually impossible. As humiliating as that was for the Americans, losing control of an unmanned plane, especially when it is on a long-range mission, far away from any of your bases, is not a rare occurrence.“

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Wer also gefährdet aktuell den Weltfrieden: Israel oder Iran?

Und wie gefährlich ist die Atommacht Israel?

In einer Rezension der Neuausgabe von David Hirst’s Buch: ›The Gun and the Olive Branch‹ zitierte THE OBSERVER am 21.9.2003 den berühmten israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld. Aus anderen Quellen ist bekannt, daß es sich hierbei um ein Interview im niederländischen Wochenmagazin Elsevier, 2002, no. 17, p. 52-53 (April 27th, 2002) handelt, also zur Hochzeit der zweiten Intifada:

http://en.wikipedia.org/wiki/Martin_van_Creveld

In dieser Situation schätzte er die Bevölkerung und Ariel Sharon so ein, daß beide zum Eskalations-Mittel einer ‚Überführung’ (sprich Ausweisung) der Palästinenser greifen würden. Auf die Frage, ob die Welt eine solche ethnische Säuberung erlauben würde, sagte er: »Das kommt darauf an, wer es tut und wie schnell es passiert. Wir verfügen über hundert atomare Sprengköpfe und können sie gegen Ziele in alle Richtungen, vielleicht sogar nach Rom, schießen. Die meisten europäischen Hauptstädte sind Ziele für unsere Luftwaffe. Lassen Sie mich General Moshe Dayan zitieren: „Israel muß wie ein tollwütiger Hund sein, zu gefährlich, als daß man sich mit ihm anlegt.“ Für mich ist das alles jetzt hoffnungslos. Wir müßten versuchen, zu verhindern, daß es dazu kommt, soweit das möglich ist. Unsere Armee ist jedenfalls nicht die dreißig-stärkste in der Welt, sondern eher die zweit- oder drittstärkste. Wir haben die Fähigkeit, die Welt mit in den Untergang zu reißen. Und ich kann Ihnen versichern, daß das passiert, bevor Israel untergeht.«

Tilman Krause würde wohl wieder von typischer Nazi-Untergangsmetaphork sprechen, wenn er sich denn mal mit den Realien beschäftigen würde:

The war game

David Hirst’s account of the Arab-Israeli conflict, The Gun and the Olive Branch, caused a storm 25 years ago. In this edited extract from his new and updated edition he offers a personal and highly controversial view of the current crisis in the Middle East

[…]

Iran can never be threatened in its very existence. Israel can. Indeed, such a threat could even grow out of the current intifada. That, at least, is the pessimistic opinion of Martin van Creveld, professor of military history at the Hebrew University in Jerusalem. ‚If it went on much longer,‘ he said, ‚the Israeli government [would] lose control of the people. In campaigns like this, the anti-terror forces lose, because they don’t win, and the rebels win by not losing. I regard a total Israeli defeat as unavoidable. That will mean the collapse of the Israeli state and society. We’ll destroy ourselves.‘

In this situation, he went on, more and more Israelis were coming to regard the ‚transfer‘ of the Palestinians as the only salvation; resort to it was growing ‚more probable‘ with each passing day. Sharon ‚wants to escalate the conflict and knows that nothing else will succeed‘.

But would the world permit such ethnic cleansing? ‚That depends on who does it and how quickly it happens. We possess several hundred atomic warheads and rockets and can launch them at targets in all directions, perhaps even at Rome. Most European capitals are targets for our air force. Let me quote General Moshe Dayan: „Israel must be like a mad dog, too dangerous to bother.“ I consider it all hopeless at this point. We shall have to try to prevent things from coming to that, if at all possible. Our armed forces, however, are not the thirtieth strongest in the world, but rather the second or third. We have the capability to take the world down with us. And I can assure you that that will happen before Israel goes under.‘

http://www.guardian.co.uk/world/2003/sep/21/israelandthepalestinians.bookextracts

Es ging noch einmal gut: aber daß diese Phantasien bei Regierungen bestehen und sie auch noch die Mittel dazu haben, sie umzusetzen, sollte ausreichen, um eine kritische Haltung gegenüber dem einzunehmen, was jetzt gerade geschieht.

Bereits im April 2006 warnte Martin van Creveld Israel davor, den Iran anzugreifen. Unter den gegebenen Machtverhältnissen stelle ein nuklear bewaffneter Iran keine Bedrohung für die USA dar und, allen Brandreden Ahmadinejads zum Trotz, nicht einmal für Israel. Israel habe schon seit langem ausreichendes Abschreckungspotential.

»Sollte die Abschreckung versagen, kann Jerusalem Teheran schnell in eine radioaktive Wüste verwandeln – ein Fakt, dessen sich die Iraner voll bewußt sind.«

Und er weist schon 2006 darauf hin, daß den Geheimdiensten der Bush-Administration nicht zu trauen ist, was die angebliche Nuklear-Rüstung Irans angeht. Seit fünfzehn Jahren erzählen sie, daß der Iran in drei oder fünf Jahren die Bombe haben werde.

»Wenn ihre vergangenen Leistungen überhaupt etwas belegen, dann das, daß die Geheimdienste nicht einmal wissen dürften, wie sie es sagen sollen, ob sie genug über iranische Kernkraftanlagen wissen – oder ob sie ihre Vorgesetzten anlügen oder nicht oder ob sie sich selbst belügen. Jeder, der ihnen auch nur ein Wort glaubt – geschweige denn die ›Information‹, die sie bereitstellen, als Basis einer Entscheidungsfindung benutzt – muß von Sinnen sein.«

Knowing Why Not To Bomb Iran Is Half the Battle

By Martin Van Creveld

Published April 21, 2006, issue of April 21, 2006.

Given the balance of forces, it cannot be argued that a nuclear Iran will threaten the United States. Iranian President Mahmoud Ahmadinejad’s fulminations to the contrary, the Islamic Republic will not even be a threat to Israel. The latter has long had what it needs to deter an Iranian attack.

Should deterrence fail, Jerusalem can quickly turn Tehran into a radioactive desert — a fact of which Iranians are fully aware. Iran’s other neighbors, such as Russia, Pakistan and India, can look after themselves. As it is, they seem much less alarmed by developments in Iran than they do by those thousands of miles away in Washington.

The main countries to feel the impact of a nuclear Iran will surely be those of the Persian Gulf. This is not because Tehran is likely to drop a bomb on Kuwait or the United Arab Emirates; rather, the Iranian regime may feel less constrained in dealing with its neighbors across the Gulf.

[…]

Last but not least, before deciding to bomb Iran’s nuclear installations the Bush administration must seriously question whether the intelligence on which its decision is based is reliable. Those of us who have followed reports on the development of Iran’s nuclear program know that the warnings from American and other intelligence agencies about Tehran building a bomb in three and five years have been made again and again — for more than 15 years.

For 15 years, the intelligence agencies have been proven dead wrong. And to this gross exaggeration of Iran’s true intentions and capabilities must be added the fairy tales the same intelligence agencies have been feeding the world regarding Saddam Hussein’s alleged weapons of mass destruction.

The Central Intelligence Agency, Defense Intelligence Agency, National Security Agency and the rest of the American intelligence community may know where Iran’s nuclear installations are located. Or they may not. They may know how those installations are inter-connected, which ones are the most important, and how they can be hit and destroyed. Or they may not.

If their past record is any indication, the intelligence agencies may not even know how to tell whether they know enough about Iran’s nuclear installations — or whether or not they are lying to their superiors, or to themselves. Anybody who believes one word they are saying — let alone uses the “information” they provide as a basis for decision-making — must be out of his or her mind.
Read more: http://www.forward.com/articles/1254/knowing-why-not-to-bomb-iran-is-half-the-battle/#ixzz1rdpFwCY2

Ganz aktuell, am 14.3.2012, empfahl van Creveld seinem Land dringlich, sich um Syrien zu kümmern, aber den Iran in Ruhe zu lassen. Irans Nuklear-Programm sei durch Bomben nicht zu stoppen – und andererseits würde eine atomare Bewaffnung des Iran Stabilität für die Region bedeuten, wie es der Kalte Krieg in Europa gezeigt habe. Wörtlich sagt er das, was Günter Grass auch sagt:

»In diesem Licht ist die wahre Bedrohung nicht Irans Verfolgung einer Nuklearbewaffnung, sondern Israels Versuche, sie aufzuhalten.«

»Die meisten geistig gesunden Menschen – eingeschlossen die in Israel – verstehen, daß ein unprovozierter israelischer Angriff auf den Iran katastrophale Auswirkungen haben könnte. Er würde die Bewegung des Arabischen Frühlings in eine entschiedene anti-westliche Richtung befördern, die Islamisten und die Säkularisten in erneutem verstärkten Haß gegen Israel vereinen und eine Serie von terroristischen Attentaten sowohl in Israel als auch auf westliche Einrichtungen in arabischen Ländern mit schiitischer Bevölkerung hervorrufen.

Das virtuelle Armageddon zu erkennen, das einem schlecht entworfenen Angriff des Irans folgen könnte hat nichts mit Appeasement-Politik zu tun. Es ist die schlichte Wahrnehmung der Realität, daß Israel und der Westen wenig vom Iran zu befürchten haben – selbst von einem Iran mit limitierter nuklearer Kapazität nicht.«

Martin van Creveld, Jason Pack

Mar. 14, 2012

Hands On Syria, Hands Off Iran

CAMBRIDGE – Israel is daily ratcheting up its threats to attack Iran over its nuclear program. Unfortunately, these threats have come to overshadow more pressing events in Syria, which is the epicenter of a regional crisis that will determine the future of the Arab Spring, as well as Iran’s role in the Middle East.

[…]

The Israeli government has vastly exaggerated the threat that a nuclear Iran poses to its security, as well as Israel’s capacity to halt it. Disabling the Iranian nuclear program by aerial bombardment is probably impossible, owing to its size and dispersion, a lack of actionable intelligence, and, above all, the fact that the element of surprise has long been lost. Iran’s acquisition of the bomb, on the other hand, could bring increased stability to the region, as the doctrine of Mutual Assured Destruction demonstrated in the Cold War between the United States and the Soviet Union.

Understood in this light, the real threat is not Iran’s pursuit of a nuclear weapon, but Israel’s attempts to halt it, which would surely incur Iranian retaliation through blockade of the Strait of Hormuz – sending oil prices soaring to more than $200 a barrel and driving the world’s major economies into sustained free-fall. In fact, despite the faux solidarity that US President Barack Obama expressed to the American Israel Public Affairs Committee in early March, Israel’s saber-rattling appears to be galvanizing an American modus vivendi with Iran in order to avert an Israeli attack.

This reading of events is amplified by British Prime Minister David Cameron’s statements during his recent US visit. The subtext is that Cameron and Obama have closed ranks in identifying Israeli Prime Minister Binyamin Netanyahu, and not the ayatollahs, as the primary wildcard. Netanyahu threatens to upend Obama’s carefully constructed international consensus concerning sanctions and containment of Iran – a consensus that averts regional mayhem.

Most sane people – including in Israel – grasp that an unprovoked Israeli attack on Iran could have catastrophic consequences. It would push the Arab Spring movements in a decidedly anti-Western direction, unify Islamists and secularists in a reinvigorated hatred of Israel, and provoke a spate of terror attacks both inside Israel and on Western interests in Arab countries with Shia populations.

Acknowledging the virtual Armageddon that could follow from an ill-conceived attack on Iran is not appeasement. It is simply recognition of the reality that Israel and the West have little to fear from Iran – even an Iran with limited nuclear capacity.

http://www.project-syndicate.org/online-commentary/hands-on-syria–hands-off-iran

So hat es schon im November 2011 Shimon Stein gesehen:

Atomstreit mit Iran

Mit der Bombe leben

  • Shimon Stein
  • Datum 20.11.2011 – 19:46 Uhr

Sollte die iranische Bedrohung, wie zahlreiche israelische Politiker sie beschreiben, existenzieller Natur sein, dann muss man einen militärischen Eingriff mit allen damit verbundenen Nachteilen ernsthaft in Erwägung ziehen.

Ich bin nicht der Auffassung, dass die Bedrohung existenziell ist. Daher glaube ich, dass wir uns völlig anders mit dem Problem auseinandersetzen müssen. In einem Punkt bin ich mir sicher: Die Folgen eines militärischen Alleingangs Israels hätten unvorstellbare Konsequenzen für unser Land. Daher sollte von der militärischen Option Abstand genommen werden.

[…]

Die zweite Option besteht darin, zu lernen, mit der Bombe zu leben. Wenn ein Staat entschlossen ist, nukleare Waffen zu besitzen, wird es ihm über kurz oder lang auch gelingen (siehe Pakistan). Man kann das iranische Programm militärisch nicht ein für alle Mal ausschalten. Aber sollte man sich deshalb darauf einstellen, regelmäßig aufs Neue militärisch vorzugehen?

Mit der iranischen Bombe zu leben würde für Israel, die Region und den Westen einen Paradigmenwechsel bedeuten. Israel würde sich einige grundsätzliche Fragen bezüglich seiner zukünftigen Abschreckungsstrategie stellen und Antworten darauf finden müssen, wie es sich auf die neue Lage einstellt. Ebenso müssten die USA und die Nato überlegen, welche Strategie sie dann in der Region verfolgen wollen. Die Anpassung würde nicht leicht sein. Hoffen wir deshalb, dass die Vernunft obsiegt und die Welt es schafft, Iran endlich unmissverständlich den Ernst der Lage klarzumachen.

http://www.zeit.de/2011/47/P-Israel-Iran/seite-2

Warum ist es so schwierig, sich von einem überholten Konzept der militärischen Überlegenheit zu verabschieden, wenn sich ein Gleichgewicht des Schreckens doch wesentlich stabilisierender auswirkt?

Grass hat mit seinem Gedicht die wahre Sachlage erfaßt – und viele scheinen es ja geflissentlich übersehen zu haben, daß sein Hauptgegner die deutsche Politik ist.

Da gesteht der Verteidigungsminister gegenüber BILD, daß er seinem israelischen Kollegen von einem Angriff auf den Iran wegen der nicht beherrschbaren Konsequenzen abgeraten habe.

Warum stellt er sich nicht vor das Parlament und erklärt, welche Planspiele in seinem Haus und beim BND zu diesem Szenario durchgeführt wurden? Wieso gibt er nicht bekannt, wie die militärischen Optionen Deutschlands im Kriegsfall aussehen? Und warum begründet er nicht, wie er den Rechtsbruch verantwortet, Waffen in ein Spannungsgebiet zu verkaufen und die Lieferung auch noch mit 135 Mio. Euro zu subventionieren, auf daß die deutsche Rüstungsindustrie gedeihe?

Warum schreibt Westerwelle in BILD, daß die deutsche Politik einen atomwaffenfreien Nahen Osten erstrebe, läßt aber das Parlament darüber im unklaren, welche Schritte zur Erreichung dieses Ziels bislang unternommen wurden? Die U-Boot-Lieferung kann es ja nicht sein…

Warum erklärt Frau Merkel nicht, wie sie die Staatsdoktrin der deutschen Garantie der Sicherheit Israels in der aktuellen Lage – gegen Obama – umzusetzen gedenkt?

Warum müssen israelische Gast-Autoren in deutschen Zeitungen für die Freiheit der Meinung und der Kunst des widerlich gebashten Günter Grass streiten, warum schweigt unser Freiheitskämpfer und Herzens-Präsident Gauck, jetzt, wo es mit billigen Predigten nicht mehr getan, sondern wirklich mal Mut gefragt ist? Weil er nur von Springers Gnaden Präsident geworden ist?

Die taz hält es wie fast alle deutsche Zeitungen: sie traut sich nicht, dem widerwärtigen Antisemitismus-Vorwurf gegen Kritiker der Regierungspolitik Israels selbst entgegenzutreten, sondern läßt den bewährten Moshe Zuckermann das Notwendige sagen:

http://www.taz.de/Debatte-Guenter-Grass/!91171/

Was hinter dem ideologisch mißbrauchten Antisemitismus-Vorwurf steckt, hat Zuckermann hier erläutert:

Das Böse der Banalisierung

Moshe Zuckermann über den Rechtsruck der Antisemitismuskritik – bis an die Grenze zur Holocaust-Leugnung
Von REDAKTION, 25. November 2010 –

H.: Inwiefern und wo grenzt der ideologische Missbrauch der Antisemitismuskritik an „Shoah-Verleugnung“ – bei den Genozid verharmlosenden, sogar verniedlichenden Gleichsetzungen von NS-Schergen mit militanten Palästinensern, wie sie beispielsweise von israelischen Regierungsvertretern oder hierzulande von Israel-Solidarisierern praktiziert werden? Sie warnen ja auch vor einer „Entleerung“ des Antisemitismusbegriffs …

M.Z.: Ja, es handelt sich in der Tat um Vergleiche, die das, was ein Adorno noch als unsäglich apostrophierte und sich davor scheute, allzu schnell mit Namen zu benennen, in einen polemisch konstruierten Zusammenhang bringen. Es geht also um eine verbale Praxis, die letztlich darauf hinauslaufen muss, dass durch Inflationierung des Begriffs, mithin durch seine Abnutzung die welthistorische Singularität der Shoah, aber eben auch das Bewusstsein von den geschichtlich gewichtigen Auswirkungen des realen Antisemitismus schlicht aushöhlt. Was den Polemikern, die solche Vergleiche in Israel wie in Deutschland anstellen, entgeht, ist die Tatsache, dass sie damit nicht nur die historischen Opfer des Antisemitismus für unhaltbare Zwecke instrumentalisieren, sondern dass sie die Opfer im Stande ihres Opferseins, also als die, die sie waren, nämlich Opfer, nicht mehr erinnern. Damit verraten sie die Opfer selbst, aber auch das Andenken daran, was diese zivilisatorisch repräsentieren – eine Opfer erzeugende gesellschaftliche Realität – ein weiteres Mal. Im Falle der so agierenden Deutschen wundert mich das auch gar nicht: ihnen geht es ja gar nicht um die Juden, schon gar nicht um die heute noch lebenden, sondern primär um ihre eigene Befindlichkeit bzw. um die Regulierung ihres gestörten emotionalen Haushaltes. Es handelt sich um ein regressives Moment.

http://www.hintergrund.de/201011251260/feuilleton/zeitfragen/das-boese-der-banalisierung.html

Im übrigen hat Deutschland keinen Anlaß, sich über das Einreiseverbot Israels aufzuregen.

Es bleibt nämlich noch anzumerken, daß Martin van Creveld ebenfalls zur persona non grata erklärt wurde: von der Universität Trier, deren rabiate Feministinnen Anstoß an seinen politisch unkorrekten Auslassungen ­nahmen – eine Kurzfassung seines inkriminierten Vortrags befindet sich hier:

http://www.welt.de/kultur/history/article13693394/Wenn-Maenner-sich-schlagen-erregt-das-die-Frauen.html

Hier der flammende Protestbrief des AStA gegen ihn, weil seine Thesen »frauenfeindlich, militaristisch, latent antiisraelisch, nicht zuletzt vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv« seien – eigentlich fehlt nur noch der bewährte Antisemitismus-Vorwurf!, – der tatsächlich zum Abbruch der Vortragsreihe führte:

http://www.uni-trier.de/index.php?id=21689&tx_ttnews[tt_news]=12570&cHash=5b32f3af9fb735f25ba867415f311d48

Hier der offene Brief von Prof. Gerhard Amendt gegen die Ausladung:

http://www.freiewelt.net/nachricht-8518/offener-brief-zur-ausladung-von-martin-van-creveld.html

Mit der Meinungs- und Wissensschaftsfreiheit ist es eben auch in einem demokratischen Rechtsstaat so eine Sache, wenn man gegen die geltende Staatsdoktrin verstößt. Eigentlich sollte auch der Mißbrauch des Holocaust dazu gehören, wie ihn Netanjahu Anfang März in den USA betrieb. Kritik daran war aber nur aus Israel zu hören.

In Deutschland haben wir vielmehr einen emeritierten Ästhetik-Professor namens Bazon Brock, der die Instrumentalisierung der Shoah sehr in Ordnung findet:

FOCUS Online:Netanjahu hat Obama auch Aufzeichnungen des US-Außenministeriums übergeben, die 1944 erstellt wurden und aus denen hervorgeht, dass trotz Bitten von jüdischen, polnischen und anderen Exilanten das KZ Ausschwitz nicht verhindert wurde.

Brock: Es gab nur sechs Eisenbahngleise nach Auschwitz. Wenn diese gesprengt worden wären, hätte es Auschwitz nie geben können. Roosevelt, Stalin und Churchill haben das systematische Töten von Juden trotz klarer Beweise nicht unterbunden. Sie hätten diese Gleise sprengen können, doch sie haben es nicht getan. Netanjahu gibt Obama damit zu verstehen, dass die Amerikaner damals den Holocaust nicht verhindert haben und sich damit mitschuldig gemacht haben. Hier stecken also die großen Dimensionen in diesem Fall und die hätte ein Grass erkennen müssen. Doch mit seinen Zeilen ist er in der Widersinnigkeit geendet.

FOCUS Online: Auf welche aktuellen Ereignisse spielte Netanjahu mit dieser Botschaft an?

Brock: Die klare Botschaft, die hier überbracht wird, ist, dass es eine solche Situation wie Auschwitz nie weder geben darf. Damit wird eine neue Dimension eröffnet, weil Netanjahu klar sagt, dass auch die Amerikaner Schuld am Holocaust haben. Netanjahus Botschaft ist klar: Amerika muss den Präventivschlag mit Israel gegen den Iran führen oder glaubhaft versichern, dass die Iraner keine Atombombe bauen. Doch mit diplomatischen Mitteln wird das nicht funktionieren. Das funktionierte schon in Indien, Pakistan und Nordkorea nicht. Deshalb wird es auch nicht im Iran funktionieren. Und der Iran hat als erklärtes Ziel die Vernichtung von Israel. Deshalb gibt es von Netanjahu eine klare Botschaft an die amerikanischen Freunde.

http://www.focus.de/politik/deutschland/aesthetik-professor-brock-zu-grass-gedicht-er-hat-in-gravierender-weise-kontrollverlust-erlitten_aid_734426.html

Von einem selbsternannten Generalisten kann man keinen Durchblick verlangen. Von anderen schon.