Jörg und Miriam Kachelmann: statt der Fortsetzung der Rezension ein Intermezzo

Eigentlich wäre jetzt die Würdigung der Beiträge von Miriam Kachelmann angebracht, wie versprochen. Und die möchte ich doch eher ausführlich gestalten, gerade weil die dumpfe Reaktion der angegriffenen Medien sich, was Miriam Kachelmann angeht, auf so sexistische Formeln wie Löwin, Amazone, Übermutter oder eben BILD-mäßig auf ›hochnäsig‹ verständigt hat. Es ist auch nicht zu erwarten, daß Alice Schwarzer sich gegen diese sexistische Bewertung in die Schlacht werfen wird. Ihr Motor ist ja keineswegs die Gerechtigkeit, wie sie nur glaubt. Frauen sind ihr nur wichtig, wenn sie sich gegen den Mann instrumentalisieren lassen. Und Miriam Kachelmann tut ihr den Gefallen nicht: im Gegenteil.

Selbstbewußte kämpferische Frauen müssen auf sowas gefaßt sein in einem feministisch unterwandertem Mainstream der Medien, der wie die Ideologie selbst Frauen nur als Opfer gebrauchen kann. Ohne das Klagelied von Nachteilen kann für die KIientel ja nichts herausgeholt werden. Ganz normale Frauen bringen für die Sache nichts. Dazu (und nicht nur dazu) muß ich ganz unbedingt etwas schreiben.

Aber irgendetwas kommt ja immer dazwischen. Abgesehen von den irrelevanten persönlichen Verhinderungen sind es jetzt die Aktualitäten, die mich ein wenig von meinem Vorhaben abbringen:

25.10.2012 15:15

Heute Verhandlung gegen EV in Sachen Kachelmann-Buch / Entscheidung wird in Kürze bekanntgegeben

Heute verhandelt das Landgericht Mannheim über den Widerspruch des Heyne Verlags und des Ehepaars Kachelmann gegen die Einstweilige Verfügung [mehr…], durch welche die Ex-Geliebte von Jörg Kachelmann vor zwei Wochen Verlag und Autoren untersagt hatte, das Buch Recht und Gerechtigkeit zu vertreiben, wenn dort ihr Nachname ausgeschrieben wird.

In der heutigen Verhandlung nahm sich das Gericht, wie buchmarkt.de aus dem Gerichtssaal erfahren hat, vor allem die Anwälte von Claudia D. zur Brust, die durch ihre ungeschickte PR-Strategie die Mannheimer Richter offenbar sehr verärgert hatten. Wie komme es, so eine Frage des Vorsitzenden Richters, dass die Kanzlei Zipper laut Medienberichten nicht nur den Klarnamen, sondern auch vertrauliche Verfahrensakten mit sensibelsten, seine Mandantin betreffenden Daten an einen Journalisten weitergegeben hatte, wo Claudia D. doch so großen Wert auf Privatsphäre lege?

Anwalt Zipper sprach von einem Versehen und erläuterte, dass er jenen von ihm informierten Journalisten gar nicht vorher gekannt habe.

Im weiteren Verlauf hat Heyne-Anwalt Dr. Konstantin Wegner dem Gericht eine aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis gebracht, die dem Gericht bei Erlass des Verbotes offenbar unbekannt war. In einem höchstrichterlichen Urteil, das unter dem Stichwort „Wenn Frauen zu sehr lieben“ in offiziellen Entscheidungssammlungen geführt wird, war entschieden worden, dass jemand, der sich bewusst und aus kommerziellen Gründen für Fotoaufnahmen zur Verfügung stellt, aus Rechtsgründen hinnehmen muss, dass man ihn künftig in der Öffentlichkeit mit Namen nennt.

Genau das hatte Claudia D. nach Kachelmanns Freispruch getan: Auf ganzen vierzehn Hochglanz-Seiten hatte Claudia D. im „Peoplemagazin“ Bunte über ihr Seelenleben Auskunft gegeben. Der Artikel enthielt nicht weniger als zehn zum Teil ganzseitige Fotos, darunter eines auf der Titelseite, der Nachname der so von der Bunte wiederholt als „blonde, attraktive Radiomoderatorin“ bezeichneten Claudia D. jedoch war stets abgekürzt.

Im Lichte des zitierten Urteils, so RA Dr. Wegner, habe Claudia D. durch die Zustimmung in das Interview und den Fotoabdruck das Recht verloren, die Nachnamensnennung zu verbieten.

Weiteres Stirnrunzeln in Richtung D.s Anwalt beim Gericht war zu erkennen, als es erfuhr, dass Medienberichten zufolge Claudia D.s Leben verfilmt werden solle und sie sich auf Nachfrage der Bunte vorstellen könne, dass niemand Geringeres als George Clooney die Rolle von Jörg Kachelmann im Film verkörpern solle.

[…]

http://www.buchmarkt.de/content/52779-heute-verhandlung-gegen-ev-in-sachen-kachelmann-buch-entscheidung-wird-in-kuerze-bekanntgegeben.htm

Lebt man in Mannheim hinter dem Mond? Hat dort niemand die BUNTE-Artikel gelesen, vielleicht mal ein wenig gesurft, was die Filmrechte und den google- und internetmäßig weithin bekannten Namen der Antragstellerin angeht, und noch nicht einmal die BGH-Rechtsprechung konsultiert? Die 5. Große Strafkammer hat sich diesbezüglich zeitgemäßer orientiert, sonst hätte sie die zur eigenen Rechtfertigung umfunktionierte mündliche Urteilsbegründung nicht auch auf Schelte des Internets ausgedehnt (wo ja nicht nur krakeelende Fans unterwegs waren, sondern auch Justizkritiker).

Kauft die nur nebenbei mit Pressesachen befaßte und insoweit mehr schlecht als recht unterrichtete 3. Zivilkammer des LG Mannheim (wer würde sich in presserechtlichen Angelegenheiten schon an das LG Mannheim wenden, wenn nicht ein regionaler Anwalt, der auf seiner Homepage überregionale Siege feiern möchte?) RA Zipper das „Versehen“ ab, wo doch der Meedia-Artikel dessen Absicht nachweist? Was muß das für ein Anwalt sein, der jetzt auch noch zugibt, den Journalisten gar nicht zu kennen, dem er die intimen Details aus der Akte (und dann auch noch die seine Mandantin belastenden Gutachten) und einen Fragekatalog für die Pressekonferenz bei der Buchmesse, alles ohne Vertraulichkeitszusage, übermittelt hat… All das, um in Frankfurt während der Buchmesse einen Show-Termin zu landen, der gründlich danebenging. Vielleicht ahnte er das Debakel und schickte deshalb den Vater mit provinziellem Hütchen und die bedauernswerte Kollegin vor?

Hier noch einmal der Link zum entlarvenden Meedia-Artikel:

http://meedia.de/fernsehen/kachelmanns-ex-vom-eigenen-anwalt-blossgestellt/2012/10/16.html

Vielleicht merkt das Gericht jetzt, daß es als instrumentalisierter Teil einer Litigation-PR von Claudia D.s Anwalt eingeplant war und als unbedarfte Mannheimer Landrichter vorgeführt werden sollte. Wie Schwenn die 5. Große Strafkammer vorgeführt hat, wenn auch aus den gegenteiligen Motiven.

Hier der Link zu dem von dem Heyne-Anwalt angezogenen Urteil, das sicherlich der vor Drucklegung erfolgten Entscheidung, den Klarnamen der Anzeigeerstatterin auszuschreiben, zugrundegelegen hat:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=58383&pos=30&anz=602

In diesem Urteil geht es zwar darum, daß der Lebensgefährte einer Schauspielerin rechtmäßig als Porno-Darsteller geoutet wurde, ein öffentliches Wirken, das ja nicht so direkt auf BUNTE-Fotostrecken übertragbar ist: im Sinne eines ›dann aber erst recht‹ ist dieses hochbezahlte Hineinwirken in die Öffentlichkeit durch die Anzeigenerstatterin gegenüber dem körperlichen Treiben eines weniger honorierten männlichen Pornodarstellers aber gewiß bedeutsam, auch wenn die Photoshop-Arbeit des BUNTE-Fotografen  eine Wiedererkennbarkeit derjenigen, die dieses unselige Verfahren in Gang gesetzt hat, erschwert hatte. Die Wiederkennbarkeit wiederum wurde sichergestellt durch die nachträgliche Entpixelung der im Gerichtssaal aufgenommenen realistischen Bilder sowie durch die aktuellen Aufnahmen in der Vox-Sendung ›prominent!‹ vom 14.10.2012, in der ihre Anwältin Schimmel für sie sprach und in der auf aktuelle ungeschönte Fotos von ihr, nunmehr unblondiert und also brünett, gezoomt wurde. Auch dieses öffentlichkeitswirksame Auftreten reduziert den Persönlichkeitsschutz der ›Anklägerin‹, die durch sachverständig festgestellte unglaubhafte Beschuldigungen imponierte, auf Null. Ihr Opfer hatte den zu keiner Zeit…

Sie hatte aufgrund der Anzeige nicht unerhebliche Einnahmen, und demgegenüber der, wie selbst der durch die 5. Große Strafkammer falsch kommunizierte Freispruch belegt, zu Unrecht Beschuldigte, extreme Ausgaben. Selbstverständlich hatte die Anzeigenerstatterin lediglich deshalb kommerzielle Verwertungsmöglichkeiten, weil sie einen Prominenten angezeigt hatte. Aber gerade durch diese vorgenommene kommerzielle Verwertung hat sie sich jeglichen Persönlichkeitsrechtsschutzes begeben. Sie ist quasi von der regionalen Halböffentlichkeit als Moderatorin eines Spartensenders mit Autogrammkarte aufgestiegen in die Liga ihres Opfers. Und ihr sie découvrierender Anwalt ersehnt offenbar Ähnliches.

Die entscheidende Passage des durch den Heyne-Anwalt angezogenen BGH-Urteils lautet [Hervorhebung von mir]:

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger in allen Pornofilmen, in denen er mitgewirkt hat, jeweils für kurze Zeit im Bild zu sehen und mit dem Gesicht erkennbar. Er hat nicht nur an Massenszenen gleich einem Statisten mitgewirkt, sondern ist auch in Szenen mit nur einer oder bis zu drei weiteren Personen zu sehen. Dies wird anschaulich durch den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Screenshot dokumentiert, der den Kläger – gut erkennbar, ohne Gesichtsmaske oder in sonstiger Weise anonymisiert – aktiv im Zentrum des Geschehens und im Mittelpunkt des Bildes zeigt (so bereits KG, Urteil vom 18. Juli 2008 – 9 U 131/07, aaO). Darüber hinaus ist der Kläger auf dem Cover eines der Filme abgebildet. Bei dieser Sachlage ist der Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in den Filmen nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper aufgetreten, nicht zu folgen. Hiervon könnte man allenfalls dann ausgehen, wenn der Kläger Maßnahmen zum Schutz vor seiner Identifizierung getroffen, d.h. beispielsweise eine Gesichtsmaske getragen hätte. Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall. Ein Darsteller in einem Pornofilm, der sich dem Publikum ohne jede Einschränkung präsentiert und sein Gesicht erkennen lässt, kann aber nicht auf einen namen- und indentitätslosen Körper reduziert werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Filmen namentlich nicht benannt wird. Denn durch die Abbildung seiner Person, vor allem seines Gesichts ist er identifizierbar (vgl. KG, Urteil vom 18. Juli 2008 – 9 U 131/07, aaO unter II. 3. a) aa) (4)).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Mitwirkung des Klägers in den Pornofilmen auch nicht deshalb der Privatsphäre zuzuordnen, weil es sich hierbei um eine bloße Nebentätigkeit des hauptberuflich als Bildhauer tätigen Klägers handle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich privater Lebensgestaltung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet war. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt der Öffentlichkeit als Pornodarsteller präsentiert. Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende Pornofilme wie diejenigen, an denen der Kläger mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme hat abbilden lassen.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=58383&pos=30&anz=602

Dasselbe gilt auch für die Anzeigeerstatterin, die sich erkennbar und honoriert durch die BUNTE an die Öffentlichkeit gerichtet hat. Um den BGH zu paraphrasieren:

Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende People-Magazine wie diejenigen, an denen der Antragstellerin mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem sie sich auf dem Cover einer der BUNTE-Ausgaben hat abbilden lassen.

Das kann mir keiner einreden, daß zwischen dem Verkauf von Intimitäten an den Boulevard, Prostitution und Pronodrehs ein mehr als nur gradueller Unterschied besteht. In meinem Wertesystem steht all das auf derselben Stufe – mit dem entscheidenden Unterschied, daß nur der Boulevard zur Vernichtung von Existenzen beiträgt und beitragen will.

Prostitution und Pornographie gehören zum Leben und der conditio humana – da muß man realistisch sein und dafür eintreten, daß die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Protagonisten so human und unter Wahrung der Würde der Menschen wie nur irgend möglich zu gestalten ist.

Wer sich an den Boulevard verkauft, sich also seelisch prostituiert, um Dritten zu schaden, verdient weder Verständnis noch Gnade.

Update (26.10.2012):

Pressekammer des LG Mannheim hebt EV gegen Kachelmann-Buch auf

Wie BuchMarkt eben vom Landgericht Mannheim erfuhr, hat dessen Pressekammer in einer spektakulären Entscheidung seine eigene Einstweilige Verfügung vom 10. Oktober 2012 gegen den Heyne Verlag und gegen Jörg und Miriam Kachelmann aufgehoben.

Damit darf Clauda D. nunmehr Claudia Dinkel genannt werden.

[…]

http://www.buchmarkt.de/content/52787-pressekammer-des-lg-mannheim-hebt-ev-gegen-kachelmann-buch-auf.htm

Update II (26.10.2012):

Was war heute noch über die zutreffende Entscheidung des Landgerichts Mannheim in Erfahrung zu bringen?

Nun, der Pressesprecher Dr. Joachim Bock, der noch am 11.10.2012 zeitnah auskunftsfreudig war:

Pressemitteilung im Verfahren Claudia D. ./. Verlagsgruppe Random House GmbH

Datum:  11.10.2012

Kurzbeschreibung:

Pressemitteilung im Verfahren
Claudia D. ./. Verlagsgruppe Random House GmbH

Einstweilige Verfügung im Verfahren 3 O 98/12 zugestellt
Die vom Landgericht Mannheim mit Beschluss vom 10.10.2012 erlassene einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin am 11.10.2012 durch eine Gerichtsvollzieherin zugestellt worden.

Mit der einstweiligen Verfügung ist der Antragsgegnerin verboten worden, das Buch „Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz“ in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, sofern darin die Antragstellerin mit vollständigem Familiennamen benannt ist.

[…]

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1279583/index.html?ROOT=1160629

schweigt sich bislang (21 Uhr) aus – dabei hätte man gern mehr über die Begründung erfahren, wieso sowohl in dem Buch (Verfahren 3 O 98/12) als auch durch Jörg Kachelmann persönlich (Verfahren 3 O 99/12) öffentlich der Nachname der früheren Anzeigenerstatterin genannt werden darf.

Rechtsanwalt Höcker deutet die Begründung an:

26.10.2012

Kachelmann darf Anzeigenerstatterin wieder mit vollem Namen nennen.

Das LG Mannheim hatte es Jörg Kachelmann am 11.10.2012 zunächst per einstweiliger Verfügung verboten, öffentlich den Namen der Schwetzinger Radio-Moderatorin zu nennen, die ihn fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt hatte (Az. LG Mannheim 3 O 99/12). Kachelmann legte durch HÖCKER Widerspruch gegen die Verfügung ein. Gestern fand die mündliche Verhandlung über den Widerspruch statt, in der Kachelmann durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. Ralf Höcker und Dr. Ruben Engel vertreten wurde. Die Richter eröffneten die Verhandlung mit dem Hinweis darauf, dass sich ihre Rechtsauffassung nicht geändert habe, die Verfügung also nicht aufgehoben werde. In einer zweistündigen, zum Teil turbulenten Verhandlung konnte das Gericht vom Gegenteil überzeugt werden. Heute wurde bekannt, dass die Kammer die Verfügung aufgehoben hat. Die Begründung der Entscheidung steht noch aus.

Prof. Dr. Ralf Höcker:

„Herr Kachelmann darf diese Dame nun wieder beim Namen nennen, denn eine Radiomoderatorin, die ihre Persönlichkeitsrechte an die BUNTE und an eine Filmfirma verkauft hat, verliert natürlich jeglichen Anspruch auf Anonymität.“

http://www.hoecker.eu/mitteilungen/artikel.htm?id=288

und verweist auch auf die Dynamik der mündlichen Verhandlung, die den Rechtsanwalt der Antragstellerin mit seinem ungeschickten Versuch einer Litigation-PR in einem schlechten Licht dastehen ließ (die Homepage seiner Kanzlei ist mittlerweile um die Eintragungen zu den zwei Niederlagen, die das LG Mannheim Jörg Kachelmann zugefügt habe, bereinigt worden). So ähnlich formuliert es auch Rainer Dresen, der Justitiar von Random House:

26.10.2012 16:06

Rainer Dresen zum Kachelmann-Buch: Ich rechne mit keinen Belästigungen mehr

Das Buch Recht und Gerechtigkeit von Jörg und Miriam Kachelmann (Heyne) darf wieder ungeschwärzt vertrieben werden: die am 10. Oktober erlassene EV [mehr…] wurde heute von Landgericht Mannheim aufgehoben [mehr…]. buchmarkt.de sprach mit Random House-Justitiar Rainer Dresen über den Fall…

Erst Namensnennung, dann EV gegen Namensnennung, die nun aus einsichtigen Gründen abgeschmettert wurde: Man hat ein bißchen den Eindruck, Ihr Gegenanwalt sei mit Google-Algoritmen und Urteilen in Pressedingen recht unvertraut…

Das mag ich nicht kommentieren. Aber auf unserer Seite waren mit Professor Dr. Ralf Höcker als einem der führenden deutschen Medienanwälte und mit Dr. Konstantin Wegner als dem wohl besten deutschen Verlagsanwalt in der Tat ausgewiesene Experten zugange. Da war es für den Schwetzinger Lokalmatadoren Zipper vielleicht nicht so ganz leicht, zumal er laut eigener Homepage als u.a. Fachanwalt für Strafrecht und als Experte für Führerscheinrecht und EU-Fahrerlaubnisrecht auch nicht jeden Tag gegen Buchverlage zu klagen scheint.

Abgesehen von seinen „Glanzleistungen“ beim E-Mail-Versand vertraulichster Mandantendaten: Wie kann man einem unbekannten Journalisten – angeblich versehentlich – belastendes Material über die eigene Mandantin zuspielen?

Ich bitte um Nachsicht mit dem Kollegen. Was soll man auch tun, wenn man auf einmal in einem bundesweit beachteten Medienverfahren mitspielen darf, aber offenbar bislang noch keine verlässlichen Pressekontakte über den Bereich des Schwetzinger Gerichtssprengel hinaus hat? Da informiert man vielleicht jeden, dessen man habhaft werden kann. Der Kollege hat sich beim Gerichtstermin deshalb ja auch zerknirscht gezeigt. Es war einer wenigen Fälle, bei dem ich erleben durfte, daß der die Verhandlung führende Richter eine Aussage des Gegenanwalts „Ich war naiv und töricht.“ ins Sitzungsprotokoll nahm.

[…]

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Zum großen Erstaunen des lesenden Publikums erfuhr es dann allerdings noch, daß für Claudia D. noch eine dritte einstweilige Verfügung beim LG Mannheim erwirkt worden war, die völlig unbeworben geblieben war; auch sie bezog sich nicht auf das Buch, sondern auf das Verbot von öffentlichen Äußerungen Jörg Kachelmanns:

Zugleich hob das Gericht auch eine weitere, separat verhandelte Verfügung gegen Kachelmann teilweise auf. Der abschließenden Entscheidung zufolge darf er seine Ex-Partnerin öffentlich nun doch als „Falschbeschuldigerin“ bezeichnen, weiterhin nicht jedoch als „Kriminelle“. Zu mündlichen Verhandlungen kommt es, wenn die von einer einstweiligen Verfügung Betroffenen Widerspruch einlegen. Dann befasst sich das Gericht noch einmal mit der Sache und fällt ein Urteil.

http://www.welt.de/newsticker/news1/article110287755/Kachelmann-siegt-im-Streit-um-Namensnennung-von-Ex.html

Falschbeschuldigerin ja, Kriminelle nein. Das eine ist zulässige Meinungsäußerung, das andere unzulässige Schmähkritik. Die Begründung würde ich doch gern einmal lesen.

Einstweilen muß ich mich mit dem Kommentar von Rainer Dresen begnügen:

Das Gericht untersagt, daß Kachelmann Frau Dinkel eine Kriminelle nennt, läßt aber den Begriff „Falschbeschuldigerin“ durch. Für mein journalistisches Selbstverständnis: Falschbeschuldigung ist dann lt. Mannheimer Rechtsprechung eher ein Kavaliersdelikt? Was ja auch einiges erklären würde…

Ich glaube, das Gericht fürchtete, dass der Begriff „Kriminelle“ so verstanden werden könnte, als sei die Anzeigeerstatterin tatsächlich wegen ihrer nicht zum Erfolg führenden Strafanzeige verurteilt worden, was sie ja bislang nicht wurde. Es wurden nicht einmal Ermittlungen aufgenommen. „Falschbeschuldigerin“ hingegen darf sie wohl deshalb genannt werden, weil Jörg Kachelmann rechtskräftig freigesprochen wurde und damit unverrückbar und unumkehrbar feststeht, daß er unschuldig ist und sie ihn deshalb denknotwendig zu Unrecht, also im Wortsinne „falsch“, beschuldigt hat.

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Das erscheint mir nicht schlüssig: Falschbeschuldigung wird als nicht-rechtstechnischer Begriff behandelt, der Ausdruck ›Kriminelle‹ dagegen durchaus? Nun, da gibt es andere Entscheidungen, vorhin habe ich eine des Sächsischen Staatsgerichtshofs gefunden, der eine Verurteilung wegen Beleidigung von Richtern und Staatsanwälten als ›Kriminelle‹ und ›kriminelle Vereinigung‹ aufgehoben hat, weil die Bezeichnung im Zusammenhang mit konkreten Vorwürfen nicht aus der Luft gegriffen sei, wenn auch rechtstechnisch ›daneben‹. Vielleicht finde ich den Link noch…

Ich denke, daß diese Frage höheren Orts entschieden werden wird. Denn tatsächlich sind intentionale Falschbeschuldigungen kriminell, rechtstechnisch wie im alltäglichen Sprachgebrauch – nur daß es weder ein gesellschaftliches moralisches Unwerturteil über derartige Verhaltensweisen von Frauen gibt, denen so viel Ungemach zugestoßen ist, daß Falschbeschuldigungen wie eine läßliche Sünde erscheinen – auch die Justiz ist unwillig, von Amts wegen dieses Offizialdelikt auch nur durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu nehmen. Das geschieht regelmäßig erst bei wasserdichten Beweislagen, die genauso selten sind wie bei den Gegenverfahren, die ein Sexualdelikt zum Gegenstand haben. Dabei reicht hier wie dort ein Anfangsverdacht aus.

Nein, es ist ein Tabu-Thema, das niemand anpacken möchte. Schon gar nicht die Medien, für die selbst ein rechtskräftig freigesprochener Mann Freiwild bleibt. Langsam löst sich diese Starre, immer öfter gelangen im Internet und in juristischen Fachkreisen schon lange geführte Diskussionen in den Mainstream-Diskurs der Medien. Rainer Dresen hofft, daß das Buch ›Recht und Gerechtigkeit‹ die Grabenkämpfe des Fundamental-Feminismus, die in Justiz und Medien deutliche Spuren hinterlassen haben, beenden und die vielfältig sichtbaren Beschädigungen und Mißstände zum breiten Diskussionsgegenstand machen könnte:

Ist jetzt – mal deutlich gefragt – Ruhe im Karton? Kann der Buchhändler jetzt drauf vertrauen, daß er das Buch ungeschwärzt und unbehindert verkaufen kann?

Die nächsten Wochen und Monate rechne ich mit keinen weiteren Belästigungen mehr. Der Gegenanwalt hat ja nur angekündigt, Rechtsmittel gegen den aufhebenden Beschluss zu „prüfen“. Selbst das kann er erst tun, wenn das Urteil des Landgerichts Mannheim begründet vorliegt, und das kann dauern. Erst danach könnte das Oberlandesgericht Karlsruhe, wenn überhaupt, befaßt sein. Ganz zu schweigen davon, wann ein Verhandlungstermin anberaumt werden würde. Nein, das Buch ist meines Erachtens juristisch „durch“. Es ist deshalb vielleicht auch an der Zeit, daß die zahlreichen Medien, die bisher eine fast schon unheimlich anmutende Zurückhaltung bei der Befassung mit den aufrührenden Thesen des Buchs Recht und Gerechtigkeit an den Tag legten, erkennen, daß sie sich nicht mehr länger vor dem Feigenblatt „Das Buch ist ja rechtlich umstritten“ verstecken können, sondern sich mit den dort aufgezeigten Mißständen beschäftigen.

Die Fragen stellte Ulrich Faure

http://www.buchmarkt.de/content/52793-rainer-dresen-zum-kachelmann-buch-ich-rechne-mit-keinen-belaestigungen-mehr.htm

Optimismus ist etwas Feines.

Update (29.10.2012)

Zu dem Zivilverfahren in Frankfurt a. M. und zu dem Fortgang in den Verfahren wegen einstweiliger Verfügungen in Mannheim schreibt die WELT:

[…]
Verfahren führt an die Wurzeln des Vergewaltigungs-Vorwurfs
Exakt 17 Monate später werden wesentliche Fragen aus dem Prozess noch einmal neu gestellt: Was ist passiert in der angeblichen Tatnacht? Und wer ist eigentlich das Opfer in diesem zur Schlammschlacht ausgearteten Fall? Diesmal wird in einem Zivilprozess um Schadenersatz in Frankfurt am Main verhandelt, wo Kachelmann im März 2010 frisch aus dem Flugzeug kommend am Flughafen verhaftet worden war.
Die Anwälte beider Seiten geben sich vor Prozessbeginn schmallippig. Kachelmanns Frankfurter Rechtsberaterin Ann Marie Welker will sich vor dem Verfahren gar nicht äußern. Claudia D.s Anwalt Manfred Zipper aus dem badischen Schwetzingen sagt zurückhaltend, der Prozess werde schwierig werden. Für Claudia D. sei das persönliche Aufeinandertreffen mit Kachelmann eine „extreme Belastung“.
Zipper hebt die Bedeutung des Prozesses auf eine generelle Ebene. Für ihn geht es um ein Zeichen an alle Opfer von Gewalttaten. „Ich meine, dass man denjenigen, der redlich eine Strafanzeige stellt, nicht zur Zahlung eines Schadenersatzes verurteilen darf“, sagt Zipper der dapd.Möglicherweise werden Kachelmann und Claudia D. ihre Aussagen am Mittwoch hinter verschlossenen Türen machen, sagt Gerichtssprecher Arne Hasse. Zu Beginn der Verhandlung werde die Kammer über einen Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden. Mit einem Urteil am Mittwoch sei nicht zu rechnen.

Kachelmann kündigt schon weitere Schritte an

Schon jetzt ist klar, dass mit dem Prozess in Frankfurt nicht das letzte Wort gesprochen sein wird. Auch der Kölner Medienrechtler Ralf Höcker streitet weiter in Kachelmanns Auftrag. Nach der Veröffentlichung seines Buches „Recht und Gerechtigkeit“, in dem Kachelmann mit Polizei, Justiz und auch mit Claudia D. abrechnet, kündigt Höcker im Gespräch mit der dapd an: „Wir werden dafür kämpfen, dass Herr Kachelmann sie nicht nur ‚Falschbeschuldigerin‘, sondern auch ‚Kriminelle‘ nennen darf.“
Ein Gang durch die Instanzen könnte also bevorstehen. Erst jüngst hatte Kachelmann erwirkt, dass er Claudia D. beim vollen Namen nennen und sie auch eine „Falschbeschuldigerin“ nennen darf. Für Kachelmann gehe es nicht nur ums Prinzip, sondern auch darum, anerkannt zu bekommen, dass er zu Unrecht vor Gericht gelandet sei. „Eine intentionale Falschbeschuldigung ist kriminell“, sagt Medienanwalt Höcker. Mal wieder steht Aussage gegen Aussage.
(Az. 2-18 O 189/12)

http://www.welt.de/newsticker/news3/article110354893/Joerg-Kachelmann-laedt-zur-naechsten-Prozess-Runde.html

Ein Heben auf die generelle Ebene hilft nicht, wenn es um eine konkrete spezielle geht. Eine „redliche“ Anzeige wird ja nicht in Frage gestellt…

Àpropos ›Schlammschlacht‹ und ›Aussage gegen Aussage‹: hätte das Landgericht Mannheim auch nur kommuniziert, daß die belastende Aussage unglaubhaft war, wäre nachverurteilenden Journalisten und Feministinnen der Stoff ausgegangen.
Update (30.10.2012)
Nun gibt es auch eine offizielle Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim zu den drei Entscheidungen vom 26.10.2012 – leider ohne Mitteilung zu den jeweils tragenden Gründen der 3. Zivilkammer. Es wird jedenfalls klargestellt, daß es sich bei dem dritten Urteil nicht um eine Entscheidung über einen Widerspruch gegen eine bereits ergangene einstwweilige Verfügung handelt, sondern um die Bescheidung eines Antrags auf einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung. Schön, daß wenigstens insoweit Klarheit herrscht.

Einstweilige Verfügungen gegen Random House und Jörg Kachelmann aufgehoben

Datum:  30.10.2012

Kurzbeschreibung:

Einstweilige Verfügungen
gegen Random House und Jörg Kachelmann aufgehoben

Urteile der Zivilkammer 3 vom 25.10.2012
in den Verfahren Claudia D ./. Random House (3 O 98/12) und
Claudia D. ./. Jörg Kachelmann (3 O 99/12 und 3 O 100/ 12)

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim hat die mit Beschluss vom 10.10.2012 (Az.: 3 O 98/12; Claudia D. ./. Random House) und die mit Beschluss vom 11.10.2012 (Az.: 3 O 99/12; Claudia D. ./. Jörg Kachelmann) jeweils erlassene einstweilige Verfügung nach der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2012 mit am Ende des Sitzungstages ergangenen Urteilen aufgehoben, die beiden entsprechenden Anträge der Klägerin abgelehnt und der Klägerin jeweils die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit ihren Anträgen hatte die Klägerin die Untersagung ihrer vollen Namensnennung in dem Buch „Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz“ (3 O 98/12) bzw. in der Öffentlichkeit (3 O 99/12) begehrt.

In einem weiteren am 25.10.2012 verhandelten Rechtsstreit (Az. 3 O 100/12; Claudia D. ./. Jörg Kachelmann) hat die Kammer mit Urteil vom selben Tag dem Beklagten verboten, die Klägerin in der Öffentlichkeit als „Kriminelle“ zu bezeichnen. Den weitergehenden Antrag der Klägerin, dem Beklagten auch die Bezeichnung als „Falschbeschuldigerin“ in der Öffentlichkeit zu untersagen, hat die Kammer abgelehnt. Die Kammer hat in diesem Fall nicht auf Widerspruch entschieden, sondern – im Gegensatz zu den beiden o.g. Verfahren – auf den Antrag der Klägerin eine mündliche Verhandlung anberaumt. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Kammer gegeneinander aufgehoben.

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Die Gründe sind grds. innerhalb von drei Wochen zu fertigen und zur Geschäftsstelle zu bringen. Die Berufungsfrist von einem Monat läuft erst ab Zustellung der vollständigen schriftlichen Urteilsgründe.

Dr. Joachim Bock
Pressereferent und VRLG

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1279945/index.html?ROOT=1160629

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Jörg & Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit – mehr als eine Rezension (I)

›Ein Märchen aus der Provinz‹ lautet der ironische Untertitel des Gemeinschaftswerks – ach, wenn es doch bloß ein Märchen wäre… Dem ist aber nicht so. Über den medialen und gesellschaftlichen Zeitgeist der ›Verteufelung des männlichen Geschlechts‹ und über die Erosion der Unschuldsvermutung, die er im Gefolge hat, habe ich hier schon einige Texte veröffentlicht:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/04/vergewaltigungsvorwurfe-nach-dem-beziehungs-aus-der-bgh-setzt-masstabe/

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/25/das-verteufelte-geschlecht-mann-und-die-erosion-der-unschuldsvermutung-i/

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/29/das-verteufelte-geschlecht-mann-und-die-erosion-der-unschuldsvermutung-ii/

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/06/05/nichts-gelernt-aus-dem-kachelmann-verfahren-unschuldsvermutung-ade/

Das Kachelmann-Buch illustriert diese alarmierende Entwicklung aufs Grellste. Wenn sich konservativ-christliche Provinz (Vereinsmeierei und Lokalpolitik inbegriffen) und feministisch-fundamentaler Mainstream verschwistern, regiert eine schwer erträgliche Fünfziger-Jahre-Moral, die geradezu zwangsläufig zur Vorverurteilung des Mannes und zur Zementierung einer ›Opferolle‹ der Frau führt. Was fatale Auswirkungen auf Strafverfahren mit Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen hat. Denn dann stehen sich nicht mehr gleichwertige, jeweils überprüfungsbedürftige,  Aussagen gegenüber, sondern eine berechtigte Anklage der alsbald als Nebenklägerin staatsanwaltsgleich agierenden Frau (exemplarisch der Haftrichter Reemen: „Einen solchen Vorwurf denkt sich doch keine Frau aus!“) gegenüber einer bloßen bestreitenden Schutzbehauptung des qua Geschlecht generell und wegen unkonventionellen Liebeslebens auch speziell moralisch fragwürdigen Mannes. Typisch für diese ideologisch befangene Geisteshaltung ist der Beschluß der 5. Großen Strafkammer vom 1.7.2010, mit dem die beantragte Aufhebung des Haftbefehls gegen Jörg Kachelmann abgelehnt wurde:

Demgegenüber wirke die Einlassung von Herrn Kachelmann zum Ablauf des Geschehens am mutmaßlichen Tatabend u.a. im Hinblick auf das sich aus den Akten ergebende Bild seiner Persönlichkeit und der Persönlichkeit des mutmaßlichen Opfers sowie der Eigenart ihrer Beziehung als wenig plausibel.

Die Kammer führt ferner aus, dass die Glaubhaftigkeit der Angaben des mutmaßlichen Opfers nach Aktenklage bei einer Gesamtbetrachtung auch unter Berücksichtigung der von der Verteidigung vorgetragenen Einwände nicht nur durch das Nachtatverhalten einschließlich des Ablaufs der Anzeigenerstattung und das Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchungen in Heidelberg, sondern u.a. auch durch die in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Ausführungen in dem aussagepsychologischen Gutachten unterstützt werden.

[S. 254]

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1256223/index.html?ROOT=1160629

Ein Dokument der Irrationalität sondergleichen, weshalb der dieser Pressemitteilung zugrundeliegende Beschluß am 29.7.2010 durch das Oberlandesgericht Karlsruhe aufgehoben und die Untersuchungshaft des damaligen Angeklagten beendet wurde.

Das Landgericht machte sich also nach Aktenlage ein Bild von zwei Persönlichkeiten und deren Beziehung, tatkräftig unterstützt von der ihren Auftrag überschreitenden feministisch orientierten Aussagepsychologin Prof. Dr. Luise Greuel, die allein aufgrund der Angaben der Anzeigenerstatterin ein mögliches klassisches Beziehungszenario entwarf, das, wenn es denn wahr wäre, die ja eigentlich unwahrscheinliche Tat irgendwie erklären könnte (im FOCUS, der es gleich verbreitete, war der Konjunktiv eliminiert), und hielt die Schilderung eines verabredungsgemäß verlaufenen Treffens nebst einer undramatischen Trennungsszene nach dem gemeinsamen Essen nicht für plausibel. Schließlich weiß man ja, wie Männer sind. Die nehmen ein Schlußmachen doch nicht einfach so hin, die sind narzißtisch gekränkt und müssen Dominanz herstellen, da mag die ›Beziehung‹, um die es geht, noch so monothematisch sein, bei den gelegentlichen Treffs wie bei den Chats.

Die belastenden Aussagen des zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfacher Lügen überführten mutmaßlichen Opfers, das der Polizei und der Staatsanwaltschaft hartnäckig vorgegaukelt hatte, erst nach der konkreten Verabredung zur Gestaltung des Treffens erstmals durch einen – tatsächlich selbstgeschriebenen – Brief nebst beiliegenden Ticketreceipts von Kachelmann und einer anderen Frau von dessen Untreue erfahren und mit dieser Frau niemals Kontakt gehabt zu haben, wurden dagegen als glaubhaft eingestuft.

Die die Glaubhaftigkeit ›unterstützenden‹ rechtsmedizinischen Untersuchungen in Heidelberg waren indes ohne Ergebnis geblieben, obwohl sich der Verkehrsmediziner Prof. Dr. Mattern nicht auf seinen Auftrag beschränkt hatte, die Spuren mit der Tatschilderung abzugleichen. Die Tatschilderung vor der Polizei, »mit der Messerschneide traktiert worden zu sein« [S. 238], war ersichtlich unzutreffend, weshalb Mattern von sich aus als anklagefördernde Alternativlösung den Klingenrücken ins Spiel brachte – auf dem sich allerdings, wie auch an deren Spitze, keine DNA der Anzeigenerstatterin befand: die befand sich, der Erstaussage angepaßt, nur an der Schneide, die wiederum als Verursacherin der geringfügigen Schürfspuren am Hals nicht in Betracht kam. Weshalb die Anzeigenerstatterin im Mai 2010 vor der Sachverständigen Greuel ihre Aussage der neuen Situation anpaßte:

A: [Antwort der Anzeigeerstatterin]: Also, mit Metall meine ich jetzt nicht das Metall an sich. Ich weiß nicht, wie sich Metall anfühlt, also nicht das Metall an sich, sondern einfach die Klinge, diese, ja, das Geriffelte, ich hab die Klinge gespürt, den Druck, dieses Schmale, es ist ja nur ganz schmal, dieses.

F: [Frage Luise Greuel]: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie keine Schnittverletzungen hatten?

A: Am Hals? Hatte ich keine Schnittverletzungen?

[S. 243]

Wiederum gegenüber Greuel:

»Das ist, aber, ja, ich weiß es nicht. Ich hab’s nicht gesehen, wie rum er es gehalten hat. Ich hatte nur dieses Gefühl einfach immer nur, Gott, das ist ja so gezackt, das war ein Sägemesser, und ja, ich war mir eigentlich sicher in der Situation, dass es die Klinge ist.«

[S. 238]

Schon vor der Anklageerhebung lag ein Gutachten von Prof. Dr. Rothschild, im Gegensatz zu Prof. Dr. Mattern ein Experte auf diesem Gebiet, mit folgender Stellungnahme vor:

Es ist sehr schwer vorstellbar, dass, wie von der Verletzten angegeben, der Beschuldigte ihr das Messer in dem insgesamt dynamischen Geschehen wiederholt auch fest andrückend gegen den Hals hält und dabei eine nur recht eng begrenzte Fläche des Vorderhalses in einer ausgesprochen gleichsinnigen Weise mit gleichartiger Oberflächlichkeit verletzt.

[S. 237]

Daß sich keine dem Angeklagten zurechenbare DNA am Messer befand, was ebenfalls schon durch das LKA-Gutachten von April 2010 feststand, rundet das Bild ab. Jedem, der noch logisch und rational denken kann, war bereits am 1.7.2012 klar, daß der Messereinsatz widerlegt sein dürfte (was sich später dann, nach den nachgeholten aber fehlgeschlagenen Experimenten von Mattern und dem Gutachten des Selbstverletzungsexperten Prof. Dr. Klaus Püschel, zur Gewißheit verdichtete).

Hinsichtlich der Entstehung von Hämatomen an den Oberschenkeln und der oberflächlichen Kratzer gab es wegen der weiträumigen Erinnerungslücken der Anzeigenerstatterin ohnehin keine ›Tatschilderung‹, die Prof. Dr. Mattern hätte abgleichen können. Seine Arbeitsweise ergibt sich aus dem Befangenheitsantrag von RA Schwenn gegen ihn (S. 241 – 247), der, wen wundert es, wie alle Befangenheitsanträge der Verteidigung abgelehnt wurde.

Zu den von der Anzeigenerstatterin unerklärten Kratzern lag demgegenüber schon am 20.4.2010 ein Gutachten von Prof. Dr. Rothschild mit folgenden Ausführungen vor:

Lokalisation und Morphologie der Verletzungen lassen zunächst an eine Selbstbeschädigung denken. Insbesondere die Gleichsinnigkeit und feine Parallelität der beiden ritzenartigen Kratzspuren weisen auf eine gleich bleibende Druckausübung bei der Führung des Gegenstandes während der Verletzungshandlung hin. Eine Verursachung durch fremde Hand während eines dynamischen Geschehens, wie es von der Verletzten geschildert wurde, ist ausgesprochen unwahrscheinlich.

[S. 241]

Und das aussagepsychologische Gutachten, das den Bekundungen der Anzeigeerstatterin attestierte, nicht einmal die Mindestanforderungen einer gerichtsverwertbaren Aussage zu erfüllen, sollte durch ›die in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Ausführungen‹ die Glaubhaftigkeit der Aussage des mutmaßlichen Opfers unterstützen? Bereits am 12.4.2010 lagen von der Verteidigung vorgelegte aussagepsychologische Gutachten von Prof. Dr. Elliger, Prof. Dr. Jankowski und Frau Dipl. Psych. Daber vor, die ebenfalls Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage belegten [S. 359] – und nun haben alle vier Sachverständigen unrecht? Selbst Frau Prof. Dr. Greuel, die doch immerhin zu einem klaren Ergebnis gekommen war?

Gegen alle Rationalität, gegen die Beweislage, hatte das Schema: der Mann ist der Täter, die Frau ist das Opfer, gegriffen. Inwieweit es durch die weiteren Schemata: Schwetzinger Bürgerin gegen Ausländer, halböffentliche Radio-Moderatorin gegen Promi, noch verstärkt wurde, wäre eine Frage, die nicht einmal die Betroffenen beantworten könnten: selbst bei krassesten aufgedeckten Fehlurteilen beharren die an ihnen Beteiligten habituell darauf, vollkommen zurecht in voller Überzeugung gehandelt zu haben.

Bis hin zur Pressemitteilung des Landgerichts vom 31.5.2011 zum unvermeidbaren Freispruchsurteil blieb diese Fixierung, nunmehr allerdings auch aus Selbstschutzgründen, arretiert. Einziges Ziel und einziger Zweck dieser Erklärung wie auch der mündlichen Urteilsbegründung, soweit aus Presseveröffentlichungen rekonstruierbar: Rechtfertigung der voreingenommenen Verfahrensführung von Staatsanwaltschaft und Gericht und Schutz der Anzeigenerstatterin vor straf- wie zivilrechtlicher Verfolgung. Ich weiß, daß ich nichts weiß, lautete das Mittel der Wahl – und es wurde sogar verschwiegen, was selbst für das Mannheimer Gericht ausschlaggebend für den Freispruch gewesen sein muß: die Unglaubhaftigkeit der belastenden Aussagen.

Im Verlauf der weiteren Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende:

„Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen.
Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt. Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.“

[…]

Abschließend führte er zum Ergebnis der Beweisaufnahme aus, dass auch in der Gesamtschau der Beweisergebnisse keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung von Herrn Kachelmann bestehe, dass aber umgekehrt angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht von einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin ausgegangen werden könne.

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1269214/index.html

Wie konnte es zu dieser krassen Verweigerung einer rationalen Beweiswürdigung kommen?

Eine Erklärung bot Frank Krause im SCHWARZWÄLDER BOTE vom 6.6.2011, als überraschend durch die ja angesichts des gerichtlichen Persilscheins für das unprofessionelle Wirken der Mannheimer Justiz erfreute Staatsanwaltschaft dann doch noch formal Revision eingelegt wurde (der sich einen Tag später auch die Nebenklage anschloß) [Hervorhebungen von mir]:

Kachelmann-Prozess Verfahren geht in die Verlängerung

Frank Krause, vom 06.06.2011 19:08 Uhr

Stuttgart/Mannheim – Der Fall wird immer bizarrer. Zunächst hieß es, die Staatsanwaltschaft würde das Urteil gegen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann akzeptieren. Am Montag legte die Behörde doch Revision ein. Was geschah hinter den Kulissen?

Eigentlich schien der Fall erledigt. Als am vergangenen Dienstag das Landgericht Mannheim sein Urteil im Vergewaltigungsprozess gegen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann sprach, deutete alles darauf hin, dass die Akte geschlossen wird. Mit 5:0 Stimmen sprachen die drei Berufsrichter und zwei Schöffen den 52-jährigen Schweizer vom Vorwurf frei, er habe im Februar 2010 seine Lebensgefährtin in deren Wohnung in Schwetzingen brutal vergewaltigt.

[…]

Vertrauliche Informationen durchgesickert

Der Appell hat nichts geholfen, der Justizmarathon geht weiter. Am Montag hat die Staatsanwaltschaft Mannheim offiziell Revision gegen das Urteil eingelegt. Obwohl kurz vor Prozessende vertrauliche Informationen durchgesickert waren, wonach die Behörde im Fall einer Niederlage auf eine Revision verzichten wolle, geschieht nun das Gegenteil. Aber warum? Die Revision einzulegen “dient dazu, nach Zustellung des Urteils eine ausführliche Prüfung seiner schriftlichen Begründung zu ermöglichen”, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Soll heißen: Die Ermittler wollen die ausführliche Begründung des Freispruchs lesen – sie soll spätestens Mitte August vorliegen -, ehe sie dann binnen eines Monats entscheiden, ob die Revision aufrechterhalten oder zurückgezogen wird. Nur, ist das der alleinige Grund? Selbst der zuständige Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, der im Prozess eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten für Kachelmann gefordert hatte, ließ am Montag mitteilen, man sehe bisher keine formellen Verfahrensfehler des Gerichts.

Aber nur darum würde es vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gehen, weil dort keine erneute Verhandlung mit Zeugenvernehmungen stattfindet, sondern das Urteil aus Mannheim ausschließlich auf Rechtsfehler überprüft würde. Kein Wunder, dass sich in Justizkreisen nun hartnäckig Gerüchte halten, in den Tagen vor dem Urteilsspruch habe es Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Nebenklage gegeben.

Heftiger Streit im Nebenzimmer

Demnach sollen sowohl Thomas Franz, Anwalt von Kachelmanns Ex-Geliebten, als auch die Staatsanwaltschaft dem Gericht angesichts der mangelnden Beweise signalisiert haben, dass sie im Fall des Freispruchs nicht in Revision gehen würden. Im Gegenzug soll das Gericht angekündigt haben, in der Urteilsbegründung eine Abrechnung mit Kachelmanns Anwalt Johann Schwenn, aber auch mit dem Wettermoderator vorzunehmen, um diesem die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche zu erschweren. In der Tat hatte der Richter scharfe Kritik an Kachelmanns Top-Verteidiger Schwenn für dessen Verhalten im Prozess geübt und ihm “mangelnden Respekt” gegenüber allen Beteiligten vorgehalten.

Dann aber muss etwas geschehen sein, womit niemand gerechnet hatte. Kaum war der Prozess zu Ende, soll es im Nebenraum des Gerichts zu einem heftigen Streit zwischen Kachelmanns Ex-Freundin und ihrem Verteidiger gekommen sein. Dabei soll die Frau nach Ohrenzeugenberichten darauf gedrängt haben, doch in Revision zu gehen. Insider vermuten, dass es in der Folge zu Gesprächen zwischen Anwalt Franz und der Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen kam und die Ermittler in Zugzwang gerieten. Sowohl die Kanzlei von Franz im badischen Ketsch als auch die Staatsanwaltschaft und das Landgericht lehnten am Montag eine Stellungnahme zu möglichen Absprachen ab. “Dazu sagen wir nichts”, hieß es übereinstimmend.

http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.kachelmann-prozess-verfahren-geht-in-die-verlaengerung.8b2cd6ab-82ca-4bcb-b48b-e0d6cd51f44d.html

Dem noch heute online verfügbaren Artikel ist niemand entgegengetreten.

Passagen dieses Artikels werden auch im Kachelmann-Buch zitiert [ S. 275], und als Zeugen des Wutausbruchs der Nebenklägerin nach der Urteilsverkündung werden Reto Caviezel und Miriam Kachelmann benannt:

Reto und Miriam waren in einem Nebenraum und wurden nach dem Urteil Zeugen des Ausrastens der Nebenklägerin Claudia D. [im Hinblick auf die einstweilige Verfügung der Nebenbei-Pressekammer der 3. Zivilkammer des LG Mannheim gekürzt], als sie ihren Anwalt Franz als »feige Sau« beschimpfte und akustisch nachvollziehbar gegen allerlei Gegenstände trat.

[S. 276]

Das Buch von Jörg und Miriam Kachelmann stellt der ideologischen Verblendung von Staatsanwaltschaft und Landgericht Mannheim derartig viele sachliche Fakten entgegen, daß die Trittbrettfahrer der unsäglichen Pressemitteilung des LG Mannheim, die daraus ihre fortwährenden Nachverurteilungen schöpfen, zum Ausstieg gezwungen sein müßten – aber ach, Alice Schwarzer, die sich auf den juristischen Kampf gegen Kachelmann versteift hat, obwohl ihre ökonomisch kränkelnde EMMA diese Ressourcen kaum hergeben dürfte, liest dieses Buch sicherlich erst gar nicht. Ihr geht es um den Kampf gegen den Rechtsstaat, dessen Säule der Unschuldsvermutung leider auch für Männer gilt, die von Frauen beschuldigt werden:

Schwarzer vs. Kachelmann

Verblendung

Erstellt 11.10.2012

Aus und vorbei? Der Fall Kachelmann, der im Mai 2011 mit einem Freispruch zu Ende ging, findet derzeit eine presserechtliche Verlängerung. Vor allem Alice Schwarzer gibt dabei eine peinliche Figur ab. Anstoß, der Kommentar. Von Thorsten Keller

Man muss keine Ahnung von der Strafprozessordnung oder vom deutschen Rechtssystem haben, um über einen spektakulären Kriminalfall zu schreiben. Mitunter genügt auch eine korrekte Gesinnung und ein großer Name als Ersatz für Sachkenntnis. So in etwa war die Versuchsanordnung, als die „Bild“-Zeitung die Kölner Publizistin Alice Schwarzer beauftragte, den „Fall Kachelmann“ – der Wettermoderator war der Vergewaltigung angeklagt- vor dem Landgericht Mannheim zu begleiten.

Schon vor der Beweisaufnahme hatte Schwarzer ihr Urteil gefällt: Er hat’s getan, der Kachelmann. Dafür kassierte sie von der „Bild“ ein stattliches Salär, und von den Medienanwälten des Angeklagten reihenweise Abmahnungen. Professionelle Gerichtsreporter wie Gisela Friedrichsen vom „Spiegel“ wiesen Schwarzer ziemlich eindrucksvoll eine bedenkliche Melange aus Inkompetenz und Verfolgungseifer nach. Anders gesagt: In diesem Prozess wurde nicht nur der Ruf von Jörg Kachelmann, der jahrelang ein komplexes System von Haupt- und Nebenfrauen managte, beschädigt.

Dann endete das Verfahren im Mai 2011 mit einem Freispruch, der inzwischen rechtskräftig wurde […]

Doch was dann folgt, ist nur noch perfide zu nennen. In der Frauenzeitschrift “Emma“ erscheint ein Text, in dem „Unschuldsvermutung“ – für Frau Schwarzer zum Mitschreiben: eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften  überhaupt – als „Unwort des Jahres“ vorgeschlagen wird. Dieses Pamphlet suggeriert nicht nur zwischen den Zeilen: Er hat’s getan, der Kachelmann. Dafür kassieren Alice Schwarzer und die „Emma“ zu Recht eine Einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Köln. Auch dies hätte ein Punkt sein können, an dem Alice Schwarzer ihren Furor zügelt.

Doch wer sich auf einem Kreuzzug wähnt und Wahrheit und Gerechtigkeit für sich gepachtet hat, der lässt sich nicht von einem deutschen Landgericht bremsen. Es gibt nun ein Hauptsachverfahren; wenn es sein muss, auch durch mehrere Instanzen, lässt der „Emma“-Verlag wissen. So wird der „Fall Kachelmann“ ins Unendliche verlängert, und wird zugleich zum „Fall Schwarzer“ – einer Ikone der Frauenbewegung, die sich aus freien Stücken herabgewürdigt hat zur Krampfhenne des Boulevards.

http://www.ksta.de/debatte/schwarzer-vs–kachelmann-verblendung,15188012,20570476.html

Gegen diese Hysterien wendet sich das Buch ›Recht und Gerechtigkeit‹.

Es dokumentiert u.a., und das läßt jedem Juristen das Herz höher schlagen, der auch noch an Recht und Gerechtigkeit, verwirklicht durch zeitgenössische Staatsanwälte und Richter, glaubt, Auszüge des Beschlusses des OLG Karlsruhe, das mannheimliche Irrationalitäten nicht durchgehen ließ.

Auf S. 101 – 109 gibt es Auszüge, auf S. 162 ist ein weiterer aufgeführt – ich bin sicher, daß sich das OLG auch noch zu dem ersichtlich ungeeigneten, allein der Verzweiflung geschuldetem, Unterfangen von Staatsanwaltschaft und Kammer verhalten hat, durch Beziehungszeuginnen einen irgendwie tatbezogenen Erkenntnisgewinn zu generieren…

Das OLG hatte zunächst richtig erfaßt, daß keines der vorliegenden Gutachten den Tatvorwurf gegen Kachelmann belegte, es also um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation ging. Dann wurden ausführlich die Unbrauchbarkeit der Aussage der Anzeigenerstatterin aus aussagepsychologischer Sicht, ihre Fähigkeit zur Konstruktion und Aufrechterhaltung einer Falschaussage und Bestrafungs- und Belastungsmotive behandelt.

Explizit heißt es dort u.a.:

In diesem Fall, dass bei Aussage gegen Aussage diejenige des einzigen Belastungszeugen hinsichtlich Teilen des Geschehens widerlegt ist, kann seinen übrigen Angaben nur gefolgt werden, wenn außerhalb seiner Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorliegen (nur BGHSt 44, 153; BVerfG, NJW 2003, 2444).

[S. 103]

Dieses Aussageverhalten der Nebenklägerin erschüttert auch und insbesondere die Ermittlung des Wahrheitsgehalts der Angaben zum Vergewaltigungsvorwurf, dem Kerngeschehen.

Die Falschangaben der Nebenklägerin könnten durchaus der Belastungsmotivation geschuldet sein.

[S. 104 f.]

Bei dieser Lage der Aussagen der Nebenklägerin sind an die Prüfung und Annahme der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben, insbesondere zum Kerngeschehen, dem Vergewaltigungsvorwurf, erhöhte Anforderungen zu stellen.

Diesen Anforderungen genügt die Aussage der Nebenklägerin – nach dem von keiner Seite in Zweifel gezogenen Ergebnis der eingehenden Exploration und darauf aufbauenden überzeugenden aussagepsychologischen Begutachtungen der Nebenklägerin durch die Sachverständige Diplom-Psychologin Prof. Dr. L. Greuel – nicht. Die Aussage selbst weist erhebliche Mängel auf, die bereits die sog. Mindestanforderungen betreffen (Logik, Konsistenz, Detailierung, Konstanz, Strukturgleichheit). Demzufolge kann ein etwaiger Erlebnisbezug der Aussage oder umschriebenen Aussagekomplexe mit aussagepsychologischen Methoden nicht bestätigt werden.

[S. 106 f.]

Damit war der Freispruch vorgezeichnet – keine dieser Würdigungen des Oberlandesgerichts tauchten in der Pressemitteilung über den Freispruch vom 31.5.2011 auf. Im Gegenteil, das Landgericht schloß sich in dieser Erklärung ausdrücklich den vorangegangenen oberflächlichen Würdigungen der Staatsanwaltschaft an, die den juristischen Kern der Würdigung verfehlen:

„Dass sie in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt haben, macht sie unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse angreifbar; dass sie deshalb insgesamt die Unwahrheit gesagt haben, lässt sich mit dieser Feststellung nicht belegen.“

In diesem Zusammenhang verwies er auf die Ausführungen in einem juristischen Lehrbuch, in dem sich bezogen auf das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“ folgender Hinweis findet:

„Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, stets anzunehmen, dass jemand der in einem Nebenpunkt lügt, auch im Kernpunkt die Unwahrheit sage.“

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1269214/index.html

Bei dieser Herangehensweise an die ›Wahrheitsermittlung‹ ist es dann auch unschädlich, wenn die Kammer von weiteren Unwahrheiten der Belastungszeugin ausgeht:

»Vieles spricht dafür, dass sie auch noch in der Hauptverhandlung an falschen Bekundungen zur verfahrensgegenständlichen Vorgeschichte festhielt.«

[S.251]

Jörg Kachelmann:

Der [der Freigesprochene, der unschuldig ist] liest nur fassungslos auf S. 193 des Urteils die Behauptung: »Das vorstehend gefundene Ergebnis war nicht mit dem Nachweis einer intentionalen Falschaussage der Nebenklägerin oder auch nur der erhöhten Wahrscheinlichkeit einer solchen gleichzusetzen« – doch die war in keiner Weise geprüft worden. Und er reibt sich die Augen, wenn er liest, dass die Kammer davon ausgeht, von der Nebenklägerin darüber angelogen worden zu sein, dass sie den Namen ihrer Konkurrentin im Herbst 2008 durch einen anonymen Anrufer erfahren und irgendwann im Laufe des Jahres 2009 anonym die Kopie der Ticketreceipts erhalten haben will. Auf eine Lüge mehr oder weniger kommt es wohl nicht an – ein Verfahren, wie es schon die Staatsanwaltschaft praktizierte.

[S. 281f.]

Unter der Überschrift »Zu Ansätzen außerhalb dieser Methodik ist zu bemerken:« nahm das OLG Stellung zu den Versuchen von Staatsanwaltschaft und Gericht, außerhalb der für Juristen zwingend geltenden Aussagepsychologie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die Aussage der Nebenklägerin irgendwie zu retten – und schob allen diesen Versuchen einen Riegel vor:

Der schlichte Schluss, die Nebenklägerin könnte den Angeklagten (aufgrund ihrer mangelhaften Aussage) zum Kerngeschehen, zur Vergewaltigung, nicht falsch angeschuldigt haben (weder objektiv noch subjektiv), weil sie den Angeklagten mit einer mangelfreien (qualitätsreicheren) Aussage hätte überzeugender falsch anschuldigen können, erscheint zirkelschlüssig (sofern die fragliche Aussage der Nebenklägerin keine externe Bestätigung finden sollte). Ein dahingehender Schluss hätte zu besorgen, dass als Beweisanzeichen für die Richtigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin deren Aussage selbst (Aussage: mangelbehaftet statt mangelfrei) Verwendung fände, deren Richtigkeit erst bewiesen werden soll […] So stellt auch die Sachverständige im Rahmen ihres Gutachtenauftrags – vor dem Hintergrund der intellektuellen Fähigkeiten der Nebenklägerin – denkfehlerfrei – fest, dass aus einem Qualitätsmangel der Aussage selbst nicht der Beleg für den Erlebnisgehalt der Aussage abgeleitet werden kann (Greuel Rdnrn 377).

[S. 107]

Auch hieran hat sich das Gericht nicht gehalten, wie der umfänglich kolportierte Satz von Richter Dr. Bock belegt: »Wenn sie lügt, warum lügt sie so schlecht?« [S. 270] Das falsche Denkmodell hinter dieser Frage lautet: Sie kann nicht gelogen haben, sonst hätte sie es schlauer angestellt. Und noch in der Presseerklärung vom 31.5.2011 wird dieser zirkelschlüssigen ›Sinnfrage‹, die auch der Nebenklagevertreter im Plädoyer stellte, eine Bedeutung beigemessen, die sie nicht hat:

Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.“

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1269214/index.html

Insbesondere aber wies das OLG den Versuch zurück, mithilfe des Therapeuten der Nebenklägerin, Prof. Dr. Günter H. Seidler, und der von ihm vertretenen Psychotraumatologie die Unbrauchbarkeit einer Aussage als Beweis für das Vorliegen der behaupteten Tat zu werten.

Gefahr, einem Zirkelschluss zu unterliegen, bestünde auch, sollte die Mangelhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Kerngeschehen mit dem die Todesangst bedingenden Messereinsatz (Trauma) erklärt werden. Den Einsatz des Messers gälte es erst zu beweisen. Grundsätzlich gilt, dass sachverständige Erklärungen konkrete Feststellungen zum Tatgeschehen nicht entbehrlich machen (vgl. auch BGH, NStZ 1986, 373 a. E.).

[S. 107]

Jörg Kachelmann:

Was gibt es Schöneres als einen Therapeuten wie Seidler, dem es an Distanz und Kritikfähigkeit gegenüber der Klientin fehlt, wie das Kröber-Gutachten nahelegt – und dieser Professor aus Heidelberg hatte mit seiner sogenannten ärztlichen Stellungnahme im Sommer dafür gesorgt, dass Landrichter Dr. Joachim Bock frohlocken konnte: »Greuel und Seidler, das passt wie Zahnrädchen ineinander.« Und schwups, war der Haftfortdauerbeschluss begründet. Kachelmann bleibt im Knast, denn alles, was D[…] sagt, ist unbrauchbar wegen des durch die Tat erlittenen Traumas. Sagt Seidler.

[161]

Zur Entzauberung Seidlers trugen nicht nur Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber, dessen auf S. 163f. und 166ff. dokumentierte Gutachten-Zitate reines intellektuelles Vergnügen sind, und in der späteren Hauptverhandlung Rechtsanwalt Schwenn, der für die Öffentlichmachung entlarvender Identifikationsprozesse des Therapeuten mit seiner Klientin sorgte, sondern auch der Betroffene selbst bei. Unter dem Titel „Seelische Symptome sind Beweise“ führte er ein Interview mit Alice Schwarzer und Chantal Louis für EMMA Nr.4 [301] Herbst 2011, S. 111 – 115, in dem er nach wie vor meinte, aus seelischen Symptomen auf konkrete Ereignisse schlußfolgern zu können, im feministischen Schulterschluß die Welt für „täterorientiert“ = männerorientiert hielt und vor Gericht eine „strukturelle Opferrolle“ sowohl für seine Klientin als auch für sich selber wahrnahm…

Am 10.10.2012 wurde die online-Version dieses bezeichnenden Interviews (»Vergewaltigung führt in nahezu hundert Prozent der Fälle zu einer Traumafolgestörung […]«) vom Netz genommen, weil dort mehrfach der volle Klarname der Anzeigenerstatterin genannt wurde, einmal auch in einer Bild-Unterschrift unter einem Photoshop-BURDA-Foto seiner Klientin: »Claudia D. war lange unsichtbar.« Jetzt will Alice Schwarzer die Unsichtbarkeit künstlich wiederherstellen, um die einstweilige Verfügung ihres Schützlings auf Unterlassung der Klarnamen-Nennung zu unterstützen. Sie selbst hatte ja keine Hemmungen, das ›Opfer‹ für ihre Zwecke zu instrumentalisieren (und den Therapeuten gleich mit dazu).

Auch der Staatsanwaltschaft erteilte das OLG Karlsruhe einen Dämpfer:

Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft (Schrift vom 22.7.2010, S. 19) kommt als Ursache für eine posttraumatische Belastungsstörung, in deren Folge auch die Fähigkeit eingeschränkt sein kann, Erlebtes wiederzugeben, nicht lediglich ein lebensbedrohliches Ereignis in Betracht. ›Auch das Geständnis eines mehrjährigen systematischen Betruges […] kann die Dimension eines seelischen Traumas haben‹ (vgl. Greuel, Rdnrn. 336, 337).

[S. 162]

Da hakten die Zahnrädchen Greuel-Seidler doch gewaltig. Nur ein von Verurteilungswillen eingeschränkter selektiver Blick konnte übersehen, daß Greuel der Nebenklägerin eine Aussagetüchtigkeit bescheinigte, die Seidler ablehnte.

Und dann gab das OLG dem Landgericht noch einen gewichtigen Hinweis für die Hauptverhandlung:

Die damit aufgestellte Behauptung der Nebenklägerin, den anonymen Brief im Briefkasten erst nach dem mit dem Angeklagten geführten Chat vorgefunden zu haben, stellt eine wahrheitswidrige Erklärung der Nebenklägerin zur Umkehrung des von dem Angeklagten zuvor im Chat vorgeschlagenen – und auch bislang nicht unüblichen – Ablaufs des Zusammentreffens dar. Gründe, die sie in der Tatnacht gegenüber dem Angeklagten, der in guter Stimmung angekommen sei, für die Umkehrung der im Chat vorgeschlagenen, von ihm bevorzugten Reihenfolge des Geschehens vorgebracht und wie dieser darauf reagiert habe, sind ihrer Aussage nicht zu entnehmen. Die Angaben der Nebenklägerin zum abweichenden Einstieg in den Tatabend sind insoweit wenig detailreich, ähnlich wie ihre Angaben zum Kerngeschehen. Die Art und Weise des Beginns des Zusammentreffens kann indes die weitere Abfolge des Tatabends – entweder nach der Schilderung der Nebenklägerin beginnend mit gemeinsamem Essen oder nach Einlassung des Angeklagten beginnend mit einvernehmlichen Geschlechtsverkehr – beeinflusst haben. Inwieweit es sich hierbei um ein bloßes Randgeschehen des Verlaufs der Tatnacht oder um eine für das Kerngeschehen bedeutsame ›Scharnierstelle‹ handelt, ist der Klärung der Hauptverhandlung vorbehalten.

[S. 106]

Welch noble Zurückhaltung des OLG, das darauf hinwies, daß nach Wegfall der Lüge über den Schock der gerade erst erfahrenen Untreue des Lovers kein Grund mehr vorhanden oder auch nur vorgebracht war, die ›nicht unübliche‹ Reihenfolge, nämlich den Vollzug der ›Hauptaufgabe‹ jener Beziehung, einseitig abzuändern. Und daß aussagepsychologisch betrachtet das Hinüberhuschen der Nebenklägerin über dieses Problem genausowenig erlebnisbasiert erschien wie ihre Schilderung der angeblichen Tat. Und natürlich hat dieser Einstieg ›Scharnierfunktion‹: denn wenn Kachelmanns Schilderung stimmt, dann wäre die Angabe eines zweiten, dieses Mal gewaltsamen Geschlechtsverkehrs an jenem Abend, lediglich unterbrochen durch eine Nudelmahlzeit und ein Beziehungsgespräch, vollends unplausibel.

Wie gehabt, Wahrheitsermittlungen bezüglich der Aussage einer Frau fanden nicht statt. Die Staatsanwaltschaft, die die Chuzpe besaß, auf Verurteilung zu plädieren, log, was den wahren Sachverhalt anging:

Jörg Kachelmann:

Der traurige Höhepunkt der Veranstaltung war erreicht, als die Staatsanwaltschaft, das mahnende Wort des Oberlandesgerichts von der »Scharnierfunktion« noch im Ohr, schlicht behauptete, die Verabredung habe von vorneherein den Inhalt gehabt, dass zunächst gegessen werde. Zur Untermauerung dieser Behauptung wurde bewusst unvollständig und sinnentstellend aus dem Chat zitiert.

[S. 271]

So gewissenlos wie die Staatsanwaltschaft agierte die urteilsschreibende Richterin Daniela Bültmann immerhin nicht. In ihren Feststellungen heißt es:

»Die Nebenklägerin hatte damit dem Vorschlag des Angeklagten zugestimmt, an diesem Abend nach seiner Ankunft zuerst den Geschlechtsverkehr miteinander auszuüben und erst ›später‹ zu essen.« [S.28]

[S. 279]

Auch widersprach sie dem Vorsitzenden und seiner in der Pressemitteilung verbreiteten Vorstellung, daß es um ein Geschehen nach dem Trennungsgespräch gehe [Hervorhebung von mir]:

„Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können.

http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/menu/1269214/index.html

Sie konnte in diesem Punkt der Nebenklägerin nämlich nicht folgen  – ohne daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen: die Schonung der Frau ist oberstes Gebot bei einem Freispruchsurteil gegen einen der Vergewaltigung Angeklagten:

Jörg Kachelmann:

In den Feststellungen des Gerichts gibt es eine zeitliche Lücke zwischen meinem Eintreffen und dem wann auch immer eingenommenen Abendessen mit anschließendem Trennungsgespräch. Festgestellt wird auch ein Geschlechtsverkehr, der sich zu einem unbekannten Zeitpunkt ereignet habe und von dem unbekannt geblieben sei, ob er einvernehmlich stattgefunden habe oder nicht. Zu den vom Oberlandesgericht Karsruhe angesprochenen mangelhaften Angaben der Nebenklägerin darüber, warum, wieso, weshalb sie von dieser einvernehmlichen Planung plötzlich abgewichen sein will und welches Gespräch sich darüber entwickelt habe, heißt es in der gewundenen Beweiswürdigung:

»Vor diesem Hintergrund erschien es zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Angeklagte das abweichende Setting, welches sich ihm nach den Angaben der Nebenklägerin bei seiner Ankunft präsentierte, völlig kommentarlos hingenommen hätte. Die entsprechenden Angaben erwecken daher Zweifel.« [S. 196]

Das war’s. Da bricht etwas ab, bevor es beginnt. Zu der »Scharnierfunktion« dieser unglaubhaften Erklärung meiner Falschbeschuldigerin, die das Oberlandesgericht für untersuchenswert hielt, wird kein Wort verloren. Schließlich erfolgte diese Diskussion nur bei der Untersuchung meiner Aussage, deren Realitätsgehalt freundlicherweise immerhin als »möglich« bezeichnet wurde. Die unglaubhafte Aussage einer Frau dient also dazu, meine Aussage als möglich zu erachten. Leben wir in einem Unrechtsstaat, in dem die Aussage einer Frau per se mehr Gewicht hat als die eines Mannes?

[S. 280]

Ja, so weit sind wir gekommen, betrachtet man die einschlägigen erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren, die Aufhebungen des BGH von Verurteilungen durch Landgerichte und die zahlreichen Berichte über Freisprüche in den einschlägigen Verfahren. Wieviele niemals aufgedeckte Fehlurteile in Aussage-gegen-Aussage-Verfahren pro Jahr ergehen, ist eine Dunkelziffer, die nie erforscht wurde.

Sabine Rückert:

Wie oft es in Deutschland tatsächlich zu Fehlurteilen aufgrund falscher Beschuldigungen kommt, wird nicht erforscht. Im Gegenteil – für Gerichte, Staatsanwaltschaften und sogar für die Wissenschaft sind Fehlleistungen der Strafjustiz kein Thema. Insgesamt bloß etwa 90 Wiederaufnahmen bei über 800.000 rechtskräftig erledigten Strafsachen zählt das Bundesjustizministerium pro Jahr. Die Zahl derer, die in unserem Land unschuldig verurteilt werden, dürfte allerdings erheblich höher liegen. Wie hoch, lässt sich daran ablesen, dass Zivilgerichte nach einem Schuldspruch im sich anschließenden Schadensersatzprozess in 30 bis 40 Prozent der Fälle zu einem anderen Urteil kommen als das zuvor damit befasste Strafgericht.

Ralf Eschelbach, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, schätzt in seinem Strafprozessrechtskommentar vom Mai 2011 die Quote aller Fehlurteile auf ein ganzes Viertel. Den Löwenanteil vermutet er bei jenen Fällen, bei denen es wenige oder gar keine Beweise für die angezeigte Tat gibt und »Aussage gegen Aussage« steht. So ist es bei Vergewaltigungsvorwürfen besonders oft. Als eine der Hauptursachen für Justizirrtümer hat Eschelbach die Vorverurteilung des Angeklagten durch die – im Schulterschluss mit der Staatsanwaltschaft – agierenden Richter ausgemacht. Diese verließen sich allzu oft auf den Inhalt der Ermittlungsakte und eröffneten im Vertrauen auf die Arbeit der Staatsanwälte das Hauptverfahren. Die Fixierung auf die – den Angeklagten belastende – Akte führe dazu, dass in Deutschland die Freispruchsquote unter drei Prozent liegt. In den USA dagegen, wo das Urteil von einer mit den Akten nicht vertrauten Jury gefällt wird, endet ein volles Drittel der Strafprozesse mit einem Freispruch.

http://www.zeit.de/2011/28/DOS-Justiz

Nun liegt die Freispruchsquote bei Sexualdelikten weitaus höher als bei 3 % – ein Zeichen dafür, daß Gerichte zunehmend kritischer auf die Aussortierungskünste der politisch auf PC verpflichteten Staatsanwaltschaften reagieren. Es ist allerdings zu befürchten, daß sich auch das Landgericht Mannheim auf die Arbeit der StA und der Polizei verließ, wobei letztere seit 20 Jahren auf opferempathische Zuwendung statt auf Ermittlungstätigkeit verpflichtet wird (dazu andernorts mehr). Der naturgemäß erfolglosen Dienstaufsichtsbeschwerde von RA Birkenstock vom 7.6.2012 [S. 354 – 366] läßt sich entnehmen, wie sehr eine aufklärungsunwillige Staatsanwaltschaft, oftmals vergeblich, zum Jagen getragen werden mußte und wie parteiisch sie agierte.

Und was hat es mit dem von Seidling öffentlich beklagten Abreißen der objektiven Beweisketten auf sich?

Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt.

Gar nichts. Die objektive Beweiskette bleibt unbeachtet: sie wird gar nicht erst in Angriff genommen. Denn das will man nicht riskieren, daß die Nebenklägerin einem Gegenverfahren ausgesetzt wird, das ist bei unvermeidbarem Freispruch oberstes Ziel:

Jörg Kachelmann:

Auch die Untersuchung der objektiven Beweise orientiert sich allein daran, ob sie den Anklagevorwurf stützen (logischerweise Ergebnis: nein), sodass auch hier keine Beweiskette geschmiedet wurde, weil sie nicht geschmiedet werden sollte. Die Kammer versteigt sich gar zu dem Ergebnis, dass Selbstverletzungen nicht ausschließbar seien, referiert dann aber Gutachten, die Selbstverletzungen dringend nahelegen, und lässt die aus den brav wiedergegebenen Spurengutachten ersichtlicheTatsache, dass das Messer als Tatwaffe ausscheidet, gänzlich unberücksichtigt.

[S. 281]

So hatte ich es mir gedacht. Gegen eine falsche Freispruchsbegründung kann kein Freigesprochener Rechtsmittel einlegen, und wenn das Gericht öffentlich verkündet, eigentlich wisse man nicht, ob der Angeklagte nicht vielleicht doch schuldig sei, ist die öffentliche Höchststrafe verhängt. Angesichts des medialen Zirkus‘ um diesen Prozeß wußte das Gericht genau, was es tat – und genau das ist rechtsstaatswidrig. Auch ein Prominenter hat Anspruch darauf, daß in all der hämischen medialen Öffentlichkeit, in der sein Prozeß stattfindet, auch öffentlich festgestellt wird, daß er das Opfer einer Falschbeschuldigung geworden ist.

Das LG Mannheim wählte den gegenteiligen Weg.

Die feministische Aussagepsychologin Greuel bot der Nebenklägerin einen Ausweg vor der unweigerlichen Strafverfolgung: neben der nicht abweisbaren Hypothese einer bewußten Falschaussage bejahte sie auch die Nichtabweisbarkeit einer Autosuggestion. Und das muß man sich mal vorstellen: ab 1 Uhr nachts räumt die Nebenklägerin auf, bewahrt die benutzten Gläser und Teller nebst Besteck für eine DNA-Untersuchung auf, duscht nicht, steckt das getragene Kleid nebst Slip und Binde in einen Plastikbeutel, versieht ein Küchenmesser mit eigener DNA an der Schneide und placiert es im Schlafzimmer, spült einen beim Eintreffen des Lovers getragenen Tampon nicht in die Toilette, sondern entsorgt ihn, entgegen der Gewohnheit, uneingewickelt zuoberst im Küchen-Abfalleimer, auf daß man dessen völlig tatirrelevante DNA auf dem Rückholfaden detektiere. Man überlegt sich, ausgesprochen rational, welche Lügen, die man privat für strategisch richtig befand, zur Erhöhung der eigenen Glaubwürdigkeit auch gegenüber den Ermittlungsbehörden dienlich wären. Und neben allen diesen rationalen Tätigkeiten steigert sich eine psychisch gesunde Frau in die bezwingende Vorstellung hinein, sie sei unter Vorhalt eines Messers vergewaltigt worden, obwohl das nicht der Fall war.

Frau Prof. Dr. Greuel glaubte also an die Verdrehtheiten des nicht krankhaften weiblichen Gemüts, das sich binnen 12 Stunden autosuggestiv einbildet, unter Vorhalt eines Messers vergewaltigt worden zu sein, obwohl das nicht zutrifft. Diese, wenngleich wenig feministische Hypothese, bestritt ihr Lehrmeister, einer der Mitbegründer der Aussagepsychologie, Prof. Dr. Günter Köhnken, vehement, und vertrat die Falschaussage-Hypothese. Was machte das LG Mannheim, das sich partout nicht mit einer Falschaussage-Beurteilung der ›Zeugin der Anklagte‹ beschäftigen wollte?

Nun, das Übliche eben.

Jörg Kachelmann:

Prof. Dr. Luise Greuel und Prof. Dr. Günter Köhnken wären arg verdutzt, könnten sie zur Kenntnis nehmen, wie die Landrichter aus Mannheim es vermieden haben, die Diskrepanz in diesem kleinen Bereich zwischen Greuel (Autosuggestionshypothese ist nicht abweisbar) und Köhnken (Autosuggestionshypothese ist auszuschließen) zu entscheiden. Die Kammer hat einen kreativen Mittelweg gefunden: Die Autosuggestionshypothese kann dahingestellt bleiben, denn irgendwie ist die ganze unzulängliche Aussage meiner Falschbeschuldigerin kontaminiert, weil die Nebenklägerin, gebeuteltes Beziehungsopfer und krisengeschüttelt nach einem traumatisierenden Untreuegeständnis, zum Rekonstruieren von Erinnerungen neigt. Und wer weiß, wer weiß, so spekuliert man höheren Orts herum – und formuliert den traurigen Höhepunkt der bewussten Begründungsverweigerung meines Freispruchs:

»Damit konnte auch die Möglichkeit der bewussten Aggravation [soll heißen: der bewusst übertriebenen Schilderung; Anmerkung JK] eines tatsächlichen, strukturell nicht abgrenzbaren Gewaltgeschehens nicht ausgeschlossen werden.«  

Wow. Das mag zwar als Bewerbungsschreiben für Drehbuchautoren zur Verfilmung des Schicksals von Claudia D. durchgehen. Dem Bundesgerichtshof kann man diese klebrige Lektüre allerdings nicht zumuten, und einem Freigesprochenen, der unschuldig ist, erst recht nicht.

[ S. 281]

Da bleibt einem allerdings die Spucke weg. Da erfindet das Gericht flugs einen von der ›Zeugin der Anklage‹ in keiner Weise offerierten Sachverhalt, nur um den Autosuggestionsquatsch von Greuel versus der souveränen, auf die Falschaussage fokussierende Expertise ihres Lehrmeisters Köhnken nicht entscheiden zu müssen?

Immerhin: die Autorin des Urteils, Daniela Bültmann, taucht im Geschäftsverteilungsplan des LG Mannheim nicht mehr auf; und Jörg Kachelmann weiß zu berichten, daß »sie angeblich irgendwas für die CDU in Berlin« [ S. 171] mache, was ja ein Segen für das Justizsystem wäre. Der Rest allerdings macht dekoriert weiter, so wurde StA Oltrogge zum »Ersten Staatsanwalt« befördert [S. 288], und das Elend nimmt weiter seinen Lauf…

Für Strafjuristen ist das Buch Pflichtlektüre.

Für alle, die in diese Mühle geraten könnten, allerdings auch – und das betrifft fast jeden Mann.

(Fortsetzung folgt.)

Update (13.10.2012)

Nun hat die Kanzlei Zipper aus Schwetzingen die erstrittene einstweilige Verfügung gegen Random House nebst dem eigenen Antrag online gestellt (und peinlicherweise selbst den Klarnamen der Mandantin Claudia D. verbreitet). In dem Antrag heißt es auf S. 3:

Bislang hat kein Medium der Presse die Antragstellerin mit vollem Namen bezeichnet. Lediglich in einem Beitrag in der EMMA Herbst 2011 erfolgt die konkrete Bezeichnung der Antragstellerin als Claudia D [es folgt der Klarname] – ohne deren Einverständnis.

Glaubhaftmachung: Beitrag EMMA Herbst 2011 als Anlage ASt9 in Kopie anbei.

In der Öffentlichkeit wurde dies aber nicht wahrgenommen. Die Antragstellerin ist der Öffentlichkeit nach wie vor nur als „Claudia            “  bekannt.

http://www.strafrecht-schwetzingen.de/files/Beschluss_10_10_12.pdf

Da wurde also nicht nur die online-Fassung dieses Artikels unterschlagen, die erst am 10.10.2012 abgeschaltet wurde, sondern überhaupt das gesamte Internet als öffentlicher Raum ausgeblendet. Und das wird die EMMA-Chefin gar nicht gern lesen, daß sie den Namen ohne Einverständnis veröffentlicht hat – und daß das Nischenprodukt EMMA nix mit Öffentlichkeit zu tun hat, schon mal gar nicht. Aber da das Landgericht auf EMMA nicht eingeht, ist es wohl nicht so relevant.

Merkwürdigerweise bezieht sich die Kanzlei auch auf das Esra-Urteil des BGH vom 21.6.2005

http://lexetius.com/2005,1501

Was hat das denn mit dem vorliegenden Fall zu tun? Ahja, ›Märchen‹ = Roman… Das wird es sein!

Update (14.10.2012):

Soeben erfahre ich von Arne Hoffmann Folgendes:

Sonntag, Oktober 14, 2012

Kachelmann-Buch: Mehr als eine Rezension

Die ehemalige Oberstaatsanwältin Gabriele Wolff setzt sich hier mit dem Buch von Jörg und Miriam Kachelmann auseinander. Teil dieses Beitrags sind auch Passagen des Artikels im „Kölner Stadt-Anzeiger“, der Alice Schwarzer kritisierte und nach meiner Verlinkung auf Genderama plötzlich nicht mehr online stand.

http://genderama.blogspot.de/2012/10/kachelmann-buch-mehr-als-eine-rezension.html

Stimmt:

http://genderama.blogspot.de/2012/10/das-kachelmann-buch-und-die.html

http://www.ksta.de/debatte/schwarzer-vs–kachelmann-verblendung,15188012,20570476.html

Lesenswert und richtig bleibt der Kommentar von Thorsten Keller vom 11.10.2012 dennoch. Andererseits ist es natürlich nicht politisch korrekt, von einem Männerrechtler zitiert zu werden…

Update (16.10.2012)

Georg Altrogge auf Meedia.de:

E-Mail mit brisanten Daten an Medienvertreter verschickt

Eigener Anwalt stellt Kachelmanns „Ex“ bloß

Der nicht abebbende Anwaltskrieg im Fall Kachelmann hat bereits in der vergangenen Woche für Schlagzeilen gesorgt. Während die Konfliktparteien sich gegenseitig mit Klagen überziehen und bei Gerichten reihenweise Anträge auf Einstweilige Verfügungen eingehen, agiert offenbar nicht jeder Jurist auf der Höhe des Geschehens. So wurde jetzt bekannt, dass mindestens ein Journalist eine merkwürdige E-Mail des Anwalts der Ex-Geliebten Claudia D. erhielt, deren angehängte Dateien die Mandantin bloßstellen.

So finden sich in der E-Mail, die MEEDIA vorliegt, nicht nur polizeiliche Vernehmungen aus der nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Ermittlungsakte im Wortlaut, sondern auch medizinische Gutachten über die Verletzungen, die Claudia D. erlitten haben will, als sie die letzte Nacht mit dem Wettermoderator verbrachte. Und damit nicht genug: In den Unterlagen befinden sich neben dem Klarnamen und der Wohnadresse der Radiomoderatorin auch ihre Privat- sowie Handynummer. Insgesamt geht es um 20 eingescannte Seiten aus der streng vertraulichen Verfahrensakte.

[…]

Eins von vier Dokumenten im Mail-Anhang: das rechtsmedizinische Gutachten der Uniklinik Köln (Schwärzungen: Meedia.de)

[…]

Ebenfalls im Wortlaut versandt: die Kopie des „molekulargenetischen Gutachtens“ vom Münsteraner Institut für Forensik

[…]

Beim dritten Dokument handelt es sich um den Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts Baden-Württemberg

[…]

Auch das komplette Vernehmungsprotokoll der polizeilichen Vernehmung von Claudia D. vom 9. Februar 2010 findet sich im Mail-Anhang

[…]

In der Mail gibt der Jurist (Fachgebiete: Strafrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht) dem Journalisten zudem zehn dezidierte Fragen mit auf den Weg, die dieser auf der Pressekonferenz von Jörg Kachelmann auf der Frankfurter Buchmesse am vergangenen Freitag stellen sollte. O-Ton Anwalt Zipper: „Sie können dann mal den Kachelmann fragen…“ Und offenbar war dort auch eine medienwirksame Aktion geplant – der Anwalt informiert dem Journalisten, er werde bei der Pressekonferenz „Zeuge von mehreren Zustellungen von Einstweiligen Verfügungen und Abmahnungen an die Eheleute Kachelmann werden“.

Doch zu dem öffentlichen „Showdown“ kam es nicht. Nach MEEDIA-Informationen war die Gegenseite vorbereitet und hatte ihrerseits zwei Anwälte abgestellt, die als Bevollmächtigte des Moderators und seiner Ehefrau die Verfügungen in einem Vorraum entgegennahmen, die eine Gerichtsvollzieherin in Anwesenheit von Anwalt Rüdiger Zippert persönlich während der PK zustellen wollte. Fazit: eine Anwaltsposse, die in zumindest Juristenkreisen für reichlich Gesprächsstoff sorgen dürfte…

ga
16.10.2012

http://meedia.de/fernsehen/kachelmanns-ex-vom-eigenen-anwalt-blossgestellt/2012/10/16.html

Nennt man so etwas nicht Litigation-PR?

Und das Allerbeste ist, daß dem Journalisten nicht etwa eigene Ablichtungen aus den Verfahrensakten zugänglich gemacht wurden, sondern die Anlagen „K 6 bis K 9“ der Anwälte Welker, die Kachelmann als Kläger – daher das Kürzel „K“ – im Frankfurter Zivilverfahren vertreten und die diese Anlagen zur Stützung ihres Vortrags eingereicht haben… Es ist tatsächlich so: das Vernehmungsprotokoll vom 9.2., das Spurengutachten des LKA, das Gutachten Rothschild und das Gutachten Brinkmann belasten die NK. Daß dieser Anwalt, der Claudia D. als Beklagte in diesem Verfahren vertritt, das nicht bemerkt, ist schon bemerkenswert.

Update (17.10.2012)

Georg Altrogge von Meedia.de:

Nachtrag, 17.10.: In einer Mail an MEEDIA teilt der Jurist Manfred Zipper mit, seine Mail sei nur an einen Journalisten gerichtet gewesen und der Inhalt „persönlich und vertraulich“.

Nachtrag, 17.10.: Zu den Ausführungen des Anwalts Manfred Zipper erklärt der betroffene Journalist gegenüber MEEDIA: „Ich hatte um diese Mail von Herrn Zipper nie gebeten, da mich nur die Einstweiligen Verfügungen interessierten. Es war auch nirgends von ‚persönlich‘ oder ‚vertraulich‘ die Rede – was auch nur unrichtig sein kann, da es aus meiner Sicht eine Art Vorlage war, um den Inhalt bei der Kachelmann-Pressekonferenz zu verwenden – einer Veranstaltung mit größtmöglicher Öffentlichkeitswirkung, zu der Herr Zipper keinen Zutritt erhalten hatte.

http://meedia.de/fernsehen/kachelmanns-ex-vom-eigenen-anwalt-blossgestellt/2012/10/16.html

Ausgesprochen lesenswert:

http://www.stefan-niggemeier.de/blog/was-guenther-jauch-alles-egal-ist/