Der STERN und Udo Jürgens – wie mit PC Auflage gemacht werden soll

Udo, 7.2.09[Udo Jürgens am 7.2.2009 in Köln]

Ein Großer ist gegangen. Einer, der Vielen etwas bedeutet hat. Nicht nur mir, die ihm als Zehnjährige im Jahr 1966 verfiel, als ich „Merci Chérie“ im Radio hörte, weil meine Mutter mit dem verhaßten Wäscheziehen plötzlich aufhörte und ganz andächtig sagte, daß dieses Lied gestern den Grand Prix Européen de la Chanson gewonnen habe.

Nie zuvor war mir Musik in einer solchen Intensität begegnet. Sie traf mich in den Magen, ich bekam eine Gänsehaut, ich hatte Tränen in den Augen. Rückblickend kann ich nicht verstehen, was mich damals als Kind so umgehauen hat; ich wußte ja nichts von Liebe und Schmerz der Erwachsenen – aber daß da von Höhen und Tiefen zu hören war, die die Fortsetzung meiner Märchenwelt waren, denen ich gerade entwuchs und die ich zeitgleich bei Karl May wiederfand, nur eben viel realistischer, das werde ich wohl „verstanden“ haben. Und auch, daß Musik viel tiefere Schichten anspricht als Worte. Diese drängenden Triolen, dieses Abzielen auf den hohen, erlösenden Ton, der sogleich beruhigende Abwärtsbewegungen auslöst…

Oliver Polak, 38, hat im SPIEGEL 1/2015 vom 29.12.2015 von einem ähnlichen Initiationserlebnis im Alter von elf Jahren erzählt, von einem Konzertbesuch in Oldenburg während der „Deinetwegen“-Tournee im Jahr 1987.

Ich musste weinen, ich weiß nicht, warum, da war ein Punkt, den dieser Typ in meinem Kinderherzen berührte – es umarmte, es verstand, mich verstand. Ich verliebte mich. Bei seinem Abgang klatschte Udo die zur Bühne hochragenden Hände ab. Auch meine kleine Kinderhand hielt er kurz in seiner großen verschwitzten Popstar-Hand. Ich saß versteinert auf dem Bühnenrand.

[aaO, S. 135]

Neben den vielen Millionen, die lediglich Udo Jürgens‘ kultige Hits kennen, gibt es Millionen, die mit Udo Jürgens seit ihrer Kindheit bis zu seinem Tod (und darüber hinaus) verbunden waren und kaum jemals eines seiner magischen Konzerte verpaßten, in denen er über sich hinauswuchs, sich völlig verausgabte und in denen eine geheimnisvolle Alchimie herrschte: Publikum und Sänger gaben in gleichem Maß. Dankbarkeit, Ergriffenheit, Jubel und Ekstase der einen Seite trieben die andere zu Energieleistungen, die an den Rand der Erschöpfung führten.

Bei seiner Tournee „Mitten im Leben“ in Köln am 5.11.2014 hatte dieses Bündnis zwischen Publikum und Sänger etwas Überirdisches: Udo Jürgens wurde mit standing ovations empfangen – Köln war immer ein besonders inniges Heimspiel für ihn -, weil die Endlichkeit dieser gemeinsamen Erlebnisse unausgesprochen im Raum stand. Weil man sich für die jahrelangen Beglückungen bedanken wollte. Und auch er wußte um die Endlichkeit dieser gemeinsamen Verschwörungen der idealen Lieder gegen die Realität. Schon beim ersten Lied nach der Pause begann der run auf die Bühne – das Pepe Lienhard-Orchester hat sich selbst übertroffen, Jürgens war nie besser als bei diesem Konzert, das ihn die letzten Kräfte kostete. Was man ihm bei den Zugaben, so nah an der Bühne, deutlich ansah – aber diese symbiotischen Kräfte trieben einander eben bis zum letzten an.

Obwohl ich ahnte, daß dieses Konzert ein Abschied war, kaufte ich Karten für das Wiederholungskonzert im März 2015. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und nun der STERN.

Erinnern Sie sich noch, wie er gegen Christian Wulff hetzte, ohne sich später für seine Entgleisungen zu entschuldigen?

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/03/08/der-stern-kontra-wulff-kann-journalismus-noch-tiefer-sinken/

Erinnern Sie sich noch an seine Sexismus-Kampagne gegen Rainer Brüderle, als die Täterin Laura Himmelreich diesen FDP-Politiker niederschrieb, und sich, gender mainstreaming sei Dank, zugleich zum Opfer stilisierte, das nach einem Jahr der im Busen gehüteten Schmach zum Rache-Artikel ausholte? Nun, Brüderle, die FDP und Himmelreich sind Geschichte – wer sie nachlesen will, findet sie hier:

http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-portraet-ueber-rainer-bruederle-der-herrenwitz-1964668.html

Festzuhalten bleibt, daß der Feminismus, der Frauen als Opfer von Sexismus kleinhält, in Wirklichkeit denunziatorischen Täterinnen einen moralischen Vorwand liefert. Dieses Denkmuster schreitet immer weiter fort bis hin zur Forderung einer Aufweichung des Vergewaltigungsparagraphens, der Frauen die Definitionshoheit darüber zuspricht, wann ein später als unangenehm empfundener Geschlechtsverkehr strafbar sein soll. Und das auch noch zwanzig bis dreißig Jahre später. Ja, in den USA gehen die Überlegungen so weit, daß man sagt, daß ein zu Unrecht beschuldigter Mann weniger leide als eine Frau, deren Beschuldigungen man nicht glaube – diese Perversion des Rechtsstaats und seiner Unschuldsvermutung ist in Politik und Medien längst Mainstream, der wie immer gegen die Rechtswirklichkeit und gegen die Meinung des Volks steht. Das nämlich genau weiß, daß Gut und Böse, Dominanz und Schwäche zwischen Männern und Frauen ziemlich genau gleich verteilt sind. Auch Provokation und Aggression sind gleich verteilt, mag auch in der medialen Darstellung die spektakulärere physische Aggression der Männer überwiegen.

Nun sind die Leitmedien nicht ohne Grund wirtschaftlich bedroht: es muß Folgen haben, wenn ausschließlich neoliberalistische, feministische und transatlantische Positionen vertreten werden, Elitenmeinungen also, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Der Vorwurf der „Lügenpresse“ wird ja nicht nur durch „Pegida“ erhoben. Das Publikum wendet sich ab, wenn es merkt, daß es indoktriniert werden soll.

Ein schönes Beispiel bietet der gerade aktuelle Chefredakteur des STERN. Er meint, posthum Udo Jürgens diffamieren zu können. Christian Krug heißt der Mann, der zur Zeit dort Chefredakteur ist und der wohl hofft, mit diesem Editorial im STERN 2/2015 vom 2.1.2015 auf S. 5 auflagesteigernd zu wirken – man merkt ihm allerdings an, daß er keine Ahnung von Udo Jürgens und seiner Wirkung hat.

Ich bin sicher, dass unter den Weihnachtsbäumen nie so viel getanzt wurde. Vor allem nach „Merci Chérie“, dem nach meiner Überzeugung meist falsch interpretierten Lied, dem er seinen Durchbruch verdankte. Jürgens hatte den Song als eine Art Entschuldigung für ein Davonstehlen nach einer durchliebten Nacht getextet. Eine Liebeserklärung an die unbekannte Schöne, deren Namen er schnell wieder vergessen hatte, als er die Tür hinter sich zuzog.

[Hervorhebungen im STERN]

Krug kann weder Musik empfinden noch Texte lesen – es geht ihm um sexistische Denunziation des Mannes, wie es gerade feministische Mode ist. Männer sind Schweine, und Frauen Opfer. So der mediale Diskurs, der mit dem wahren Leben nichts zu tun  hat.

Der Text des Liedes aus dem Jahr 1966 lautet – und ich markiere die Silbe, die den höchsten Ton markiert, auf den die Musik hindrängt -:

Merci, Merci, Merci
Für die Stunden Cherie, Cherie
Unsere Liebe war schön, so schön
Merci Cherie
Sei nicht traurig, muß ich auch von Dir geh’n

Adieu, Adieu, Adieu
Deine Tränen tun weh, so weh, so weh
Unser Traum fliegt dahin, dahin
Merci Cherie, weine nicht
Auch das hat so seinen Sinn

Schau nach vor’n, nicht zurück
Zwingen kann man kein Glück
Denn kein Meer ist so wild, wie die Liebe
Die Liebe allein, nur die kann so sein, so sein

Merci, Merci, Merci
Für die Stunden Cherie, Cherie
Unsere Liebe war schön, so schön
Merci Cherie, so schön, so schön
Merci Cherie, so schön, so schön
Merci Cherie
Merci

http://www.golyr.de/udo-juergens/songtext-merci-cherie-196992.html

Nur ein politisch korrekter Chefredakteur kann im Jahr 2015 dieses Lied von 1966, dessen Schmelz von Liebe und Liebesleid kündet, so mißverstehen wie der Herr Krug das tut. Aber er macht das mit Absicht, denn er muß den denunziatorischen Charakter des in seinem Heft publizierten Artikels verteidigen. Und also schreibt er, wiederum komplett an der Realität vorbei und ohne Interpunktionskenntnis:

Diese dunklere Seite von ihm, dieser Ausdruck seiner Beziehungsunfähigkeit [,] wird heute als Schmachtschlager geträllert. Als Helene Fischer den Song auf ihrer Gala für ihn zum Besten gab, sah er sie an, als hätte sie rein gar nichts verstanden. Nichts von seiner Zerrissenheit, nichts von seinem Narzissmus, nichts von seiner Hintergründigkeit als Künstler.

[Hervorhebung im Originaltext]

Klar, Männer sind narzisstisch, und nur Männer, so will es die feministische Definition. Krug lügt allerdings, nur um dieses Klischee zu begründen. Und es ist ihm leicht nachzuweisen. Udo Jürgens war nach der Interpretration seines uralten Liedes durch Helene Fischer ergriffen, dankbar, begeistert, er fand sie wunderbar und er applaudierte jeweils, als sie den hohen Ton des „sauschwierigen“ Liedes ideal vortrug – er darf nämlich nicht angesungen und dann mit Schwellton ausgeführt werden, er muß mit Attacke vorgetragen werden. Das hat Helene Fischer getan – und Udo Jürgens hat jeweils anerkennend applaudiert. Wohlgemerkt: es geht um das Wort „Liebe“, dessen erste Silbe so vehement interpretiert werden muß.

Helene Fischer in der Geburtstagsshow für Udo Jürgens mit „Merci Chérie“ (aufgezeichnet am 1.9.2014)

http://www.youtube.com/watch?v=VOEAANdAN8g

Helene Fischer in ihrer Show mit Merci Chérie (aufgezeichnet am 11./12.12.2014)

https://www.youtube.com/watch?v=VnlqLm8208k

Krug lügt also. Und wieso? Weil er den unterirdischen Beitrag eines Interviews mit einem prekären Cousin von Udo Jürgens (die üblichen Geier umkreisen berühmte Tote sogleich) mithilfe eines feministischen Mainstreams adeln möchte:

Applaus war sein Antrieb und seine Lebensdroge. Er hat sein Publikum gebraucht wie ein Vampir das Blut. Sein Cousin Andrej Bockelmann beschreibt ihn im Interview mit dem STERN als einen Einzelgänger, der seine erste Ehe nur zum Schein aufrechterhielt (ab S. 70). Geliebt hat er wohl nur sich selbst.

[Hervorhebung im Editorial]

An dieser Stelle ist man wirklich dem Kotzen nah.

Die Familie Bockelmann hat von ihren Sprößlingen viel verlangt. Darunter hat auch Udo Jürgens gelitten. Andrej Bockelmann hat den Maßstäben seines Vaters Werner Bockelmann wohl kaum entsprochen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Bockelmann

Mit über siebzig Jahren muß er sich noch als Werbefilmer auf dem Markt verdingen, weil er als freier Autor sicherlich keine auskömmliche Rente hat:

Ich kann meine Arbeit sehr preiswert für 200 € pro Arbeitstag (incl. Ausrüstung) anbieten. In der Regel lässt sich ein etwa 15 Minuten langer Film an 4 – 5 Tagen herstellen und kostet um die Tausend EURO. Aber auch schon für 600 – 800 € lässt sich ein passabler 5 – 8-Minuten-Film realisieren. Größere Werke kosten je nach Aufwand in der Regel zwischen 2000 und 5000 €.

http://www.andrejbockelmann-imagefilm.de/kosten-und-preise.html

Das Gästbuch seiner seit 2011 eingerichteten Website sieht mau aus: es gibt dort sechs Einträge, drei stammen von ihm selbst, einer von seinem Sohn und zwei von obskuren Bekannten:

http://www.andrejbockelmann-imagefilm.de/guestbook.html

Dieser Mann darf also gegen Udo Jürgens losschießen; das Wichtigste hat der STERN auch online gestellt.

http://www.stern.de/kultur/musik/udo-juergens-vetter-im-stern-udo-hat-die-menschen-nie-geliebt-2163102.html

Natürlich macht dieser neidzerfressene unerfolgreiche Verwandte lediglich Reklame für sein Buch, das er im Frühjahr herausbringen will – der alberne Titel lautet: „Udo Jürgens – der Mann, der mir das Schwimmen beibrachte“ [STERN Nr.2, 2.1.2015, S. 78]

Wieso hat der STERN die haltlosen Aussagen dieses krückeligen Verwandten, der Udo Jürgens kaum kannte, für seine feministische Agenda und sein Bashing gegen Männer, die bei Frauen erfolgreich sind, derartig mißbraucht?

Daß die Frauen Udo Jürgens nachliefen und daß er Probleme hatte, Nein zu sagen, ist ja bekannt. Daran soll er jetzt schuld und die Frauen Opfer sein? Come on. Get it straight.

Udo Jürgens hat nie ein Hehl aus seiner Vita gemacht:

Talkrunde mit Lanz, 2012

https://www.youtube.com/watch?v=e_0C0EtN5TE

Hier ein letztes großes Interview mit Giovanni die Lorenzo, das am 28.8.2014 im ZEIT-Magazin erschienen ist und in dem er zur aktuellen sexuellen Verklemmtheit wie auch zu seinen Defiziten einiges sagt:

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2014/36/udo-juergens-geburtstag

Ich denke, daß die Kalkulation des STERN, mittels feministischer Mainstream-Schablonen ein Interview zu adeln, in dem ein minderer Verwandter Udo Jürgens abwertet, nicht aufgehen wird, auch wenn der prekäre Verwandte mehr als seinen üblichen 200-Euro-Stundensatz erhalten haben wird.

Udo Jürgens läßt sich dadurch nicht skandalisieren, und auf eine Auflagenerhöhung darf der STERN auch nicht hoffen. Mal sehen, wie lange es der neue Chefredakteur auf dem Schleudersitz aushält.

Ich bin sicher, daß ihm dieser Beitrag sehr übelgenommen wird. Da nützt es nichts, daß dieses Interview auf BILD-Niveau mit Andrej Bockelmann von einem weiblichen Reporter namens Sophie Albers Ben Chamo geführt wurde, die am Schluß anmerkte:

erlebte Andrej Bockelmann als warmherzigen Gesprächspartner, dem Gerechtigkeit ein besonderes Anliegen war.

[aaO, S. 79]

Frauen lassen sich, wie Männer auch, im prekären Job des Journalisten wirklich zu allem mißbrauchen. Warmherzig ist an diesem Interview nichts, das lediglich zu einer auflagesteigernden Skandalisierung eines gerade Verstorbenen beitragen soll. Wobei die Skandalisierung durch den Chefredakteur auch noch ideologisch geadelt wird. Da fehlen einem wirklich fast die Worte dazu, wie weit die Presse geht.

Dieser Schuß wird aber gewiß nach hinten losgehen. Udo Jürgens, der von derselben psychisch kranken Frau gestalkt und physisch bedroht wurde, die Karl Dall der Vergewaltigung zieh, der dennoch angeklagt aber dann zurecht freigesprochen wurde, kennt die Frauen sehr gut. Zuletzt hatte er es mit einer aggressiven Frau zu tun, die behauptete, seine Tochter zu sein, was sie allerdings nicht war. Einem Star wie ihm schlug schon immer weiblicher wie männlicher Haß entgegen – typisch, daß der um Auflagesteigerung barmende STERN diesem Haß ein Sprachrohr bietet und den auch noch ideologisch rechtfertigt. Ich sage mal voraus, daß dieser Schuß nach hinten losgeht.

Als Antidot empfehle ich dieses Interview mit Jürgens‘ langjährigem Manager Freddy Burger, der ihn wirklich kannte:

http://m.schweizamsonntag.ch/ipad/articleView.htm?article=bGluZTJfTFRHX2xpbmUyLTI4XzEyXzIwMTRfU29ubnRhZ19SZWRha3Rpb25fdjFfMTczMjgyNg%3D%3D

Nachtrag (26.1.2015):

Natürlich entschuldigt sich der STERN nicht für seine Entgleisungen in der Wulff-Hatz, die weder juristisch noch politisch angemessen war.

12.03.14

„Stern“-Reporter Tillack will sich nicht entschuldigen

Frankfurt am Main. Der „Stern“-Reporter Hans-Martin Tillack wehrt sich gegen Vorwürfe, Journalisten hätten im Fall Christian Wulff vorschnell unhaltbare Vorwürfe erhoben. „Mit Verlaub, das ist grober Unfug“, schreibt der Enthüllungsjournalist, der seit vielen Jahren für das Hamburger Magazin tätig ist, in einem Beitrag für das aktuelle „medium magazin“. „Keine einzige Zeile meiner Artikel wurde vor Gericht attackiert.“ In den Beiträgen sei es nicht um „Klein-Klein“ gegangen, sondern um millionenschwere Geschäfte. „Mich stört die Nonchalance, mit der jetzt einige Journalisten eine regelrechte neue Meute des Ermittler- und Journalisten-Bashings schaffen“, so Tillack in seinen Ausführungen. Neben der „Bild“-Zeitung war er einer der Ersten, die über den umstrittenen Hauskredit des einstigen Staatsoberhaupts berichtet hatten.

Der inzwischen vom Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochene Ex-Bundespräsident hat laut Tillack in seinen Aussagen vor Gericht vieles zugegeben, was er in Statements zuvor bestritten habe. „Ich finde daher nicht, dass ich mich als Journalist heute dafür entschuldigen muss, wenn ich Anfang 2012 ein bisschen den Respekt vor ihm verloren hatte und nicht bereit war, mich auch noch für eine Inszenierung der präsidialen Normalität auf Staatsbesuch in Italien einspannen zu lassen.“

http://www.abendblatt.de/kultur-live/article125698922/Stern-Reporter-Tillack-will-sich-nicht-entschuldigen.html

Das sieht Jan Fleischhauer zurecht vollkommen anders, denn Tillacks jeglichen Anstands entbehrende Entgleisung anläßlich des Italien-Besuches ist schlicht nicht zu rechtfertigen:

S.P.O.N. – Der Schwarze Kanal: Maßlose Jäger

Eine Kolumne von Jan Fleischhauer

Wenn sich Journalisten wie Staatsanwälte aufführen, dürfen sie sich nicht wundern, dass sie schlecht aussehen, wenn vor Gericht nichts herauskommt. Vielen Bürgern wird der Fall Wulff als Beispiel für Macht und Machtmissbrauch von Medien in Erinnerung bleiben.

Der MDR-Redakteur Michael Götschenberg hat in seinem Buch „Der böse Wulff?“ festgehalten, wie es an Bord des Regierungsfliegers zuging, als der Bundespräsident im Februar 2012 zu seiner letzten Dienstreise nach Italien aufbrach. Wenn die Details der Affäre längst in die Dämmerung des Vergessens gesunken sind, wird diese Szene bleiben.

„Treten Sie nur aus Angst vor Mittellosigkeit nicht zurück?“ fragte einer der Journalisten, als Christian Wulff die Presse begrüßte. „Glauben Sie im Ernst, dass sich jemand dafür interessiert, was Sie in Italien vorhaben?“, lautete später eine andere Frage. Vier Tage blieben Wulff zu diesem Zeitpunkt noch bis zu seinem Rücktritt, aber für die nachbohrenden Redakteure war schon nicht mehr genug Zeit für die korrekte Anrede. Für sie war das Staatsoberhaupt nur noch „Herr Wulff“.

„Absolut grenzwertig“ sei das Verhalten gewesen, erinnert sich Götschenberg: Einige Kollegen, die dabei waren, hätten aus Scham zu Boden geschaut. Zu denen, die sich besonders hervortaten, gehörte der „Stern“-Reporter Hans-Martin Tillack. „Etwas frech“, findet Tillack im Nachhinein seine Fragen, aber es sei das „Kennzeichen einer Untertanengesellschaft“, Amtsträgern eine Ehrerbietung unabhängig von ihrem Verhalten zu gewähren. Normaler menschlicher Anstand hätte auch gereicht, um einen vor solcher Anmaßung zu bewahren.

[…]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/christian-wulff-jan-fleischhauer-kolumne-zum-freispruch-im-prozess-a-955971.html

Für die STERN-Hetze gegen Wulf, der heute als Repräsentant Deutschlands zu der Trauerfeierlichkeit in Saudiarabien geschickt wird, hat sich ein einziger entschuldigt. Der einzige unabhängige Journalist des STERN, der sich zu sehr spät zu einem einzigen Hetz-Artikel entschlossen hat, ist Hans-Ulrich Joerges:

http://www.stern.de/politik/deutschland/joerges-der-video-zwischenruf-die-medien-haben-wulff-kaputt-gemacht-2093252.html

http://www.stern.de/politik/deutschland/zwischenruf-aus-berlin-fuersorgliche-vernichtung-2001136.html

Aber Hans-Martin Tillack, um dessen Intellekt man sich ebensoviel Sorgen machen muß wie um seine intakte Psyche, setzt natürlich nach:

http://blogs.stern.de/hans-martin_tillack/wie-schoenfaerberisch-ist-das-wulff-buch/

Der STERN ist, wie sein Udo Jürgens-Editorial und -Artikel deutlich zeigt, auf einem falschen Weg. Noch deutlicher wird der falsche Weg, sieht man sich seine Ukraine. Berichterstattung an.

Auch hier ragt Jörges wie ein Leuchtturm heraus.

Denn hier muß man die Ausnahme hervorheben: Hans-Ulrich Jörges in seinem “Zwischenruf aus Berlin” im STERN vom 23.12.2014, S. 81. Üblicherweise kommt sein Zwischenruf weiter vorne. Aber der STERN mußte zuvor unbedingt noch zwei unendlich lange Propaganda-Artikel vorschalten.

Von S. 54 – 62 den Artikel

Der kalte Hauch des Gestrigen

Seit der Annexion durch Russland im März feiern die meisten Krimbewohner Putin, ihren starken Mann. Widerspruch wird nicht geduldet. Eine Reise durch eine Region am Wendepunkt der Geschichte

von Bettina Sengling

Düstere Fotos, fast ausschließlich Innenaufnahmen.
Die Autorin besucht ein Veteranen-Treffen (mit Stalin-Bild an der Wand), zwei Kadettenschulen (und wundert sich, daß die Kinder schon militärische Übungen machen), ein Armee-Museum, und sie redet ausschließlich mit Maidan-Anhängern, die schon nicht mehr in der Krim wohnen oder kurz davor sind, die Krim zu verlassen, und mit einem Krim-Tataren, dessen Sohn verschwunden ist, etc. Soweit die Ukraine vehement abgelehnt wird, sind das alles Leute, die von Propaganda vernebelt wurden. So kam es dann wohl zum mehrheitlichen Sezessions-Votum der Krimbewohner. Die waren alle von Propaganda umnebelt.

Unmittelbar danach folgt auf den S. 64 – 70 der Artikel

Aus dem Himmel gerissen
Auf Feldern in der Ostukraine liegen verstreut die Überreste des Fluges MH 17, zerfetzt von einer Rakete.298 Menschen starben, die meisten davon Niederländer.Ihre Angehörigen verzweifeln – an den Lügen, der Ungewissheit und der Unmöglichkeit, Abschied zu nehmen

Von Joachim Rienhardt

Zu sehen ist ein Kornfeld mit Flugzeugsitzen, also ein altes Foto. Die Machart des Artikels ist genauso, wie es schon die Überschrift andeutet: viel Herzeleid der Angehörigen, dazwischen eingestreut Unterstellungen (Rakete), Falschinformationen und Schuldzuweisungen.

Verbrannt, verkohlt, verstümmelt. Schutzlos bärtigen Kämpfern in Tarnuniform ausgeliefert, die vor laufender Kamera mit Plüschtieren der toten Kinder hantierten und Ringe von Fingern streiften.

[S. 66]

Nicht einmal vor der Wiederholung dieser bereits längst widerlegten Propaganda wird zurückgeschreckt.

Vom ersten Tag verteidigte sich Russland mit schmutziger Kriegspropaganda.

[S. 68]

Und kaum sagt ein Angehöriger, der drei Tage nach dem Abschuß vor Ort war, mal etwas Falsches, kriegt er einen drüber:

“Wieso kann ich da hin und meine Regierung nicht?”, fragt Oehlers, obwohl er weiß, dass die offiziellen Missionen immer wieder Attentatsversuchen der Separatisten ausgesetzt sind. Die haben kein Interesse daran, die Absturzstelle von Experten untersuchen zu lassen. Eher daran, Spuren zu verwischen.

[S. 70]

Ein einziger Lügensumpf, getarnt als Opferempathie.

Dagegen sticht Jörges tatsächlich heraus:

Amerikas Verirrungen
2014 gilt als russisches Krisenjahr. Doch die USA haben viel mehr angerichtet, ihre Fehler erschütttern die Welt.

Es ist ein Meisterwerk der Bewusstseinstrübung und Perspektivverschiebung, wie das Krisenjahr 2014 im öffentlichen Bewussstsein verankert wurde. Wegen der Annexion der Krim und des von Moskau mitgetragenen Bürgerkriegs in der Ostukraine gilt es gemeinhin als russisches Jahr. […]
Dabei müsste 2014 eher als amerikanisches Jahr in Erinnerung bleiben. Denn die globale Datenschnüffelei der NSA, die Bedrohung durch den IS, die nun auch amtlich bestätigte Folterpraxis nach 9/11 und selbst der Ukraine-Konflikt markieren fatale Fehler und Verirrungen amerikanischer Politik. Dagegen Putin zum Weltfeind Nummer eins zu erklären, ist ein Triumph gelenkter Kommunikation.

STERN Nr. 1 o.J., S. 70

Später spricht er es tatsächlich aus, was jeder weiß, es sich aber entweder nicht zu schreiben traut oder es bewußt verschweigt:

Beim Umsturz in der Ukraine Anfang des Jahres hatten die USA denn auch die Finger im Spiel, wie ein abgehörtes Telefonat der Diplomatin Victoria Nuland mit dem US-Botschafter in Kiew offenbarte. Sie empfahl “Jats” als Regierungschef, den Hardliner Arsenij Jazenjuk, der es dann auch wurde, und verwarf “Klitsch”, Vitali Klitschko. Europa? “Fuck the EU!”

Und er weiß sogar zu berichten, was 2008 geschah, als Deutschland sich vergebens der Aufnahme-Einladung der Ukraine und Georgiens in die NATO widersetzte.
Denn Steinmeier wurde von seiner US-Kollegin Condoleeza Rice am Telefon derart angebrüllt, dass er das niemals vergaß. Steinmeier wird mit den Worten zitiert:

“2008 war ein wichtiges Jahr, das schon Vorzeichen des heutigen Ukraine-Konflikts trägt.”

 

Ja, in Ausnahmefällen leistet sich der STERN mal die Wahrheit. Jörges ist so ein Ausnahmefall. Ansonsten hält er sich an den Mainstream, insbesondere den feministischen – der im Fall Udo Jürgens gewaltig in die Hose ging. Weil er ganz offensichtlich nur ein diffamierendes Interview mit einem prekären Verwandten rechtfertigen sollte.

Ich glaube nicht, daß Henri Nannen einen solchen Journalismus gut finden würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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»Das Private ist politisch«: Anne Sinclair und der bevormundende Feminismus

Wenn Feminismus zu Intoleranz, Verunsicherung und Haß führt, dann wird Antifeminismus zur Pflicht. Insbesondere für Frauen. Denn dem feministischen Mainstream in Gesellschaft und Medien genügt es nicht etwa, lediglich das männliche Geschlecht zu verteufeln. Dasselbe Schicksal widerfährt auch Frauen, die sich dem Sittenkodex der aktuellen Heilslehre nicht beugen. Das ›selbstbestimmte Luder‹ hat es gerade noch so eben geschafft, die Kurve zu kriegen und den beiden Schubladen zu entgehen, in die Frauen ansonsten einsortiert und vereinnahmt werden: das ›Weibchen‹ und das ›Opfer‹.

Diese beiden Typen benötigt der Feminismus wie der Fisch das Wasser. Denn nur sie belegen, daß der Emanzipationsprozeß noch nicht beendet ist. Die Etikettierung als ›Weibchen‹ oder ›Opfer‹ gelingt durch die Politisierung des Privaten – was wiederum bedeutet, daß die Intimsphäre gnadenlos mißachtet und instrumentalisiert wird. Da gehen Schlüsselloch-Boulevard und Ideologinnen Hand in Hand.

Familienministerin Kristina Schröder wurde zum Weibchen, weil sie bei der Eheschließung den Namen ihres Mannes annahm. Freiwillig von Köhler (immerhin, ein präsidiabler Name) zu Schröder (achgott, nur ein Kanzler) abzusteigen, ist für das Schlachtroß der Emanzipation, Alice Schwarzer, ein nachhaltig verwirrender Akt:

08.11.2010

Offener Brief an Kristina Schröder

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie sind jetzt seit fast einem Jahr im Amt. Seither warte nicht nur ich auf Taten und Zeichen von Ihnen, die die Lage der Familien verbessern und die Gleichberechtigung der Frauen weiter bringen könnten. Zeichen, wie wir sie von Ihrer couragierten Vorgängerin gewohnt waren. Wir warteten bisher allerdings vergebens. Die einzig aufregende Nachricht aus Ihrem Amt war Ihr Namenswechsel von Köhler auf Schröder – was mich persönlich, ehrlich gesagt, bis heute verwirrt.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?cHash=69bb339dd9&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=11&tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=54&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2010

Tina Hildebrandt lästert in der ZEIT über die Verlobung von Marina Weisband:

Über Verlobungen

Die Piratin Marina Weisband gab kürzlich via Twitter ihre Verlobung bekannt. Ganz schön bürgerlich und überhaupt nicht freibeutermäßig, findet Tina Hildebrandt.

[…]

Die nächste Nachricht erreichte die Öffentlichkeit standesgemäß via Twitter: He did it. He ist der Freund der Piratin. It ist der Heiratsantrag, den er seiner Liebsten machte, wobei er offenbar einen Verlobungsring überbrachte, der nun im Netz zu sehen ist. […] Wen interessiert’s? Funktioniert LiquidFeedback auch zu zweit? Vor allem aber: Warum überhaupt verloben? Ursprünglich verlobte man sich, um ohne Ärger Händchen halten zu dürfen. Erst 1998 wurde das Kranzgeld abgeschafft, eine Entschädigung, die fällig wurde, wenn es zu vorehelichem Sex gekommen war, auf den aber weder Glücksgefühle noch Heirat, sondern eine schnöde Entlobung folgte. Ferner galt die Verlobung in Pre-post-Gender-Zeiten als erster Erfolg bei dem Versuch, notorisch bindungsängstliche Exemplare vom Typ Mann anzuleinen. Übersetzt bedeutet Verlobung schließlich drittens: Wir hätten gerne einen Toaster, ein Kaffeeservice, eine Bodenvase. Alles drei recht bürgerliche Wünsche, die man von Freibeutern nicht unbedingt erwartet.

http://www.zeit.de/2012/19/Gesellschaftskritik-Verlobungen

»Wen interessiert’s?« Eine lustige Frage. Tina Hildebrandt interessierts. Und die meint, daß die Öffentlichkeit interessieren müßte, welche Assoziationen sich bei ihr, Tina Hildebrandt, angesichts einer Verlobung so einstellen. Was sie indes unter dem Deckmantel unstandesgemäßer ›Bürgerlichkeit‹ anprangert, ist in Wahrheit ein Rückfall in die Weibchenrolle. Schließlich hat frau sich nicht zu freuen, wenn ein Mann ihr einen Heiratsantrag macht. Sehr deutlich schimmert Hildebrandts Einstellung bei diesen vernichtenden Sätzen durch:

Seither jedenfalls hört man von Weisband mehr denn je. Über ihre blonde Perücke: Trage ich aus Spaß an der Verwandlung. Über die Piraten als Koalitionspartner: Nervtötend. Über Talkshows: Da geht es darum, dicke Eier zu haben.

Womöglich in Ermangelung ebensolcher brach Weisband kurz vor einer Sendung der Talkfrau Maybrit Illner im Studio zusammen, ein Phänomen, das bislang vor allem aus der Fauna bekannt ist: Opossums, aber auch Spinnen und andere Tiere stellen sich tot, wenn ein Steppen-Burn-out oder ein anderer Feind naht.

http://www.zeit.de/2012/19/Gesellschaftskritik-Verlobungen

So schnell rattern die üblen Assoziationen: keine Eier, Kreislaufschwäche, Weibchen, Tierreich, Totstellreflex. Die unemanzipierte Verlobung ist nur das letzte Glied in der Beweiskette: Du bist ein tranfunzeliges Weibchen, das folgerichtig die Politikkarriere aufgibt. Was ist dagegen denn schon ein Diplom in Psychologie?

Nun könnte man sagen: selber Schuld. Wer sein Privatleben in die Öffentlichkeit trägt, muß damit rechnen, daß es von ideologischen Scharfmacherinnen auseinandergenommen wird. Aber selbstgerechte Feministinnen mischen sich auch dann ein, wenn lediglich eine fiktive Ich-Figur in einem autobiographisch gefärbten Roman von der Last mit der genderpolitisch unkorrekten Lust erzählt. Alice Schwarzer in einem ihrer berüchtigten Offenen Briefe, dieses Mal an Charlotte Roche:

15.08.2011

Hallo Charlotte,

ich bin’s, dein Über-Ich. Du weißt schon, diese feministische Rachegöttin, die Seite an Seite mit deiner Mutter durch dein Buch geistert. Die deiner Protagonistin Elizabeth immer über die Schulter guckt, wenn die gerade mal Spaß haben will – die Eichel ihres Mannes mit der Zunge putzt, auf dem Familiensofa Pornos guckt oder es mit ihm und einer Brasilianerin zu dritt im Edelbordell treibt. Dein Mann ist ja Katholik und erst das „Sündigen“ wider Gottes Gebote macht ihn so richtig an. Und du bist zwar Atheistin, aber Feministin – und erst das „Sündigen“ wider den Feminismus gibt dir anscheinend den letzten Kick. Insofern habe ich eigentlich eine echt sexy Rolle in deinem Buch. Auch wenn ich sie mir mit dem Papst teilen muss.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=15&tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=79

Denn das Private ist ja politisch, da wird den Frauen folgerichtig vorgeschrieben, welche Lust sie haben dürfen und welche nicht. SM, Porno und Prostitution sind ein no-go, der Wunsch nach gespielter Vergewaltigung oder hartem Genommen-Werden genauso igitt wie ein Bedienen des Mannes. Erlaubt ist Kuschelsex mit Ansage, und das Verlangen nach mehr als nur einem Bettgenossen dürfte bereits diskussionswürdig sein.

Wenn sich eine junge Frau daraufhin erdreistet, die Verwirrungen zu schildern, die der aktuelle feministische Sexualmoralkodex auslöst, dann wird die eigene Über-Ich-Rolle ins Lächerliche gezogen und der aufmüpfigen Feminismusgeschädigten Schläge unterhalb der Gürtellinie versetzt:

Vielleicht passt es so besser zu deinem neuen Leben als Seine Frau. Eine Frau, die über ihren Mann schreibt: „Er hat mir gnadenlos alles über seine Sexualität gesagt.“ Und die wenige Zeilen später sinniert: „Jetzt bin ich bald dran, ihn mit meiner wahren Sexualität zu konfrontieren.“ In der Tat, das wäre keine schlechte Idee nach all den Jahren.

[…]

Du aber hast inzwischen dein eigenes Geld. Doch – hast du auch eine eigene Existenz? Bist du mit deinem Mann freiwillig zusammen weil du es so willst – oder bist du es, weil du emotional von ihm abhängig bist und bei ihm bleiben musst?

[…]

In denen [in deutschen Feuilletons] wirst du interessanterweise von den meisten Frauen beschwärmt, von den meisten Männern aber verrissen. Sie scheinen dich nicht zurückzulieben, die Männer.

Okay, damit sollte eine starke Frau leben können. Eines allerdings wäre fatal: Wenn deine Leserinnen deine verruchte Heimatschnulze über Sex & Liebe für ein Rezept halten würden. Denn du hast nicht die Lösung, du hast das Problem.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=08&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=15&tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=79

Schwups, schon ist Charlotte Roche ein Weibchen »mit Oma-Beziehungsmodell«, Opfer einer emotionalen Abhängigkeit vom Mann und bestenfalls »eine Feministin auf dem Trip«, die der Entgiftung durch die Suchttherapeutin A. S. bedarf.  Schwarzer hat die verkleisternde Süße der ›sogenannten Liebe‹ schon immer als die Hauptfeindin klarer Geschlechterverhältnisse betrachtet.

Über Schwarzers brachiale Opferrekrutierung in Sachen Prostitution gegen die klar und eindeutig geäußerten Wünsche der Sex-Arbeiterinnen selbst habe ich mich bereits geäußert:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/03/15/zur-hebung-des-talkshow-niveaus-der-or-sender-keine-einladung-mehr-an-alice-schwarzer/

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/01/alice-schwarzers-anti-prostitutions-kreuzzug-moralin-das-frauen-schadet/

Aber gegen die Unfehlbarkeit der fundamental-feministischen Doktrin kommen selbst vernünftige Feministinnen wie Elisabeth Badinter nicht an:

20.11.2011 01:15 Uhr

„Ich werde ständig von Feministinnen attackiert“

Interview: Verena Mayer

[…]

Alice Schwarzer sieht die Frauen gern als Opfer. Nervt Sie das?

Und wie. Ich kenne Alice sehr gut, wir hatten eine ziemlich rüde Diskussion über Prostitution. Für mich ist das eine philosophische Frage des eigenen Selbst. Wenn eine Frau in einer Nacht so viel verdienen will wie andere in einem Monat, dann soll sie das tun. Bekämpfen soll man die Zuhälter, die Netzwerke dahinter. Aber die Frau hat ihren freien Willen. Da ist Alice ganz und gar dagegen. So wie ich dagegen bin, Frauen immer nur als Opfer zu sehen.

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/sonntagsinterview-ich-werde-staendig-von-feministinnen-attackiert-/5863722.html

Wie ein Brennspiegel hat Anne Sinclair, erfolgreiche Journalistin, TV-Ikone, Buchautorin, Sozialistin, Erbin, Mutter und Großmutter, in zweiter Ehe seit zwanzig Jahren mit Dominique Strauss-Kahn verheiratet, diese Zuschreibungsprozesse gebündelt und auf sich gelenkt. Alles ohne ihr Zutun. Sie, die ihr Privatleben trotz der Öffentlichkeit ihrer beruflichen Existenz immer diskret behandelt hat, mußte erdulden, was einer weniger starken Persönlichkeit den Rest gegeben hätte: Klatsch, Tratsch, Indiskretionen, Verhöhnung, Beleidigungen, Anfeindungen, vorgeblich gutgemeinte Ratschläge zur Beziehungsgestaltung – und immer wieder die Klischees von ›Opfer‹ und ›Weibchen‹, schlimmstenfalls das der ›Komplizin‹ des Mannes, für den keine Unschuldsvermutung galt. Vor allen Dingen in Deutschland.

In Frankreich hielt wiederum Elisabeth Badinter die Fahne des Rechtsstaats hoch, gegen alle erschöpfenden Anfeindungen aus den eigenen Reihen:

Madame Badinter, nach der Sexaffäre um Dominique Strauss-Kahn hieß es, im Macholand Frankreich sei eine Schweigemauer gefallen. Ist es für die Frauen jetzt besser?

Es ist nicht so, dass in Frankreich ständig Frauen geschunden und bedrängt werden. Das ist ein Teil der Realität wie überall anders auch, und es ist richtig, das anzuprangern. Aber die Gleichsetzung „Frau gleich Opfer“ funktioniert nicht. Man sagt nicht automatisch die Wahrheit, weil man eine Frau ist. Genauso wenig, wie man als Frau automatisch lügt. Es ist die Aufgabe der Justiz, das im Einzelfall zu klären.

Strauss-Kahn ist nach seiner Freilassung in New York wieder in den Schlagzeilen. Er soll als IWF-Chef Partys mit Prostituierten besucht haben, die von Unternehmen bezahlt wurden.
Ich bin sehr gut befreundet mit Anne Sinclair, seiner Frau. Mein Mund war von Anfang an versiegelt, außer einmal, als ich den Feministinnen etwas entgegensetzen wollte.

Sie warfen den Feministinnen vor, den Fall zu instrumentalisieren. Viele fanden das seltsam.
Die Stunde der Stille ist gekommen. Ich will für keinen Eklat mehr sorgen.

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/sonntagsinterview-ich-werde-staendig-von-feministinnen-attackiert-/5863722.html

Man braucht eben Mut, für die Vernunft und gegen die Zuschreibung von Geschlechterrollen zu streiten. Letzteres ist nur opportun, wenn Mädchen an klassische Männerberufe herangeführt werden sollen, obwohl sie dazu keine Lust haben. Zu etwas befähigt zu sein heißt ja noch lange nicht, daß man dazu auch motiviert ist. Und die Frage ›Geld oder Leben‹ beantworten Frauen generell klüger als Männer: sie entscheiden sich mehrheitlich für das Leben, von dem sie dann auch mehr haben.

Jenseits der aktuellen Arbeitsmarktsbedürfnisse der Wirtschaft – Facharbeitermangel! – wird allerdings weiter munter zugeschrieben. Der Mann, das Tier. Die Frau, das Opfer. BRIGITTE sieht in Anne Sinclair das arme betrogene Hascherl:

Lug und Betrug

Anne Sinclair: Wie hält diese Frau das aus?

Anne Sinclair ist nicht zu beneiden: Sie ist die Frau von Dominique Strauss-Kahn, dem Mann, der in einem New Yorker Luxushotel ein Zimmermädchen sexuell missbraucht haben soll. Zumindest für mangelnde Treue gab es schon Vorzeichen – wir werfen einen Blick auf die Beziehung.

http://www.brigitte.de/gesellschaft/politik-gesellschaft/anne-sinclair-1091900/

Schließlich sind Vergewaltigungsvorwürfe und sexuelle Untreue gleich schändlich, und frau läßt sich nun mal nicht demütigen: einen untreuen Gatten wirft sie stantepede hinaus. Sie ist nämlich kein selbstbestimmtes Individuum, das den Inhalt und die Tragweite einer Ehe ohne Vormund definieren könnte. Die etwas anderes von ihrem Mann will als sexuelle Treue, die auch sie nicht garantieren kann. Nein, die Deutungshoheit steht allein den Moralisten des Mainstreams zu.

Beim SPIEGEL weiß man nicht so recht, erwägt dieses und jenes und landet dann beim Hausmütterchen, der niedrigsten Stufe des Weibchens. Die Rolle der Beraterin, die auf Augenhöhe mit den Verteidigern konferiert, traut man Anne Sinclair wohl nicht zu.

Anne Sinclair

Die Frau an Strauss-Kahns Seite

Von Stefan Simons, Paris

[…]

Frankreichs Medien charakterisieren die frühere Journalistin daher mal als Heldin, mal als Opfer, ihr „leidendes Lächeln“ zierte die Titelseiten der People-Presse. Offen bleibt dabei, ob Sinclair, die dritte Ehefrau von Strauss-Kahn, die bewundernswerte Säulenheilige einer traditionellen Lebens- und Wertegemeinschaft ist oder eine düpierte und gedemütigte Ehefrau.

Immerhin: DSK war kaum verhaftet, da flog Sinclair nach New York; während er noch in der Haftzelle schmorte, bemühte sich die gut vernetzte Frau um Anwälte und eine Apartment. Ganz selbstverständlich, dass die Tochter und Millionenerbin eines der wichtigsten Pariser Kunsthändler der Nachkriegszeit – mit ihrem Privatvermögen die Rechnungen für ihren Mann bezahlt: sechs Millionen Dollar Kaution, 50.000 Monatsmiete für ein mondänes Townhouse, 200.000 Dollar für die Sicherheitsfirma, die DSK bewacht und satte Honorare für die besten US-Anwälte, die für Geld zu haben sind.

Und jetzt gibt Sinclair das Hausmütterchen: Sie kümmert sich um das leibliche Wohl ihres Gatten, kauft Handtücher, schafft Möbel aus der Washingtoner Residenz nach New York und renoviert das neue Heim.

http://www.spiegel.de/panorama/leute/anne-sinclair-die-frau-an-strauss-kahns-seite-a-767048.html

Die stramm feministische taz, für die DSK selbstredend ein Monstrum war und auch nach der Einstellung zweier Verfahren eins bleibt, wundert sich noch am 20.1.2012, dem Tag, als Anne Sinclair die Leitung der französischen Ausgabe der Internet-Zeitung ›Huffington Post‹ übernahm, über die Loyalität der Ehefrau: wie kann sie bloß!

Auf die Frage nach ihrer verblüffenden Loyalität antwortet sie: „Eine bedingungslose Unterstützung gibt es nicht. Man steht zu jemandem, weil man das beschlossen hat. Niemand weiß, was in der Intimsphäre eines Paares vor sich geht, und niemand hat das Recht, über meine Beziehung zu urteilen.“ Seitensprung hin oder her, für sie zählt nur, dass keine Gewalt im Spiel gewesen sei. Von feministischen Kritikerinnen lässt sie sich keine Lehren erteilen: „Ich habe immer für den Schwangerschaftsabbruch, die Gleichheit im Beruf, die Respektierung der Würde der Frauen und ihren Platz im öffentlichen Leben gekämpft. Das ist Feminismus, nicht aber, sich in das Privatleben anderer Frauen einzumischen und an ihrer Stelle zu sagen, was moralisch sei oder nicht.“ Auf die provokative Frage, ob sie noch in ihren Mann verliebt sei, kontert sie darum empört, das gehe schlicht niemanden etwas an. Auch für die Journalistin hat die Transparenz Grenzen. RUDOLF BALMER

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2012%2F01%2F20%2Fa0045&cHash=ef54f117de

Der Klatschbase Dagmar von Taube von der WELT am SONNTAG begegnet sie am 11.3.2012 ebenso souverän – und hätte sie geahnt, daß sie bereits in der Überschrift auf ›Strauss-Kahns Ehefrau‹ reduziert werden würde, hätte sie allen Anlaß für einen ihrer Wutanfälle gehabt:

Strauss-Kahns Ehefrau

Autor: Dagmar von Taube

11.03.2012

„Wehe, wenn ich wütend werde!“

Wie lebt man eigentlich mit so einem Mann? Ein Gespräch mit Anne Sinclair, der Ehefrau Dominique Strauss-Kahns, über Medien und die Grenzen des Privaten.

[…]

Welt am Sonntag: Schon klar. Aber ist es nicht auch ein bisschen ein Befreiungsakt, wenn Sie nun plötzlich mit einem Spitzenjob aus dem Schatten treten? Diese Nachricht lenkt mal angenehm von dem Debakel ab, das Ihr Mann mit dem Familiennamen veranstaltet hat. Wir erinnern uns: Vor einem Jahr noch war Dominique Strauss-Kahn Währungsfondspräsident. Dann wird er von einem New Yorker Stubenmädchen der sexuellen Gewalt beschuldigt. Verhaftung aus dem Flugzeug. Jetzt die Ermittlungen in Lille um eine vermeintliche Beteiligung an einer Prostitutionsaffäre. Das muss doch ein Albtraum für Sie sein.

Sinclair: Pardon, aber dazu möchte ich nichts sagen. Mein Privatleben ist tabu.

Welt am Sonntag: Ein frommer Wunsch. Wer sagte noch, das Private sei politisch? Uns beiden ist doch klar, dass das Privatleben seit dem Internet vielmehr zu einer Fiktion geworden ist und die Forderung danach genauso Steinzeit, wie ein Leben ohne Computer und Blogs.

Sinclair: Sie haben schon recht, im Ernstfall stehen wir heute alle ziemlich entblößt da. Das Internet hat viele Seiten, bietet Chancen und Risiken. Es scheint vielen Menschen zu gefallen, sich im Netz zu verbreiten. Mein Stil ist diese Form von Exhibitionismus nicht.

http://www.welt.de/vermischtes/article13914399/Wehe-wenn-ich-wuetend-werde.html

Dennoch bohrt Frau von Taube immer wieder nach und spult das Pflichtprogramm (die Wiederaufnahme der Karriere, die Vorstellung von Sinclairs neuem Buch über ihren Großvater, den Kunsthändler und Picasso-Freund Paul Rosenberg) eher lustlos ab. Selbst in ihre Frage zu Anne Sinclairs Vorstellung von Feminismus flicht sie noch eine abwertende Bemerkung zum Ehemann ein:

Welt am Sonntag: Interessant ist: Einerseits sympathisieren Sie mit dem Feminismus – Ihr Mann steht als Chauvie in Verruf. Was bedeutet Gleichberechtigung in einer Beziehung für Sie?

Sinclair: Ich lebe grundsätzlich nach der Devise: Ich mache, was ich will, wie ich es will und ohne, dass sich jemand einmischt. Nein, ich glaube an die Selbstbehauptung der Frau – nicht auf Kosten anderer natürlich. Sagen wir so, ich glaube an den Feminismus, aber nicht unbedingt an den Kampf zwischen Mann und Frau.

http://www.welt.de/vermischtes/article13914399/Wehe-wenn-ich-wuetend-werde.html

Wenn Feminismus grundsätzlich so verfaßt wäre, wie Sinclair ihn hier definiert, wäre gegen ihn nichts einzuwenden. Der Interviewerin gelingt es nicht, Anne Sinclair in die jammervolle Opferrolle zu zwingen. Also versucht sie es am Schluß andersherum. Nun fließen Krokodilstränen für den Zwangsrentner DSK – der allerdings seit Dezember 2011 im internationalen Rahmen wirtschaftswissenschaftliche Vorträge hält, in China, Cambridge, der Ukraine, in Marokko… Aber als Klatschreporterin weiß man sowas ja nicht.

Welt am Sonntag: Man weiß, dass Männer mit einer erzwungenen Ruhestandssituation schlechter zurechtkommen als Frauen. Haben Sie Sorge, dass Ihr Mann daran seelisch zerbricht? Oder was hat er jetzt vor?

Sinclair: Haha, netter Versuch. Nein, darüber mache ich mir keine Sorgen. Und zu seinen Plänen wird er sich selbst äußern.

Welt am Sonntag: Wie geht es ihm eigentlich?

Sinclair: Danke, es geht ihm sehr gut. Aber Sie, Sie sollten jetzt wirklich Ihr Tonbandgerät ausschalten und endlich shoppen gehen, wenn Sie schon mal in Paris sind.

http://www.welt.de/vermischtes/article13914399/Wehe-wenn-ich-wuetend-werde.html

Ein sehr guter Rat von Madame, und wir wollen hoffen, daß Frau von Taube wenigstens beim Schuheinkauf mehr Stilsicherheit beweist als bei diesem Interview oder die WELT am SONNTAG mit diesem Artikel, dem folgender Kasten mit weiterführenden Links beigefügt ist:

Gemeine Männer


John F. Kennedy

Arnold Schwarzenegger

Baschar al-Assad

Ja, da sind die richtigen gemeinen Typen versammelt, einer schlimmer als der andere. Und Kennedy war sogar katholisch… In diesem neuen ideologischem Licht betrachet hat seine Ermordung dann doch noch einen Sinn. Ist Baschar al Assad wirklich ein Fremdgeher? Neugierig klicke ich und finde das hier:

Asma al-Assad galt lange als Sinnbild eines modernen, weltoffenen Syrien. Auch ihren Mann hat ihre Schönheit aufgewertet: Jetzt, aber, als sich rausstellt, dass ihr Mann ein Diktator ist, der für Tausende Tote verantwortlich ist, da schweigt sie.

Hä? Durfte da eine frauenbewegte Volontärin ran, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist? Und warum muß die Schönheit seiner Frau nun Schuld tragen? Der Feminismus säbelt Männer und Frauen in gleicher Weise ab. Das haben Ideologien so an sich, daß sie nichts mit Humanität und Kultur gemein haben.

EMMA kolportiert, wen wunderts, genüßlich blanke Beleidigungen:

Am 23. August 2011 kam Richter Michael Obus dem Antrag von Staatsanwalt Vance nach, das Verfahren einzustellen. Vor dem Gebäude demonstrierten Frauen und Männer mit Schildern wie: „Nafissatou, wir glauben dir“ und „Shame on you, Cyrus Vance!“ Heather Cottin, Aktivistin für die Rechte von Immigranten, wetterte vor Journalisten über Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair, die in Nibelungentreue zu ihrem Mann gehalten und mit allen Mitteln seine Freilassung betrieben hatte: „Leider machen das viele Frauen, deren Männer Schweine sind. Idiotin!“

http://www.emma.de/ressorts/artikel/vergewaltigung/affaere-dsk-in-den-usa/

Den Tiefpunkt im Umgang der deutschen Presse mit Anne Sinclair, die sich partout nicht im feministischen Sinn instrumentalisieren läßt, setzte überraschenderweise nicht einmal Alice Schwarzer. Ihr Kommentar vom 4.11.2011 war zwar erwartbar schadenfroh, hämisch und wie üblich inhaltlich falsch, wurde aber locker unterboten:

Und Anne Sinclair? Die als „Antigone“ bejubelte Ehefrau, die Hand in Hand mit ihrem der Vergewaltigung verdächtigten Ehemann zu den Vernehmungen zu schreiten pflegte. Jetzt ist auch sie weg. Zurzeit in ihrer Villa in Marrakesch, heißt es.

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=84&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=11&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=04&cHash=17ca4cab74

Da DSK niemals vernommen wurde – er machte von seinem Schweigerecht Gebrauch –, hat seine Frau ihn auch nie zu Vernehmungen begleitet, sondern zu Gerichtsterminen zur Haft- und Kautionsfrage und zur Verfahrenseinstellung. Anne Sinclair hat ihn auch nicht verlassen, Schwarzer hat lediglich diejenigen französischen Klatschblätter gelesen, die allesamt vom Paar Strauss-Kahn/Sinclair wegen Verbreitung von Gerüchten und Verletzung der Intimsphäre verklagt worden sind. Intimsphäre? Ist abgeschafft. Das Private ist schließlich politisch, wenn nicht gar symbolisch.

Nein, den Tiefpunkt lieferte Claus Lutterbeck im STERN 5/2012 ab, einem Organ, das sich schon mehrfach lustvoll-geifernd an DSK abgearbeitet hatte. Allerdings erfolglos; da muß dann eben die Frau als Komplizin bestraft werden, wenn der strafwürdige Lustmolch den Fängen der Justiz entkommt.

Madame der Woche

Lust am Bösen

DSK-Gattin Anne Sinclair übernimmt ein französisches Internet-Klatschblatt

STERN 5/2012, S. 30

So, da hat Madame Sinclair Lust am Bösen? Und die Huffington Post.fr. ist ein Klatschblatt? Beides ist pure Desinformation. Die Huff Post fr. ist eine kritische politische tagesaktuelle Zeitung mit einem unwesentlichen People-Anteil. Wer mag, werfe einen Blick hinein:

http://www.huffingtonpost.fr/

Auf das ›Böse‹ kommt Claus Lutterbeck durch ein Zitat von Roman Polanski, der seinen Erfolg bei Frauen damit zu erklären suchte, daß Frauen immer neugierig auf das Böse oder den Bösen seien.

Lutterbeck:

Vielleicht hilft sein Spruch dabei, eine Frau zu begreifen, die auch ihre Freundinnen kaum noch verstehen: Anne Sinclair, 63. Die Gattin von Dominique Strauss-Kahn steht unbeirrt zu ihrem Streuner, und je mehr Frauen auftauchen, denen er ungefragt an die Wäsche ging, umso treuer ist sie ihm. Warum?

Das weiß auch der Herr Lutterbeck nicht, weshalb er ja Polanski bemühen muß. Letzterer ist zwar wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen verurteilt worden und somit nicht vergleichbar mit einem ›Streuner‹ und mit jemandem, der wegen einer mehr als nur dubiosen Vergewaltigungsanzeige seine Existenz verlor, aber das ist ja Jacke wie Hose. Der Herr Lutterbeck ist jedenfalls ersichtlich verzweifelt, denn auch Anne Sinclair hilft ihm nicht auf die Sprünge, und er muß doch als Frankreich-Korrespondent des STERN seine Zeilen vollkriegen:

Lutterbeck über ein Elle-Interview mit Sinclair:

– Ob sie nicht das „duldende Opfer“ sei und damit eine „archaische Konzeption des Paares“ fördere? Sinclair pampig: Sie sei weder „Heilige noch Opfer, ich bin eine freie Frau“. Ob sie ihren Mann noch liebe? Da wurde Madame deutlich: „Das! geht! Sie! Nichts! An!“

Man muß nämlich auch wissen, daß der Herr Lutterbeck traumatisiert ist, weil er von den Stars derartig gedemütigt wurde, daß er davon träumt, daß sie ihn, auf Knien liegend, um ein Interview anwinseln.

Brückerhoff: Welche Interviews waren besonders unerfreulich?

Claus Lutterbeck: Mit der Schauspielerin Charlotte Gainsbourg. Es hat nur eine Minute gedauert. Ich stellte zwei harmlose Fragen auf die sie, kaum hörbar, nuschelte: „Das geht sie nichts an.“; Da bin ich aufgestanden und gegangen.

Brückerhoff: Hatten Sie schon einmal das Gefühl, Ihren Beruf nicht vollständig ausüben zu können?

Claus Lutterbeck: In Hollywood dauernd. Die Studios, vor allem aber die Agenten und Pressefritzen der Stars kontrollieren jedes Wort. Man ist, ob man will oder nicht, nur ein Handlanger der Filmvermarktung. Eigentlich hat das mit Journalismus wenig zu tun, was unsereins dort treibt. Ich habe immer davon geträumt, dass alle Medien auf der ganzen Welt sich mal ein Jahr lang weigern, über den Hollywood-Zirkus zu berichten. Und wenn die Stars nach drei Monaten auf dem Boden gekrochen kämen und bettelten „Ach bitte, frag mich, was Du willst!“ würden wir Journalisten sagen: „Sorry, kein Bedarf. Ihr seid zu langweilig.“ – Ach wär‘ das schön.

http://www.neuegegenwart.de/koepfe/claus_lutterbeck.htm

Ja, endlich einmal Macht ausüben! Ein Mal zurückschlagen! Das tut Lutterbeck, indem er unterhalb der Gürtellinie agiert (und er macht das umso gehässiger, als er eine wesentlich erfolgreichere Kollegin bashen kann):

Mal sehen, ob es in der französischen Ausgabe auch so locker zugeht wie in der britischen, wo Themen wie Pippas Hintern oder „die Frau mit zwei Vaginen“ große Renner sind. Und eine Studie, die besagt, dass Frauen oft einen Orgasmus vortäuschen, um ihren Mann am Fremdgehen zu hindern.

Ob das hilft? Vielleicht werden wir es demnächst in „Le HuffPost“ lesen, in der Rubrik: „Das! Geht! Sie! Absolument! Nichts! An!“

Daß die studierte Anne Sinclair für einen intelligenten politischen Journalismus steht, ist diesem komplexbeladenen Mann natürlich nicht ein- oder aufgefallen. Denn er selber steht für kompetenzlosen Null-Journalismus. Und gibt es auch noch zu:

Brückerhoff: Wie wurden Sie Korrespondent? Haben Sie sich schon immer für das journalistische Fach interessiert?

Claus Lutterbeck: Immer. Mit acht Jahren habe ich den ersten Aufsatz für die Pfadfinderzeitung geschrieben, ich war bei jeder Schul-und Studentenzeitung dabei – aber ich habe nie eine Ausbildung oder ein Volontariat gemacht. Ich hatte das seltene Glück, gleich zu Beginn einen exzellenten Journalisten als Chef zu haben (Gerd Gründler beim „Vorwärts“), der meine Stärken und Schwächen erkannt und mich sehr gefördert hat. Man braucht so jemand am Anfang seiner Karriere, leider nehmen sich nur wenige Chefs die Zeit dafür. — Korrespondent wurde ich eher zufällig – ich wollte nach acht Jahren Innenpolitik mal was Neues machen.

Brückerhoff: Waren Sie gut in der Schule? Würden Sie sagen, dass das für Ihren heutigen Beruf eine Rolle gespielt hat?

Claus Lutterbeck: Ich war faul und mittelmäßig. Für meinen Beruf habe ich dort aber gelernt, wie man erfolgreich vortäuscht, von allem ein bisschen Ahnung zu haben.

http://www.neuegegenwart.de/koepfe/claus_lutterbeck.htm

Vielleicht müssen solche Köpfe einfach nur mal ordentlich durchgelüftet werden. Vielleicht hilft ja die Schadensersatzklage auf eine Million Dollar wegen Verleumdung, die DSK jetzt gegen das Zimmermädchen eingereicht hat, das noch heute vom Hotel bezahlt wird, obwohl es dort seit dem 14.5.2011 nicht mehr gearbeitet hat. Schweigen kostet eben…

Es muß ja nicht jeder so reflexhaft reagieren wie der Diallo-Anwalt, der außer der Rassismus- und Feminismus-Karte nichts in der Hand hat:

Diallos Anwalt Douglas Wigdor bezeichnete die Gegenklage als Beispiel für „Strauss-Kahns frauenfeindliche Haltung“. Wie bereits der Versuch des früheren IWF-Chefs, sich auf seine diplomatische Immunität zu berufen, werde auch dieses „verzweifelte Manöver“ nicht zum Erfolg führen, sagte der Anwalt.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/dominique-strauss-kahn-reicht-klage-gegen-zimmermaedchen-ein-a-833367.html

Anne Sinclair, die Kämpferin, wird ihm zeigen, was eine Harke ist. Denn natürlich hat sie, die alles finanziert, sich zum Angriff entschlossen. Genug ist genug. Und auf Staatsanwaltschaften, die selbst bei klaren Beweislagen gegen Falschbeschuldigerinnen nichts unternehmen, wie das in der westllichen Welt üblich ist, kann sie pfeifen.

Die Staatsanwaltschaft von Manhattan verfolgt ja nicht einmal die Straftaten der Nafissatou Diallo, die sie klar nachgewiesen hat: Steuerhinterziehung durch die Angabe, zwei Kinder zu unterhalten, obwohl sie nur eins hat. Sozialbetrug durch Verschweigen ihres 40.000,- Dollar-Einkommens, um eine billige Wohnung zu erhalten. Meineid vor der Grand Jury durch Lügen über ihr Verhalten nach der angeblichen Tat. Erschleichen von Asyl durch die Erfindung, ihr Mann sei als politisch Verfolgter im Gefängnis mißhandelt worden und dort verstorben. Tatsächlich war er an einer Krankheit zuhause gestorben. Auch dem Geldwäscheverdacht (60.000,- Dollar aus Drogengeschäften ihres Verlobten und seiner Komplizen wurden über ihr Konto gewaschen, sie selbst hob Beträge ab und übergab sie den Geschäftspartnern in bar, wobei sie von jeder Tranche profitierte) wurde nicht nachgegangen.

So etwas nennt man politisches Strafrecht. Denn Cyrus Vance will es sich mit der black community nicht gänzlich verscherzen, weil er wiedergewählt werden will. Anne Sinclair hat die Mittel, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Und sie ist stark. Wie Simone Signoret. Elle fait face.

http://www.lindependant.fr/2012/03/24/faire-face,126188.php

 

Update (17.5.2012):

Hier habe ich noch so einen fuchtelnden feministischen Zeigefinger gefunden: Tina Groll am 19.1.2011 gegenüber Kristina Schröder. Unglaublich.

http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-01/kommentar-schwangerschaft-schroeder/seite-2