Der Fall Mollath: Die letzte Bastion

Rosenkrieg 1

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/

Ja doch, wir sehen einem Endspiel zu, das von Seiten der bayerischen Justiz mit trickreichem Ausweichen und Wegducken, Hin- und Herschieben der Verantwortung, kreativen Rechtsmittelverkürzungen, Hervorzaubern verlorengeglaubter Dokumente und zuletzt mit einem trotzigen Bekenntnis zur Rechtskraft eines Fehlurteils geführt wird.

Rückzugsgefechte allesamt, begleitet vom Klage-Chor des bayerischen Richtervereins und des deutschen Richterbundes, für die Urteilskritik Majestätsbeleidigung darstellt und die sogar von einem Justizminister verlangen, gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Entscheidungen der Landesjustiz zu verteidigen, die verfassungswidrig sind. Demnächst fordern sie womöglich auch noch vom Bundesverfassungsgericht, doch bitte ihre richterliche Unabhängigkeit zu respektieren und sie mit weltfremden Ansichten nicht zu behelligen…

Das doppelte Spiel der Ministerin Dr. Beate Merk – Imagekorrektur von der seelenlosen Hardlinerin hin zur empathischen Versteherin des Volkszweifels einerseits, gnadenlose Rechtsauslegerin mit Vollstrecker GStA Nerlich andererseits – haben die Berufslobbies der Richter und Staatsanwälte aber noch nicht durchschaut. Daß die Ministerin die verfassungsrechtliche Binse von der durch die Dauer der Vollstreckung herbeigeführten Unverhältnismäßigkeit öffentlich verlautbarte, war keinesfalls eine Kritik an den bis zum heutigen Tage gültigen Verlängerungsentscheidungen der Strafvollstreckungskammer Bayreuth und des 1. Strafsenats in Bamberg.

Die Pressemitteilung ihres Ministeriums vom 9.7.2013 über ihre Stellungnahme fiel noch einigermaßen wolkig aus:

Einen Schwerpunkt der Stellungnahme bildet darüber hinaus auch die Frage, inwieweit die Fortdauer der Unterbringung des Herrn Mollath auch heute noch mit der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht. „Gerade die Dauer der Unterbringung des Herrn Mollath wirft Fragen auf“, so Merk. Ich habe die Stellungnahme deshalb auch genutzt, um zu unterstreichen, dass auch in rechtlicher Hinsicht die Dauer der Unterbringung mit zunehmendem Zeitablauf bei der Prüfung von deren Fortdauer immer stärker ins Gewicht fallen muss.“

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2013/180.php

Aus der Erwiderung des Verteidigers von Gustl Mollath geht allerdings deutlich hervor, daß das Justizministerium die Verfassungsbeschwerde (wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch kritiklose Übernahme des Pfäfflin-Gutachtens) für unbegründet und die Dauer der Unterbringung bis zum Jahr 2011 auch für verhältnismäßig hält.

Die Verhältnismäßigkeit des schwerwiegenden Eingriffs wird allen Ernstes nach wie vor bejaht (S. 20 d. St.). Bei einer „gut fünf Jahre andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus“ sei „bei den zugrundeliegenden Anlassdelikten und der fortbestehenden Gefährlichkeit gleichgelagerter Taten kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzunehmen“ (S. 22 d. St.).

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=7

Eine kleine Aufweichung dieser Haltung für die Jetzt-Zeit klingt allenfalls konjunktivisch an:

Ihr „schlechtes Gewissen“ versucht die Ministerin zu verdecken mit dem Argument, dass die Verfassungsmäßigkeit der Unterbringung zumindest heute – im Jahre 2013 – auf Grund Zeitablaufs unverhältnismäßig geworden sein könnte.

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=9

Schließlich wird hier ein großer Teil der umfangreichen zuvor angestellten Begründung wieder in Frage gestellt, wonach die Anlasstaten die Unterbringung rechtfertigen sollten, wenn ausgeführt wird:

Wenn man ausschließlich auf das Gewicht der Anlasstaten und die damit verbundenen Strafobergrenzen abstellte, käme man möglicherweise zur Unverhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung„.

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=12

Richter und Staatsanwälte können aufatmen: mehr als kosmetische Korrekturen sind das nicht, sie bleiben ungeschoren und die Ministerin auch, die vor den Kulissen den betroffenen Menschen Beate Merk gibt und hinter den Kulissen die Zustimmung erteilt hat, daß die Staatsanwaltschaft Nürnberg trotz des von der Ministerin initiierten Wiederaufnahmeantrags ungerührt die Fortdauer der Vollstreckung beantragt.

So der Untersuchungsausschuß (Minderheitsbericht):

Die Staatsanwaltschaft hat jährlich die Fortdauer der Unterbringung beantragt. Eine kritische Überprüfung dieser Position fand nicht statt. Den Beschwerden des Untergebrachten zum Oberlandesgericht Bamberg ist sie stets entgegengetreten. Selbst als die Betreuungsrichterin in Straubing aufgrund des Gutachtens von Herrn Dr. Simmerl dringend eine Überprüfung der Unterbringung anregte98, kamen der Staatsanwaltschaft keinerlei Zweifel. Sogar als alle Fakten längst bekannt waren, die zu den beiden Wiederaufnahmeanträgen führten, beantragte die Staatsanwaltschaft – mit Zustimmung des Ministeriums – noch die weitere Unterbringung, die das Landgericht Bayreuth dann im Juni 2013 anordnete.

http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000011000/0000011291.pdf#page=76

Mal sehen, ob sie diese Doppelrolle als öffentliche Retterin Mollaths weiterspielt, wie schon bei der Initiierung des Wiederaufnahmeantrags, wobei sie intern ihrem General Nerlich freie Hand ließ, ihn um die Vorwürfe der Rechtsbeugung zu entschärfen. Wie eng die beiden zusammenarbeiten, ergibt sich schon daraus, daß der General die erste Fassung des Wiederaufnahmeantrags von OStA Dr. Meindl vom 18.12.2012 anhielt und dem Ministerium nicht übersandte – nur die Ministerin persönlich erhielt ein Exemplar. Es wird sie nicht amüsiert haben:

Herr Gramm führt aus: „Weder mein Kollege Grauel noch, soweit ich sagen kann, unser Abteilungsleiter Seitz, noch irgendjemand sonst im Justizministerium hatte dieses Schreiben vom 18.12. bekommen. Es war ja auch ersichtlich, wie Sie aus der Adressierung entnehmen können, nicht an das Justizministerium, sondern an den Generalstaatsanwalt gerichtet. Wir hatten das schlichtweg nicht. Wir hatten weder das Schreiben noch die Anlage dazu. Was wir hatten, war dann dieser folgende Vorentwurf – oder wie auch immer man ihn nennen will –, Arbeitsentwurf vom Februar 2013; den hatten wir. Diesen hier hatten wir nicht.“329

Auf Vorhalt von Auszügen aus diesem Antrag durch MdL Streibl erklärte die Ministerin allerdings, dass sie diesen gekannt habe und er dem Ministerium zugeleitet worden sei.330 Hier besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen der Aussage der Ministerin und dem Ministerialrat Gramm.

http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000011000/0000011291.pdf#page=118

Rechtsgeschichte wird der Fall Mollath so oder so schreiben: über eine Reform des „Mollath-Paragraphen“ 63 StGB wird nachgedacht: nun hat sich auch der badenwürttembergische Justizminister, dem ähnliche tragische Unterbringungsfälle in seinem Land berichtet wurden, den (bei weitem nicht ausreichenden) Überlegungen der Bundesjustizministerin angeschlossen:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.problematische-faelle-auch-in-baden-wuerttemberg-parallelen-zum-fall-mollath.1d4587b9-f455-4cec-819e-e0140d65283e.html

http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/Stuttgarter-Zeitung-Stickelberger-doch-offen-fuer-Konsequenzen-aus-Fall-Mollath-2561598

Kreativ gehen auch bayerische Gerichte mit dem Gesetz und der Causa Mollath um. Prof. Dr. Henning Ernst Müller hat die Sach- und Rechtslage  zutreffend analysiert:

Schon vergangene Woche hatte das OLG Bamberg die Entscheidung der StVK des LG Bayreuth aufgehoben, lt. der bei Herrn Mollath nach wie vor die Voraussetzungen der Unterbringung bejaht worden waren. Die Entscheidungsbegründung des OLG war teilweise für Herrn Mollath durchaus  positiv: Bemerkenswert immerhin, dass der Senat zumindest die fehlerhafte Bewertung des Komplexes „Dr. Wörthmüller“- siehe Wiederaufnahmegründe V9 und S4) auch im Rahmen des § 67e StGB beachtet haben will (S. 11 des Beschlusses). Ebenso bemerkenswert ist, dass das OLG Bamberg auf die Äußerungen von Prof. Kröber in einem Interview, mit der er seine Gefährlichkeitseinschätzung von 2008 relativierte, Bezug nimmt. Dennoch ist auch diese Entscheidung OLG Bamberg nicht durchweg positiv: Das Beschwerdegericht hat grds. selbst zu entscheiden und kann dazu auch selbst Tatsachen ermitteln; eine Aufhebung und Zurückverweisung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 309 Abs. 2 StPO). Ohnehin wäre die Frage der (Un-)verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung Herrn Mollaths  längst entscheidungsreif.

Zur Wertung des OLG Nürnberg, die für Hauptverhandlungen geltende Ausnahmevorschrift des § 28 II Satz 2 StPO, wonach eine isolierte Beschwerde gegen die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht möglich sei, sei auch auf ein Wiederaufnahmeverfahren anzuwenden, schreibt er:

Da es weder eine planwidrige Regelungslücke gibt noch eine vergleichbare Interessenlage, ist aber eine Analogie kaum juristisch sauber herzuleiten.

In der Pressemitteilung heißt es zur Begründung:

„Die gesetzliche Regelung dient nicht zuletzt der Beschleunigung des Verfahrens. Nach übereinstimmender Rechtsprechung beider Strafsenate des Oberlandesgerichts ist § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nicht nur im Urteilsverfahren anzuwenden, sondern entsprechend auch in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen, zum Beispiel im Strafvollstreckungsverfahren. Der hinter der Vorschrift stehende Rechtsgedanke trifft nach Auffassung des Senats auch auf das Wiederaufnahmeverfahren zu.

Die Argumentation ist verfehlt – „Rechtsgedanken“ aus einer Ausnahmevorschrift können eben nicht einfach auf „vergleichbare“ Verfahrenskonstellationen übertragen werden, jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz den Sachverhalt eindeutig regelt (§ 28 Abs.2 S.1 StPO). Gerichte dürfen sich nicht über das Gesetz stellen. Auch wenn es hier nur um ein verfahrensrechtliches Detail geht, ist zu bemerken, dass die bayerische Justiz – hier jetzt das OLG Nürnberg – wiederum zu Lasten Herrn Mollaths eine fragwürdige Entscheidung getroffen hat.

http://blog.beck.de/2013/07/24/kommt-mollath-bald-frei?page=1

Genau, darum geht es. Wie kann man Richterrecht gegen Gustl Mollath und gegen den Gesetzeswortlaut mobilisieren? Wie gesagt, der Fall Mollath bewegt. Zwei Mal schon hat sich das OLG Nürnberg auf bedenkliche Art und Weise vor einer inhaltlichen Prüfung der Causa Mollath hinter die löcherige Schanze einer angeblichen Unzulässigkeit des Rechtsmittels geflüchtet. Damit ist es nun vorbei.

Denn, wie zu erwarten war – mir ist kein Wiederaufnahmeantrag aus Bayern bekannt, der erstinstanzlich durchgegangen wäre – : die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg stand wie eine Bastion auf der Seite von GStA Nerlich und wies am 24.7.2013 beide Wiederaufnahmeanträge als unzulässig ab.

Das war kein leichtes Stück Arbeit, nein, man brauchte Monate und 113 Seiten, um eine juristisch klingende Lösung für das von vorneherein feststehende Ergebnis zu produzieren. Gestern gegen 11 Uhr erschien die Pressemitteilung, auf die ich spontan reagiert habe:

gabrielewolff sagte am 24. Juli 2013 um 12:11

Eine Schnell-Überprüfung der Pressemitteilung des Landgerichts Regensburg:
http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/r/aktuell/04034/index.php
ergibt Folgendes:

1. Unechte Urkunde:
Es handelt sich bei dem Attest vom 03.Juni 2002, welches dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlag, um keine unechte, sondern um eine echte Urkunde. Das Attest ist die Zweitschrift eines Attests vom 14. August 2001. Dieses Attest wurde zwei Tage nach dem Tatgeschehen vom 12. August 2001 durch einen approbierten Arzt nach vorgehender Untersuchung ausgestellt. Dieser hat auch die Zweitschrift erstellt. Der ausstellende Arzt unterschrieb das Attest mit dem Zusatz „i.V.“ („in Vertretung“) und gebrauchte dabei berechtigt Briefkopf und Praxisstempel der Praxis, in der er seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin absolvierte.

Das ist falsch, weil auf der im Verfahren benutzten Fax-Urkunde lediglich die Mutter des ausstellenden Arztes als Urheberin erkennbar war und auch so erkannt worden ist.

2. Aussage des Zeugen B.
Mit der Motivlage der ehemaligen Ehefrau des Untergebrachten – und nur in diesem Zusammenhang ist die Aussage des Zeugen B. überhaupt von Bedeutung – hat sich bereits das damals erkennende Gericht auseinandergesetzt. Die Aussage steht damit nicht im Widerspruch zur Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts.

Unsinniger könnte die Begründung nicht sein: Brixner hatte der Ehefrau fehlenden Belastungseifer unterstellt, der Zeuge Braun erklärt das Gegenteil.

3. Dr. Wörthmüller
Die aus Sicht des Untergebrachten bestehende Erklärbarkeit für die Einbeziehung des Dr.W., die das Wiederaufnahmevorbringen zum Gegenstand hat, ist damit bereits Gegenstand des Gutachtens gewesen.

Die aus gutachterlicher Sicht bestehende Erklärbarkeit der Einbeziehung des Dr. Wörthmüller beruhte seinerzeit auf der Annahme eines Wahns, die jetzt bestehende Erklärbarkeit auf einer faktischen Grundlage.

4. Rechtsbeugung

wird natürlich zu:

Verfahrensfehler und Sorgfaltsmängel

Rechtlich falsch:

Diese Fehler, soweit sie überhaupt vorliegen, rechtfertigen nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung und hatten im Übrigen auch im Ergebnis keine Auswirkungen auf das Urteil.

Es bedarf keiner Auswirkung auf das Urteil.

Rechtlich falsch:

Dabei ist ein Antrag, der sich auf die Behauptung einer Straftat gründet, grundsätzlich nur dann zulässig, wenn wegen dieser Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist. Eine solche Verurteilung ist vorliegend nicht erfolgt und könnte selbst bei Erweislichkeit einer Amtspflichtverletzung mittlerweile wegen eingetretener Verjährung auch nicht mehr erfolgen.

Siehe § 364 StPO (Hervorhebung von mir)

§ 364
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des § 359 Nr. 5.

Wenn wegen Verjährung ein Strafverfahren nicht mehr durchgeführt werden kann, bedarf es keiner rechtskräftigen Verurteilung als Zulässigkeitsvoraussetzung.

5. Der HVB-Revisionsbericht
Auch dieser ist nicht geeignet, das Urteil zu erschüttern, da es im Urteil bei der Überprüfung der Schuldfähigkeit von Herrn Mollath explizit für möglich gehalten wird, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat.

Sowohl der Gutachter als auch das Gericht gingen explizit davon aus, daß Gustl Mollath wahnhaft seine Frau, einige von deren Kollegen und die Hypovereinsbank Nürnburg der Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschuldigte.
Der Satz in der bloßen Würdigung:

Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, daß der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.

(UA S. 25)

widerspricht der Urteils-Feststellung von der “fixen Idee”, daß konkret Petra Mollath und die HypoVereinsbank Schwarzgeld transferierten (UA S. 4f.), ja nicht – und darf es auch gar nicht. Wenn die Psychiater, Politiker und das LG Regensburg jetzt so tun, als ob es auf den Wahrheitsgehalt von Mollaths Anschuldigungen nicht ankomme, liegen sie falsch. Leipziger wie Brixner gingen von dem wahnhaften Charakter der Beschuldigung aus, wobei sich der Wahn nach und nach ausweitete.
Ausgangspunkt dieses Wahn sollen tatsächlich geschehene Schwarzgeldverschiebungen irgendwelcher anderer Banken gewesen sein, in die Mollath seine Frau, die HVB Nürnberg und immer weitere Personen einbezogen hat.
Ich weise noch einmal auf S. 12f. des Urteils hin: da heißt es explizit über ein Gespräch des Angeklagten mit dem Gerichtsvollzieher:

[…] erzählte ihm von seinem Leben, seiner Scheidung und dem angeblichen Schwarzgeldverschiebungsskandal, in den seine Ehefrau verwickelt sei.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf

Mit diesem Beschluß hat der abgelehnte Berichterstatter seine Befangenheit bestens dokumentiert.

Jetzt kann sich das OLG Nürnberg nicht mehr mit Förmeleien wegducken. Jetzt muß die Beschwerde gegen die Ablehnung der Unterbrechung der Vollstreckung bearbeitet werden. Und zwar pronto.

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/comment-page-4/#comment-17404

Wobei ich natürlich davon ausgegangen bin, daß die Verteidigung Beschwerde einlegen wird; das Ministerium hat umgehend sofortige Beschwerde angekündigt:

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2013/195.php

Nun hätte man annehmen können, daß die Fehler in der Pressemitteilung auf Mißverständnisse des Pressesprechers zurückzu führen seien.  Aber nein! Die Lektüre des Beschlusses:

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf

ergibt, daß das ganze juristische Elend dieser Entscheidung dort grundsätzlich zutreffend wiedergegeben wird. Von Wortgirlanden befreit, steht die Unhaltbarkeit der Positionen besonders nackt da.

Zum unechten Attest, einem Argument der Staatsanwaltschaft, heißt es:

Vor der Unterschrift des unterzeichnenden Arztes findet sich der Vertretungszusatz „i. V.“. Dieser ist zwar nicht gut sichtbar […] Dass der „i.V.“-Vermerk von der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth offenbar nicht erkannt wurde, ändert daran nichts.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=10

In der Folge geht es nur noch um Vertretungsbefugnisse, über die wild herumspekuliert wird, weil Genaues weiß man ja leider nicht, außer, daß seine Mutter keine Kenntnis von der Patientin hatte, der Unterzeichner Markus Reichel am 14.8.2001, als das Erstattest ausgestellt worden sein soll, approbierter Arzt und Weiterbildungsassistent im fünften Jahr war und keine Kassenzulassung hatte, während er zum Zeitpunkt der Zweitschrift vom 3.6.2002 Facharzt für Allgemeinmedizin war, wobei über seine Tätigkeit in der Einzelpraxis seiner Mutter nichts bekannt ist (Urlaubsvertretung? Angestellter Arzt mit eigener Kassenzulassung?). Das ist der Kammer egal, sie ermittelt freihändig aus allgemeinen Regeln eine konkrete Vertretungsbefugnis des Arztes Markus Reichel für beide Atteste. Ohne sich die Frage zu stellen, warum Markus Reichel sowohl im Jahr 2001 als auch im Jahr 2002 als Vertreter seiner Mutter gezeichnet haben soll, die weder die Untersuchung durchgeführt noch das Attest erstellt hat.

Zu allem Überfluß wird in der Anlage 2) eine Ausschnittvergrößerung des in Anlage 1) unerkennbaren „i.V.“-Vermerks des Attestes vom 3.6.2002 präsentiert, in der der Zusatz nur dann zu erkennen ist, wenn man danach sucht. Noch viel schlimmer: wesentlich leichter zu erkennen als dieser Zusatz ist die getippte Namenszeile unter dem unleserlichen Krakel des Namenszugs: sie lautet „Dr. med. Madeleine Reichel“, die damit die erkennbare Urheberin des Attestes ist und bleibt. Was die Urkunde zur unechten macht.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=115

Ob das durch den Generalstaatsanwalt nachgereichte „Originalattest“ vom 14.8.2001, über dessen Echtheit er nichts sagen konnte, echt ist, hat das Gericht an dieser Stelle so wenig geprüft wie die sich nun aufwerfende Frage, ob das im Verfahren gegen Gustl Mollath verwandte Fax-Attest vom 3.6.2002 überhaupt echt ist.

Generalstaatsanwalt Nerlich hat sich am 11.7.2013, unter Übersendung des Original-Attestes sowie einer Ablichtung davon) hierzu nämlich so geäußert:

Nach einem Bericht des Nordbayerischen Kuriers vom 09.07.2013 hatte Frau Petra Maske unter den von ihr erworbenen Akten und Papieren ihres damaligen Mannes auch das Originalattest vom 14.08.2001 aufgefunden. Der anwaltliche Vertreter von Frau Maske, Rechtsanwalt Jochen Horn, wurde wegen der Eilbedürftigkeit der Sache fernmündlich durch den Generalstaatsanwalt gebeten, das Attest hier vorzulegen. Er hat es am [sic!] gestern abend übergeben.An dem Attest vom 14.08.2001, seine Echtheit unterstellt, fällt auf, dass dort mit „i. V.“ unterzeichnet wurde. Das Namensschriftbild deckt sich augenscheinlich mit der Unterschrift des Herrn Markus Reichel, die er anlässlich seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Regensburg geleistet hat. Bei einem Vergleich des Attests mit der im gerichtlichen Verfahren verwendeten Zweitausfertigung mit Datum 03.06.2002 erkennt man, dass auch diese „Zweitausfertigung“ einen „i. V.“-Vermerk trägt, der aber wesentlich schwerer zu erkennen ist und den ich bisher als Teil des Namensschriftzugs interpretiert habe.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Zuschrift-LG-Regensburg-2013-07-12.pdf#page=3

Offenbar war die Kammer derartig erleichtert, über eine unterstellte befugte Stellvertretung des Sohnes für seine Mutter vermeintlich auch über die unechte Urkunde hinwegzukommen, daß sie den Wald vor Bäumen nicht mehr sah. Denn wenn sich die Unterschriften aus 2001 und 2012/2013 ähneln, diese wiederum aber nicht der undynamischen und reduzierten Unterschrift von 2002, dann drängt sich der Gedanke einer Fälschung der Unterschrift auf dem im Verfahren verwandten Fax-Attest vom 3.6.2002 auf.

Unterschrift vom 3.6.2002                                         Unterschrift vom 14.8.2001

Reichel-Vergleich-1Foto von und mit Dank an Oliver García

Auf dem Erstattest ist der „i.V.“-Zusatz klar zu erkennen, und es hätte sich bei Vorlage die Frage gestellt, wen die erkennbare Urheberin Dr. Madeleine Reichel denn vertreten haben soll, wenn das Attest doch durch ihre Einzelpraxis erstellt wurde. Dieses Attest war mithin unbrauchbar für ein gerichtliches Verfahren und mußte durch ein anderes, auf dem der Vertretungszusatz nicht zu erkennen war, ersetzt werden. Für die Belastungszeugin Petra M. war es ein leichtes, die Sprechstundenhilfe Petra S., damals die Lebensgefährtin ihres Bruders und heutige Schwägerin, zu veranlassen, das alte Attest mehrfach auszudrucken, zu stempeln, woraufhin dann der Namenszug von Markus Reichel mit verstecktem „i.V.“ nachgeahmt wurde. Schließlich erscheint es berechnend, wenn die Anzeigeerstatterin am 15.1.2003 bei der Polizei erscheint, um zur Bekräftigung ihrer unzutreffenden telefonischen Anzeige über unerlaubten Waffenbesitz ihres Mannes nebst Angst vor Waffengebrauch diese alte angebliche Körperverletzung vom 12.8.2001 anzuzeigen, das Attest aber nicht mitzunehmen. Dieses, die Zweitschrift vom 3.6.2002, faxte sie erst einen Tag später von ihrem Arbeitsplatz aus. Das Original vom 3.6.2002 ist bis heute nicht verfügbar.

Zu den Rechtsbeugungsvorwürfen mag ich mich eigentlich nicht mehr äußern: selbst so elementare Eingriffe wie die in das grundgesetzlich geschützte Freiheitsrecht  schrumpfen zu läßlichen Sünden, zu vertretbaren Verzögerungen, zu unbewußten Regelverstößen – und überhaupt, auch wenn die Vernehmung früher stattgefunden hätte, wäre die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Unterbringungsbeschlusses bei diesem Gericht ja nicht anders ausgefallen. Statt einer rechtlichen Würdigung kongeniale Einfühlung in den Richter, der maßgeblich dieses Fehlurteil vorbereitet und gesprochen hat.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=29

So geht das in einem fort: man fragt sich, wieso und wozu ein Richter überhaupt noch Gesetze braucht…

Interessant ist freilich, wie das Landgericht Regensburg die überhaupt nicht bestreitbaren Rechtsbeugungen in Form von Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, und zwar hinsichtlich der Sachbeschädigungsvorwürfe, abhandelt: nämlich gar nicht:

Soweit hier im Hinblick auf das Attest, die Erfindung einer nicht angeklagten Sachbeschädigung, die Erfindung einer Rechtsanwältin G als Scheidungsanwältin der Petra M., die Erfindung einer Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher H, die Unterdrückung entlastender Aussagen des Zeugen Thomas L sowie die Verfälschung von Tatzeit und Tatort der zu L Nachteil begangenen Sachbeschädigung, die Weglassung der gutachterlichen Würdigung der Sachbeschädigungsakte durch Dr. L, die Erfindung eines gleichartigen modus operandi und die Gefährlichkeit der Sachbeschädigungen bewusste Verfälschungen behauptet werden, mögen den Urteilsgründen Sorgfaltsmängel zugrundeliegen, für bewusste Verfälschungen oder bewusste Erfindungen liegen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere belegt auch ein Widerspruch der schriftlichen Urteilsgründe zum Akteninhalt keine Sachverhaltsverfälschung (siehe dazu auch oben).

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=54

Mit den sorgfältigen Begründungen über Ziel und Zweck der Fälschungen in der Ergänzung des Wiederaufnahmeantrags der Verteidigung vom 1.5.2013 setzt sich das Gericht, das sich offen als Brixners Sachwalter zu erkennen gibt, lieber nicht auseinander:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

Und verkennt auch hier die Häufung und Tendenz der „Sorgfaltsmängel“, die eine Verurteilung zur Unterbringung gemäß § 63 StGB ohne Beweis von Anlaßtaten zum Ziel hatten, die es gegenüber dem BGH notdürftig zu kaschieren galt. Daß auch nur eine dieser Verfälschungen durch ein vom Akteninhalt abweichendes Ergebnis der Hauptverhandlung bedingt sein könnte, ist auszuschließen. Schon der Akteninhalt gab ja nichts her – und selbst der mußte noch zurechtgebogen werden.

Die Einflußnahme von Richter Brixner auf die Steuerfahndung im Jahr 2004 als Indiz für seine Voreingenommenheit wird in Anlehnung an die CSU-Meinung des Untersuchungsausschusses gewürdigt (S. 54 – 56), und also insgesamt bin ich geneigt, die Ablehnung eines Anfangsverdachts der Rechtsbeugung (S. 57) als ein Bewerbungsschreiben der Vorsitzenden für die nächste freiwerdende GStA-Stelle unter Berücksichtigung der Frauenquote anzusehen. Die politische Anpassungsfähigkeit ist vorhanden, der Wille zum Schutz der Richterkollegen, und wenn es sein muß, auch strafrechtliche Unkenntnis (Verwechslung von Unterzeichner mit strafrechtlich relevantem Urheber einer Urkunde).

Was gibt es noch?

Die gegenüber der langjährigen promovierten Fachärztin geringere Qualifikation des Attest-Ausstellers wäre vom Gericht ohnehin nicht gewürdigt worden (S. 60 -62), ja, und der Zeuge Edward Braun (S. 62 – 75) ist mit seiner Aussage nicht geeignet, „aus der Sicht des damals entscheidenden Gerichts zu einer im Ergebnis abweichenden Beweiswürdigung zu gelangen.“ (S. 63).

Auch wenn man sich die diesbezüglichen schwurbeligen Ausführungen mehrfach durchliest: man versteht sie einfach nicht. Kurz zusammengefaßt könnte man sagen: da Richter Brixner ohnehin verurteilt hätte, hätte ihn auch der Zeuge Braun nicht davon abgehalten, der belastungseifrigen Belastungszeugin mangelnden Belastungseifer zu attestieren. Schließlich kannte er ja die Falschbelastungsmotive der Ex-Ehefrau (S. 75)

Eine offensivere Verteidigung eines Unrechtsurteils, die stets zirkelschlüssig in kongenialer Einfühlung in den das Fehlurteil produzierenden Richter argumentiert, ist nicht denkbar.

Ähnlich länglich wie neben der Sache (S. 76 – 87) fällt die Auseinandersetzung mit der falschen Wahnerweiterung auf Dr. Wörthmüller aus.

Hier tappt die 7. Kammer in die Falle, die aktuelle Aussagen von Psychiatern, die sich ja längst vom „Schwarzgeldwahn“ distanzieren und sich dabei auf das Urteil (wohlgemerkt: das Urteil, nicht auf ihre eigenen Gutachten!) beziehen, stellen.

Insoweit ist der Vortrag nicht geeignet, die folgende Feststellung im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (S. 25 des Urteils vom 8. August 2006) zu erschüttern:

„Auch in der Hauptverhandlung hat sich – wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen – die wahnhafte Gedankenwelt des Angeklagten vor allem in Bezug auf den „Schwarzgeldskandal“ der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, daß der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.“

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=86

Daß Psychiater Urteile nicht lesen können, will ich ihnen nicht mal vorwerfen. Aber Richter sollten das doch können: bei der zitierten Stelle handelt es sich nicht um eine Urteilsfeststellung, sondern um eine gerichtliche Würdigung des Leipziger-Gutachtens. Kleiner Tip: die zitierte Passage findet sich unter Ziff. VI. Rechtliche Würdigung, S. 19 – 25 UA.

Diese „Würdigung“ darf natürlich mit den vorangegangenen allein wesentlichen „Feststellungen“ nicht kollidieren.

Diese finden sich u.a. hier:

Insbesondere nach Schließung des Geschäfts, saß der Angeklagte immer Zuhause vor dem Fernseher und begann „fixe“ Ideen zu entwickeln. […] So war der Angeklagte schließlich überzeugt, dass seine Ehefrau, die seit 1990 bei der HypoVereinsbank arbeitete, bei einem „riesigen“ Schwarzgeldgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz beteiligt sei. Die Ehefrau des Angeklagten Petra Mollath, jetzt Müller, war tatsächlich von der damaligen Bayerischen Vereinsbank mit dem Privatkundengeschäft in und für die Schweiz betraut. Daher war sie zusammen mit dem Angeklagten auch in der Schweiz eingeladen gewesen.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf#page=4

Diese Feststelllung beruht auf der Aussage der Ehefrau und besagt: es war eine fixe Idee meines Mannes, daß meine Bank und ich mit so etwas zu tun haben. Andere Banken mögen so etwas ja gemacht haben, aber doch nicht meine oder gar ich selbst! Die Schweiz-Anlagen der HVB waren alle legal, er muß sich da in etwas verrannt haben.  Entsprechend heißt es auf S. 12 des Urteils über ein Gespräch des Angeklagten mit dem Gerichtsvollzieher:

[…] erzählte ihm von seinem Leben, seiner Scheidung und dem angeblichen Schwarzgeldverschiebungsskandal, in den seine Ehefrau verwickelt sei.

Es hatte ja einen Grund, warum Otto Brixner den Angeklagten niederbrüllte und ihn des Saales zu verweisen drohte, als der mit den Schwarzgeldgeschäften seiner Frau für und ab 1998 gegen die HVB anfing. Das waren ja nur „fixe Ideen“. Mir wurde zugetragen, daß die Ehefrau nicht einmal gemäß § 55 StPO belehrt wurde – klar, wegen „fixer Ideen“ braucht ja niemand Strafverfolgung zu befürchten und muß über sein Auskunftsverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbelastung bei wahrhafter Aussage auch nicht belehrt werden.

Ebenso ging der Gutachter Dr. Leipziger von einem irrealen Schwarzgeldwahn aus. Lustigerweise zitiert die Kammer auf S. 86 aus seinem Gutachten, ohne es indes zu verstehen (ich hebe die Stelle, um die es geht, hervor):

Im Bereich der Schwarzgeldverschiebungen sei der Untergebrachte unkorrigierbar der Überzeugung, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen, die sich gegen ihn stellen, z.B. auch Dr. W, in dieses System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt seien.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=84

Da ging, Arm in Arm mit Richter Brixner, der Gutachter mangels Lebenserfahrung davon aus, daß die Ehefrau und ihre Bank gar nichts mit Schwarzgeldverschiebungen, die nach Einführung der Quellensteuer ab dem 1.1.1993 völlig normal waren (und auch versteuerte Vermögen betrafen, deren Erträge der Besteuerung entzogen werdern sollten), zu tun hatten. Schließlich hatte die Staatsanwaltschaft aufgrund der Anzeige von Mollath keinen Anfangsverdacht erkannt.

Halten wir fest: für den Gutachter Dr. Leipziger wie für das Gericht war die Beschuldigung Mollaths, seine Frau und deren Bank seien in illegale Transfers in die Schweiz verstrickt, wahnhaft. Und die Ausweitung auf Dr. Wörthmüller ein Beleg für die Progredienz des Wahns. Daß die Psychiatrie sich heute gern von dieser Diagnose verabschiedet, ist angesichts der Realien ja verständlich…

Das LG Regensburg verneint, daß die neuen Erkenntnisse über Dr. Wörthmüller und seinen Nachbarn, der wegen Mollaths Beschuldigungen sehr beunruhigt war, hatte er doch gerade mit von dem von Mollath beschuldigten Ex-Kollegen von dessen Frau, nach dessen der Bank-Kündigung vorausgehenden Eigenkündigung, eine Finanz-AG gegründet, irgendeinen Wert hätten. Verstehen kann man die verquasten Argumentationsimulationen, sie entbehren jeglicher logischer Stringenz, nicht. Inselhaft taucht auf, daß auf S. 86 dargetan wird, daß die Staatsanwaltschaft lediglich Schlußfolgerungen, aber keine neue Tatsachen hinsichtlich des Wörthmüller-Komplexes liefere. Ebenso inselhaft taucht auf S. 87 der klassische Hinweis auf:

Durch die als Beweismittel benannten Zeugen ist dieser Schluss aber nicht zu widerlegen, sondern allenfalls durch ein Sachverständigengutachten.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=87

Was für ein Schmarrn! Es ist Aufgabe von Juristen, psychiatrische Gutachten zu evaluieren, und es ist ein Leichtes, wenn sie so schwach ausfallen wie das von Dr. Leipiger. Aber mit dieser Kapitulationserklärung reicht die ehrgeizige Vorsitzende vielleicht auch ihr Bewerbungsschreiben für einen OLG-Senat mit Zuständigkeit für Strafvollstreckung ein, wie für den in Bamberg, der sich ja auch nicht in der Lage sah, unlogische und widersprüchliche psychiatrische Gutachten wie das von Pfäfflin zu kritisieren.

Ich breche hier und jetzt ab. Das LG Regensburg hat Monate darauf verwandt, mit Sophisterei und Rabulistik ein Fehlurteil zu halten. Dem kann man nicht binnen zwei Tagen dezidiert begegnen, zumal man vor völlig unverständlichen Texten steht, die man erst einmal übersetzen muß.

Dieses Dokument ist juristisch wie sprachlich eine Schande. Denn wenn selbst Juristen raten müssen, was eigentlich gemeint ist, und nur erkennen, daß da ein Ergebnis gehalten werden soll, das juristisch nicht begründbar ist – dann Gute Nacht.

Diese Bastion wird fallen. Sie kommt mir vor wie ein letzter verzweifelter Versuch, all die Fehler im Fall Mollath zu rechtfertigen. Inclusive der eigenen eines Mitglieds der Kammer, das wegen Befangenheit abgelehnt worden ist. Das hat schon im Jahr 2012 Edward Brauns Mitteilungen für Killefit gehalten, seinen Antrag, die StA möge einen WA-Antrag einleiten, in einen eigenen WA-Antrag von Edward Braun umgedeutet, der dann wegen Unzulässigkeit kostenpflichtig abgelehnt wurde. Genau dieser bürgerfeindliche Geist zeichnet den Beschluß des LG Regensburg vom 24.7.2013 aus.

Update (26.7.2013):

Hier zwei weitere juristische Wertungen zu dem Beschluß des LG Regensburg vom 24.7.2013:

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/mollath-wiederaufnahme-abgelehnt-psychiatrie-unterbringung/

http://www.internet-law.de/2013/07/vorerst-kein-wiederaufnahmeverfahren-in-sachen-mollath-zu-unrecht.html

Ich gehe davon aus, daß kein Jurist von Rang diesen Beschluß verteidigen wird. Und bin der 7. Strafkammer des LG Regensburg sehr dankbar dafür, daß es seine Unabhängigkeit von volativen politischen Strömungen bewiesen und öffentlich demonstriert hat, wie in Bayern politisch linientreu, unabhängig von aktuellen Politik-Präsentanten und deren zeitweiligen Imageproblemen, üblicherweise Recht gesprochen wird. Selbst unter dem Scheinwerfer der Öffentlichkeit.

Der Fall Mollath ist offensichtlich nur die Spitze eines Eisberges.

Update (2.8.2013):

Da hatte Musmax am Vormitttag des 1.8.2013 geunkt:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/26/der-fall-mollath-die-letzte-bastion/comment-page-2/#comment-18809

Und nun hat ihn Prof. Dr. Henning-Ernst Müller (Freiheit von Forschung und Lehre)  eines Besseren belehrt und eine erste, fortzusetzende, Einschätzung des Beschlusses des Regensburger Landesgerichts gepostet:

http://blog.beck.de/2013/08/01/sind-die-wiederaufnahmeantr-ge-im-fall-mollath-unzul-ssig-der-beschluss-des-lg-regensburg-in-der-detail-kriti

Sie entspricht meiner Wertung voll und ganz.

Ich hoffe, daß er sich auch der Rechtsbeugung durch Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, wie im ergänzenden Schriftsatz der Verteidigung vom 1.5.2003 dargetan, noch widmen wird (bislang hat er zu diesen Schriftsatz in einem Update vom 2.5.2013 nur kurz Stellung genommen).

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

http://blog.beck.de/2013/03/26/fall-mollath-die-wiederaufnahmeantr-ge-unter-der-lupe

Gerade diese Sachverhaltsverfälschungen zur Täuschung des BGH sind Rechtsbeugungen, die ein Gericht nicht mittels Relativierungen („nicht elementar“, „bloße Sorgfaltspflichtverletzungen“ ) zugusten des Kollegen minimieren kann. Lügen sind und bleiben Lügen.

Ohne auch nur mit einem Wort auf die umfangreichen Darlegungen einzugehen, hat das Landgericht Regensburg allerdings genau das getan:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Beschluss-LG-Regensburg-2013-07-24.pdf#page=54

So kommt es, wenn ein wegen der (berechtigten) Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter einen solchen Beschluß formuliert, den das völlig uninformierte weitere Mitglied der Kammer und die Vorsitzende, die sich auf der politisch sicheren Seite fühlt (den WA-Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Ministerin doch nur aus Imagegründen bestellt) abnicken.

Insgesamt ist der Beschluß schon deshalb verfassungswidrig, weil er schon im Aditionsverfahren spekulativ Ergebnisse vorwegnimmt, die allein einer erneuten Hauptverhandlung vorbehalten sind:

Ferner ist es dem Wiederaufnahmegericht verfassungsrechtlich verwehrt, im Wege der Eignungsprüfung Beweise zu würdigen und Feststellungen zu treffen, die nach der Struktur des Strafprozesses der Hauptverhandlung vorbehalten sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist allein diese auf die Feststellung von strafrechtlicher Schuld angelegt und als Kernstück des Strafverfahrens auf die Ermittlung aller erheblichen objektiven und subjektiven Tatsachen gerichtet. Erst und gerade die durchgeführte Hauptverhandlung setzt den Richter in den Stand, sich eine Überzeugung zur Schuldfrage zu bilden. Alle erforderlichen Beweise sind unter Wahrung der Rechte des Angeklagten zu erheben; es gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, es dürfen also nur die in der Hauptverhandlung behandelten Gesichtspunkte in das Urteil eingehen. Die Regeln für die Hauptverhandlung sind deshalb so ausgestaltet, dass sie die größtmögliche Gewähr für die Erforschung der Wahrheit ebenso wie für die bestmögliche Verteidigung des Angeklagten und damit für ein gerechtes Urteil bieten (vgl. BVerfGE 74, 358 <372>; 86, 288 <318>). Das Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), das gewährleistet, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, verleiht – über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehend (vgl. BVerfGE 57, 250 <274>) – einen Anspruch, dass die vom Gesetzgeber vorgegebene Verfahrensstruktur beachtet wird (vgl. BVerfGE 86, 288 <317>). Damit muss jedenfalls die Feststellung solcher Tatsachen, die den Schuldspruch wesentlich tragen, indem sie die abgeurteilte Tat in ihren entscheidenden Merkmalen umgrenzen, oder deren Bestätigung oder Widerlegung im Verteidigungskonzept des Angeklagten eine hervorragende Rolle spielt, der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben (vgl. auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 1994 – 2 BvR 2093/93 -, NJW 1995, S. 2024 f.).

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20070516_2bvr009307.html

Ach was, ein Gustl Mollath verdient kein „Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), das gewährleistet, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben“.  Eher verdient ein Richter, der dieses Grundrecht nicht anerkannte, Schutz vor Strafverfolgung.

Vergebens hat die Staatsaanwaltschaft Regensburg auf diese Entscheidung hingewiesen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=45

Das Landgericht Regensburg nimmt permanent Entscheidungen freihändig vorweg, die der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben müssen. Und nimmt bei dieser Vorwegnahme erschreckenderweise auch noch Perspektiven desjenigen Richters ein, dessen Rechtsbeugungen es, wie in Bayern üblich, rechtswidrigerweise  verneint.

Zur Fortsetzung geht es hier:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/08/18/der-fall-mollath-etappensieg-und-raumgewinn/

 

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Der Fall Mollath: Das Endspiel?

Rosenkrieg 2

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/06/20/der-fall-mollath-eine-hangepartie-ii/

„Ich denke mal, daß das OLG Nürnberg, das sich bislang durch klare rechtsstaatliche Signale bewährt hat, sich seiner Verantwortung  bewußt ist.“ Das habe ich zuletzt, am 22.6.2013, tatsächlich geschrieben.

Meine optimistische Prognose ging fehl. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg bot in ihrer Stellungnahme ein Schlupfloch an, das dem Oberlandesgericht erlaubte, den unangenehmen Fall ohne Entscheidung in der Sache (vom Landgericht Regensburg abgelehnter Antrag auf Unterbrechung der Vollstreckung ) vom Tisch zu bekommen:

Die Voraussetzungen für eine begründete Untätigkeitsbeschwerde, soweit eine solche im Schriftsatz des Verteidigers vom 29.05.2013 enthalten sein sollte, nämlich eine unangemessene Verfahrensdauer, liegt [!] ersichtlich nicht vor. Von „handgreiflichen Erfolgsaussichten“ der Wiederaufnahmeanträge kann keine Rede sein.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-GenSt-2013-06-07.pdf

Nebenbei erfährt man also auch, was die Generalität in Nürnberg von dem von ihr ›betreuten‹ Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg hält… Diese Einstellung der vorgesetzten Behörde sollte die Staatsanwaltschaft Regensburg motivieren, unter neuer  Leitung, frisch und kampfeslustig, im Sinne ihrer ersten Entwürfe, die den Wiederaufnahmegrund der Rechtsbeugung noch enthielten, nachzulegen. Die Beweislage hat sich schließlich extrem verbessert. Das sollte sogar ein General einsehen, der ohnehin im Verdacht der Illoyalität gegenüber seiner Ministerin steht: daß sie nur einen pro forma-Wiederaufnahmeantrag stellen lassen wollte, wird sie sicherlich nicht bestätigen wollen. Nun ist ein politisches Vakuum entstanden, das der Wahrheitsfindung nur förderlich sein kann.

Wenn eine Untätigkeitsbeschwerde vorliegen könnte, dann tut sie das wohl irgendwie letztlich auch, und glücklicherweise geht die falsche, wenn auch herrschende, Meinung davon aus, daß die neue, lediglich auf finanzielle Kompensation ausgerichtete, Verzögerungsrüge zur Abschaffung der früheren Untätigkeitsbeschwerde (mit einem Recht auf Sachentscheidung durch die Beschwerdeinstanz) geführt habe. Das ist schließlich seit Jahren das zynische Anliegen des Gesetzgebers: Rechtsmittel des Bürgers zu beschneiden, um der Unterbesetzung der Justiz nicht entgegenwirken zu müssen. Diese lachhaften Kompensationen kosten weniger als das erforderliche Personal und die Sachausstattung in der Justiz. Gesagt, getan. Am 24.6.2013 servierte das OLG Nürnberg Steine statt Brot und wies die kurzerhand umgedeutete „Untätigkeitsbeschwerde“ als unzulässig ab:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-OLG-Nuernberg-2013-06-24.pdf

Aber auch dieser kleinere Rückschlag kann den Gesamteindruck nicht trüben, daß die Hängepartie beendet und das Endspiel – jedenfalls das um die Freiheit Gustl Mollaths – angebrochen ist. Denn wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, daß die bayerische Justiz mit der Fehlerkultur so ihre ganz besonderen Probleme hat, dann war er jetzt erbracht. Die lange Bedenkzeit des Landgerichts Regensburg deutet ja darauf hin, daß dem gewohnten Reflex nachgegeben werden soll, erstinstanzlich Wiederaufnahmebegehren vorsichtshalber erst einmal abzulehnen – was in diesem Fall natürlich dauert. Wenn etwas nicht zu begründen ist, fällt die Begründung bekanntlich besonders schwer.

Die Verteidigung scheint jedenfalls schwarz zu sehen und hat am 4.7.2013 einen Befangenheitsantrag gen Regensburg geschickt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-07-04.pdf

Tatsächlich ist es nicht abwegig, anzunehmen, daß der abgelehnte Richter der entscheidende Bremsklotz der Kammer ist; seine aktuelle Vorsitzende sah die peinliche Entscheidung, an der er damals beteiligt war, als Pressesprecherin jedenfalls kritisch:

„Möglicherweise hätte man nachfragen sollen“

Dass Braun zahlen muss, hatte das Landgericht Regensburg beschlossen. Die Justiz in Regensburg ist für Wiederaufnahmeanträge zuständig, die in Nürnberg eingehen. Möglicherweise, sagt Gerichtssprecherin Bettina Mielke, wäre es in so einem Fall sinnvoll gewesen, direkt bei Braun „nachzufragen, ob das vorliegende Schreiben als Antrag auf Wiederaufnahme zu verstehen“ sei. Und auch darauf hinzuweisen, dass der vermeintliche Antragsteller gar nicht antragsberechtigt ist. „Aber das ist immer eine Gratwanderung“, sagt Mielke.

Braun hat die Kostenaufforderung jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen, aus prinzipiellen Gründen, sagt er. Und tatsächlich erging im April 2012 vom Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) der Beschluss: Zwar sei Brauns Beschwerde unzulässig, weil der dafür „erforderliche Beschwerdewert von 200 Euro“ nicht erreicht sei. Von der Kostenerhebung aber werde nun trotzdem abgesehen. Ein salomonischer Beschluss? „Könnte man so formulieren“, sagt Anita Traud, Sprecherin des OLG.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-wenn-der-zeuge-nicht-gefragt-wird-1.1527536

Aber wer weiß? Vielleicht war sie seinerzeit auch nur um vermittelnde Kommunikation zum blöden Volk bemüht, das für solche Dreistigkeiten von Gerichten einfach nicht zu begeistern ist. Jetzt hat die Gratwanderin Gelegenheit, Position zu beziehen. Denn ›sie bewegt sich doch‹, die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg. Schon am 5.7.2013 lag die dienstliche Erklärung des betroffenen Richters vor, der seinerzeit an dem peinlichen Beschluß zum Nachteil von Edward Braun mitgewirkt hatte:

Soweit der Antragsteller vortragen lässt, dass der abgelehnte Richter an einer „groben Verfälschung des Sachverhalts“ mitgewirkt habe und dass (bezogen auf die Kammer in der damaligen Besetzung) „Eingaben von Bürgern umgefälscht“ worden seien, wird dieser Vorwurf zurückgewiesen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Dienstliche-Aeusserung-2013-07-05.pdf

Schon wieder ein „Monolith“ im Dienst der bayerischen Justiz, der aber noch nicht einmal darauf verweisen kann, vom BGH „gehalten“ worden zu sein… Daß selbst Monolithen wanken, beleuchtet man ihre Fehlleistungen zu grell, sollte doch zu denken geben.

24.11.2012

Es ist auch sechs Jahre nach dem Prozess nicht leicht, mit Brixner ins Gespräch zu kommen. Brixner ist seit vier Jahren pensioniert, wer bei ihm anruft, muss sich darauf gefasst machen, kaum einen Satz zu Ende sprechen zu dürfen. Es bedarf des Hinweises, dass man nicht als Angeklagter mit ihm ins Gespräch zu kommen versuche. Der Fall Mollath? Die „ganze journalistische Aufregung geht vollkommen an der Sache vorbei“, sagt Brixner in einem Ton, der mit barsch eher unzureichend beschrieben wäre. Nichts, „gar nichts“ habe das Gericht zurückzunehmen. Das Urteil sei vom Bundesgerichtshof längst bestätigt. Und um „Schwarzgeld“ sei es im Prozess nicht gegangen, das habe doch gar „keine Rolle gespielt in diesem Verfahren“.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-vom-richter-maltraetiert-und-provoziert-1.1531706-2

21.5.2013

Brixner dagegen kann an alledem nichts finden. Er habe „anderes zu tun gehabt“ zu der Zeit, als 106 Seiten zu lesen, sagte er dem Ausschuss. Allein ein „Prozess über einen Kieferchirurgen“ habe Hunderte Seiten Anklageschrift umfasst. Zudem sei in dieser Zeit seine Frau erkrankt, um die habe er sich kümmern müssen.

Auf den Hinweis eines Abgeordneten, auch ein Angeklagter habe doch ein persönliches Schicksal, man müsse als Vorsitzender Richter doch die Akten lesen, antwortete Brixner: „Das, was zu tun war, habe ich gemacht.“ Überdies: „Es ist nicht der Brixner, der den Mollath untergebracht hat.“ Es sei vielmehr die 7. Große Strafkammer gewesen.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-richter-ignorierte-beweismittel-1.1677499-2

Es ist dies ein Gebaren, das geeignet ist, die Grenzen hanseatischer Contenance auzuloten, die offenbar nicht mit Temperamentlosigkeit zu verwechseln ist. So die umgehende Erwiderung von Rechtsanwalt Strate auf die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters:

Soll das keine Verfälschung sein? Wo leben wir denn?

Die Behauptung einer Verfälschung muss ja nicht notwendig einen subjektiven Vorwurf begründen. Eine Verfälschung ist objektiv eine grobe Fehlleistung in der korrekten Erfassung eines Sachverhalts, mag sie nun subjektiv auf Absicht oder nur auf zeitweilig fehlender geistiger Präsenz beruhen.

[…]

Die Großzügigkeit des abgelehnten Richter mit eigenen Fehlleistungen in der korrekten Sachverhaltserfassung wird für ihn auch der Maßstab bei der Beurteilung der Fehlleistungen des VRiLG Brixner sein. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer gute Gründe, das zu befürchten.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-07-05.pdf

Von dieser Justiz ist noch allerlei zu befürchten.

Justizministerin Dr. Beate Merk hat es allerdings wohl auch bemerkt, daß Heil nur noch vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten ist, und so hat sie dem bekennenden Merk-Fan Uli Bachmeier von der Augsburger Allgemeinen am 1.7.2013 ein Interview gegeben, in dem plötzlich ganz neue Töne erklangen:

01. Juli 2013 23:57 Uhr

Fall Mollath

Beate Merk: Unterbringung von Mollath zunehmend „unverhältnismäßig“

Gustl Mollath: Seine Unterbringung ist „mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig“. Das sagt Bayerns Justizministerin Beate Merk – und will dies auch beim Verfasssungsgericht vorbringen. Von Uli Bachmeier und Henry Stern

[…]

Merk: Die Situation des Herrn Mollath macht mich selbstverständlich betroffen. Als Ministerin habe ich getan, was möglich war. Erstens: Wir haben Herrn Mollath angeboten, sich von einem neuen Psychiater, dem auch er vertraut, begutachten zu lassen. Das hat er leider abgelehnt, obwohl das eine Chance war, auf direktem Weg in die Freiheit zu kommen. Zweitens: Ich habe, nachdem massive Zweifel wie die mögliche Befangenheit eines Richters auftauchten, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf den Weg gebracht. Daran wird intensiv gearbeitet. Das Gericht in Regensburg muss umfangreiches Material prüfen. Der Vorwurf, die Entscheidung werde bewusst verzögert, trifft sicher nicht zu. Drittens: Ich werde in meiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht deutlich machen, dass nach meiner Auffassung die Unterbringung des Mannes mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig ist.

Das „Drittens“ haben Sie bisher nicht gesagt.

Merk: Bisher durfte ich mich nicht äußern, weil ich als Ministerin die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren habe. Erst die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, zu einer Beschwerde gegen einen Gerichtsbeschluss aus dem Jahr 2011 Stellung zu nehmen, macht es mir möglich, mich gegenüber einem Gericht zu äußern, das mit dem Fall Mollath befasst ist.

[…]

Merk: Ich bin keine eiserne Lady, an der alles nur abprallt. Natürlich bewegt mich das Schicksal von Herrn Mollath. Und wenn es so wäre, dass in diesem Fall etwas elementar falsch gelaufen ist, dann wäre das für mich persönlich ganz schrecklich. Das Problem ist aber: Wenn ich als Justizministerin spreche, dann muss ich mich an das rechtskräftige Gerichtsurteil halten. Ich darf das nicht infrage stellen. Das ist Ausfluss der Unabhängigkeit der Justiz. Viele Leute haben es wohl so empfunden, dass ich mir dieses Urteil zu eigen gemacht habe. Das tue ich aber definitiv nicht.

http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Beate-Merk-Unterbringung-von-Mollath-zunehmend-unverhaeltnismaessig-id25861651.html

Das war freilich starker Tobak für viele Leute: seit Ende 2011 bis zu diesem Interview hat sie sich zu dem Urteil vom 8.8.2006 niemals neutral verhalten, sondern behauptet, daß Gustl Mollath deshalb in der Psychiatrie sei, weil er Straftaten begangen habe und allgemeingefährlich sei. Wie muß sie sich in dieser Zeit verbogen haben, um die eisern-eisige Lady zu spielen, die sich Urteilsfeststellungen zu eigen macht, während sie doch tatsächlich, im stillen Kämmerlein, empathisch Mollaths Schicksal bedauerte und händeringend nach Möglichkeiten suchte, dem armen Manne zu helfen. Politik muß ein hartes Geschäft sein, das schwere Opfer und ein gewisses Talent zur Schauspielkunst erfordert.

Diese Politshow kam allerdings gar nicht gut an, und so begann schon am nächsten Tag ein Zurückrudern, das ein Radiosender aus ihrer Heimatstadt kabarettreif so zusammenfaßte (und damit alle Klarheit beseitigte):

Allgemein, DONAU 3 FM Region, Ulm / Neu Ulm Dienstag, 2. Juli – 2013 14:44

Fall Mollath: Merk stellt klar

Bayerns Justizministerin Beate Merk ist nicht für eine Freilassung Gustl Mollaths aus der Psychiatrie. Das hat die ehemalige Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin nach einem anderslautenden Zeitungsbericht klargestellt. Es gehe vielmehr um die Verhältnismäßigkeit, mit der man sich in diesem Fall auseinandersetzen müsse, so Merk. Nur das Bundesverfassungsgericht könne entscheiden, ob Mollath freigelassen werde. Das Gericht hatte Merk zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Stand 7 Uhr:

Bayerns Justizministerin Beate Merk will sich offenbar dafür einsetzen, dass Gustl Mollath aus der Psychiatrie freigelassen wird. In einem Zeitungsinterview sagte die ehemalige Oberbürgermeisterin Neu-Ulms, dass Mollaths Unterbringung unverhältnismäßig sei. Das will sie auch vor dem Verfassungsgericht erklären. Seit 8 Jahren ist Mollath gegen seinen Willen in einer Psychiatrie untergebracht.

http://www.donau3fm.de/allgemein/merk-setzt-sich-fur-mollath-ein/63612

Sieben Jahre oder acht Jahre Freiheitsentzug: ist eh egal, befand schon die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth im Juni 2013 und setzte, sachverständig unberaten, das achte Jahr oben drauf. Im Zweifel für die Sicherheit. Und bei einem, bei dem niemand weiß, wie der tickt, muß man ja mit dem Schlimmsten rechnen.

Wie die gestrige Stellungnahme des Ministeriums gegenüber dem BVerfG dann wirklich ausgefallen ist, werden wir hoffentlich in der gebotenen Klarheit einer für Dienstag, den 9.7.2013, angekündigten Pressemitteilung des Ministeriums entnehmen können. Etwa so: „Verhältnismäßigkeit muß schon irgendwie sein, hohes Gericht, ich stelle anheim“?

Damit könnte jedenfalls der aufgebrachte bayerische Richterverein, in dem sich die den Richtern dank des bayerischen Rotationsprinzips sehr verbundenen Staatsanwälte gleich mitorganisert haben, gut leben; demnächst erwarte ich derartige offene Vereinsbriefe auch gegenüber dem BVerfG und dem Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags:

Fall Mollath

Richterverein rügt Justizministerin Merk

[…]

Stand: 04.07.2013

Der Richterverein stößt sich an Merks Äußerungen in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“. Merk wird mit den Worten zitiert, sie halte die Unterbringung Mollaths „mit zunehmender Dauer für unverhältnismäßig“. Der Richterverein kritisiert das in einem offenen Brief als eine Bewertung der Arbeit der Strafvollstreckungskammer Bayreuth und des Landgerichts Regensburg.

Auch eine andere Aussage Merks in diesem Interview stößt auf Kritik. „Auch Richter müssen die Reaktion der Bevölkerung verstehen und darauf reagieren“, hatte Merk gesagt. Der Vereinsvorsitzende Walter Groß aus Fürth kommentiert das in dem Brief an die Ministerin mit dem Hinweis auf das Grundgesetz, wonach Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen seien. Merks Äußerungen seien eine Vorwegnahme der geforderten Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht, die offenbar gezielt vorab an die Medien lanciert worden sei. Das sei „mehr als bedenklich“, heißt es in dem Schreiben weiter.

http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/mollath-merk-100.html

Zu beneiden ist die Ministerin wirklich nicht, wie sie zwischen Baum (Landesvater Seehofer) und Borke (bayerischer Richterverein, Generalstaatsanwalt) lavieren muß und dabei nicht vom Fleck kommt.

Und dann fördert der Untersuchungsausschuß des Landtages auch noch neue Beweise für Brixners Befangenheit vulgo Indizien für seinen Rechtsbeugungsvorsatz zutage, was unabhängig von den erwartbaren parteipolitischen Bewertungen der Ausschußtätigkeit nun wirklich ein juristischer Gewinn ist. Bedenklich ist nur, daß der Ausschuß besser ermittelt hat als die Staatsanwaltschaft.

Anzeichen für Befangenheit Brixners verdichten sich

SPD zur Aussage des damaligen Schöffen Heinz Westenrieder im Mollath- Untersuchungsausschuss des Landtags: Richter sprach doch mit Martin Maske

Der Untersuchungsausschuss „Fall Mollath“ hat auf Drängen der SPD eine schriftliche Stellungnahme des damaligen Schöffen Heinz Westenrieder angefordert. Nach Angaben von ‚Report Mainz‘, wo seit Donnerstagnachmittag auch ein Videointerview veröffentlicht ist, hat Westenrieder jetzt die Zeugenaussage von Richterin Heinemann bestätigt. Martin Maske, ein früherer Handballschüler Brixners, war bei der Verhandlung gegen Gustl Mollath am 8.8.2006 vor dem Gerichtssaal und hat mit Richter Brixner gesprochen. Maske war der neue Lebensgefährte der Hauptbelastungszeugin und ebenfalls bei der Hypovereinsbank beschäftigt. Westenrieder berichtet nun sogar davon, dass Brixner gegenüber den Richtern von seiner eigenen Befangenheit gesprochen habe. Er dürfe jetzt nicht von seiner Bekanntschaft zu Maske sprechen, sonst würde er für befangen erklärt, so Brixner damals. Brixner hatte vor dem Untersuchungsausschuss behauptet, Maske seit 1982 nicht mehr gesehen zu haben. Petra Mollath ist mit ihrem Kollegen Martin Maske aus der Ehe mit Gustl Mollath ausgebrochen.

Westenrieder bestätigte dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage von MdL Inge Aures laut ‚Report Mainz‘ auch einen Bericht der ‚Nürnberger Nachrichten‘ vom 7.3.2013, wonach der Leiter der Klinik am Europakanal Dr. Wörthmüller, der sich wegen seiner Involvierung in die Schwarzgeldvorwürfe Mollaths bereits Jahre vorher selbst für befangen erklärt hatte, bei der Verhandlung am 8.8.2006 ein Gespräch mit Richter Brixner im Richterzimmer führte. Wörthmüller habe dem Richter während einer Verhandlungspause erklärt, dass er sich ja für befangen erklärt habe. Er teilte Brixner mit, dass Mollath nicht ganz dicht sei und auch ihm Reifen zerstochen worden wären. Richter Brixner war offenbar sichtlich beeindruckt, da er laut Westenrieder nach Gesprächsende ausführte: „Dem Mann schaut ja der Wahnsinn aus den Augen.“

Brixner hatte vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, es sei ausgeschlossen, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe.

http://bayernspd-landtag.de/presse/details.cfm?ID=15998&aktiv=1#.UdWc8W3wUqI

Mittlerweile ist Westenrieders entsprechende schriftliche Aussage beim Untersuchungsausschuß eingegangen:

http://bayernspd-landtag.de/presse/details.cfm?ID=16001&aktiv=1#.UdbmTG1TFoC

Hier das Interview mit Heinz Westenrieder (Report Mainz, 2.7.2013)

http://www.swr.de/report/presse/-/id=1197424/did=11685452/pv=video/nid=1197424/9t9f8c/index.html

Nach diesen volkstümlich formulierten Statements zweier befangener Experten über den Geisteszustand des Angeklagten Mollath waren die Schöffen entsprechend auf das noch durch Dr. Leipziger zu erstattende Gutachten eingestimmt und über dessen Ergebnis dann auch gar nicht mehr verwundert – obwohl es der Schöffe Westenrieder schon damals für „schwach“ gehalten hatte, wie er in einem Interview vom 10.12.2012 mit Oliver García sagte:

Dem Urteil entnehme ich, daß Mollath sich von Leipziger nicht untersuchen lassen wollte. Wie ausführlich stellte Leipziger die Grundlagen seiner Schlußfolgerungen dar? Berief er sich allein auf das Aktenstudium oder muß ich es mir so vorstellen, daß er sich in den Aufenthaltsraum der geschlossenen Abteilung gesetzt und Mollath beobachtet hatte, vielleicht an mehreren Tagen ein paar Stunden lang?

Auch dazu habe ich leider keine Erinnerung mehr. Ich habe notiert: “nach Aktenlage”.

Dr. Leipziger stellte bei Mollath eine krankhafte seelische Störung in den Jahren 2001 und 2002 fest, obwohl er sich nur auf Untersuchungen in den Jahren 2005 und 2006 sowie auf Schriftstücke von frühestens Ende 2003 stützen konnte. Wurde mit ihm erörtert, auf welche Weise es ihm gelang, den Gesundheitszustand Mollaths auf die Tatzeitpunkte zurückzuberechnen?

Auch das weiß ich nicht mehr. Aber zu diesem Punkt gibt es ja auch jetzt etliche Psychiater, die Leipzigers Gutachten zerpflücken. Was ich hier noch in meinen Notizen stehen habe: “Schwaches Gutachten”.

Aber Sie haben mit psychiatrischen Gutachten sicher nicht viele Erfahrungen?

Ich habe mit psychiatrischen Gutachten schon Erfahrungen, sowohl aus Hauptverhandlungen als auch aus anderen Bereichen.

Sie waren Klinikdirektor, habe ich gelesen.

Ja, aber nicht als Arzt, sondern als Verwaltungsmensch.

http://blog.delegibus.com/2012/12/10/interview-zum-fall-mollath-eine-rekonstruktion-der-hauptverhandlung/

Eigentlich stellt man sich „Verwaltungsmenschen“ anders vor – und ich meine jetzt nicht die Gewohnheit, sich über Hauptverhandlungen Notizen zu machen und diese als Erinnerung aufzubewahren. Die gehört in den Bereich der „Bürokratie“, die man Verwaltungsmenschen gern zuschreibt. Ich meine die Tatsache, daß dieser Schöffe dank Informationen, die er nachträglich gewonnen hat, das Urteil vom 8.8.2006 für ein Fehlurteil hält und die Courage aufbringt, der Wahrheit ans Licht zu verhelfen. Vielleicht möchte er nur in Ruhe sein Rentnerdasein genießen, sich nicht die Justiz zum Feind machen, von der Presse in Ruhe gelassen werden? Das alles wäre nachvollziehbar, bedenkt man, daß er die anonyme Quelle gewesen sein muß, die den Wörthmüller-Auftritt im Richterzimmer am Tag der Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath den Nürnberger Nachrichten, Michael Kasperowitsch, gesteckt hat. Denn nach seiner aktuellen Darstellung waren beim Auftritt von Dr. Wörthmüller lediglich die Schöffen und nicht Richterin Heinemann im Richterzimmer anwesend. Hier Michael Kasperowitschs entsprechender Artikel vom 7.3.2013:

Jetzt haben gut informierte Justizkreise gegenüber unserer Zeitung von einer Begegnung Wörthmüllers mit dem Nürnberger Richter Otto Brixner berichtet, der Mollath mit seiner Entscheidung in die Psychiatrie brachte. Das Treffen war 2006, zwei Jahre nachdem Wörthmüller sich für befangen erklärt hatte.

Der Arzt soll, so schildern es diese Kreise, in einer Verhandlungspause anscheinend beiläufig, in das Richterzimmer Brixners gekommen sein, und in Worten und Gesten deutlich zu verstehen gegeben haben, dass Mollath psychisch gestört sei. Brixner habe darauf zustimmend geantwortet und angemerkt, dem Angeklagten schaue der Wahnsinn aus den Augen. Stunden später sprach Brixner das folgenreiche Urteil. Man habe den Eindruck gewinnen können, die Mitglieder der Strafkammer sollten „eingenordet“ werden, sagen die Justizkreise.

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a38

Danach hat sich der frühere Schöffe nicht mehr geäußert – bis ihn die Anfrage des Untersuchungsausschusses vom 26.6.2013 erreichte und er dieses Report Mainz-Interview zur Vermeidung eines Presseansturms gab.

Ein Laienrichter als leuchtendes Vorbild der Wahrheitsermittlung für professionelle Justizjuristen, denen allerdings manchmal eher daran gelegen ist, die Wahrheit zu verdunkeln.

Insbesondere, wenn es um die fehlende Qualität von Einstellungsbescheiden geht, in denen die Aufnahme von Ermittlungen mangels Anfangsverdacht abgelehnt wird. Rechtsbeugung durch bayerische Richter? Freiheitsberaubung durch bayerische Forensik-Psychiater? Iwo. Das gibt es nicht, das weiß jede Staatsanwältin als Gruppenleiterin. Langjährige verdiente Kräfte, welche Gruppe sie auch immer leiten, wissen auch ohne Weisung, was von ihnen erwartet wird. Offenbar hat sich in Augsburg kein OStA/OStA’in bereitgefunden, seinen/ihren Namen unter einen Bescheid zu setzen, der Sachverhaltsquetsche und Negierung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts derart unnachahmlich vereint:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Einstellungsverfuegung-Augsburg-2013-02-26.pdf

Die Staatsanwaltschaft Augsburg war – verständlicherweise – so indigniert darüber, daß Rechtsanwalt Dr. jur. h.c. Gerhard Strate ihren Bescheid veröffentlichte, daß sie sogleich ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen seiner découvrierenden Transparenzoffensive einleitete.

Da die Staatsanwaltschaft Augsburg als Betroffene befangen war, reichte sie ihre Anzeige an die Staatsanwaltschaft Hamburg weiter, die sich in Dienst nehmen ließ und jedenfalls beim Ermittlungsrichter des AG Hamburg beantragte, die amtlichen Schriftstücke in RA Strates Dokumentation des Fall Mollaths (also nicht seine eigenen Schriftsätze) wegen Verstoßes gegen § 353 d StGB zu löschen.

Nun fand sich aber ein Hamburger Amtsrichter, der nicht blind Beschlußanträge der Staatsanwaltschaft abzeichnete, sondern selber nachdachte: mit dem Ergebnis, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft weder zulässig noch begründet sei.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-AG-Hamburg-2013-06-27.pdf

Wie gesagt, die bayerische Justiz kann nur von außen bezwungen werden. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 24.6.2013 ist bereits auf dem Weg – und das OLG hat noch eine letzte Chance, seinen Beschluß zu überdenken und seine Rechtsprechung light aufzugeben.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Verfassungsbeschwerde-2013-07-04.pdf

Noch viel bedrückender als die Unfähigkeit der Justiz, Fehler zuzugeben und aufzuarbeiten, ist allerdings die Blockadehaltung der Psychiatrie. Mag sie auch beteuern, sie arbeite der Justiz nur zu und sei für deren Entscheidungen nicht verantwortlich: sie weiß genau, daß sich faktisch die Justiz entgegen der gesetzlichen Vorgabe immer den Gutachten anschließt und sich sogar mit Händen und Füßen dagegen wehrt, ersichtlich widersprüchliche Gutachten wie das von Prof. Dr. Pfäfflin in Sachen Gustl Mollath zu evaluieren. Auch diese Weigerung ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde Mollaths, zu der sich das Justizministerium aktuell äußern soll.

http://www.gustl-for-help.de/download/2012-01-11-Kleine-Cosack-Verfassungsbeschwerde.pdf

[S. 27 ff.]

An dieser Stelle sei hervorgehoben, wie die Verteidigungslinie der mit Gustl Mollath befaßten oder befaßt gewesenen Psychiater aussieht, prägnant formuliert durch Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber in seinem am 4.7.2013 abgedruckten Gespräch mit Alexander Dill [Hervorhebung von mir]:

Hans-Ludwig Kröber: […] Insofern bedrückt mich dieser Fall, weil ich glaube, dass sicherlich Sachen falsch gelaufen sind bei Mollath, aber die Psychiatrie und die psychiatrische Klinik das unschuldige Opfer dieser Geschichte geworden ist, weil staatliche und juristische Entscheidungen Mollath dorthin gebracht haben, wo er jetzt ist.

Nun ist es ja so, dass die Justiz das zurückspielt, indem sie sagt: Die Gutachter haben doch bescheinigt, dass Mollath weiterhin gefährlich ist.

Hans-Ludwig Kröber: Nein, die Gutachter haben bescheinigt, dass Mollath krank ist. Das ist einhelliger Tenor und das wird man vielleicht auch verifizieren können, wenn er draußen ist.

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39441/1.html

Ich fasse zusammen:

1.

Unsere Wahn-Diagnosen waren und sind richtig, auch wenn die Tatsachenbasis, auf die sich gründeten, weggefallen ist bzw. von Anfang an nicht bestand.

2.

Gefährlichkeitsprognosen (von den ersten Ferngutachten von Frau Dr. Krach und Thomas Lippert über das Eingangsgutachten von Dr. Leipziger und die Bestätigungsgutachten von Prof. Dr. Kröber und Prof. Dr. Pfäfflin bis hin zu den jährlichen Stellungnahmen des BKH Bayreuth) haben wir nie erstellt. Das sieht nur so aus.

3.

Den „einhelligen  Tenor“ erzielen wir, indem wir gegenteilige Befunde – keine psychotische Erkrankung, keine Wahnsymptome – tatsächlich explorierender Psychiater (Dr. Simmerl, Dr. Weinberger) als unwissenschaftlich aussortieren und eine methodenkritsche Stellungnahme, die unseren eigenen Gutachten fehlende Wissenschaftlichkeit attestieren (Prof. Dr. Dieckhöfer), nicht zur Kenntnis nehmen.

Mit der Realität ist das so eine Sache, und das Thema „Wahn und Wirklichkeit“ ein weites Feld. Letztlich überwiegt die mediale Wirklichkeitsvermittlung gegenüber den eigenen begrenzten Erfahrungsmöglichkeiten. Daß man dabei gewesen sei, heißt heute gar nichts mehr.

Einer Psychiatrie allerdings, die sich zur Vermittlung ihrer bereits widerlegten* Position journalistischer Herolde wie Otto Lapp (Nordbayerischer Kurier) und Beate Lakotta (SPIEGEL) bedient, eine bedenkliche Kulturerscheinung, die ich den LaLa-Journalismus getauft habe, läßt sich nur schwer Vertrauen entgegenbringen. Denn Realitätsansprüchen genügt er nicht. Dazu demnächst mehr.

* verstehendes Lesen der Wiederaufnahmeanträge wird empfohlen

 

Zur Fortsetzung geht es hier:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/26/der-fall-mollath-die-letzte-bastion/