Der Fall Gustl Mollath: Der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg

Rosenkrieg 2

Oliver García hat auf dem Blog ›De legibus‹ zu diesem Antrag einen Beitrag geschrieben, der ein Hochgenuß ist – pointiert, meinungsfreudig, kenntnisreich und ausgesprochen klug, wie immer eigentlich:

http://blog.delegibus.com/2013/03/24/fall-mollath-die-rehabilitierung-kam-fruher-als-erwartet/

Und ich gestehe, daß mein Herz höherschlägt, lese ich Bewertungen wie diese:

Es ist in der öffentlichen Diskussion immer wieder – auch in mehreren Beiträgen in diesem Blog – darauf hingewiesen worden, daß der entscheidende Justizskandal im Fall Mollath darin liegt, daß – hinsichtlich beider Säulen – ein solch einschneidendes Urteil auf so dünner Grundlage gefällt wurde, wie es hier geschah. Jeder, der allein das Urteil las, konnte sehen, daß hier ein Beweismaß zugrunde gelegt wurde, das mit Gerechtigkeit, mit Rechtsstaatlichkeit allenfalls äußerlich etwas zu tun hatte (eingehend der Blogbeitrag zum Aspekt der niederschwelligen Psychiatrisierung und dazu, daß dies gerade kein Einzelfall ist). Da es – jedenfalls bis zum 30. April 2013 – der Ehrgeiz des 1. Strafsenats des BGH ist, auch noch das dubioseste Urteil zu “halten”, erhielt das Urteil gegen Mollath trotz seiner fehlenden rechtsstaatlichen Legitimität eine formelle – die Rechtskraft.

Beide Säulen, die für diesen formellen Rest entscheidend waren, sind nun ersatzlos weggesprengt. Die Staatsanwaltschaft weist, auf mehreren Wegen, nach, daß die (damalige) Ehefrau Mollaths und alleinige Belastungszeugin alles andere als “ohne jeden Belastungseifer” war. Die Staatsanwaltschaft begnügt sich nicht damit, festzustellen, daß diese Annahme aufgrund neuer Erkenntnisse falsch war, sondern geht einen entscheidenden Schritt weiter und resümiert, daß “die Glaubwürdigkeit der Zeugin tiefgreifend erschüttert” sei (Wiederaufnahmeantrag, Seite 89). Zurückgehend auf den Horizont des damalige Strafverfahrens bedeutet dies (auch wenn sich die Staatsanwaltschaft einer ausdrücklichen Wertung enthält, da diese für die Wiederaufnahmesituation fruchtlos wäre), daß es niemals zu einer Verurteilung, ja nicht einmal zu einer Anklage, hätte kommen dürfen. Die einzige unmittelbare Belastungszeugin war eine unglaubwürdige Zeugin und die – damals gar nicht gehörten – mittelbaren Zeugen (Arzt, Freundin) waren untaugliche Zeugen (da sie ihre Kenntnisse von der unglaubwürdigen Zeugin vermittelt bekamen).

In Asche gelegt wird von der Staatsanwaltschaft auch (ohne daß es darauf eigentlich noch ankäme) das Gutachten Leipzigers: Ein Glanzpunkt des Wiederaufnahmeantrags sind die in ihm wiedergegebenen mehrfachen Vernehmungen des Erlanger Forensik-Chefs Michael Wörthmüller, des zweiten der drei Psychiater, die die Weichen für Mollaths Psychiatrisierung gestellt haben, und seines Nachbarn, eines Finanzunternehmers. Es dürfte für Mollath heute eine Genugtuung sein, zu lesen, wie die beiden sich um Kopf und Kragen reden und in immer neue Widersprüche verstricken. Aufgrund dieser Vernehmungen steht jedenfalls ohne Zweifel fest: Die Annahme im Gutachten und im Urteil, daß Mollath Wörthmüller “völlig undifferenziert” mit Schwarzgeldverschiebungen in Verbindung gebracht habe (Urteil, Seite 25), konnte falscher gar nicht sein. Erstens: Mollath äußerte sich keineswegs undifferenziert. Zweitens: Wörthmüller stand tatsächlich mit Personen in Verbindung, bei denen Mollath Schwarzgeldverschiebungen vermutete, nämlich mit besagtem Nachbarn und Duzfreund. Drittens: Es bestand der objektive Verdacht, Wörthmüller würde mit diesen Kreisen “gemeinsame Sache” machen, denn er hatte Mollath tatsächlich ein “Gefälligkeitsgutachten” unter der Bedingung angeboten, die Schwarzgeldvorwürfe würden unter den Tisch fallen. Dies bestätigte Wörthmüller gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich, auch wenn er sich das Wort “Gefälligkeitsgutachten” nicht zu eigen machen wollte (Wiederaufnahmeantrag, Seite 96). Auch die Staatsanwaltschaft ist ersichtlich davon überzeugt, daß hier von einem Wahn Mollaths keine Rede sein kann (Wiederaufnahmeantrag, Seite 99). Da für die Diagnose Wahn im Gutachten die Annahme tragend war, Mollath habe Wörthmüller ohne ersichtlichen Grund in den Kreis der “Schwarzgeldverschieber” einbezogen, fällt diese Diagnose in sich zusammen.

Ja, so ist es.

Aber dann doch auch wieder nicht. Und vor allen Dingen: dieser Wiederaufnahmeantrag gibt sich mit maximal einem Drittel der Wahrheit zufrieden: im Grunde lügt er damit. Er tut so, als ob eine gutgläubige Justiz auf eine lügende Rosenkriegerin hereingefallen wäre und die Psychiatrie in Gestalt von Dr. Leipziger lediglich von falschen Zusatztatsachen ausgegangen sei, als er Dr. Wörthmüllers Befangenheitsantrag nicht hinterfragte – und mir kann niemand erzählen, daß Dr. Leipziger nicht wußte, warum sein Kollege Dr. Wörthmüller sich für befangen erklärte.

Dr. Leipziger wußte genau, welches Gutachten-Ergebnis die Justiz von ihm erwartete, und daß die Beobachtung des freiheitsberaubten Gustl Mollath in seiner Klinik durch Dritte im Jahr 2005 Null Ergebnisse für dessen Befindlichkeit zu den Tatzeiten 2001 und 2002 erbringen würde. Auch die Wörthmüller-Episode aus dem Jahr 2004 taugte nichts. Zu dem Ergebnis einer Wahnchronifizierung bzw. -erweiterung konnte er ja nur kommen, wenn schon 2001 ein Wahn vorgelegen hatte. Da mußte er so tun, als habe er mit dem Kollegen nicht konferiert und wisse nicht, wie dessen Befangenheit zustandegekommen war. Wie verzweifelt er ob seiner dürren Befunderhebungen war, offenbart sein Schreiben vom 26.4.2005 an die Staatsanwaltschaft:

Am 26.4.2005 wendet sich Dr. Leipziger mit einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth:

„In einem Telefonat mit Herrn Richter Eberl vom Amtsgericht Nürnberg in der 13. Kalenderwoche, in dem die Problematik des Beschuldigten kurz erörtert wurde, wurde Herrn Richter Eberl dargelegt, dass es für die Begutachtung relevant wäre, Ermittlungsergebnisse jüngeren Datums über bekannt gewordene, möglicherweise auch strafrechtlich relevante Verhaltensweisen des Beschuldigten, in die aktuelle Begutachtung mit einbeziehen zu können.

Herr Richter Eberl hatte erklärt, er würde sich darum bemühen, dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die entsprechenden Unterlagen beizieht und zur Begutachtung zur Verfügung stellt.“ (Bl. 306 d.A.)

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf

[S. 9]

Denn, das leuchtet ja ein: je aktueller bizarre Verhaltensweisen heute, desto zwingender der Schluß auf einen Wahn zu den lange zurückliegenden angeblichen Tatzeiten. Auf Vollstrecker von Urteilen, wie sie Maßregelvollzugsleiter sind, ist Verlaß, sie sind quasi Bestandteil des Justizsystems, und so sind sie auch bewährte Hausgutachter der Gerichte, die erwartungsgemäß zuliefern.

Auch dem jubilierenden Oliver García dämmert es: irgendetwas kann an dem Antrag der Staatsanwaltschaft der Staatsanwaltschaft Regensburg nicht stimmen.

Aus diesem Grund erscheint die abschließende Stellungnahme im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft im Verhältnis zu ihrem übrigen Inhalt wie ein Fremdkörper. Sie lautet (Seite 101):

Ein Antrag gem. § 360 Abs. 2 StPO, die Unterbrechung der Vollstreckung anzuordnen, wird derzeit noch nicht gestellt, da die Ausführungen zu den Wiederaufnahmegründen noch keine verläßliche Einschätzung zulassen, ob nach Durchführung der erneuten Hauptverhandlung erneut ein Maßregelausspruch zu erfolgen kann [recte: hat].

Die Diskrepanz zwischen dem Inhalt des Wiederaufnahmeantrags und dieser Argumentation ist so frappierend, daß sich wirklich die Frage stellt, ob beide Positionen von der gleichen Person vertreten werden oder ob hier die Generalstaatsanwaltschaft, nachdem ihr die Entscheidung über das Ob des Antrags offensichtlich vom Ministerium aus der Hand genommen worden war, doch noch ein Wort mitgeredet hat.

http://blog.delegibus.com/2013/03/24/fall-mollath-die-rehabilitierung-kam-fruher-als-erwartet/

Selbstverständlich, das hat sie – weshalb die Staatsanwaltschaft  Regensburg den Wiederaufnahmegrund der Rechtsbeugung so wenig in ihren Antrag aufgenommen hat wie den Sonderbericht der HypoVereinsbank als neue Tatsache, die das Schlechtachten von Dr. Leipziger insgesamt atomisiert.

Es ist interessant, zu beobachten, wie es der Staatsanwaltschaft gelungen ist, zumindest den Anschein zu erwecken, an der Wahn-Diagnose durch den Sachverständigen Dr. Leipziger könne vielleicht doch etwas dran sein. Denn ihre Zertrümmerung seines Eingangs-Gutachtens  bezieht sich lediglich auf das Voranschreiten eines angeblichen Schwarzgeld-Wahns.

Oliver García:

Auch die Staatsanwaltschaft ist ersichtlich davon überzeugt, daß hier von einem Wahn Mollaths keine Rede sein kann (Wiederaufnahmeantrag, Seite 99). Da für die Diagnose Wahn im Gutachten die Annahme tragend war, Mollath habe Wörthmüller ohne ersichtlichen Grund in den Kreis der “Schwarzgeldverschieber” einbezogen, fällt diese Diagnose in sich zusammen.

http://blog.delegibus.com/2013/03/24/fall-mollath-die-rehabilitierung-kam-fruher-als-erwartet/

Nun, nicht ganz.

Rechtsanwalt Gerhard Strate hat in seinem Antrag die Unterstellung Dr. Leipzigers, zu den Tatzeiten 2001, 2002 und Januar 2005 habe ein die Taten auslösender „Schwarzgeld“-Wahn vorgelegen, in Ziff. 6 seines Antrags (S. 106ff.) frontal angegriffen, und zwar mithilfe des Sonderrevisionsberichts der HypoVereinsbank vom 17.3.2003.

6. Der Sonderrevisionsbericht der HypoVereinsbank vom 17.3.2003

Wie bereits erwähnt, attestiert der vom Landgericht Nürnberg-Fürth gehörte psychiatrische Sachverständige Dr. Klaus Leipziger Herrn Mollath, er „leide mit Sicherheit seit Jahren unter einer paranoiden Wahnsymptomatik, die sein Denken und Handeln in zunehmenden Maße bestimme“.

Was denn nun ein Wahn sei, erfährt in jedem Lehrbuch der Psychiatrie oder Gerichtspsychiatrie eine jeweils eigenständige, mit den Erklärungen der Fachkollegen nicht immer übereinstimmende Definition. Dem landläufigen Verständnis des Wahns nahe kommt die Beschreibung durch Hoff/Sass im „Handbuch der Forensischen Psychiatrie“:

„Wahn entsteht auf dem Boden einer allgemeinen Veränderung des Erlebens (…) und imponiert oft – aber nicht notwendigerweise – als krasse Fehlbeurteilung der Realität, die mit weitgehend erfahrungsunabhängiger Gewissheit vertreten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit der Mitmenschen steht.“

Im Vordergrund steht also die „krasse Fehlbeurteilung der Realität“, wobei die gegebene Einschränkung – „nicht notwendigerweise“ – dem Psychiater den Spielraum lässt, einen Wahn bereits dann zu erkennen, wenn er noch keine „krassen“ Ausformungen angenommen hat.

Dennoch, wer einen Wahn behauptet, hat unzweifelhaft die Last der Beweisführung: er muss die Diskrepanz zwischen Wahn und Wirklichkeit aufzeigen, auch wenn sie sich nicht stets auf den ersten Blick zu offenbaren vermag.

Hieran fehlt es in dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth völlig.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf

In der Folge wird der Sonderrevisionsbericht kritisch ausgewertet, was die von Mollath angezeigten Bargeldtransfers in die Schweiz angeht, die zunächst systematisch durch die Bank gefördert, ab Ende der neunziger Jahre bankseitig abgestellt, aber durch einige Mitarbeiter fortgeführt worden seien.

Hierzu heißt es im Antrag der Verteidigung:

Hinsichtlich der Aufklärung des unstreitig erfolgten Geldtransfers in die Schweiz hielt sich die Revision zurück, ging aber umso nachdrücklicher dem Vorwurf nach, Petra Mollath, Wolfgang Dirsch und andere Mitarbeiter der Vermögensverwaltung in Nürnberg hätten – im Zusammenwirken mit einem schweizerischen Banker – Vermögenswerte von Nürnberger Kunden von der Bank von Ernst (einer Tochter der HypoVereinsbank) auf die schweizerische Bank Leu übergeleitet und hierfür von der Bank Leu Provisionen erhalten.

Hierbei kommt die Revision abschließend zu folgendem Ergebnis:

 

„Die Anschuldigungen des Herrn Mollath klingen in Teilbereichen zwar etwas diffus, unzweifelhaft besitzt er jedoch ‚Insiderwissen’. Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt. Die geleisteten Provisionszahlungen hat das Bankhaus Leu mehr oder weniger direkt bestätigt.“

(S. 15 des Berichts – meine Hervorhebung)

Die Zurückhaltung der Revision hinsichtlich der Aufklärung der Bargeldtransfers in die Schweiz offenbart sich daran, dass sie sich mit offensichtlichen Ausreden ihrer Mitarbeiter begnügte und eigene Aufklärungsmöglichkeiten nicht nutzte. Nur beispielhaft sei darauf hingewiesen, dass sie widerspruchslos die Behauptung akzeptiert hat, Bargeldtransfers in die Schweiz seien per Wertpost durchgeführt worden. Das ist schon deshalb unsinnig, weil diese Wertpostsendungen hätten versichert werden müssen; die Höhe der Versicherungsprämie hätte jede Renditeerwartung für das in der Schweiz anzulegende Geld auf lange Sicht zunichte gemacht. Außerdem geht der Wertpostversand „von Hand zu Hand“ und jeder, der die Wertpostsendung in der Hand gehabt hat – bis zum Empfänger –, wird auf dem Wertpostversandzettel namentlich notiert.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf

[S. 110 f.]

Und kommt letztlich auf S. 113 zu dem Fazit:

An diesen Bargeldtransfers in die Schweiz waren nicht nur die Stadtsparkasse Wuppertal und die WestLB, sondern die meisten deutschen Banken beteiligt – einschließlich der HypoVereinsbank, wie der Sonderrevisionsbericht im Grundsatz auch bestätigt. Denn gerade die faulen Ausreden, mit denen die Revision sich hinsichtlich des Bargeldtransfers zufriedengab, sind in ihrer Durchsichtigkeit ein nachdrückliches Indiz dafür, dass es diese Bargeldtransporte im großen Stil auch gegeben hat. Nur: keiner will daran beteiligt gewesen sein:

 

„Frau Mollath bestätigte, dass es Anfang und Mitte der neunziger Jahre Vermögensüberträge von der damaligen HYPO-Bank zu deren Schweizer Tochter AKB-Bank gab. (…) Frau Mollath wollte nicht ausschließen, dass es auch Bargeldbewegungen in die Schweiz gab. Angabegemäß war dies jedoch bei keinem der von ihr betreuten Kunden der Fall. (…) Frau Mollath bestritt, jemals selbst Kurierfahrten in die Schweiz vorgenommen zu haben.“ (S. 5 das Berichts)

Diese Bargeldtransfers von deutschen Banken in die Schweiz gingen acht Jahre lang gut – bis schließlich am 1.8.2000 der Bundesgerichtshof deutlich machte, dass diese Sitte nicht nur eine Unsitte, sondern kriminelles Unrecht ist. Die Schwarzgeldverschiebung in großem Stile war bis Anfang des neuen Jahrtausends eine weit verbreitete Realität und kein Wahn. Mollath hatte dies als Skandal bezeichnet und wollte sich hieran nicht gewöhnen: ‚Schwarzgeldverschieber und Steuerhinterzieher verschärfen die Schere zwischen Arm und Reich.“

Dass er mit seinem Anliegen Recht hatte, bekräftigt jene Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hingegen hat ihn zum Irren erklärt.

Gegen diese zutreffende Lesart des Sonderrevisionsberichts durch die Verteidigung stemmt sich die Staatsanwaltschaft mit Macht (Bl. 287 – 291 d.A.), denn aus politischen Gründen ist es nicht opportun, einzuräumen, man habe damals ein Großbankenverfahren gescheut: in den Jahren 2003/2004 war die systematische bankseitige Beihilfe zur Steuerhinterziehung aus den Jahren 1992 bis 2000 zum großen Teil noch nicht verjährt.

Und so lautet die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, um die zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen der Ministerin nicht zu desavouieren:

Die Auffassung des Wiederaufnahmegesuchs, dieser Sonderrevisionsbericht enthalte neue Tatsachen, ist zweifelsfrei zutreffend.

Allerdings sind diese Tatsachen, also die in dem Sonderrevisionsbericht getroffenen Feststellungen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht geeignet i.S. d. § 359 Nr. 5 StPO, allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen … eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf

[Bl. 287]

Offensichtlich sah diese Stellungnahme früher einmal anders aus. Denn wie ein Fremdkörper ragt dieser Absatz aus dem wenig nachvollziehbaren Hin und Her des vergeblichen Begründungsversuches auf Bl. 290 – 291 heraus:

Es ist allgemein bekannt, dass gerade in den 90er Jahren von deutschen Anlegern immense Bargeldbeträge in die Schweiz verbracht worden sind, um sie der Besteuerung zu entziehen. Dass es sich dabei auch um „Schwarzgeld“ gehandelt hat, also Geld, das bereits in der Bundesrepublik insbesondere der Einkommens-, Umsatz-, Gewerbe-, Erbschafts- oder Schenkungsbesteuerung entzogen worden war, konnten die Strafverfolgungsbehörden nahezu täglich in ihrer Ermittlungsarbeit feststellen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf

[Bl. 290]

Gut. Klar. Das verstehen wir: die von Mollath angezeigten Taten waren Alltag und kein Wahngebilde. Insoweit besteht ja erfreuliche Übereinstimmung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Aber dann folgen disparate Begründungsbemühungen, die auf der politischen Merk-Linie liegen, wonach die Bank ihre eigenen Verfehlungen ja nun gerade nicht verifiziert habe (wie es zu erwarten war – warum sollte eine Bank so etwas tun?).

Diese politisch gewollte Verkennung der Bedeutung des Bank-Berichts führt nun wiederum dazu, daß die widerlegte Wahn-Chronifizierung am Beispiel Dr. Wörthmüllers letztlich belanglos bleibt: die systematische Beihilfe der HypoVereinsbank bei der Steuerhinterziehung vermögender Kunden in den Jahren 1992 – 2000 ist von der beschuldigten Bank selbst nicht „nachgewiesen“ worden, und damit bleibt der Wahn bestehen, was wiederum zu dem Antrag führt, trotz Wegfallens der Nachweisbarkeit von Straftaten durch Gustl Mollath diesen nicht so einfach zu entlassen. Denn irgendwie einen Wahn hat er ja doch, wenn die von ihm beschuldigte Bank ihre strafbaren Handlungen nicht von selbst aufklären und zugeben will. Sorry, tut mir leid, ich befinde mich hier im Wahnsystem Politik und kann die Sachlage daher nicht vernünftig darlegen.

Verdrehter kann eine Staatsanwaltschaft nicht argumentieren:  glücklicherweise kann man hierzulande so verrückt sein wie nur möglich: wenn keine Straftaten begangen werden, landet man nicht in der Unterbringung.

Und da das – die Begehung von Straftaten – auch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht der Fall war, will eigentlich auch die Staatsanwaltschaft Regensburg den zu Unrecht Verurteilten Herrn Mollath herauslassen. Irgendwie. Vielleicht nicht sofort. Mag das Gericht es entscheiden. Wir sind erst einmal prinzipiell skeptisch, denn auch Unschuldige können ja irgendwann mal was anstellen. Und irgendwie verrückt ist der ja schon, wenn die beschuldigte Bank seine Vorwürfe gegen die Bank per Innenrevision nicht bestätigt.

Natürlich wendet sich der Antrag der Staatsanwaltschaft auch gegen die von RA Strate zurecht konstatierte Verfassungswidrigkeit  der Unterbringungsbeschlüsse gemäß § 81 StPO, da sie die Rechtsbeugung durch den Richter am AG Eberl impliziert – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und schreckt nicht davor zurück, insofern den durchsichtig politisch begründeten Murks der Kollegin aus Augsburg zu zitieren, die mir furchtbar leidtut, weil ihr Chef ihr auch noch die volle Eigenverantwortung für diesen unterkomplexen Bescheid zuweist…

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf

[Bl. 205 ff. 301 ff.]

Mit der Konstatierung der Verfassungswidrigkeit der ›Beobachtungen‹ Gustl Mollaths während der freiheitsberaubenden  Unterbringung  zertrümmert der Antrag der Verteidigung den zentralen Beleg für Mollaths Verrücktheit – schließlich hätte sich ein Normaler nicht derartig gegen die entwürdigende Freiheitsberaubung in der Forensik gewehrt, oder?

Das ist ja der Hauptbeleg in dem Kröber-hörigen Artikel von Sabine Rückert  ›Ein Kranker wird Held‹:

http://www.zeit.de/2012/51/Mollath-Bankenskandal-Steuerhinterziehung

Ich ahne und weiß daher genau, daß die motivierten Staatsanwälte in Regensburg durch den General in Nürnberg zurückgepfiffen wurden.  Ich stehe ihnen gern beiseite.

Hinsichtlich der Kollegin aus Augsburg hege ich meine Zweifel. Aber auch nur gelinde. Denn es war ihr Chef, der anläßlich einer stantepede abgewiesenen Rechtsbeugungsanzeige gegen sie behauptet hat:

#5

Andreas Wittmann

19.03.2013

@Deali und andere

Heute ereichte mich die Einstellung meiner Strafanzeige vom 1.3.2013 gegen „Frau Eisenbarth, die StA Augsburg und evtl. anweisende Mitarbeiter der Bayerischern Justiz“.

Zur Erinnerung: Ich hatte bei der StA Augsburg Anzeige gegen die oben genannten Personen wegen „Rechtsbeugung“ gestellt, da diese die Ermittlungen gegen Richter Ebner und Dr. Leipziger (Strafanzeige GM und RA Strate) eingestellt hatten.

Zusätzlich zu der hier im Blog eingestellten Fassung (#27 p.9) hatte ich mich in einem Nachtrag zur Anzeige auf Herrn R. Sponsel berufen, der nachweisen konnte, dass Herr Mollath Herrn Leipziger gegenüber 29 mal klar bekundet hatte, sich nicht begutachten lassen zu wollen.

Dennoch muss ich mir heute von Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt Nemetz anhören, ich hätte „nichts Neues zu den in der Einstellungsverfügung genannten Tatsachen vorgetragen“.

Frau StA Eisenbarth hingegen habe sich „eingehend mit dem Inhalt der zu Grunde liegenden Strafanzeigen befasst und ihre Entscheidung sorgfältig und schlüssig begründet.“

Meine Anzeige sei daher „anmaßend und abwegig“.

Es folgt die aus meiner Sicht sehr wichtige Aussage: „Staatsanwältin als Gruppenleiterin Eisenbarth ist von niemanden zur Verfahrenseinstellung angewiesen worden“.

(Aktenzeichen 100 Js 109280/13)

Unabhängig davon, ob ich dem Glauben schenke, man sieht: Die bayerische Staatsanwaltschaft funktioniert offenbar auch ohne Anweisungen von Oben!

[…]

Andreas Wittmann

http://blog.beck.de/2013/02/23/der-fall-mollath-in-der-wiederaufnahme?page=21

So geht das immerfort. Ob Anweisung oder Selbstzensur: das mag für Bayern dahingestellt sein.

Der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg, so wirkmächtig er sein mag, was ich sehr hoffe: er ist wahrheitswidrig insofern, als er das Fehlurteil allein auf Falschaussagen der Ehefrau im Rahmen eines Rosenkrieges stützt.

Er blendet aus, daß der Vorsitzende Richter Otto Brixner (und zuvor der Richter am AG Eberl) definitiv wußten, daß die Ehefrau ihren Mann zu Unrecht belastete – das ergab bereits die Abweichung der gerichtlichen Tatschilderung von der Tatschilderung im Attest. Beide kannten auch die Umstände dieser hochstreitigen Trennung und Scheidung – zogen es aber vor, aus ganz individuellen Gründen so zu tun, als ob sie arglos auf der üblichen Opferabo-Schiene von Frauen agierten, wie auch der Psychiater Dr. Leipziger es sich angelegen ließ, den Erwartungen seines Auftragsgebers zu entsprechen, auch wenn er fünf Monate brauchte, um etwas zu Papier zu bringen, das seine Auftraggeber erfreute.

Natürlich hoffe ich mit Oliver García, daß der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg in der vorliegenden Form durchkommt und Gustl Mollath rehabilitiert. Mir liegt indes Größeres am Herzen, nämlich das Offenkundigwerden der Wahrheit.

Die heißt allerdings: die Verurteilung von Gustl Mollath beruht auf Rechtsbeugung. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hält diesen Vorwuf der Verteidigung für zulässig, schweigt sich aber zur Begründetheit aus.

Das wundert mich nicht.

Update (30.3.2013):

In seinem heutigen Artikel in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

Der Fall Gustl Mollath offenbart ein Organ-Versagen der Justiz

nimmt Michael Kasperowitsch zutreffend zu dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg Stellung. Er schreibt:

Der wenige Tage alte Wiederaufnahmeantrag der Regensburger Staatsanwaltschaft spricht von „neuen Tatsachen und Beweismitteln“, die jetzt aufgetaucht seien, und die es nötig machten, neu zu verhandeln. In Wahrheit ist jetzt nur der Blick auf Tatsachen neu und schärfer, die seit langem bekannt sind.

In der 143 Seiten umfassenden Liste aus Regensburg über die sträflichen Versäumnisse der Nürnberger Justiz gibt es mehr als bemerkenswerte Kernsätze. „Ob die Schilderungen der Wahrheit entsprachen, wurde nie hinterfragt“, heißt es da. Wohlgemerkt, da ging es nicht um Stammtisch-Gerede, sondern um eine echte Gerichtsverhandlung mit Gustl Mollath als Angeklagtem. Oder: Eine Einvernahme wichtiger Beteiligter „ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt“.

Und zwischen dem tatsächlichen Geschehen und dem im früheren Urteil gegen Mollath “falsch wiedergegebenen Sachverhalt besteht ein gravierender Unterschied“. Bei wichtigen Verfahrensschritten lasse sich die gebotene Gewährung rechtlichen Gehörs „den Akten nicht entnehmen“. Schreiben Gustl Mollaths werden in dem Antrag aus Regensburg nicht mehr wie in all den Jahren zuvor als völlig wirr, sondernals durchaus sinnvoll gewertet. Sie waren „tatsächlich nicht abwegig oder gar wahnhaft“, heißt es an entscheidender Stelle. Er habe „logisch erklärbare Schlussfolgerungen aus realen Begebenheiten“ gezogen, während der Psychiatrie-Sachverständige von „unzutreffenden Zusatztatsachen ausgegangen“ sei.

Gustl Mollath aber sitzt bis heute in der Psychiatrie. Und zwar in der Obhut genau jenes Klinikchefs, über den die Regensburger Staatsanwaltschaft dies feststellt.

Den kümmert das nicht, daß seine ›Diagnose‹ vom fortschreitenden Wahnsystem, in das nun auch Unbeteiligte wie der Kollege Dr. Wörthmüller einbezogen werden, so falsch war und ist wie die niemals hinterfragte faktische Basis der damaligen Mutmaßung. Ja, es ist noch nicht einmal klar, auf welcher Basis sie eigentlich beruhte. Klar war dem Klinikchef Dr. Leipziger – weil nicht sein kann, was nicht sein darf – lediglich, daß Mollaths Behauptungen über Dr. Wörthmüllers Verbindungen zu den „Schwarzgeldverschiebern“ und dessen Angebot eines „Gefälligkeitsgutachtens“, falls Mollath über Dr. Wörthmüllers Befangenheit schweige, einfach nur irre waren. Verrückt sein mußten.

Und so schreibt Dr. Leipziger auch am 4.3.2013 die seit Jahren bekannte Stellungnahme fort, am Zustand des behandlungsunwilligen „Patienten“ habe sich mangels Behandlung nichts geändert, und daher sei er nach wie vor gefährlich. Auch die nachträgliche Kenntnisnahme des Regensburgers Wiederaufnahmeantrag soll ihn nicht zu einer Abänderung bewegt haben, heißt es.

30.3.2013

Fall Mollath: Dr. Leipziger hält an Gefährlichkeitsprognose fest

Chefarzt der Bayreuther forensischen Klinik erwartet „weitere rechtserhebliche Straftaten“

[…]

Überraschend ist nun, dass Leipziger die Argumentation der Regensburger Staatsanwaltschaft aus dem Wiederaufnahmeantrag offensichtlich nicht zum Anlass nimmt, seine vorherigen Gutachten zu überdenken. Leipziger beruft sich, nach den Worten von Lorenz-Löblein, auf die Position, dass ihm als Gutachter keine „Beweiswürdigung“ erlaubt sei und er sich an das rechtskräftige Urteil aus dem Jahr 2006 halten müsse. Die Anwältin sagte, Leipziger habe ihr gegenüber geäußert, er könne seine Stellungnahme nur ändern, wenn es neue „juristische Feststellungen“ gäbe, die zum Beispiel darlegten, dass Mollath die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen habe.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154023

Oder eben „juristische Feststellungen“, die seiner leichthändigen Wahnsystem-Diagnose den Boden entziehen. Die liegen vor.

Werbung

Der Fall Gustl Mollath: Rosenkrieg und Versagen von Justiz & Psychiatrie

Rosenkrieg 2

Der Fall Gustl Mollath wird, seitdem er nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch den Politikbetrieb erreicht hat, vorwiegend unter dem Gesichtspunkt ›Da wurde jemand mundtot gemacht und in die Psychiatrie abgeschoben, weil er Steuerhinterziehungen aufdecken wollte‹ diskutiert. Es wird über politische Weisungen spekuliert, die die Aufnahme von Ermittlungen gegen Hypovereinsbank-Mitarbeiter und deren Kunden verhinderten. Und wer mag wohl die Kundin, eine laut Sonderrevisionsbericht der Hypovereinsbank vom 17.3.2003 „allgemein bekannte Persönlichkeit“ sein, deren eingestandenes Schwarzgeld in Höhe von 70.000,- Franken in den Jahren 2001 und 2002 zur Umgehung einer Überprüfung nach dem Geldwäschegesetz gestückelt und in DM bzw. Euro umgetauscht wurden, wobei diese Aktivitäten über das Konto des Mitarbeiters D. liefen? Der dann auch noch im eigenen Namen 1000,- DM Scheine jener Persönlichkeit in Euro untauschte?

Zugegeben, das sind alles interessante Aspekte und Spekulationen.

Der Fall ist allerdings mittlerweile so minutiös dokumentiert, daß sich anhand der Realien eine ganz andere Geschichte erzählen läßt. Und die ist noch viel schecklicher – beweist sie doch, wie leicht sich eine entschlossene Rosenkriegerin mithilfe einer gegenüber weiblichen ›Opfern‹ unkritisch agierenden, voreingenommenen Justiz und inkompetenten Gutachtern ihres Ex-Mannes entledigen kann. Gründlich bis zur Existenzvernichtung. Schrecklicher ist diese Geschichte conta wohlfeilen Verschwörungstheorien deshalb, weil sie jedermann treffen kann.

Eine der wesentlichen Quellen für meine Deutung der Tragödie von Gustl Mollath, die sich zur Zeit zu einem Kriminalstück entwickelt, ist diese Dokumentation mit zahlreichen Einzelnachweisen:

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Eigentlich war es eine Beziehung, die gerade wegen der Verbindung von sehr ungleichen Partnern Aussicht auf Dauer versprach, und die ja auch tatsächlich vierundzwanzig Jahre Bestand hatte.

Den Urteilsausführungen

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf

läßt sich entnehmen, daß der vaterlos aufwachsende Gustl Ferdinand Mollath (sein Vater starb an Krebs, als er vier Jahre alt war) sehr an seiner Mutter hing, für die er sein 1978 aufgenommenes Maschinenbaustudium im Jahr 1980 abbrach, um sie, die ebenfalls an Krebs erkrankt war, bis zu ihrem wohl noch im selben Jahr eintretenden Tod zu pflegen. (Zu den Schwächen dieses während des Urlaubs der beisitzenden Richterin am Landgericht Heinemann formulierten Urteils gehört es, unglaublich unpräzise zu sein, während die Lückenhaftigkeit gewollt ist, um dem BGH »einen falschen Film vorzuspielen« (Johann Schwenn).) Mollath stammt aus begüterten Verhältnissen (sein Vater hatte einen Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern geführt), er erbte das große Haus seiner Mutter in Nürnberg, er war intelligent und legte 1976 das zweitbeste Abitur der Schule ab. 1978, mit zweiundzwanzig Jahren, lernte er seine spätere Ehefrau Petra kennen, die sehr schnell mit ihm zusammenzog.

Er bewunderte und liebte sie, weil er über ihre Eigenschaften nicht verfügte; so betrachtet er sie heute:

Sie, die Bankerin, „tough und impulsiv“, wie er sagt.

Er dagegen war ein lebensuntüchtiger introvertierter Sensibler, viel zu durchlässig für das Unrecht und die Gewalttätigkeit der Welt, ohne Kaufmanns- und Krämergeist, »schwierig« eben. Weltfremd, kritisch. Drei Jahre als Controller bei MAN, danach ein Reifenhandel, der nicht reüssierte, dann ein Geschäft, das für seine Frau wie für ihn Erfüllung war: Restaurierung von Ferrari-Oldtimern. Ein alter Freund, der Zahnarzt Edward Braun aus Bad Pyrmont, ebenfalls Ferrari-Oldtimer Fan, hat diese glücklichen Paarzeiten seit 1985 eindrücklich beschrieben:

http://www.gustl-for-help.de/download/2011-09-07-Braun-Eidesstattliche-Versicherung.pdf

1991 heirateten Gustl und Petra Mollath, die seit 1990 bei der Hypobank in Nürnberg als Vermögensberaterin für betuchte Kunden arbeitete.

Ob der Restaurationsbetrieb des Ehemannes, dessen Bücher sie führte, jemals auf Gewinnerzielung angelegt war oder nur dem gemeinsamen Hobby und der Verlustproduktion zwecks Steuerersparnis des Paares diente, läßt sich nicht entscheiden. Die überaus merkwürdigen Geldbewegungen auf den Konten, die überflüssige Kreditaufnahmen bei ansonsten splendiden Vermögensverhältnissen, insbesondere durch eine erhebliche Erbschaft der Ehefrau im Jahr 1996 nach dem Tod eines ihrer Kunden, wie sie sich aus dem Revisionsbericht der Hypovereinsbank vom 17.3.2003 ergeben, legen diese Deutung jedenfalls nahe.

http://www.swr.de/report/-/id=10583092/property=download/nid=233454/1t395cp/index.pdf

Der Mann: weich, sensibel, in der Friedensbewegung aktiv, gegen Kommerz, das immerfortwährende Elend der Welt und gegen Gewalt und Krieg engagiert.

Die Frau: eine tatkräftige Realistin, ein Ellenbogentyp, eine, die mitmachte und profitierte.

Diese Ehe ging nur solange gut, bis er mitbekam, daß sie nach Abstellen der kundenfreundlichen Praktiken der Hypobank bei klandestiner Verbringung von Vermögenswerten an die Schweizer Tochterbank AKB (1990 bis 1995 bzw. 1998) diese Kundenbetreuung zusammen mit einigen Mitarbeitern – gegen die Anweisungen der neuen fusionierten Hypovereinsbank und nach Übernahme der AKB-Bank durch die Bank von Ernst, Zürich, ebenfalls zur Hypovereinsbank gehörend ­– fortsetzte, wie sich aus dem Revisionsbericht hinreichend deutlich ergibt. Soweit seine Angaben mit den beschränkten Mitteln einer Innenrevision überprüfbar waren, haben sie sich jedenfalls bestätigt, trotz ausgesprochen fehlender Kooperation der in Verdacht geratenen Mitarbeiter- insbesondere seiner Frau.

Im Kampf gegen das Geschäftsgebaren seiner Frau wird Gustl Mollath zum Don Quijote, und eine so kühle wie machtbewußte Frau wie die Justizministerin Dr. Beate Merk zitiert natürlich voll Hohn am 8.3.2012 vor dem Rechtsausschuß Passagen aus seiner Strafanzeige vom 9.12.2003:

„Ich versuche schon lange Ihr klarzumachen, das dass alles so nicht geht. Aber die Geldgeile Gesellschaft gewinnt. EinGroßteil Ihrer Kunden bringt mich zum würgen. Keine Kultur,keine Moral (aber doppelte), kein Gewissen, nur noch Geld,Geld mehr, mehr. Das ganze Spektrum, von derHaushaltshilfe, über Beamte, zum Arzt oder Apotheker,

Rentner denen Sie ein gutes Werk tun wollten, Sie totumfallen würden, wenn Sie wüssten wie viele Millionen die besitzen.

Gealterte Blondinen, alles was man sich vorstellen kann.“,

 

„Ich konnte keine Nacht mehr schlafen, bin schweißgebadetaufgewacht. Habe versucht sie abzubringen, ihr erklärt das dieses tun nicht nur uns, auch die Welt ins Unglück stürzt“

oder

 

„Um mich unter Druck zusetzen nichts weiteres zu

unternehmen, sorgte meine Frau … dafür das im Februar 2003 12 Polizisten mein Haus stürmten und von oben bis unten durchwühlten“.

 

All das fließt auch in die Beurteilung ein, ob ein Anfangsverdacht für Straftaten zu bejahen ist.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/namensartikel/bericht_rechtsausschuss_mollath.pdf

Jemand, der so ver-rückt ist, kann doch, unabhängig von den detaillierten Angaben, die Insiderkenntnisse verraten, mit seinem Strafverfolgungsbegehren nicht ernstgenommen werden, will sie damit sagen.

Sicher, eine Frau Mollath und eine Frau Merk funktionieren bestens im Rahmen des Systems – und ein Typus wie Mollath, der sich vor den Zumutungen der Realität, die für sensiblere Gemüter immer schon unerträglich war, wohl am liebsten hinter technischen Tüfteleien versteckt hatte, wurde durch die systemkonformen ökonomischen Aktivitäten seiner Frau in einen Konflikt getrieben, der zur Trennung führen mußte. Er verweigere weitere Bargeldtransporte für Kunden in die Schweiz, die er zuvor mit ihr durchgeführt hatte. Er sperrte die Autos weg, sie fuhr mit dem Zug. Er kriegte die Krise, wenn zu Hause meterlange Faxe mit Buchungsanweisungen eintrafen. Im Jahr 2000 zeigte sie ihm, wer Herr im Hause war: sie schoß nichts mehr in das gemeinsame Hobby ›Ferrari‹ ein. Sein Betrieb mußte offiziell schließen.

Er reagierte darauf laut den – emotional aufgeladenen – Urteilsgründen, die fast ausschließlich auf den Angaben der Ehefrau basieren, mit depressivem Rückzug:

Insbesondere aber nach Schließung des Geschäfts, saß der Angeklagte immer Zuhause vor dem Fernseher und begann „fixe“ Ideen zu entwickeln. Kontakte zu Freunden wurden nicht mehr gepflegt, diese wandten sich ab wegen des merkwürdigen Verhaltens des Angeklagten.

[…]

Der Angeklagte benahm sich, nachdem er sein Geschäft aufgeben musste, immer eigenartiger. Er ließ im eigenen Haus stets die Rolläden herunter, hielt keinen Kontakt mehr zu Freunden und hatte als einzige Bezugsperson nur noch seine Ehefrau. Sein eigenartiges Verhalten gipfelte darin, daß er sich einmal eine Plastiktüte über seinen Kopf gezogen hatte. Die Ehefrau konnte ein Ersticken des Angeklagten nur verhindern, indem sie Löcher in die Platiktüte schnitt. Ein anderes Mal lief der Angeklagte mit einem Strick um den Hals durch die Wohnung.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf

[S. 4f., S. 10]

Am 12.8.2001 kam es zu einer ungeklärten tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten, im Mai 2002 verließ sie ihn und zog zu ihrem Bruder Robert M., am 31.5.2002 fand in der früheren ehelichen Wohnung eine Aussprache statt, die später als Freiheitsberaubung zum Nachteil der Ehefrau gewertet werden sollte.

Der Rosenkrieg begann. Denn nach der Trennung  mußte die Ehefrau befürchten, daß es nicht mehr bei Streitigkeiten in den eigenen vier Wänden bleiben würde, sondern daß der verlassene Ehemann die Vorwürfe gegen sie nach draußen tragen werde. Denn er litt unter ihren illegalen geschäftlichen Aktivitäten.

Unmittelbar nach diesem 31.5.2002,  am Montag, den 3.6.2002, besorgte sie sich auf ungeklärte Art und Weise ein nachträgliches Attest der Ärztin Madeleine Reichel, das sich auf die anläßlich der angeblichen Körperverletzung vom 12.8.2001 erlittenen Verletzungen beziehen soll. Es enthält zudem eine Tatschilderung, die das Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Urteil vom 8.8.2006 nicht erwähnte – denn dort wurden, aggravierend, 20 Fausthiebe auf den Körper der Ehefrau als erwiesen festgestellt, da die Ehefrau die Taten ja »ruhig, schlüssig und ohne jeden Belastungseifer« [S.17] geschildert habe:

2002-06-03 Die Ärztin Dr. Madeleine Reichel erstellt ein ärztliches Attest für Petra Mollath für die angeblichen Vorfälle von 2001-08-12 (also knapp zehn Monate später!). Im Attest ist eine Schilderung des Tathergangs enthalten, z.B. Schlagen mit der flachen Hand.

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Wenn aus Schlägen mit der flachen Hand Faustschläge werden, kann von fehlendem Belastungseifer keine Rede mehr sein. Auf welcher Grundlage dieses nachträgliche Attest beruhte, hat das Gericht bewußt nicht klären wollen: es beließ es bei einer unkommentierten Verlesung. Beruhte es auf Aufzeichnungen über einen etwaigen Arztbesuch vom 14.8.2001 oder allein auf den Angaben, die die Ehefrau am 3.6.2002 machte?

Die STERN-Reporterin Lisa Rokahr hat für ihren Artikel:

Penibel. Pedantisch. Paranoid?

erschienen im STERN 48/2012 vom 22.11.2012, die attestausstellende Ärztin aufgesucht:

Madeleine R. ist heute in den Siebzigern, sie versorgt noch einige Privatpatienten. An den Fall erinnert sie sich „überhaupt nicht“, den Namen Mollath lässt sie sich buchstabieren. Sicher aber ist sie, dass sie in dieser Sache nie als Zeugin vor Gericht geladen worden sei, „daran würde ich mich erinnern“.

[S. 110]

Wie oft kommt es wohl vor, daß sich eine Patientin wegen eines dramatischen Geschehens mit Würgen bis zur Bewußtlosigkeit zehn Monate später ein Attest ausstellen läßt? Wie oft mag es vorkommen, daß ausgesprochen seltene Abdrücke von Ober- und Unterkiefer am Ellenbogen zu attestieren sind?

Es ist nicht einmal überprüft worden, ob die Ärztin das Attest überhaupt ausgestellt hat: und diese Prüfung drängt sich auf, denn die Ehefrau war mit deren Sprechstundenhilfe Petra S. befreundet, bei der es sich zugleich um die Freundin ihres Bruders Robert handeln soll. Petra S. wiederum fungierte als Schutzbegleitung am 31.5.2002: sie sollte nach anderthalb Stunden an der Tür klingeln, falls sie, die Ehefrau, noch im Haus des Gustl Mollath sei. Denn der, so suggerierte sie, war ja gefährlich.

Nun, jedenfalls hatte die Ehefrau igrgendwie das Attest erlangt, von dem sie einstweilen aber nur indirekten Gebrauch machte: die Folterwerkzeuge wurden zunächst lediglich gezeigt.

2002-08-08 Petra Mollath faxt das ärztliche Attest von 2002-06-03 wegen der angeblichen Körperverletzung am 2001-08-12 kommentarlos an Gustl Mollath. Gustl Mollath deutet dies als eindeutigen Versuch ihn zu erpressen, um „die Fortsetzung der Straftaten, in Zusammenhang mit den Schwarzgeldkonten, zu ermöglichen.“

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

In seiner lange nach dem Urteil abgegebenen eidesstattlichen Versicherung bestätigt Edward Braun am 7.9.2011 einen stimmigen Tatplan der Ehefrau:

Gustl erklärte mir, dass er sich große Sorgen mache. Petra sei in Geldtransfers verwickelt, die nicht legal seien.

Er habe alles dokumentiert (Name, Geldbetrag, Kontonummer), da Petra vieles im häuslichen Büro abwickle und er sich Zugang zu den Vorgängen verschaffen konnte. Sicherheitshalber habe er alle Daten außerhalb seines Hauses 100% sicher vor Zugriffen geschützt.

Ich gab zu bedenken, dass ich dazu nichts sagen könne und keine Ahnung habe.

Allerdings musste ich mich 2002 wieder mit dieser Problematik befassen, da ich einen Anruf von Petra erhielt.

Sie bat mich inständig, auf Gustl einzuwirken. Ich wäre der einzige, auf den er hören würde.

Er würde sich in ihre beruflichen Belange einmischen. Sie ließe sich das nicht länger gefallen.

Ich versprach ihr, es zu versuchen.

Diesem Wunsch bin ich allerdings nicht nachgekommen.

Später erreichte mich ein weiterer Anruf von Petra Molllath. Sie erklärte mir wörtlich:

„Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt mache ich ihn fertig.

Ich habe sehr gute Beziehungen. Dann zeige ich ihn auch an, das kannst du ihm sagen.

Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch wie“.

Ich habe mich spontan angeboten, nach Nürnberg zu fahren um zu vermitteln und bat um Rückruf. Bevor sie das Gespräch beendete ließ sie mich wissen: „Wenn Gustl seine Klappe hält, kann er 500,000€ von seinem Vermögen behalten, das ist mein letztes Wort.“

Allerdings wartete ich vergeblich auf einen Rückruf. Da ich mich nicht aufdrängen wollte,ließ ich die Situation auf sich beruhen.

http://www.gustl-for-help.de/download/2011-09-07-Braun-Eidesstattliche-Versicherung.pdf

So erfuhr Gustl Mollath nichts von diesem Gespräch und ließ sich von dem Attest nicht beeindrucken, sondern schrieb am 12.8.2002 die Geschäftsleitung der Credit Suisse Group in Zürich an, zu der die Bank Leu gehört, und berichtete über den früheren Anlageberater der AKB/Bank von Ernst, der unter Mitnahme zahlreicher Kunden zur Bank Leu gegangen sei. Seine Frau habe mit ihm zusammengearbeitet und ebenfalls Kunden von der AKB/Hypovereinsbank an die Bank Leu vermittelt und dort auch eigenes Vermögen angelegt.

Wie kann ich erreichen , ohne Konsequenzen für Sie , oder sonst jemanden , meine Frau , auf den Boden der Legalität , sei es nach deutschen- oder auch schweizer Recht, zurück zu führen ?

Seit Jahren war es mir nicht mehr möglich , mich mit Bankgeschäften auseinander zu setzen .

Alles hat meine Frau geregelt .

Ich möchte alles selbst regeln .

Daher bitte ich um einen Gesprächstermin .

Meine Frau verfügt über eine Servicekarte zu meinen Konten bei Ihnen , ich bitte diese einzuziehen .

Am 23.8.2002 antwortete ihm die Bank Leu, daß man wegen des schweizerischen Bankgeheimnisses keine inhaltliche Stellungnahme abgeben könne.

http://www.gustl-for-help.de/download/2002-Mollath-Briefverkehr-Bank.pdf

Die Vorwürfe von Gustl Mollath trafen zu: die Bank Leu bestätigte dies im Jahr 2003 gegenüber der Revision der Hypovereinsbank, ließ erkennen, daß sie an die Ehefrau Provisionen gezahlt und intern personelle Konsequenzen gezogen habe. Schon eine interne Revision der Hypovereinsbank im Jahr 2000 hatte festgestellt, daß zwischen März 1999 und März 2000 44 Depotüberträge von Kunden aus dem Raum Nürnberg von der eigenen schweizerischen Bank von Ernst mit einem Volumen von ca. 18,5 Mio. DM zur Bank Leu erfolgt waren; bis auf drei Kunden waren alle auch Kunden der Hypovereinsbank, davon 18 Kunden des Mitarbeiters D und 6 der Ehefrau von Gustl Mollath. Solche Verfahrensweisen sind natürlich geschäftsschädigend und Untreue.

Die Ehefrau bestritt  gegenüber der Hypovereinsbank sowohl die Kundenabwerbung (Untreue) als auch den Erhalt von Provisionen.

http://www.swr.de/report/-/id=10583092/property=download/nid=233454/1t395cp/index.pdf

[S. 5]

Noch also wollte Mollath seiner Frau nicht schaden, sondern nur bewirken, daß sie mit ihren illegalen Geschäften aufhöre. Es dürfte ihm, der ökonomisch von ihr abhängig war, auch aufgegangen sein, daß er über ihre Transaktionen im privaten Bereich weder Überblick noch Zugriff auf Konten hatte, daß er auf Betriebsverbindlichkeiten sitzenbleiben werde und auf etwaige auf seinen Namen angelegte Gelder bei der Bank Leu keinen Zugriff hatte.

Am 23.11.2002 kam es zur nächsten Steigerung im Rosenkrieg:

2002-11-23 Gustl Mollath besucht den Bruder seiner Frau und bittet ihn, seine Schwester Petra von der Aufgabe der illegalen Geldgeschäfte zu überzeugen. Daraufhin beschimpft dieser Gustl Mollath und schlägt ihn. Er ist mehrere Tage krankgeschrieben und lässt die Verletzungen ärztlich attestieren. Daraufhin erstattet Gustl Mollath Anzeige gegen den Bruder von Petra Mollath wegen Körperverletzung. Gustl Mollath wird vorgeworfen, an diesem Tag Briefe seiner Ehefrau aus dem Briefkasten des Schwagers gestohlen zu haben.

Gustl Mollaths Frau erklärt telefonisch: „Wir machen Dich fertig.“

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Was passiert, wenn Männer sich prügeln? Beide erstatten Strafanzeige, und beide Anzeigenden werden auf den Privatklageweg verwiesen. Aussage gegen Aussage, was will man da machen? So geschah es auch im Fall Mollath, mit dem einzigen Unterschied, daß Mollath wegen „Briefdiebstahls“ mit einem Strafbefehl in Höhe von 10 Tagessätzen à 30,- Euro bedacht wurde, wie die Justizministerin Merk am 8.3.2012 den Rechtsausschuß informierte.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/namensartikel/bericht_rechtsausschuss_mollath.pdf

[S. 6, 21]

Der letzte, nachgekleckerte, Vorwurf wegen Briefdiebstahls lag derartig neben der Sache, daß selbst das auf Verurteilung vorprogrammierte Gericht, die 7. Strafkammer des LG Nürnberg-Fürth unter Vorsitz des für diese Position sowohl juristisch als auch menschlich ungeeigneten Vorsitzenden Richters Otto Brixner, um einen Freispruch wegen nicht vorhandenen Tatbestands nicht umhin kam (S. 27 des Urteils).

Anders sieht es freilich aus, wenn eine Frau, sei es auch ein Jahr und drei Monate später, gegen den getrennt lebenden Ehemann Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung und einer weiteren „Beziehungstat“ (die ich hier bewußt in Klammern setze, weil sich aus dem intellektuell dürftigen Urteil ergibt, daß sie hier zunächst eine einfache Körperverletzung behauptet hatte, die aber keine war und daher flugs zur Freiheitsberaubung umgedeutet wurde) erhebt, was die Ehefrau im November 2002 tat – und zwar, um ihrem Bruder gegen die Anzeige des Ehemannes beizustehen, wie es im Urteil vom 8.8.2006 in erstaunlichster Offenheit steht:

Im November des Jahres 2002 erstattete die getrennt lebende Ehefrau des Angeklagten Anzeige wegen Körperverletzung gegen diesen, nachdem dieser ihren Bruder ebenfalls wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Damit wollte sie erreichen, dass die Aggressivität des Angeklagten bekannt würde.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf

[S. 5 ]

Wie mit solchen Vorwürfen umgegangen wird, die ja ganz etwas anderes sind als Vorwürfe der Körperverletzung zwischen Männern, hat die Noch-Justizministerin Dr. Merk dem Rechtsausschuß ja erklärt:

Als Justizministerin setze ich mich nicht an die Stelle des

unabhängigen Gerichts. Ich bin mir sicher, Sie sehen das genauso.

Zur Beweiswürdigung kann ich aber Folgendes sagen: Dass es für ein Tatgeschehen nur eine Zeugin, nämlich das Opfer gibt, ist keine Seltenheit, sondern Gerichtsalltag. Gerade in Fällen häuslicher Gewalt!

Das Gericht hat die Ehefrau als Zeugin vernommen. Es lag ein ärztliches Attest vor, das die Verletzungen im Einzelnen dokumentiert.

Wenn wir jetzt Jahre später anfangen, ohne persönlichen Eindruck von den Beteiligten und ohne genaue Aktenkenntnis höchstrichterlich bestätigte Gerichtsentscheidungen in Frage zu stellen, beteiligen wir

uns nicht nur an abstrusen Verschwörungstheorien, sondern rütteln auch an den Fundamenten unseres Rechtsstaates.

Und außerdem: Wenn wir bei jeder rechtskräftig abgeurteilten Gewalttat nach Jahren wieder anfangen würden, das gerichtlich festgestellte Leid der Opfer zu hinterfragen, weil der Täter eine Verschwörung behauptet, dann wäre das auch ein ganz schlechtes

Signal für den Opferschutz in unserem Land.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/namensartikel/bericht_rechtsausschuss_mollath.pdf

[S. 5]

Klarer hätte sie die rechtsstaatswidrige Tendenz zugunsten des Opferschutzes und zur Beachtung von Signalwirkungen von Urteilen, die der Einzelfallgerechtigkeit verpflichtet sind, gar nicht zum Ausdruck bringen können. Die Staatsanwaltschaften sind dieser politischen Leitlinie verpflichtet, da sie weisungsabhängig sind. Aber dieser Tendenz, Aussagen von Frauen nicht zu hinterfragen, sind schon längst auch die Gerichte verfallen.

Gustl Mollath ahnte davon nichts. Vermutlich wußte er auch noch nichts von der gegen ihn erhobenen Strafanzeige. Er setzte seine Versuche, seine Frau auf den Weg der Tugend zurückzuführen, ohne ihr zu schaden, fort; ihm war klar, daß Banken, konfrontiert mit Vorwürfen gegenüber Mitarbeitern, niemals Strafanzeigen erstatten, denn die würden auch auf die Bankkunden durchschlagen und das eigene Renommé beschädigen:

Seit Ende November 2002 gingen Briefe eines Herrn Mollath in der Niederlassung Nürnberg ein, in denen er gegen seine seine mittlerweile getrennt lebende Ehefrau M        , Petra sowie weitere Mitarbeiter der früheren HYPO-Bank Nürnberg verschiedene Vorwürfe erhebt.

U.a. geht es dabei um

Vermögenstransfers in die Schweiz

Provisonszahlungen an HBV-Mitarbeiter

Verstöße gegen Abgabenordnung, GWG etc.

http://www.swr.de/report/-/id=10583092/property=download/nid=233454/1t395cp/index.pdf

[S. 2 ]

Im Dezember setzte er nach (und macht damit deutlich, worum es ihm ging):

2002-12-09 Gustl Mollath schreibt an Direktor Rötzer (Leiter der Niederlassung Privatkundengeschäft) dass er im persönlichen Gespräch am Freitag ihn gebeten habe, Frau Mollath aufzufordern, die illegalen Schweizer Geldgeschäfte zu beenden. Er fordert erneut auf das umgehend zu tun. Ebenso möchte er eine Beendigung der hochspekulativen Geschäfte seiner Frau bei der HypoVereinsbank und der Credit Suisse.

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Ob die Ehefrau etwas von diesen Démarchen erfahren hat? Am 2.1.2003 zog sie jedenfalls die Daumenschrauben an und zeigte ihn, objektiv falsch, wegen unerlaubten Besitzes scharfer Waffen aus dem Erbe seiner Mutter an.

Und fügte, laut den Nürnberger Nachichten vom 21.11.2012, ihrem Szenario von der angeblichen Gewaltätigkeit ihres Mannes einen weiteren Aspekt hinzu:

Als Beweis für die Allgemeingefährlichkeit ihres Mannes hat die Ehefrau kurz vor Prozessbeginn 2003 bei der Polizei gewarnt, ihr Ehemann besitze zahlreiche Schusswaffen. „Ich befürchte, er könnte sie auch gegen mich einsetzen“, sagt sie bei der Zeugenvernehmung. Beamte drangen daraufhin in das Haus des Mannes ein. Gefunden haben sie nichts.

Prompt wurde am 31.1.2003 ein entsprechender Durchsuchungsbeschluß erlassen, der sich angeblich nicht nur auf die Angaben der getrennt lebenden Ehefrau, sondern auch auf Ermittlungsergebnisse stützte (die sich offenbar allein darin erschöpften, daß  Mollath keine Waffenbesitzkarte hatte).

http://www.gustl-for-help.de/download/2003-01-31-Beschluss-Prot.-Hausdurchsuchung.pdf

Die daraufhin erfolgende ergebnislose Hausdurchsuchung vom 19.2.2003 durch 12 Polizeibeamte, die das große Haus auf den Kopf stellten und maßlose Unordnung herbeiführten, wurde für Mollath zum traumatischen Ereignis – er, der immer gegen Gewalt, Waffen und Krieg war, wird des unerlaubten Besitzes scharfer Waffen verdächtigt, auf eine bloße Behauptung hin wird gegen ihn, den strafrechtlich niemals in Erscheinung Getretenen, eine Hausdurchsuchung veranlaßt? Er wußte möglicherweise noch nicht, daß seine Frau diesen Vorwurf erhoben hatte; daß sie gegen ihn eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet hatte, und gerade dabei war, seine Gefährlichkeit zu etablieren.

2003-02-19 Obwohl Herr Mollath nicht vorbestraft ist, führen zwölf Polizeibeamte eine Razzia in Herrn Mollaths Haus durch. Bei dieser Hausdurchsuchung (Beschluss vom 31.01.03) wird ein erlaubnisfreies Luftgewehr gefunden, welches im Haus verbleibt.

Dokumente zur Hausdurchsuchung [PDF-Datei]

Die Justizministerin vertuschte die tragende Rolle der Ehefrau bei dieser Aktion  so:

„Um mich unter Druck zusetzen nichts weiteres zu

unternehmen, sorgte meine Frau … dafür das im Februar 2003 12 Polizisten mein Haus stürmten und von oben bis unten durchwühlten“.

                       

All das fließt auch in die Beurteilung ein, ob ein

Anfangsverdacht für Straftaten zu bejahen ist. Auch hier hat Herr Mollath eine sehr eigene Sicht der Dinge.

Fakt ist, dass nicht seine Frau die Polizei schickte. Die Polizei vollzog im Februar vielmehr einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/namensartikel/bericht_rechtsausschuss_mollath.pdf

 

Auch die Ehefrau war enttäuscht, daß ihre Anzeige wegen Körperverletzung bei der Polizei in Nürnberg noch keine Resonanz gezeigt hatte. Nun zeigte sie dieselben Sachverhalte am 15.1.2003  auch in Berlin an, wo sie sich offenbar gerade aufhielt – kurioserweise am selben Tag, an dem die Innenrevision der Hypovereinsbank eine Überprüfung der von Mollath angezeigten Vorgänge einleitete.

2003-01-15 Petra Mollath meldet die Geschehnisse von 2001-08-12, 2002-05-31 und 2002-11-23 der Polizei in Berlin-Tiergarten.

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

So sieht also eine Frau ohne Belastungseifer aus. Natürlich hat der Vorsitzende Richter am LG Nürnberg Fürth, Otto Brixner, weder die ins Blaue hinein erstattete Anzeige wegen unerlaubten Waffenbesitzes noch die wiederholte Strafanzeige in Berlin in seinem Urteil vom 8.8.2006 aufgeführt. Es sollte doch alles stimmig sein. Hier die harmlose Frau ohne Belastungseifer, ohne Fehl und Tadel (daher mußten die  Beschuldigungen des Angeklagten gegen seine Frau wahnhaft sein), dort der irre gefährliche Mann. So etwas funktioniert in Deutschland, nicht nur in Bayern und Baden-Württemberg, wo sich dank des 1. Strafsenats des BGH unter Armin Nack ein Sonderrechtsgebiet entwickelt hat, in dem nicht nur die Strafhöhen extrem vom Rest der Republik abweichen, sondern auch ersichtliche Fehlurteile wie dieses hier begründungslos gehalten werden. Denn trotz aller Sachverhaltsverfälschungen, die Brixner sich traditionell leistete, hätte eine schlichte Revisionsbegründung: ›Ich rüge die Verletzung materiellen Rechts‹ zu einer Aufhebung wegen lückenhafter und widersprüchlicher Beweiswürdigung führen müssen.

Es ging weiter in diesen asymmetrischen Rosenkrieg, den Frauen in unserem Rechtssystem immer gewinnen.

Der Ehefrau wurde wegen der desaströsen Ergebnisse der Sonderrevision der Hypovereinsbank am 25.2.2003 außerordentlich gekündigt. Der Bericht wurde, völlig legal, in die Schublade gelegt. Es gibt keine Anzeigepflicht wegen der dort ermittelten Delikte, und eine Geldverbringung in die Schweiz hatte die Ehefrau, wie übrigens alle nachweisbaren Taten auch, bestritten – nach Bekanntgabe dieses Revisionsberichtes Ende 2011, die wir den Nürnberger Nachrichten zu verdanken haben, sitzt die Steuerfahndung den Schweizflüchtigen  allerdings im Nacken – so gehaltvoll sind die Informationen auch heute noch:

2012-10-29 Nürnberger Nachrichten (Michael Kasperowitsch):

(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):

Steuerfahnder haben die Spur aufgenommen

Wende im Psychiatrie-Fall Ferdl G. – Finanzamt stützt sich auf Angaben, die der Nürnberger 2003 vorlegte
Seit über sechs Jahren sitzt der Nürnberger Ferdl G. als kranker, allgemeingefährlicher Gewalttäter in der Psychiatrie. So sehen ihn Gerichte und amtlich bestellte Gutachter. Er lebe in dem Wahn, Opfer des Bankensystems zu sein, weil er 2003 Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz angezeigt hat (…) Diese Angaben des 55-jährigen wurden bisher nie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Jetzt bestätigen ausgerechnet Steuerfahnder im Kern deren Richtigkeit.

(…) Ein Fahndungsprüfer des Finanzamtes hat den Steuerberatern eines der zahlreichen Bankkunden, die Ferdl G. (Name geändert) damals auflistete, vergangenen Juli ein Schreiben zugesandt. Der Ton des Briefes, der den NN vorliegt, ist unmissverständlich. Nach Erkenntnissen der Behörde „hat bzw. hatte Ihr Mandant Kapitalanlagen in der Schweiz“, heißt es dort. Dies betreffe auch weitere Personen. „Dabei hat sich gezeigt, dass die vorliegenden Erkenntnisse in mehreren Fällen zufteffend waren“, teilt der Beamte mit.

Es sei nun „leider nicht mehr möglich, die bloße Verneinung derartiger Kapitalanlagen“ zu akzeptieren. Der Fahnder verlangt Bescheinigungen von sieben namentlich genannten Schweizer Banken. Sie sollen „verbindlich erklären, dass dort in den Jahren 2000 bis 2010 keine Konten, Depots, Schließfächer oder Verwahrstücke vorhanden waren.“

Insbesondere sollen sie bestätigen, dass der Mann keine Nummernkonten mit Decknamen wie „Pythagoras“, „Klavier 2285“ oder „Seligenstadt 2986“ unterhalten habe. Das alles sind Details und Fakten, die Ferdl G. bereits vor fast zehn Jahren der Nürnberger Staatsanwaltschaft zukommen ließ. Damals erkannte diese nicht einmal einen „Prüfungsansatz“ für Ermittlungen.

Dass das Finanzamt heute tatsächlich aufgrund des früheren Materials [siehe eine von mehreren Anzeigen Gustl Mollaths an den damaligen Generalstaatsanwalt] von Ferdl G. aktiv wurde, bestätigt der Nürnberger Rechtsanwalt Heinrich Schnell, der den Mann im Visier der Steuerfahnder vertritt. Der Anwalt hat den seit Jahren im Bayreuther Bezirkskrankenhaus einsitzenden Ferdl G. schriftlich „klipp und klar“ aufgefordert zu erklären, „dass Sie keinen konkreten Anhaltspunkt haben, entsprechende Behauptungen aufzustellen“. Ein vorbereitetes Schriftstück ist zur Unterschrift gleich beigefügt.

Unterzeichnet hat es Ferdl G. nicht. Ob Schnell nun wirkich „gerichtliche Hilfe“ in Anspruch nimmt, wie er ankündigte, ist seinen Angaben zufolge noch offen. Die Ferdl G. für Ende August gesetzte Frist ist längst abgelaufen. Dabei bestätigte der Anwalt auf Anfrage, dass keine der vom Finanzamt aufgeführten Schweizer Banken bereit war, die verlangte Negativbescheinigung für seinen Mandanten auszustellen. „Das kann ich nicht nachvollziehen“.

Seit fast zehn Jahren bekannt

(…) Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Nürnberger Justizbehörde, erkärte, man habe eine Stellungnahme der betroffenen Bank – es handelt sich um die HypoVereinsbank in Nürnberg – zur weiteren Prüfung an die Finanzbehörden weitergeleitet. Angeschrieben und um einen Bericht gebeten habe man die Bank nach „Medienberichten“. Die Staatsanwaltschaft selbst sieht bis heute weiter keinen Anhaltspunkt, ein Verfahren einzuleiten.

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a12

Was sind solch rationalen Vorgehensweisen gegen das klassische Täter-Opfer-Schema, Frau gegen Mann? Null.

Es reicht Folgendes aus:

2003-05-15 Petra Mollath sagt vor dem Ermittlungsrichter in Berlin-Tiergarten u. a. über die „Bisswunde“ aus: sie „glaube nicht, dass es geblutet habe“, vor dem Würgen und Beißen sei sie bestimmt 20 mal mit den Fäusten geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden, sie habe ihn gepackt, „wo es wehtut“.

2003-05-23 Anklageschrift wegen Körperverletzung: Gustl Mollath habe seine Frau mindestens 20 mal mit Fäusten auf den gesamten Körper geschlagen und außerdem derart kräftig gebissen, dass von der blutenden Bisswunde noch heute eine Narbe zu sehen sei und gewürgt, dass sie bewusstlos gewesen sei.

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

So schnell wird von der frauenfreundlichen Staatsanwaltschaft  (das ist schließlich die politische Vorgabe) aus der nicht blutenden Wunde eine blutende gemacht, und die entgegenstehende Attestierung der Schläge mit der flachen Hand wird umstandslos zu Fausthieben umgewandelt, die das Attest gar nicht hergibt.

Aber es kommt noch schlimmer. Der Ehefrau konnte nicht daran gelegen sein, den sie beschuldigenden getrennt lebenden Ehemann  zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt zu sehen. Sie liefe ja Gefahr, ihm im Fall der Scheidung Unterhalt zahlen zu müssen.

Und so erwirkte sie am 18.9.2003 durch eigene subjektive Klagen über den irren gefährlichen Mann  ein erstes ferndiagnostisches ›Gutachten‹, das letztendlich seine Vernichtung herbeiführen würde:

„Ter­min­ge­recht“ hatte die Frau nämlich ein erst am 18.9.2003 aus­ge­stell­tes psy­ch­ia­tri­sches At­test vorlegt, das allein auf ihre Angaben hin den Verdacht auf eine bei ihm vorliegende Erkrankung und Gemein­ge­fährlichkeit äußerte. Mollaths Aussagen wurden jetzt von der Justiz nicht mehr ernst genom­­men.

http://www.psychiatrie-und-ethik.de/wpgepde/debatte-im-rechtsausschus-des-bayerischen-landtags-zum-fall-gustl-mollath/

Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Gabriele Krach, Klinikum am Europakanal, Erlangen, fand sich bereit, allein aufgrund der Bekundungen der Ehefrau folgende Ferndiagnose zu erstatten:

2003-09-23 Fax des Rechtsanwalts der Ehefrau, Dr. Woertge, an das Amtsgericht mit einer Stellungnahme von Fachärztin Dr. Krach (Klinikum am Europakanal, Erlangen), der Ehemann leide „mit großer Wahrscheinlichkeit“ an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Erkrankung, zusätzliche nervenärztliche Abklärung sei anzustreben. Die Diagnose beruht alleinig auf Angaben der Ehefrau Mollath. [Ferndiagnose, siehe auch: Artikel der Süddeutschen Zeitung zum Fall Herrmann]

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

Diese letzte Attacke der Ehefrau bestimmte das Schicksal von Gustl Mollath. Und daß sie zuletzt sein Haus ersteigerte, ist ein Menetekel, das die Rechtlosigkeit des Mannes vor Augen führt.

Wie geriet sie an diese unprofessionell agierende Psychiaterin aus Erlangen?  Es ist unbekannt, in welcher der Abteilungen des Psychiatrischen Komplexes der Klinik am Europakanal sie tätig war: gar in der von Dr. Wörthmüller geleiteten forensischen Abteilung?

http://www.klinikum-am-europakanal.de/

Wie kam die Ehefrau darauf, gerade dort Unterstützung in ihrem Rosenkrieg zu  suchen?

Aufschluß bietet die Befangenheitserklärung des Leiters der forensischen Abteilung des Klinikums Erlangens, Dr. Wörthmüller, vom 1.7.2004, der später mit der Begutachtung des Angeklagten beauftragt wurde:

Leider ist es so, dass ich in der vergangenen Woche bereits persönlichen Kontakt mit Herrn Mollath hatte, mich insbesondere ein Nachbar, mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, ausführlich über seine Sichtweise der Angelegenheit Mollath informierte (Herr Mollath wollte auch jenen aufsuchen). Aufgrund des so erhaltenen Meinungsbildes und der damit verbundenen persönlichen Verquickung sehe ich mich außer Stande, mit der notwendigen Objektivität das von Ihnen angeforderte Gutachten zu erstatten. Auch eine Übertragung auf einen Mitarbeiter meiner Abteilung erscheint hier kontraindiziert, nachdem die hiesige forensisch-psychiatrische Struktur stark durch meine Person bzw. die hiervon ausgehenden Einschätzungen geprägt ist.

Befangenheitserklärung Dr. med Wörthmüller [PDF-Datei]

Auch diese Befangenheitserklärung nutzte Mollath nichts, im Gegenteil:

Denn abgesehen davon, dass bisher keine Namen von weiteren, angeblich von Mollath wahnhaft mit Schwarzgeldvorwürfen überzogenen „dritten“ Personen genannt wurden, handelt es sich bei dem Gutachter keineswegs um eine unbeteiligte Person, wie Justiz und Ministerin glauben machen wollen.

Zweifel am fairen Umgang mit Mollath

Es handelt sich vielmehr um einen Psychiater, der die Begutachtung Mollaths selbst abgelehnt hatte. Aus Befangenheit. Ein weiteres Detail in der irrwitzigen Geschichte des Gustl Mollath, das einmal mehr die Frage aufwirft, wie fair die Justiz mit ihm umgegangen ist.

Die SZ hat den Psychiater mit der Angabe des Justizministeriums konfrontiert, Mollath habe ihn in seinen angeblichen Wahn miteinbezogen. Und wohl deswegen als Gutachter abgelehnt. Der Gutachter antwortet darauf in unmissverständlicher Deutlichkeit: „Herr Mollath hat schon nachvollziehbare Gründe gehabt, mich als Gutachter abzulehnen.“ Und mehr noch: Er habe sich ja aus eben diesen Gründen selbst für befangen erklärt.

Beliebige dritte Personen? Die einzige von Justiz und Ministerin bislang benannte dritte Person, eben der Psychiater, zählt sich selbst also nicht dazu. Er schildert den Grund für seine Befangenheit so: Bevor er als Gutachter vom Gericht in der Sache Mollath angefragt worden sei, habe es eine zufällige Begegnung mit Mollath auf der Straße gegeben, fast vor der Haustür des Psychiaters.

Mollath sei wohl auf der Suche nach dem Nachbarn des Psychiaters gewesen, einem Finanzanleger. Offenkundig, um mit diesem ins Gespräch über etwaige dunkle Geldgeschäfte in der Schweiz zu kommen, die womöglich nicht nur über die Nürnberger Filiale der Hypo-Vereinsbank abgewickelt wurden. Mollath sah den Finanzmakler darin verstrickt und zeigte ihn auch an. Und er wollte ihn wohl an diesem Tag selbst zur Rede stellen. So kamen er und der Gutachter ins Gespräch.

Als der Psychiater später dann ausgerechnet den Mann begutachten sollte, mit dem er aus schierem Zufall schon auf der Straße über einen möglichen Schwarzgeldkomplex geredet hatte, lehnte er dies ab. Umgekehrt lehnte Mollath den Gutachter ab – mit teilweise heftigen Worten. Er misstraute ihm zutiefst, schon wegen dessen räumlicher Nähe zu einem Finanzmakler. Schwarzgeldgeschäfte werden schließlich häufig unter guten Bekannten angeleiert.

Er kann Mollaths Misstrauen nachvollziehen

Der Psychiater trägt ihm diese Verdächtigung aber nicht nach. Dass Mollath ihm irgendwann sogar vorgeworfen habe, er könnte mit Schwarzgeldverschiebern gemeinsame Sache machen, habe er in dessen geschilderter Situation sogar verstehen können. Auch wenn er selbst niemals Schwarzgeldgeschäfte getätigt habe. Aber: Eine Nachbarschaft schaffe nun mal Vertraulichkeit, sagt der Psychiater, da habe er die gutachterliche Objektivität in der Tat nicht sicherstellen können.

Von all diesen Zusammenhängen findet sich in der Erklärung des Justizministeriums nichts. Und auch im Urteil des Landgerichts Nürnberg aus dem Jahr 2006 – auf das sich Merk bezieht – steht davon kein Wort. Vielmehr heißt es an einer tragenden Stelle des Urteils: Was den Wahn Mollaths angehe, sei dieser „unkorrigierbar der Überzeugung“, dass „Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen“ in das „komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt“ seien. Zum Beispiel „auch“ der Gutachter.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/verfahren-gegen-gustl-mollath-der-dritte-mann-1.1536175

Das alles ist um den heißen Brei herum gesprochen, denn die Wahrheit ist noch viel konkreter: Wörthmüller war befreundet mit einem Nachbarn, der wiederum Kunde von Petra Mollath und der Hypovereinsbank gewesen war:

Die Nürnberger Nachrichten präzierten am 21. 11. 2012: (Michael Kasperowitsch):

Ein Nachbar habe sich ihm gegenüber abfällig über den Patienten geäußert. Dass dieser Nachbar auch für die HypoVereinsbank als Anlageberater tätig war und seinerzeit engere geschäfltiche Verbindung zu Ehefrau hatte, spielt vor Gericht nie eine Rolle. Der Forensiker empfiehlt einen Kollegen in Bayreuth als Gutachter. Der plädiert bis heute für eine Unterbringung Gustl Mollaths.

http://www.gustl-for-help.de/medien.html

Dieses Detail dürfte auch die ›Beziehung‹ der Ehefrau zum Klinikum Erlangen erhellen.

Im Licht der generellen Marschroute der Justiz bei einem Rosenkrieg war das Schicksal des Gustl Mollath besiegelt: er ist verrückt, gefährlich und muß weggeschlossen werden.

Das ist nun mal so. Da gibt es keinen Rechtsstaat mehr. Daß er plötzlich wiederaufersteht, ist nur dem öffentlichen Druck zu verdanken. Und das ist die wahre Katastrophe. Daß es den Schatten gibt, den der öffentliche Scheinwerfer nicht erhellt.

(Wird fortgesetzt)

Update: (1.12.2012)

Zur aktuellen Situation, die sich jäh gewandelt hat, äußert sich, wie immer präzise und zutrefffend, Prof. Dr. Henning Ernst Müller hier:

http://blog.beck.de/2012/11/29/fall-mollath-wie-geht-es-weiter?page=1

Eine lesenswerte juristische Aufarbeitung des Mollath-Falls hat Oliver García verfaßt:

http://blog.delegibus.com/2012/11/28/justiz-im-wahn-wahn-2/

Hier geht es zur Fortsetzung:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/12/07/der-fall-gustl-mollath-rosenkrieg-und-versagen-von-justiz-psychiatrie-ii/