Jörg & Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit – mehr als eine Rezension (II)

›Kafkaesk‹ – auch wer nichts von Kafka gelesen hat, kann mit diesem Begriff etwas anfangen. Den berühmten ersten Satz seiner Erzählung ›Die Verwandlung‹ (1912),

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.

oder die düstere Undurchschaubarkeit einer absurden Verurteilungsmaschinerie, die mit einer überraschenden Festnahme wegen eines nie mitgeteilten Vorwurfs beginnt und urteilslos mit der Vollstreckung der Todesstrafe endet (›Der Proceß‹, 1914/1915, unvollendet) muß man nicht kennen, um sich in die Seelenlage eines Menschen einzufühlen, der durch einen bloßen unüberprüften Vorwurf und einen Haftbefehl jäh aus seinem normalen Leben gerissen wird.

Jörg Kachelmann:

Und nun, am späten Vormittag dieses Samstags, den 20. März 2010, bekam ich von einem Dackelfaltenpolizeimann ein Papier in bemerkenswert kräftigem Rosa und las den Namen von Claudia D[…]. Fast augenblicklich wusste ich, dass mein Leben nun sehr schnell ganz anders werden würde. […] So empfand ich für kurze Zeit den ganzen Zinnober am Flughafen schon fast als interessante Bereicherung meiner Biografie, ahnend, dass ich nun Dinge kennenlernen würde, die ich noch nicht kannte. Diese kindliche Herangehensweise konnte ich mir allerdings nur für Sekunden bewahren, denn diese rund zehn Leute, die mich verhaften wollten, ließen durch ihre Körpersprache und die Art, wie sie mit mir umgingen, keinen Zweifel, dass sie davon ausgingen, dass ich die auf dem rosa Zettel festgehaltene Tat begangen hätte. […] Ich versuchte Teile von Reststolz nach oben zu befördern, als ich von vorne und von der Seite fotografiert wurde; ich war müde von der langen Reise und wähnte mich in diesem Moment in einem falschen Film, in einem Traum, aus dem ich sicher gleich aufwachen würde. Was mit mir passierte, konnte nicht sein, es war falsch, ich war Menschen ausgeliefert, die sich komplett abseitig verhielten und mich mit einem völlig abwegigen Vorwurf konfrontierten. Diese Polizisten mussten die Menschenkenntnis eines abgetauten Kühlschranks haben, dass sie D[…] diese schlecht zusammengelogene Geschichte glaubten.

Ich wusste allerdings zu jedem Zeitpunkt, dass alles Argumentieren sinnlos wäre, so schwieg ich und versuchte, alles erwachsen und wie ein Mann über mich ergehen zu lassen.

[S. 17 f.]

Momente absurder Komik gibt es auch:

So beschränkte sich die Konversation auf die Frage der Polizisten an mich, ob ich denn die »Observationskette« am Frankfurter Flughafen wirklich nicht bemerkt hätte, was ich naturgemäß verneinte, wie hätte ich auch. Darüber konnten sich die beiden stolzen Dorfpolizisten kaum beruhigen und erzählten einander immer wieder, dass das ja ganz toll sei und welch professionelle Arbeit sie doch geleistet hätten.

[S. 34]

Das ist fürwahr eine kafkaeske Situation, und sie wird eingehend in allen ihren Façetten, dem kurzen Moment der Tränen und der Fassungslosigkeit, als er sich von der Freundin Miriam verabschiedet, der Tristesse bei der Fahrt von Frankfurt nach Mannheim, dem heiligen Zorn gegen die ihn umgebende Vorverurteilung, spannend und lebensnah geschildert. Sarkasmus, Ironie, Angriffslust prägen den Stil, aber auch eine Offenheit der Realitätserkundung gegenüber der Subkultur ›Knast‹, die dem Teil II, ›Gefängnis‹, S. 38 – 96, sein besonderes Gepräge verleiht. Besseres, Klarsichtigeres, ist über den Alltag in der Untersuchungshaft kaum zu lesen, und daß das im Vorwort erwähnte Programm:

Aber wir haben auch eine Mission, nämlich mitzuhelfen, dass das, was mir passiert ist, am besten niemanden nach mir passiert und dass die, die unschuldig wegen einer Falschbeschuldigung im Knast sitzen, bald ein neues Verfahren mit einem Freispruch bekommen.

[S. 7]

bereits in der Untersuchungshaft Gestalt annahm, läßt sich diesem engagierten Bericht unschwer entnehmen. Denn das, was der Autor als Knast-Realität für U-Häftlinge beschreibt, entspricht in keiner Weise der hehren Absichtserklärung in Baden-Württemberg:

Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg
(Justizvollzugsgesetzbuch – JVollzGB)
Vom 10. November 2009*

Zum 17.10.2012 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Untersuchungshaftvollzug

Abschnitt 1

Grundsätze

§ 1
Gestaltung des Vollzugs

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind unter Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte zu behandeln. Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.

(2) Das Leben im Untersuchungshaftvollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden.

(3) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Die Untersuchungsgefangenen sind vor Übergriffen zu schützen. Die Justizvollzugsanstalten bieten den Untersuchungsgefangenen Hilfen zur Verbesserung ihrer sozialen Situation an, soweit dies die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.

(4) Bei der Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der weiblichen und männlichen Untersuchungsgefangenen berücksichtigt.

§ 2
Stellung der Untersuchungsgefangenen

(1) Untersuchungsgefangene gelten als unschuldig.

(2) Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Justizvollzugsanstalt unerlässlich sind.

http://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/aew/page/bsbawueprod.psml;jsessionid=5FC44B2370966B07A284139822E6A6CF.jpb4?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=412&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-JVollzGBBW2009rahmen%3Ajuris-lr00&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1#jlr-JVollzGBBW2009V1Buch1-P3%20jlr-JVollzGBBW2009pBuch1-P3

Entspricht es den allgemeinen Lebensverhältnissen, daß Besuche nur zwei Mal pro Monat für jeweils eine halbe Stunde gestattet werden (laut Justizvollzugsgesetzbuch ist eine Stunde die Mindestdauer von Besuchen pro Monat)? Daß der Empfang von Päckchen verboten ist (laut Justizvollzugsgesetzbuch sind lediglich Päckchen mit Nahrungs- und Gebußmitteln explizit verboten)? Daß Milch und Margarine nur ein Mal pro Woche ausgegeben werden, so daß diese Produkte verderben, weil in den Zellen keine Kühlschränke vorhanden sind? Daß man irgendwelche Tätigkeiten übernehmen muß, um sich im Einkauf auskömmlich mit den notwendigen Vitaminen und Toilette-Artikeln versorgen zu können? Daß man langwierige Anträge stellen muß, um an einen Wasserkocher zu gelangen? Daß die Stromkosten für Fernseher und Geräte in Rechnung gestellt werden?

Es ist überhaupt fatal, daß es zur Föderalisierung des Justizvollzugs gekommen ist.

Einen Anspruch auf eine menschenwürdige Einzelzelle sucht man im Baden-Württembergischen Justizvollzugsgesetzbuch vergebens – Einzelunterbringung ist nur für die Ruhezeit vorgesehen.

Abschnitt 3

Grundversorgung

§ 8
Unterbringung

(1) Während der Ruhezeit werden Untersuchungsgefangene allein in ihren Hafträumen untergebracht. Mit ihrer Zustimmung können Untersuchungsgefangene auch während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden. Auch ohne ihre Zustimmung ist eine gemeinsame Unterbringung zulässig, wenn Untersuchungsgefangene hilfsbedürftig sind oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit Gefangener besteht. Unter den Voraussetzungen des Satzes 3 ist auch eine gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen zulässig, bis die Gefahr auf andere Weise abgewendet oder der Hilfsbedürftigkeit begegnet werden kann.

(Quelle: wie vor)

Ansonsten heißt es:

§ 7
Festsetzung der Belegungsfähigkeit

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Justizvollzugsanstalten fest. Sie geht dabei von der Grundfläche der Hafträume ohne Einbeziehung der Fläche der Sanitäreinrichtungen (Nettogrundfläche) aus. Die Aufsichtsbehörde berücksichtigt, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.

(2) In Justizvollzugsanstalten, mit deren Errichtung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, haben Gemeinschaftshafträume bei Doppelbelegung eine Nettogrundfläche von mindestens 4,5 Quadratmetern, bei einer höheren Belegung mindestens sechs Quadratmeter je Gefangener oder Gefangenem aufzuweisen. Für An- und Zubauten bei Anstalten nach Satz 1, mit deren Errichtung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Bei Justizvollzugsanstalten, mit deren Errichtung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, ist im geschlossenen Vollzug eine Einzelunterbringung der Gefangenen zur Ruhezeit zugrunde zu legen. Einzelhafträume haben eine Nettogrundfläche von mindestens neun Quadratmetern, Gemeinschaftshafträume von mindestens sieben Quadratmetern je Gefangener oder Gefangenem aufzuweisen.

(4) Gemeinschaftshafträume müssen über eine baulich abgetrennte und entlüftete Sanitäreinrichtung verfügen, falls nicht ein ständiger Zugang zu einer Toilette außerhalb des Haftraums besteht.

(5) Im geschlossenen Vollzug ist eine gemeinschaftliche Unterbringung von mehr als sechs Gefangenen nicht zulässig.

(Quelle: wie vor)

Da die meisten Justizvollzugsanstalten vor 2009 errichtet wurden, ist es in BW demnach zulässig, zu zweit auf 9 qm eingesperrt zu werden: wer würde einem völlig fremden, womöglich unsympathischen oder nervenden Mitbewohner da nicht an die Kehle gehen?

Die Lebenswirklichkeit der laut Gesetz als unschuldig geltenden Untersuchungshäftlinge schildert Kachelmann klar, deutlich, drastisch, ironisch, differenziert, nie larmoyant. Und immer mit Blick auf die Erleidnisse von Mitgefangenen, die die seinen übersteigen: da gibt es den U-Haft-Kollegen, der in seiner schwachen Position den umgehenden Sorgerechtsentzug erleben muß [S. 43], den Kumpel, der die Realität des heutzutage gesetzlich geregelten Deals, der sich mehr wie eine Erpressung und als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung ausnimmt, erlebt [S. 70f.], nahegelegt durch einen Strafverteidiger, der im Juristenjargon als ›Geständnisbegleiter‹ bezeichnet wird – und ins traurige reale Bild paßt, daß Rechtsanwältin Andrea Combé seit ihrer engagierten Verteidigung von Kachelmann durch das LG Mannheim mit keiner Pflichtverteidigung mehr betraut wurde [S. 71] – nein, es geht um effiziente reibungslose Erledigung von Fällen, die eh klar sind. Kennt man doch, die Jungs. Wie manche junge Leute unter diesen Bedingungen ›rechts‹ werden, ohne wirklich ›rechts‹ zu sein, [S. 74f.] schildert er genauso intensiv wie Männertränen [S.88], das Problem, angesichts der Haftbedingungen den Kontakt zu den Kindern zu halten [S. 89f.], wie auch die segensreiche Wirkung von Anstaltsgeistlichen [S. 64]. Diese Passage hat mich besonders berührt, weil sie mich an die ungleich härtere Zuchthaushaft von Karl May, die vier schrecklichen Jahre im Zuchthaus Waldheim von Mai 1870 bis Mai 1874, erinnerte.

Ein entwürdigender Strafvollzug, eine unmenschlich hohe Strafe für einige Hochstapeleien und Betrügereien mit einem geringen Schaden: daß May diese Zeit überlebte und ›genas‹, schrieb er ausschließlich dem katholischen Gefängnisgeistlichen Johannes Kochta zu, der ihn, obwohl Lutheraner, als Mensch annahm, psychotherapeutisch wirkte und ihn während der katholischen Messen Orgel spielen ließ. Da hat sich bis heute im Strafvollzug nicht viel geändert.

Eigentlich ›kafkaesk‹ erscheint der Bericht über die Haft und das Verfahren immer dann, wenn Kachelmann mit dem festgefügten Fremdbild, das Justiz und Medien im Schulterschluß von ihm herstellen, konfrontiert wird.

Dann kam der Haftprüfungstermin vom 24. März 2010. Im Nachhinein denke ich mir, dass die Staatsanwaltschaft schon vor diesem Termin geahnt haben muss, wie er ausgehen würde: Warum sonst hätte sie am 23. März 2010 mit einer Presssemitteilung Ort und Uhrzeit dieser nichtöffentlichen Veranstaltung bekannt geben sollen, mit der Folge, dass sich eine geifernde Pressemeute pünktlich vor dem Amtsgericht Mannheim einfand? […] Es war unschwer zu spüren, dass alle im Raum außer meinem Anwalt Birkenstock mich für einen furchtbaren Sexualverbrecher hielten, wie ein zumindest potenziell Unschuldiger wurde ich von niemandem behandelt. Ich sagte die Wahrheit, soweit ich mich erinnern konnte, es war ja mit Ausnahme der ohne Dramatik verlaufenen Trennung von Claudia D[…] am Schluss ein doch recht normaler Abend gewesen, sodass ich mir nichts Besonderes gemerkt hatte. […] Was ich sagte, war den Anwesenden sichtlich scheißegal, am Ende gab es von Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, den ich an diesem Tag zum ersten Mal sah, den legendären, in schrillem Diskant zu Gehör gebrachten Satz: »Aus aussagepsychologischen Gründen glaube ich der Klägerin.«

Dem konnte und wollte sich der Amtsrichter nicht verschließen, aber ich dachte immer noch, dass sich die Wahrheit bald Bahn brechen würde, und bedankte mich bei Oltrogge für das immerhin stattgefunden haben mögende Erwägen meiner Freilassung. Ich höflicher Trottel.

[S. 51 f.]

Daß die Fahrt zurück ins Gefängnis nach dem Spießrutenlaufen »vor der entfesselten vierten Gewalt im Staat« als »Fahrt in die Sicherheit« empfunden wird, führt die Unwirklichkeit der Situation, das Ausgeliefertsein an Fremdbilder, eindrücklich vor Augen. Die Freiheit nach dem Schonraum des Gefängnisses – eine einzige Flucht vor dem Abschuß [S. 141 – 146]. Die Medien, allen voran BURDA via BUNTE, hatten Ex-Geliebte gekauft und sie zu tränenreichen, überwiegend unwahren, öffentlichen Bekenntnissen über den ›Beziehungsschuft‹ veranlaßt; an entscheidenden positiven Wendepunkten des Verfahrens (der OLG-Beschluß, die Mandatsübernahme durch Rechtsanwalt Johann Schwenn) konterte BURDA via FOCUS mit zwei Zeuginnen, die dem Angeklagten nun aber ganz sicher das Genick brechen werden [S. 121f; S. 210; S. 263ff.]. Das alles brach vor Gericht in sich zusammen.

Das gleichgeschaltete Szenario, dem sich bis auf wenige Ausnahmen (die justizkritisch agierenden kompetenten Gerichtsreporterinnen Friedrichsen und Rückert von SPIEGEL und ZEIT, wobei der erste SPIEGEL-Artikel vom 7.6.2010, der das Fehlen von Beweisen und Falschinformationen durch die Staatsanwaltschaft aufdeckte, nicht von Gisela Friedrichsen stammte)

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70833818.html

auch die sogenannte Qualitätspresse anschloß, skizziert und belegt er auf den Seiten 124-136 sehr analytisch:

  1. Es muss ganz dringend eine enge Beziehung zwischen D[…] und Kachelmann bestanden haben.
  2. Das »angebliche Opfer« zum »Opfer« machen und es auch dringend so nennen.
  3. Den angeblichen Täter zum Monster machen.
  4. Größtmögliche Ablenkung von der angeblichen Tat und Überführung in eine Moraldiskussion.

Wie begegnet man als Angeklagter diesen Bemühungen?

Wenn man es sich leisten kann, dann so:

http://www.bildblog.de/42868/kachelmanns-verfuegungen/

Andererseits mit Ratio. Das OLG Karlsruhe und die Verteidigung haben es bewiesen, das gesamte Buch von Jörg Kachelmann beweist es. Daß die Ratio des Freigesprochenen, gegen den niemals Anklage hätte erhoben werden dürfen, sich auch subjektiv, kämpferisch, emotional äußert, ist angesichts des medialen und justitiellen feministischen Mainstreams, der Männern stets das Böse unterstellt und Frauen die reine Wahrheitsliebe, denn sie sind ja immer Opfer, eine Selbstverständlichkeit. Dieser Zorn richtet sich allerdings weniger gegen die Beschuldigerin als vielmehr gegen diejenigen, die mit den Vorwürfen professionell, und gegen die, die mit den gezielt belastenden durchgestochenen ›Informationen‹ verantwortlich hätten umgehen müssen (laut HH Tiedje* bei Jauch am 14.10.2012 war es ja die Staatsanwaltschaft, die durchgestochen hat, und als immer noch gut vernetzter Ex-BILD- und BURDA-Mann muß er es ja wissen, zumal die Herren Baum und Hassemer ihm folgten – oder hat die StA Mannheim gegen alle drei schon wegen übler Nachrede Anzeige erstattet?) :

Ich habe noch niemanden gehasst. Ich habe wahrheitsgemäß in den beiden Interviews mit der Zeit und der Weltwoche gesagt, dass ich die Nebenklägerin trotz ihrer Falschanzeige nicht hasse. Unter normalen Umständen wäre sie niemals damit durchgekommen. Sie hatte einfach nur das vorläufige Glück, dass ihre wahrheitswidrigen Behauptungen auf den fruchtbaren Boden von unsäglich naiven Schwetzinger Polizisten, unsäglich verfolgungswütigen Mannheimer Staatsanwälten und unsäglich überforderten Mannheimer Richtern fielen. Das sind hochgefährliche Allianzen, die es dort schon länger gibt und die es wert wären, durch einen Untersuchungsausschuss durchleuchtet zu werden.

Ich hatte nie Anfälle von Jähzorn im Leben. Aber ich hätte mir in solchen Paparazzisituationen, vor allem, wenn die Kinder mit dabei waren, gewünscht, es gäbe ein Recht darauf, sich und seine Familie zu verteidigen. Ich habe Verständnis, wenn ich lese, dass irgendwo ein Promi einem Paparazzo eins aufs Maul gegeben hat. Ich selbst würde es allerdings nicht tun, weil eben diese Aggression nicht in mir wohnt und ich eher Fluchttendenzen entwickle und versuche, die Typen so auszutricksen, dass sie nicht wissen, wo ich bin.

[S. 148]

Medien und Justiz nimmt er zurecht als seine schärfsten Gegner wahr, und die geht er hart an. Denn das Ausfiltern von Vergewaltigungsanzeigen, die keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit bieten, stellt das Kerngeschäft von Staatsanwaltschaften auf diesem Gebiet dar. Die Verurteilungsquote liegt bekanntlich seit Jahren bei 13%, Tendenz sinkend. Hier die absoluten Zahlen:

2007: 1.159 Verurteilte

2008: 1.068 Verurteilte

2009:  928 Verurteilte

2010:  859 Verurteilte

https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/StrafverfolgungsstatistikDeutschlandPDF_5243104.pdf?__blob=publicationFile

(S. 3)

Man muß sich zudem bewußt sein, daß es sich bei diesen Fällen angezeigter Vergewaltigungen gemäß §§ 177 Abs. 2, 3, 4 und § 178 StGB (sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge) angesichts von 5,9 Millionen angezeigter Straftaten im Jahr 2010 um einen kaum noch darstellbaren winzigen Teilbereich der Kriminalitätsstatistik handelt: angezeigt wurden im Jahr 2010 lediglich 7.724 dieser Delikte, 6.311 galten aus Sicht der Polizei als aufgeklärt, da ein namentlich bekannter Verdächtiger ermittelt werden konnte:

https://www.destatis.de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch/StatistischesJahrbuch2012.pdf?__blob=publicationFile

(Ziff. 11.3.1, S. 309)

Bezieht man die 859 einschlägig Verurteilten auf das Gesamtanzeigeaufkommen im Jahr 2010, ergäbe sich eine Verurteilungsquote von 11,1 %, bezogen auf die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen eine von 13,6 % – eine grobe Faustformel, da unbekannt ist, wieviele der im Jahr 2010 angezeigten Fälle noch im selben Jahr zu einem (rechtskräftigen?) Urteil geführt haben.

Jörg und Miriam Kachelmanns Buch wendet sich an die breite Bevölkerung. Es ist ein Glücksfall, daß ein prominenter Betroffener sich so eindringlich subjektiv wie auch rational über eine Justiz und eine Presse äußert, die Vorverurteilung zum Programm erhoben hat, während die Realität der nackten Zahlen doch deutlich aufzeigt, wieviele Zweifelsfälle im Bereich der angezeigten Fälle tatsächlich existieren. Es ist zu hoffen, daß das eigentliche Thema des Buchs eine breite, unideologisch geführte Diskussion anstoßen möge. Denn das hier ist das eigentliche Thema des Buchs:

Ich bin in meinem Leben einigen Frauen begegnet, die vergewaltigt wurden. In jedem Fall wollte ich diese Frauen durch Zureden dazu bringen, doch noch Anzeige zu erstatten, auch wenn das Verbrechen schon Jahre zurücklag. Es gelang mir in keinem Fall, und zwar nicht, weil sie Polizei und Gericht gescheut hätten, sondern einfach, weil diese Frauen ihren eigenen Weg des Verdrängens und Vergessens gesucht hatten und daran nicht rühren wollten. Ich habe diese Haltung immer falsch gefunden. Jede Vergewaltigung sollte zur Anzeige gebracht werden. Auf der anderen Seite bin ich aus persönlicher Erfahrung und aufgrund von Recherchen zutiefst davon überzeugt, dass weit über die Hälfte der angezeigten Vergewaltigungen nicht real ist. Es ist eine furchtbare Schere: Die Mehrheit der Vergewaltigungen wird nicht angezeigt – die Mehrheit der Anzeigen sind Falschbeschuldigungen.

[S. 267]

Anders als die Medien, Feministinnen und ahnungslose Talkshow-Größen versteht das Publikum locker, daß das Dunkelfeld und das Hellfeld eines Verbrechens nichts miteinander zu tun haben: die Schnittmenge der betroffenen Frauen beträgt Null. Die Problematisierung des Hellfeldes negiert das Dunkelfeld nicht, keine dieser beiden unterschiedlichen Bereiche lassen sich gegeneinander ausspielen oder aufrechnen.

Erfreulicherweise scheint diese Botschaft jetzt sogar erstmals bei der Opferschutz-Organisation ›Weißer Ring‹ angekommen zu sein:

„Natürlich sind wir parteiisch zugunsten der Opfer – echter Opfer“, sagt Weißer-Ring-Sprecher Veit Schiemann zu FOCUS Online. Und räumt ein, dass der Weiße Ring seine Mitarbeiter zwar schule, um nach Möglichkeit falsche Beschuldigungen zu erkennen – „aber es gibt auch unheimlich gute Schauspieler und unheimlich schlüssige Geschichten“. Er gehe allerdings davon aus, dass die Staatsanwaltschaft erst Anklage erhebe, wenn sie aller Voraussicht nach auch das nötige Beweismaterial für ein Urteil habe.

Schiemann vermutet, dass Kachelmann seine Organisation angreift, weil aus dessen Sicht der Weiße Ring die Nebenklägerin vertreten habe, also Kachelmanns ehemalige Geliebte. Ihr Anwalt sei Mitarbeiter im Weißen Ring, ebenso wie zwei weitere Experten auf Seite der Nebenklage. Doch die drei Männer seien nicht im Auftrag des Weißen Rings tätig gewesen. Allerdings hat die Organisation auch selbst Position bezogen: Sie kritisierte unter anderem, der Freispruch Kachelmanns könne andere Frauen davon abhalten, zur Polizei zu gehen.

Dass „die Waffe Falschanzeige“ „scharf und effizient“ ist, wie Miriam Kachelmann beklagt, stellt Schiemann nicht in Frage. „Das Mittel wird eingesetzt“, sagt er. Übrigens betreue der Weiße Ring auch Opfer von Falschaussagen.

http://www.focus.de/panorama/boulevard/tid-27639/buch-ueber-das-maerchen-gerechtigkeit-kriminologe-wirft-kachelmann-selbstmitleid-vor_aid_836009.html

Aber natürlich weiß auch der FOCUS (8/2012) schon längst, daß diese scharfe Waffe eingesetzt wird:

24 Der Gewaltvorwurf

Problem: Die eine Partei möchte das Haus allein bewohnen. Sie provoziert die Gegenseite zu körperlicher Gewalt, damit ihr die Wohnung allein zugewiesen wird.

Strategie: Keine. Denn sobald Gewalt im Spiel ist, fliegt der andere raus. Daher: sich nicht provozieren lassen und Konflikten aus dem Weg gehen. Es kann sogar sinnvoll sein, den Kriegsschauplatz zumindest vorübergehend zu räumen und auszuziehen.

Bewertung: Bei Gewalt eskaliert ein Scheidungsverfahren. Vieles lässt sich im Anschluss kaum noch außergerichtlich regeln. Das kostet Zeit und Geld. Tatsächlich erweist sich so manches Gewaltschutzverfahren im Lauf der Zeit als böser Trick.

25 Der Missbrauchskrieg

Problem: Der Ex-Partner trägt wahrheitswidrig vor, der andere habe das gemeinsame Kind missbraucht. Damit soll erreicht werden, dass die Gegenpartei das Kind nicht mehr sehen darf.

Strategie: Wichtig ist zunächst, dass die beschuldigte Partei den Umgang mit dem Kind sicherstellt, zum Beispiel durch begleitete Treffen. Viele Jugendämter leisten in solchen Fällen Unterstützung oder vermitteln Hilfe. Bereitschaft zur Aufklärung signalieren. Das Gericht wird in so einem schweren Fall ein Gutachten einholen; hier sollte der Beschuldigte unbedingt mitwirken. Als letztes Mittel kann man Strafanzeige gegen den Ex-Partner erstatten, weil man zu Unrecht einer schweren Straftat beschuldigt wurde. Gegebenenfalls die elterliche Sorge für das Kind beantragen, wenn der Vorwurf ausgeräumt ist.

Bewertung: Der mieseste Trick, die totale Eskalation. Gerichte müssen diesen Vorwürfen nahezu immer durch Einholung von Gutachten nachgehen, selbst wenn diese Behauptung unglaubwürdig ist. Kinder tragen bei Falschbeschuldigungen oft schwere seelische Schäden davon.

http://www.focus.de/finanzen/recht/tid-25248/wenn-die-ehe-im-krieg-zu-ende-geht-die-25-fiesesten-tricks-und-die-besten-gegenstrategien-seite-5-die-25-fiesesten-scheidungstricks_aid_723220.html

Die Aufarbeitung dieser brisanten Thematik hat die Co-Autorin Miriam Kachelmann übernommen – zweifellos liegt es an dieser ihrer politisch inkorrekten Tätigkeit, daß sich die Medien jetzt, mal chauvinistisch, mal stutenbissig, an ihrer unerwartet selbstbewußten Person abarbeiten. Stefan Niggemeier hat die schönsten Blüten dieser regressiven Polemik eingesammelt und ironisch aufbereitet:

http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-loewenmutter-und-der-boese-wolf/

Ich werde den 3. Teil dieser Rezension den Beiträgen von Miriam Kachelmann widmen, die den Erlebnisbericht von Jörg Kachelmann abrunden und ihn ungemein bereichern.

* Über Hans-Hermann Tiedje hat Stefan Winterbauer heute einen informativen Artikel geschrieben, der einige Fragen aufwirft:

[…]

Politisch sind Tiedje und seine Eurocom hoch flexibel. Kürzlich verteidigte der frühere Kohl-Berater Tiedje den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in einem Bild-Kommentar in der Debatte um dessen Nebeneinkünfte. Dass die WMP Eurocom auch schon mal einen Steinbrück-Vortrag vermittelt hat und er als Bild-Kommentator den Klienten seiner PR-Agentur wortreich verteidigt, das erfuhren die Leser von Tiedjes Bild-Kommentar nicht.

Genausowenig wie die Zuschauer von “Günther Jauch” erfuhren, dass der hemdsärmelige “Journalist”, der da saß und gegen Jörg Kachelmann und seine Frau pöbelte, nebenher eine Firma für Prozess-PR betreibt, mit Politikern und Wirtschaftsbossen vielfältige Geschäfte macht  und auf undurchsichtige Art und Weise verschiedenste Interessen bedient. Und so Jemanden –  den Inhaber einer Agentur für Litigation-PR, Jemand der in der Vergangenheit schon versucht hat, massiv Einfluss auf ein spektakuläres Gerichtsverfahren zu nehmen, lädt die Redaktion von “Günther Jauch” ein und klebt ihm das vermeintlich unabhängige Etikett “Journalist” an. Da muss schon viel Naivität im Spiel gewesen sein. Wenn man nicht Schlimmeres unterstellen will.

Stefan Winterbauer

19.10.2012

http://meedia.de/fernsehen/hhtiedje-mann-in-undurchsichtiger-mission/2012/10/18.html

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›Das verteufelte Geschlecht‹ Mann – und die Erosion der Unschuldsvermutung (I)

Nahtlos kann ich an meinen Frauen-Artikel anschließen –

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/17/frauen-zwischen-schmerzensmannern-frauenquote-und-top-model-was-will-das-weib/

denn die Verheerungen, die der gegen den Mann gerichtete hardcore-Feminismus à la longue gesellschaftlich angerichtet hat, zeigen sich heute in aller Schärfe.

Geschlechterrollen

Der Penis ist keine Waffe

betitelt Jonathan Widder seine Rezension vom 6.3.2012 des Buchs von Ralf Bönt: ›Das entehrte Geschlecht‹. Und es stimmt hoffnungsfroh, daß in einem Medium wie der ZEIT, in dem zum Geschlechter-Thema bislang nahezu ausschließlich dezidiert feministisch-weibliche Stimmen zu hören waren, nun endlich einmal auch das als gewalttätig, machtversessen und defizitär diffamierte männliche Geschlecht Gelegenheit zur Gegenrede erhält. Die nicht medial wirkenden Frauen in den westlichen Ländern wissen, daß es nicht das Patriarchat ist, das sie unterdrückt, und schon gar nicht der Mann oder die Männer, mit denen sie es real zu tun haben. Es ist vielmehr die Arbeitswelt, die zerstörerisch auf Menschen und Familien wirkt, und die falsche Wertschätzung von Erwerbstätigkeit, die über jeden, der – aus welchen Gründen auch immer – aus ihr herausfällt, ein Unwerturteil ausspricht. Das Verdikt der Ökonomie trifft nicht nur Frauen, die sich für Erziehungsarbeit entscheiden. Es trifft vor allen Dingen Männer, denen die Ernährerrolle auferlegt wird, während Frauen schon immer Wahlmöglichkeiten hatten. Widder faßt die Thesen von Bönt so zusammen:

 Im Kern des Buches stehen drei Forderungen: „1. Das Recht auf ein karrierefreies Leben. Der Mann muss auch jenseits einer beruflichen Stellung respektiert werden. 2. Das Recht auf Krankheit jenseits der Vorwürfe von Hypochondrie und Fühllosigkeit. 3. Das Recht auf eine geehrte Sexualität jenseits von Ablehnung, Diffamierung, Kapitalisierung und Kriminalisierung.“

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-03/ralf-boent/komplettansicht

Und wie reagieren Feministinnen auf diese Forderungen, soweit sie männliche Geschlechterdiskurse überhaupt zur Kenntnis nehmen? Beispielsweise so:

Die Zitate aus Bönts Buch empfinde ich als seltsam. Es mischen sich hier oberflächlich nachvollziehbare Wünsche der Männer mit Forderungen – ja – an wen? Vor allem der seltsame Satz mit der “geehrten Sexualität”. Wer soll die denn ehren? Die Partnerin? Die Gesellschaft? Die Männer selbst? Die Vergewaltigten? Alles in allem spüre ich hier mehr Verlangen nach weiterer Macht und Kontrolle als den Wunsch gemeinsam und vor allem jenseits von heteronormativem Denken etwas zu ändern. Also alles was jetzt noch als “unmännlich” gilt – keine Karriere, Kinderbetreuung, Krankeit, das mit der Sexualität verstehe ich leider nicht so ganz, soll jetzt “ehrbar” und männlich werden. Das ist Eroberung von Terrain und keine Verbesserung der Zustände.

http://maedchenmannschaft.net/wie-koennten-neue-maennlichkeiten-aussehen/#comments

Prompt wird die männliche Sexualität, wie zurecht kritisiert,  kriminalisiert (»Vergewaltigte«), und frau wittert sogleich Gefahr: wenn der moderne Mann ein Recht auf Wertschätzung auch bei fehlender beruflicher Karriere und Hinwendung zur Erziehungsarbeit einfordert, wenn er reklamiert, auch schwach sein zu dürfen – denn die Akzeptanz von Krankheit trägt zu einer besseren medizinischen Behandlung der Männer bei und könnte dazu führen, die geringere Lebenserwartung von Männern an die höhere der Frauen anzugleichen –, dann erobert er weibliches Terrain und erstrebt, so ist der Mann nun mal beschaffen, nichts weiter als Macht und Kontrolle. Während er nur Gleichberechtigung verlangt.

Tatsächlich sind es berechtigte Forderungen beider Geschlechter an eine durchökonomisierte und auf Effizienz getrimmte Welt, die den Menschen insgesamt schadet und nur einer Elite nutzt. Insbesondere die letzte Forderung hat es allerdings in sich. Denn wie sehr die Sexualität des Mannes bereits mit Kriminalität konnotiert ist, belegt Bönt an einem Einzelbeispiel:

 Weil das, auch wenn es selbstverständlich klingen mag, kein gesellschaftlicher Konsens ist, beschreibt Bönt die Facetten negativer und banalisierter Männerbilder in der Öffentlichkeit und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Privatleben. Er schildert fassungslos, wie ein Freund auf dem Spielplatz auf Initiative der umstehenden Mütter von der Polizei kontrolliert wird, weil er seiner Tochter die Strumpfhose richtet.

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-03/ralf-boent/komplettansicht

Man darf sich nicht wundern, daß sich junge Männer angesichts dieses gesellschaftlichen Klimas selten für einen pädagogischen Beruf entscheiden, in dem sie mit Kindern zu tun haben, obwohl sie dort, in Kindergärten und Grundschulen, die fest in weiblicher Hand sind, angesichts der zunehmenden Zahl alleinerziehender Mütter dringend benötigt werden. Wie ich mich nicht wunderte, von einer alten Freundin zu hören, daß sich ihr 75-jähriger Mann nicht mehr traut, seine Enkelin auf den Schoß zu nehmen, um nicht als Fummel-Opa wahrgenommen zu werden.

Den Feminismus kritisiert Bönt nur dort, wo er über die Gleichberechtigung hinausgeht und den Mann als ständigen Täter porträtiert (und damit paradoxerweise gleichzeitig die Frau im Opferstatus zementiert). Dabei rechnet er vor allem mit Alice Schwarzer und ihrer Schwanz-Ab-Ideologie ab: „Schwarzer ist der Franz Josef Strauß des Feminismus, der notwendig gewesene Macho der Frauenbewegung“; aber: „Der Hass hat das Problem der Geschlechter, statt es zu lösen, verschärft.“

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-03/ralf-boent/komplettansicht

Nun gibt es Menschen, denen es nicht einmal mehr auffällt, mit wieviel Häme und Verachtung über das männliche Geschlecht seit einigen Jahren medial verhandelt wird. Menschen, die solche Artikel für ›normal‹ halten, in denen stellvertretend für das männliche Geschlecht in aller Genüßlichkeit und mit einem Höchstmaß von polemischem Einsatz Einzelpersonen attackiert werden:

Sex, Lügen, Twitter – die schlimmsten Männerpannen

Von Boetticher, Strauss-Kahn, Schwarzenegger, Kachelmann oder Fürst Albert: Diese mächtigen Männer demontierten sich 2011 selbst.

Von Judith Luig

29.12.11

2011 war das Jahr der Männer. Ist das nicht jedes Jahr, fragen Sie? Kann sein, aber dieses Mal war es das in besonderer Form: Ein Jahr, das durch Ereignisse bestimmt wurde, bei denen ein männlicher Protagonist, der angesehen, geschätzt und teilweise sogar bewundert wurde, über eine als besonders männliche verschriene Eigenschaft besonders dämlich stolperte. Selbstüberschätzung, Selbstgerechtigkeit und Realitätsverlust gelten ja schon lange als Männertugenden, aber selten haben sie so viele so dumm dastehen lassen wie in den vergangenen zwölf Monaten.

[…]

Die seltsam archaischen Männer, die uns in diesem Jahr mit ihren Großmannsgeschichten in Atem gehalten haben, haben eines gemein: Sie gehen davon aus, dass der wie auch immer zustande gekommene Sex ein Geheimnis zwischen ihnen und der Frau bleibt. Und sie scheinen zu glauben, Sex über den man spricht, bringt ihm Ruhm und ihr Schande.

Aber 2011 haben ein paar Frauen diesen Pakt gebrochen. Auch wenn es fraglich ist, was es ihnen persönlich gebracht hat, der Welt haben sie damit geholfen, dass man sich endlich ein paar überfälligen Fragen zum Thema Jungsbünde, Sexprotze und Imponiergehabe stellt.

http://www.welt.de/vermischtes/prominente/article13788891/Sex-Luegen-Twitter-die-schlimmsten-Maennerpannen.html

Nicht unzufällig hat die Autorin die beiden Verfahrenseinstellungen gegen Dominique Strauss-Kahn ›vergessen‹, und der Freispruch von Jörg Kachelmann erfolgte ja ›nur‹ aus Mangel an Beweisen. Auch der seinerzeit noch amtierende Bundespräsident kriegt sein Fett weg: zwar gab es lediglich einen medialen Shitstorm gegen ihn, und auch Frau Luig wußte nicht so recht, was sie ihm eigentlich vorwerfen sollte. Aber er ist ein Mann, und daher leidet er ›naturgemäß‹ unter Selbstüberschätzung (und einem kostspieligen Hang zur Zweitfamilie, der er schließlich was bieten muß).

Das mediale Geschlechterbild ist festzementiert: hier der sexuell untreue, umtriebige, gewalttätige, vergewaltigende unmoralische Mann – dort die Frau, das reine Opfer. Das sie sogar bleibt, wenn sie zur Täterin geworden ist. Wäre es denkbar, einen Artikel über einen gewalttätigen Mann, der eine Selbsthilfegruppe gründet, so einzuleiten?

Wenn Frauen nur zuschlagen können

Opferschicksal

Eine Mutter berichtet über ihre Aggressionen den Töchtern gegenüber

Marika Bach gründet eine Selbsthilfegruppe. Sie hat ihre Töchter täglich geschlagen.

von Sabine Schicke

Oldenburg – Marika Bach (Name geändert) ist eine freundliche Frau mit dunklen Haaren. Anfang 40, hilfsbereit und zuvorkommend. Aufmerksam selbst in kleinen Dingen. Dass sie ein zweites Gesicht haben kann, würde niemand glauben. „Gewalt von Frauen, das ist noch immer ein Tabu-Thema“, erklärt sie. Über Jahre hat sie ihre beiden Töchter täglich geschlagen, hatte ihre Aggression nicht unter Kontrolle. „Schon während ich ausholte, habe ich mich selbst gehasst – und trotzdem zugeschlagen.“

Nun möchte sie anderen Frauen helfen, die ähnliche Probleme mit Aggressionen haben und gründet eine Selbsthilfegruppe.

http://www.nwzonline.de/Region/Stadt/Oldenburg/Artikel/2847945/Wenn-Frauen-nur-zuschlagen-k%F6nnen.html

Natürlich, sie konnte nur zuschlagen angesichts der von Gewalt, Mißbrauch und fehlender Mutterliebe geprägten Kindheit. Aber schlagende Männer haben ähnlich schreckliche Kindheiten, wie man weiß. Nur, daß deren Kindheitserzählungen eher als Schutzbehauptung oder als Mitleidsmasche bewertet werden, wenn sie vor Gericht stehen. Unsere Selbsthilfegruppengründerin stand gewiß niemals vor Gericht: die Lehrer und die Jugendamtsmitarbeiter, die von ihrer Gewalttätigkeit wußten, haben sicherlich den Datenschutz bemüht und keine Anzeige erstattet. Denn eine prügelnde Frau ist Opfer und darf nicht kriminalisiert werden.

Wenden wir uns dem Leitmedium für aggressive niedrige Instinkte zu, der Aufputschdroge, die die heftigsten Verwüstungen in den Seelen des Menschengeschlechts anrichtet, weil sich damit am leichtesten Geld verdienen läßt. Der BILD nämlich, die zu allem Überfluß auch noch Briefe schreiben läßt. Für die Amokläuferin von Lörrach, deren Tötungsserie (3 Tote, zahlreiche Verletzte) auch von unseren seriöseren Medien wie FAZ, SPIEGEL und WELT gern als ›Beziehungstat‹ gewürdigt wurde, fand F. J. Wagner am 21.9.2010 in BILD folgende Worte:

Ja, es war richtig, die Amokläuferin zu töten. Sie war eine Maschine.

Aber sie war auch mal ein Mensch. Abitur, Jurastudium, Ehe, ein Kind, eine Fehlgeburt, Anwältin, Trennung, zwei getrennte Wohnungen, Kind beim Vater, Kind bei der Mutter. Das alltägliche Drama.

Auch dieser Mensch wurde erschossen. Ein Mensch, der kaputt ging, ein Mensch, eine Maschine wurde.

http://www.bild.de/news/standards/news/post-von-wagner-14029404.bild.html

»Sabine R.« (nur das übliche »Liebe« ließ er weg), schmalzte er am selben Tag so an:

Es ist ein Foto im Garten Ihres Glücks. Sie haben ein eigenes Häuschen mit Garten. Papa, Mama, Kind. Vielleicht ist eine Schaukel irgendwo, man sieht Blumen auf dem Foto.

Im nächsten Moment werden Sie Ihr Kind umarmen, mit Ihrem Kind durch den Garten herumtollen. Ihr Kind auf den Schultern tragen.

Das Foto ist ein Jahr alt. Sie sehen gut aus, Sie sind schlank. Sie sehen aus, wie eine glückliche, 41-jährige Frau, die Mutter ist. Eine Mutter, die in der Sonne liegt, das Liebste neben sich hat, ihr Baby, ihr Sonnenschein.

Als diese Frau tötete, war sie selbst schon tot. Ihr Mann hatte sie verlassen, ihr heiler Garten war zerstört.

http://www.bild.de/news/standards/news/post-von-wagner-14041228.bild.html

Nach anderen Berichten hatte sie zwar ihren Mann verlassen, aber was soll’s. Der Mann muß schuld sein und die Frau traumatisiert. Gerne ist sie auch schuldunfähig, die Psychiatrie ist ja gesellschaftlich geprägt. In Diktaturen gilt der querulatorische Wahn als Ausschlußkriterium gegen Oppositionelle, in feministisch beherrschten  Welten bekommen Frauen bei Persönlichkeitsstörungen, die bei Männern nie zur Schuldunfähigkeit führen, den Jagdschein. Und schon ist das säuberliche Mann-Frau-Weltbild wieder in Ordnung.

Nur einen Tag später textet BILD:

Toter Mann in Schuppen gefunden

Rosenheim-Killer tot aufgefunden

München – Ist die wochenlange Jagd nach dem Doppelmörder von Rosenheim zu Ende? Gestern wurde ein Mann tot aufgefunden, bei dem es sich mit ziemlicher Sicherheit um Franz Müller (48) handelt.

Der Tote hat sich wohl aufgehängt. In einem Schuppen in der Äußeren Münchner Straße in Rosenheim. Nur wenige Meter vom Tatort entfernt. Entdeckt hätte ihn ein Hausmeister.

Die Polizei wollte das weder bestätigen noch dementieren. Aber: „Es deutet einiges darauf hin“, dass es sich um den verdächtigen Doppelmörder handeln könnte. Erst nach der Obduktion heute könne genaueres gesagt werden.

Rückblick: Am 30. August wurden Lacramioara (†37) und ihr kleiner Sohn Marcus (†3) in Rosenheim bestialisch getötet. Wohl von ihrem Ex Franz Müller! Den Bub hängte der feige Killer im Keller auf! Die Mutter erschlug er brutal – die Tat einer Bestie! Ganz Bayern war erschüttert von dieser Horrortat!

Nach der Bluttat floh der feige Killer. Gejagt von der Polizei, der „Soko Hochgern“.

Mögliches Motiv des Doppelmords: Angeblich hätte Franz Müller Zweifel an der Vaterschaft von Marcus gehabt. Glaubte, er habe ein Kuckuckskind groß gezogen.

Laut Obduktion der Kindes-Leiche war Müller allerdings der leibliche Vater von Marcus.

http://www.bild.de/BILD/regional/muenchen/aktuell/2010/09/22/leiche-des-rosenheim-killers/toter-mann-in-schuppen-gefunden.html

Ist es bestialischer, das eigene Kind zu erhängen oder mit einer Plastiktüte zu ersticken? Wer ist eher ein feiger Killer: der, der seinen Partner erschlägt oder der, der ihn erschießt? Ganz zu schweigen von dem Aggressionsüberschuß, die eigene Wohnung hochgehen zu lassen, einen unbeteiligten Krankenpfleger zu ermorden, Patienten zu gefährden und sich mit der Polizei auf einen Schußwechsel einzulassen, auf daß die den eigenen geplanten Tod exekutiere.

BILD weiß Bescheid. BILD ordnet ein. Der Mann ist die Bestie und die Frau das traumatisierte Opfer.

In welcher Welt lebt eine feministische Kolumnistin wie Silke Burmester? Na, in dieser:

Liebe Herren, keine Angst vor den 30 Prozent! Damit Sie die Umstellung nicht merken, kommen auch weiterhin natürlich nur attraktive Sahneschnitten.

Silke Burmester, freie Journalistin

http://www.pro-quote.de/unterzeichnerinnen/silke-burmester/

Wer Männer für hormongesteuerte Trottel hält, die nicht mitbekommen, daß ihre Sexobjekte die Macht an sich gerissen haben, muß schon ein finsteres Männerbild haben. Wie die BILD eben. Daher ist es vollkommen unverständlich, daß sie Kristina Schröder das hier zuruft:

Familienministerin Schröder

Die Feindin aller Frauen

[…]

Und jetzt Ihr Buch! Ein Buch, in dem Sie eine Emanzipationswut anprangern, die seit 20 Jahren nicht mehr existent ist. Ein Buch, in dem Sie sich vor einem „Weltanschauungsfeminismus“ fürchten, der Männer verteufelt, der aber mit dem Aufgehen von Alice Schwarzer als „Bild“-Maskottchen und als Ratetante im Fernsehen untergegangen ist und den außer Ihnen niemand mehr sieht.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,828803,00.html

Diese Hybris! ›Feindin aller Frauen‹! Als ob Frau Burmester, die noch was werden will, für alle Frauen spräche. Vieleicht machen ihr die zahlreichen kritischen Kommentare klar, daß sie auf dem falschen Dampfer ist.

Denn umgekehrt wird ein Schuh daraus. Sie selbst erkennt ihre eigene Männer-Verteufelung nicht einmal. Und verkennt, daß die Saat der Schwarzerschen Männer-Verteufelung zur giftigen Sumpfblüte aufgegangen ist, die fest im Ur-Schlamm der wohlfeilen populistischen Empörung von Springers Gnaden wurzelt. Rate-Tante ist Schwarzer schon seit längerem nicht mehr, dafür aber Talkshow-Tante, zumindestens in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Und sie hat mehr Nachfolgerinnen, als Burmester ahnt, die in der heutigen Feministinnen-Szene wohl nur harmlose akademische Gender-Forscherinnen, konziliante Alpha-Mädchen und die intellektuelle F-Klasse am Werke sieht. Da sollte sie sich mal in einschlägigen Blogs und Foren kundig machen, damit sie mitkriegt, wieviel Haß und Erbitterung gegen den Mann dort wüten.

Gestern sinnierte ein Mann darüber, wie man denn eine emanzipierte Männlichkeit definieren könnte.

Diesen Beitrag kommentierte als erste eine Frau. Und zwar so:

Worin genau besteht denn nun der Unterschied zwischen Mann und Frau, den man unbedingt anerkennen muss?

Warum könntest Du keine Frau sein, was an “der Art zu leben” missfällt Dir so?

M.A.n. gibt es viel zuwenig Männer, die sich von (Kinderficker-)Sextouristen oder Freiern allgemein abgrenzen, viel zu wenig Männer, die ihr Unverständnis gegenüber staatlich-legitimierten Soldaten oder den (Miniatur-)Breiviks dieser Welt zum Ausdruck bringen, viel zu wenig Männer, die sagen, dass sie froh sind, dass ein Typ wie DSK einen Machtverlust hinnehmen musste.

Umfasst Dein Konzept von Männlichkeit all diese Männer, oder blendest Du sie einfach aus?

Wozu braucht es ein Konzept von (frauenausschließender) Männlichkeit?
Was fehlt Dir denn bei der Idee, die man Menschlichkeit nennt?

http://allesevolution.wordpress.com/2012/04/24/der-emanzipierte-mann/?replytocom=35036#respond

Bevor diese Frau Vorstellungen eines Mannes über Männlichkeit überhaupt thematisiert, muß er sich erst einmal dafür entschuldigen, daß er sagt, daß er gern Mann ist, weil er als Frau nicht leben könne. Ich kenne keine Frau, die lieber als Mann leben würde (es sei denn, ER ist im falschen Körper geboren). Keine Frau würde, von wem auch immer, aufgefordert werden, sich von echten oder vermeintlichen weiblichen Untaten zu distanzieren, bevor sie sich über ihre Geschlechterrolle äußern darf. Und niemand würde es wagen, das Reden einer Frau über Weiblichkeit mit dem Argument zu delegitimieren, daß es Wichtigeres gebe, nämlich Menschlichkeit, die gegenüber der (männerausschließenden) Weiblichkeit nicht nur ein aliud , sondern etwas Höherrangiges sei.

Nein, der Haß gegen den Mann  an sich sitzt tief und ist hochaktuell. Es ist erfreulich, daß Kristina Schröder dagegen anschreibt. Sie beweist damit Mut. Die klassische Politikerin von der Leyen hat 2007 der CSU-Forderung nach dem Betreuungsgeld zugestimmt, und dieser Vorgabe und Merkels Machtwort (der gestaltende Politik am Arsch vorbeigeht, ihr geht es um bloßen Machterhalt, Überzeugungen hatte sie noch nie) folgt sie zähneknirschend, denn andernfalls wird sie entlassen. Mehr an Kompromissen wird sie nicht eingehen, und ihr Buch provoziert bewußt den blöden medialen Mainstream.

Als »BILD-Maskottchen« hat Alice Schwarzer ihre gefährlichste Wirkungsphase erreicht: den Anschluß des fundamental-feministischen Männerhasses (der nur einen Teilbereich der Frauenbewegung abdeckt) an ein gewissenloses journalistisches Milieu, in dem es um den Aufbau von Erregungspotentialen aus kommerziellen Gründen geht. Sandor Ragaly hat dieses Geschäftsprinzip in einem medienkritischen Aufsatz mit dem Titel:

Der Reiz, zu verachten – instrumenteller Moralismus als Medien-Stil

– Skizze eines aufsteigenden Medienproblems  –

sehr klar ausgeleuchtet. Hier ein kleiner Auszug:

M.E. kann man dabei, wie sicher öfters, von einer Mischung aus instrumentellem Moralismus verschiedener Akteure (auch auf politischer Seite), authentischer Kritik und Empörung sowie Mischphänomenen ausgehen – letztere etwa im Fall an sich wahrhafter Emotionen und Kritik, welche aber ins Über- und Hineinsteigern geraten durch den massiven Gleichklang moralisch überhitzter Debatten.

Der instrumentelle Moralismus von BILD jedenfalls lügt – denn er gibt nur vor, moralisch intendiert zu sein und so wirken zu wollen, während er doch nur Mittel zum Zweck (von Einfluss und Verkaufszahlen) ist. Und: Er wirkt vermutlich nicht nur politisch. Die aggressive Substanz sickert in die Gesellschaft ganz allgemein hinein. Auch die ständigen bösartigen Denk- und Handlungsmuster, wie sie in den Reality-”Dokus” bis zum Ekel vorgeführt werden und der Stil in den dezentral/schwarm-mäßig vorangetriebenen “Spontan-Kampagnen” u.a. der Medien (Wulff, Grass), all das beeinflusst – so meine These – nicht nur das Politiker-, sondern auch das allgemeine Menschen- und Weltbild in bestimmten Bevölkerungsteilen.

https://sandoragaly.wordpress.com/2012/04/23/der-reiz-zu-verachten-instrumenteller-moralismus-als-medien-stil/

BILD ist seit längerer Zeit weitaus mehr als ein Medium dumpfer Unterschichten, wie Silke Burmester zu glauben scheint. Politiker, die allesamt populistisch agieren, wenn’s drauf ankommt, beobachten genau, welchen Volkszorn BILD gerade befeuert – und reagieren entsprechend bis hin zu menschenrechtswidrigen Wegsperr-Aktivitäten, die allesamt Männer betreffen.

Update (25.4.2012) : Ich las, daß es auch drei Frauen gibt, gegen die Sicherungsverwahrung verhängt wurde, drei von rund 450 Betroffenen dieses atavistischen Verfahrens. Das wäre schon interessant, deren Gefährlichkeitsprognosen zu studieren.

Soeben durfte man bei Maischberger eine Gattenmörderin (Heimtücke, weil sie ihren schlafenden Mann mit 14 – 20 Messerstichen tötete) bewundern, die sich als Opfer eines Tyrannen präsentierte, um im entscheidenden Moment einen Affektdurchbruch zu erleiden, der ihr verminderte Schuldfähigkeit und damit nur zehn Jahre Haft statt lebenslänglich einbrachte. Selbstverständlich verließ sie den Mann nie, weil sie ihm hörig war. Und natürlich half ihr nie jemand, und natürlich verfolgte die Justiz ihren Mann nicht, obwohl er ihr in aller Öffentlichkeit mit einem Messer in den Hals stach. Solche Märchen dürfen heute unhinterfragt bei Maischberger verbreitet werden.

Wer diese Frau erlebt hat, mußte Angst vor ihrer noch immer vorhandenen Aggressivität kriegen. Als Vertreterin der Opferklasse war sie denkbar ungeeignet. Ihre Töchter hatten Glück, daß sie nach der Tat in anderen Verhältnissen aufwachsen durften.

http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/menschen-bei-maischberger/sendung/2012/gier-hass-eifersucht-100.html

Das Haustyrannenmord-Urteil des BGH hat dieser Verteidigungslinie die Stichworte vorgegeben, die sie allesamt beherzigte. Und daß mittlerweile alle Medien anschlußfähig an BILD sind, steigert das dumpfe Empörungs-Potential. Wulff, Grass, Kristina Schröder – alles eine Einheits-Sauce, die jegliche intellektuelle Redlichkeit vermissen läßt und nur auf den eines gekränkten Moralismus setzt. Es ist nun mal so in unserer schnellebigen Zeit, daß lediglich Skandale Klicks und Reichweite und Werbeeinnahmen generieren..

Was Alice Schwarzers Anti-Kachelmann-Kampagne in BILD besonders gefährlich macht, ist ihr Angriff auf den Rechtsstaat. Denn wer für eine vermeintliche Unschuldsvermutung zugunsten einer Anzeigenerstatterin (die keine Beschuldigte ist, sondern Zeugin, die nicht verfolgt wird und daher keiner Unschuldsvermutung bedarf) eintritt, negiert ein Fundament des Rechtsstaats: die Unschuldsvermutung eines Beschuldigten/Angeklagten, der nämlich plötzlich seine Unschuld zu beweisen hat – denn der Anzeigenerstatterin wird unterstellt, die Wahrheit gesagt zu haben.

Alle gesetzgeberischen Vorhaben zur Stärkung des Opferschutzes der letzten zehn Jahre gehen bereits von diesem Konzept aus. Das aufgrund eigener Behauptung konstruierte Opfer erhält staatsanwaltschaftsähnliche Befugnisse, die den aufklärerischen Impuls, persönliche Vergeltungsbedürfnisse einer rationalen Ebene zu überantworten, negieren. Und der Staat zahlt im Zweifel den ›Opferanwalt‹: Feminismus erschließt lukrative Geschäftsfelder. Der ›Weiße Ring‹ macht die Lobby-Arbeit, die Anwaltslobby sowieso, Parlamentarier nicken ab, Politiker profilieren sich mit ›Opferschutz‹, das macht sich immer gut. Es gibt allerdings echte und falsche Opfer, und die müssen erst geschieden werden. Unschuldsvermutung? Ach was. Beschuldigte haben keine Lobby, und zu Unrecht Verurteilte schon mal gar nicht.

Und auch in der justitiellen Praxis gilt die Opferanzeige einer Frau gegen einen Mann mehr als dessen bestreitende Einlassungen. Hierzu mehr in Teil II.