Der Fall Gustl Mollath: die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Rosenkrieg 1

 

Der Antrag des Verteidigers Gerhard Strate ist am 19.2.2013 gestellt worden und zielt aufs Ganze:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf

Denn er zeigt auf, daß die Verurteilung des Gustl Mollath auf zahlreichen Rechtsbrüchen des Vorsitzenden Richters am Landgericht Otto Brixner basiert, die in ihrer Summe und Zielrichtung (Freiheitsberaubung, vollständige Entrechtung des Angeklagten, Agieren in einem nicht existenten Sicherungsverfahren, das lediglich seiner Vorverurteilung entsprang, den gezielten Sachverhaltsverfälschungen im Urteilstext) einen elementaren Rechtsbruch sprich Rechtsbeugung bedeuten.

Daneben wurden neue Tatsachen (über den Nachbarn des Dr. Wörthmüller) wie der Revisionsbericht der HypoVereinsbank ins Feld geführt, die sowohl die Diagnose des Gutachters Dr. Leipziger für die ›Tatzeiten‹ 2001, 2002 wie auch Januar 2005 hinsichtlich der polizeilich auf Zuruf der im Lager der Ehefrau und ihres neuen Lebensgefährten von der Bad Bank HRE stehenden Kanzlei Dr. Woertge konstruierten Reifenstecherserie im Januar 2005 („Wahn“ oder gar „paranoide Schizophrenie“) als auch die angebliche Wahnerweiterung mit Blick auf Dr. Wörthmüller  ins zuständige Reich des Psychiater-Wahns verwies.

Nun also liegt auch der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg nebst Stellungnahme zum Antrag der Verteidigung (ab S. 256) vor.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf

Besser gesagt: was von diesem Antrag nach Bearbeitung durch den Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich und seiner Truppe übrig blieb. Ehrlich gesagt: den hätte jeder informierte Blogger auch schreiben können.

Rechtsbeugung gibt es im schönen Bayernland nicht, Ermittlungen in diese Richtung sind nie betrieben worden, und der HypoVereinsbankbericht hebelt nicht die Leipziger-Diagnose aus, denn die Bank hat ja nicht festgestellt, daß sie selbst wie die meisten Banken zwischen 1992 und 2000 Beihilfe zur Steuerhinterziehung ihrer Kunden via Schweizer Töchterbanken betrieben hat. An einer akribischen Aufklärung insoweit hätte sie doch Interesse haben müssen zu einem Zeitpunkt, als die Taten noch nicht verjährt waren! Sancta Simplicitas…

Immerhin, eine neue Tatsache ist der Revisionsbericht auch für die Staatsanwaltschaft dann doch, jedenfalls insoweit, als er die neue Tatsache der Aussage von Edward Braun über den Racheplan der Ehefrau bestätigt, sollte ihr Mann sie oder die Bank mit Schwarzgeldverschiebungsvorwürfen behelligen (was er ja zwischen August 2002 und Dezember 2002 ausgiebig tat). Woraufhin sie in Kenntnis des gegen sie eröffneten Verfahrens ab dem 2.1.2003 mit falschen Anschuldigungen wegen unerlaubten Waffensbesitzes zurückschlug.

Man muß von Glück reden, daß dieser Zeuge so spät in Erscheinung trat: denn das alles war ja schon in den Akten zu lesen, die Eberl und Brixner ausblendeten, weil sie offensichtlich zur gemeinschaftlichen Unterbringungs-Verurteilung (durch Vorbereitung und via Abgabe an das Landgericht) entschlossen waren. Insbesondere in der von der Politik gern als „wirr“ bezeichneten Verteidigungsschrift von Mollath stand ja schon fast alles…

Ja nun.

Die Politik in Gestalt des GStA hat es gewollt, daß dieser Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft zahnlos (nicht wirkungslos, er geht natürlich durch) wird. Ein fehlverurteilendes Gericht ist ja fein heraus, wenn es neue, ihm unbekannte Tatsachen sind, die zur Erkenntnis des Fehlurteils und damit Wiederaufnahme führen.

Blöd ist nur, daß es sich bei den neuen Tatsachen der Staatsanwaltschaft, soweit es um die Aussage von Edward Braun und den HypoVereinsbankbericht geht, um alte handelt. Die waren sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Ministerium schon Ende 2011 bekannt.

Die Anordnung eines Wiederaufnahmeantrags durch die Ministerin Merk erst ein Jahr später, im November 2012, wurde aber so begründet:

30. November 2012 12:11

Gustl Mollath

Merk will Fall Mollath komplett neu aufrollen

Gustl Mollath in der SWR-Sendung „Report Mainz“. Nun kommt nach SZ-Informationen wieder Bewegung in den Fall.

[…]

Von Olaf Przybilla

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) will den Fall des seit Jahren in der Psychiatrie untergebrachten Nürnbergers Gustl Mollath komplett neu aufrollen lassen. Merk habe am Freitag einen entsprechenden Antrag bei der Generalsstaatsanwaltschaft Nürnberg gestellt, bestätigte ein Ministeriumssprecher.

Anlass für den Schritt sind neue Hinweise auf mögliche Ungereimtheiten in dem Fall. Die Nürnberger Nachrichten berichteten am Freitag, dass die Anzeige Mollaths gegen seine Frau und weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank 2004 auch bei den Nürnberger Finanzbehörden landete, dort aber relativ schnell als „erledigt“ zu den Akten gelegt wurde. Grund dafür sei an Anruf aus der Justiz gewesen.

Unter Berufung auf Behördenkreise schrieb das Blatt, der Richter, der damals im Fall Mollath urteilte, habe selbst bei den Finanzbehörden angerufen und darauf hingewiesen, dass Mollath nicht klar bei Verstand sei. Zu dem Zeitpunkt gab es allerdings das psychiatrische Gutachten noch gar nicht, das Mollath später unter anderem ein „paranoides Gedankensystem“ und Gemeingefährlichkeit attestierte.

Der Ministeriumssprecher erklärte nun, womöglich sei der Richter befangen gewesen. Dies werde jetzt vom Landgericht Regensburg geprüft, das über die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mollath zu entscheiden hat.

http://www.sueddeutsche.de/bayern/gustl-mollath-merk-will-fall-mollath-komplett-neu-aufrollen-1.1537990

Steht in dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg irgendetwas zu diesem Telefonat Brixners mit der Steuerfahndung?

Wieso wurde dieser Anruf, der doch angeblich gar keine Bedeutung hat, bis zum 7.3.2013 durch die Politik eigentlich so heftig abgestritten?

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/03/06/der-fall-mollath-politische-eiertanze/

Natürlich stammen die bekanntgewordenen Vermerke über diese frühe Vorverurteilung Mollaths durch Brixner aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Regensburg, woher denn sonst? Die Ministerin hatte sie ja geradezu beauftragt, in diese Richtung zu ermitteln. Und nun wurde ihr durch den General verboten, diese Ermittlungsergebnisse einzubringen. Sie wurde gezwungen, in ihre Stellungnahme die tumben Ausführungen zu einer fehlenden Rechtsbeugung durch Richter Eberl der Staatsanwaltschaft Augsburg aufzunehmen und auch auf Brixner zu beziehen, die ich hier bereits als unsinnig analysiert hatte:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/02/28/der-fall-mollath-augsburg-die-blinde-justitia/

Noch seltsamer: Dr. Wörthmüller wurde am 11.3.2013 durch die Staatsanwaltschaft Regensburg nachvernommen. Aber die selektive Wiedergabe seiner Äußerungen im Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg bezieht sich nur auf das Gespräch mit seinem Nachbarn Roggenhofer.

Tatsächlich soll es aber einen viel brisanteren Gegenstand, nämlich einen letztlich erfolgreichen Einflußversuch Brixners auf die aktenunkundigen Schöffen, den Angeklagten Mollath ebenfalls für einen Verrückten zu halten, gehabt haben:

2013-03-07 Nürnberger Nachrichten (Michael Kasperowitsch):

(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):

Justiz überprüft auch die Rolle der Erlanger Klinik

Im Fall Mollath sind Fragen nach der Rolle von Chefarzt Wörthmüller aufgetaucht — Strafkammer „eingenordet“?
Im Psychiatrie-Fall Gustl Mollath rückt auch das Erlanger Klinikum am Europakanal des Bezirks Mittelfranken verstärkt ins Zentrum des Interesses der Justiz. Dort nahm der Weg des heute 56-jährigen Nürnbergers in die Zwangsunterbringung ihren Anfang. Sie dauert bisher sieben Jahre. Jetzt sind neue Fragen nach der Rolle des Erlanger Chefarztes Dr. Michael Wörthmüller aufgetaucht.

(…) Seit längerem ist bekannt, dass eine Ärztin des Klinikums in dem seit zehn Jahren laufenden Verfahren sehr frühzeitig Partei für die damalige Ehefrau Mollaths ergriffen hat. (…)

Die Erlanger Medizinerin hatte den Anwälten der seinerzeitigen Ehefrau Mollaths sehr früh, nämlich bereits 2003, ungefragt eine ungewöhnliche ärztliche Stellungnahme an die Hand gegeben. Darin steht, dass Gustl Mollath „mit großer Wahrscheinlichkeit“ an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Erkrankung leide. Von ihm könne sogar eine erneute Gefährlichkeit für andere ausgehen. Gesprochen hatte die Klinikärztin Mollath nie. [s. Chronos #32]

In den juristischen Verfahren ist die Medizinerin bisher auch nie gefragt worden, in welcher Beziehung sie zu dem Paar Mollath steht. Die Erlanger Ärztin stützte sich allein auf die Schilderungen der Frau und empfahl nur aufgrund deren Erzählungen dringend eine psychiatrische nervenärztliche Abklärung des Mannes.

Die sollte dann später auf gerichtliche Anordnung auch erfolgen. Beauftragt wurde damit ihr Kollege Dr. Michael Wörthmüller, Chefarzt der Erlanger Klinik für Forensische Psychiatrie. Mollath war damals sieben Tage in seiner Obhut.

Wörthmüller hat sich dann bekanntlich für befangen erklärt [s. Befangenheitserklärung], weil ein Nachbar, „mit dem ich freundschaftlich verbunden bin“, wie er dem Richter schrieb, ihn, den Arzt, „ausführlich über seine Sicht der Angelegenheit Mollath informierte“. Dieser Nachbar Wörthmüllers war auf das Engste mit den HypoVereinsbank-Kreisen verbunden, die Mollath schwer belastete.

Der Erlanger Klinikchef bot dem Gericht damals aus freien Stücken einen Bayreuther Kollegen als Gutachter an. Dieser stufte Mollath dann als krank und gefährlich ein.

Begegnung im Richterbüro

Jetzt haben gut informierte Justizkreise gegenüber unserer Zeitung von einer Begegnung Wörthmüllers mit dem Nürnberger Richter Otto Brixner berichtet, der Mollath mit seiner Entscheidung in die Psychiatrie brachte. Das Treffen war 2006, zwei Jahre nachdem Wörthmüller sich für befangen erklärt hatte.

Der Arzt soll, so schildern es diese Kreise in einer Verhandlungspause anscheinend beiläufig, in das Richterzimmer Brixners gekommen sein, und in Worten und Gesten deutlich zu verstehen gegeben haben, dass Mollath psychisch gestört sei. Brixner habe darauf zustimmend geantwortet und angemerkt, dem Angeklagten schaue der Wahnsinn aus den Augen. Stunden später sprach Brixner das folgenreiche Urteil. Man habe den Eindruck gewinnen können, die Mitglieder der Strafkammer sollten „eingenordet“ werden, sagen die Justizkreise.

Otto Brixner erklärte jetzt auf Anfrage, er könne sich nicht an eine solche, sieben Jahre zurückliegende Szene erinnern. Michael Wörthmüller gab gegenüber unserer Zeitung eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin versichert er, „nie das Gespräch mit einer der mit dem Hauptverfahren gegen Herrn Mollath befassten Personen gesucht“ zu haben. Weitere Auskünfte könne er momentan „leider“ nicht geben, da eine Befragung durch die Staatsanwaltschaft anstehe. „Von dortiger Seite wurde ich darum gebeten, mich nicht weiter vorab gegenüber der Presse zu äußern“. Wie berichtet, prüft die Staatsanwaltschaft Regensburg derzeit, ob sie in der Sache Mollath einen Wiederaufnahmeantrag stellt. (…)

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a38

Davon ist keine Rede im kastrierten Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg. Man fragt sich, wie die Ministerin Merk es aufgenommen hat, daß ihr Generalstaatsanwalt sie zur lächerlichen Figur gemacht hat, deren Behauptung, erst durch den Artikel der Nürnberger Nachrichten vom 29.11.2012 über ein Einwirken Brixners auf die Steuerfahndung eine Handhabe zur Überprüfung des Falls Mollaths gehabt zu haben, lederhosenhaft krachend widerlegt wird.

Ich hege absolut keinen Groll gegen die Staatsanwälte in Regensburg, die ersichtlich politisch auf der Ebene des Generals ausgebremst wurden und nun mit einem Wiederaufnahmeantrag leben müssen, der zwar erfolgreich sein wird, der aber nicht aufklärerisch ist. Ihnen wird ob der Stellungnahme zum Antrag der Verteidigung die Schamesröte im Gesicht stehen, und daß sie gezwungen wurden, sich dem Niveau einer Staatsanwältin als Gruppenleiterin Eisenbarth anzugleichen, wird ihnen ihre Gehaltsüberweisung als Schmerzensgeld vorkommen lassen.

In welchem Wolkenkuckucksheim sitzt eigentlich das Bundesverfassungsgericht?  Hier seine aktuelle Hymne auf die Rolle der Staatsanwaltschaft, die in keiner Weise mit der Realität in Deckung gebracht werden kann. By the way, es wurden mal wieder zwei bayerische Entscheidungen aufgehoben, die mal wieder ungeprüft vom 1. Strafsenat gedeckt worden waren – der hat dann auch sein besonderes Fett abbekommen: sein übliches Procedere, Rechtsverstöße ab und an zu erblicken, sie aber dann als unerheblich abzutun, weil das Urteil darauf nicht beruhe, was aus Bayern und Baden-Württemberg  den Wilden Westen mit lokalen Sherrifs machte, wurde explizit gerügt: fehlende  Rechtsbelehrungen beim Deal implizieren das Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsverstoß. Sagt das BVerfG.

Es ist wohl nicht leicht, gerade in Bayern Gerichte und Staatsanwaltschaften auf Recht und Gesetz zu verpflichten, wenn auf die Staatsanwaltschaften die politisch verpflichtete Generalstaatsanwaltschaft einwirkt und die vom Ministerium direkt zum Vorsitzenden Richter eines Landgerichts beförderten Richter durch den 1. Strafsenat des BGH in keiner Weise kontrolliert werden.

So stellt sich das Bundesverfassungsgericht die Staatsanwaltschaft vor:

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten.

92

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden.

93

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer – wenngleich eingeschränkten – Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft – entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) – sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die – beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt – auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen.

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20130319_2bvr262810.html

Träume weiter, liebes Verfassungsgericht. So war es bis vor zehn Jahren vielleicht, so kenne ich es jedenfalls noch. Seitdem allerdings dienen die Staatsanwaltschaften der Politik, was bedeutet, daß Zuschlagen und Law and Order vor Ermittlungen und Wahrheitsfindung geht. Sie ist zur Partei geworden und zur medialen Vernichtungsmacht.  Ihr geht es nicht um Einhaltung von Gesetzen oder um Erforschung der Wahrheit, sondern um Siege, die sich die jeweilige Justizministerin (in diesem Bereich müßte man langsam eine Männerquote einrichten, zumal der weibliche Opferschutz die Fehlurteilsquote gegen Männer hochtreibt, wie auch im Fall Mollath) medial zuschreibt.

Rechtsanwalt Strate findet öffentlich diplomatische Worte, weiß er doch, daß die Regensburger Staatsanwälte nichts dafür können, daß ihnen die Generalstaatsanwaltschaft den Intellekt  und die Moral abgesprochen hat, die sie tatsächlich haben:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Presseerklaerung-2013-03-22.pdf

Diese Sätze in der Presseerklärung lassen allerdings darauf schließen, daß die Politik nicht das letzte Wort haben wird:

Die Überprüfung im Probationsverfahren, bis zu dessen Abschluss die Staatsanwaltschaft einer Stellungnahme zu den Rechtsbeugungsvorwürfen sich enthalten will, wird allerdings ergeben, dass diese Rechtsbeugungsvorwürfe begründet sind. Die Beweise finden sich schon heute in den Akten.

195 Gedanken zu „Der Fall Gustl Mollath: die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens

  1. „Aktenzeichen: III-4 Ws 379/12 OLG Hamm
    Leitsatz: Eine wegen räuberischen Diebstahls, sexuellen Mißbrauchs eines Kindes sowie versuchten sexuellen Mißbrauchs eines Kindes – neben einer verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren – angeordneten Unterbringung gem. § 63 StGB ist trotz fortbestehender Rückfallgefahr wegen fehlender Verhältsnismäßigkeit für erledigt zu erklären, wenn die Unterbringung bereits mehr als 24 Jahre andauert und die verbleibende Rückfallgefahr durch Auflagen und Weisungen im Rahmen der Führungs- und Bewährungsaufsicht gemindert werden kann, so dass mit der Entlassung ein vertretbares Risiko eingegangen wird.“

    Der derart unverhältnismäßig lange untergebrachte Täter hatte wie Ulvi Kulac in früheren Zeiten eine Kopfverletzung mit bleibenden Schäden erlitten – und stammt aus einer Familie mit Migrationshintergrund: http://www.burhoff.de/insert/?/asp_beschluesse/beschluesseinhalte/1431.htm (Besonders gewalttätig scheint er nach dem Urteil nicht gewesen zu sein.)

  2. @ Oliver García

    Vielen Dank für die Antwort!
    Über die Frage der Gefährlichkeitsprognose hatte ich zu wenig nachgedacht.
    Das ist wirklich seltsam.
    Hoffen wir also, daß wir Kröbers Gutachten (und die anderen) noch zu lesen bekommen.

    • Die Bundesjustizministerin (FDP-Politikerin) sagte Nov. 2012 der „Passauer Neuen Presse“ (Freitagausgabe):
      „Der ‚Fall Mollath‘ darf in die Rechtsgeschichte nicht als Justizskandal eingehen.“
      Daran hält sich die Staatsanwaltschaft Augsburg und weitere.

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