Grass-Gedicht: Gefährdet die Atommacht Israel den Frieden? Ein Faktencheck

Immerhin, in Schweden hat man die Nerven behalten, und das ist ja keine Kleinigkeit in Zeiten der medialen Hocherregung:

Günter Grass

Posted by Peter Englund under Nobelpriset, då och nu

Unter Bezugnahme auf die jüngste Debatte über Günter Grass‘ Gedicht „Was gesagt werden muβ“ erlaube ich mir festzustellen, daβ Herr Grass den Nobelpreis für Literatur des Jahres 1999 aufgrund literarischer Verdienste, und ausschlieβlich aufgrund literarischer Verdienste, erhalten hat – was, nebenbei gesagt, für alle Preisträger gilt. Die Schwedische Akademie sieht heute wie zukünftig keinen Anlaβ für eine Diskussion, ihm diesen Preis in irgendeiner Weise streitig zu machen.

Peter Englund
Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie

http://akademiblogg.wordpress.com/

Das Lesen von Gedichten scheint eine Schwerarbeit zu sein, der sich Journalisten, Politiker und Adabei-Profiteure der medialen Aufmerksamkeit nur ungern unterziehen. So heißt es allzuoft, Günter Grass habe der israelischen Regierung unterstellt, einen atomaren Erstschlag gegen den Iran zu planen. Er habe zudem unterstellt, die Regierung wolle die Auslöschung des iranischen Volks. Beides ist falsch, wie eigentlich ganz leicht nachzulesen ist:

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

Die Art und Weise des Erstschlags wird nicht konkretisiert, und aus dem konjunktivischen ›könnte‹, das auf die möglichen Konsequenzen eines heillos eskalierenden Militärschlags gegen iranische Atomanlagen verweist, wird mutwillig ein entsprechender Wunsch der israelischen Regierung gebastelt. Das ist intellektuell unredlich – aber mit Intellekt hat die allseitige Schmähkampagne gegen Günter Grass ja auch nichts zu tun.

Weitere öffentliche Vorwürfe knüpfen sich an diese Zeilen:

Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

Grass mache das Opfer zum Täter, heißt es. Iran sei der Aggressor, die Drohungen Ahmadinejads, Israel von der Landkarte zu wischen, seien mehr als bloßes Maulheldentum, Grass verkenne die wahre Situation, er spreche Israel das Recht auf Selbstverteidigung ab, ja, er bestreite geradezu das Existenzrecht Israels.

Solchen Anwürfen kann man nur mit einem Faktencheck begegnen.

Es fängt schon damit an, daß der auch im Jahr 2012 noch immer kolportierte Ausspruch des iranischen Präsidenten aus dem Jahr 2005 spätestens im Jahr 2008 als falsche Übersetzung westlicher Pressedienste entlarvt worden ist:

Umstrittenes Zitat von Ahmadinedschad

Der iranische Schlüsselsatz

26.03.2008, 19:21

Von Katajun Amirpur

Kein Satz wird so häufig mit dem amtierenden Präsidenten Irans, Mahmud Ahmadinedschad, assoziiert wie dieser: Israel muss von der Landkarte radiert werden. Das Problem ist nur – er hat diesen Satz nie gesagt.

[…]

Was also ist passiert? Am 26.10.2005 sprach Ahmadinedschad auf einer Konferenz, die unter dem Motto stand „Die Welt ohne Zionismus“. Es waren im Wesentlichen die großen westlichen Nachrichtenagenturen, die die Übersetzung dieser Passage lieferten: Israel von der Landkarte radieren (AFP), Israel von der Landkarte tilgen (AP, Reuters), Israel ausrotten (DPA). Ahmadinedschad sagte jedoch wörtlich: „in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.“

Das bedeutet: „Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden.“ Oder, weniger blumig ausgedrückt: „Das Besatzerregime muss Geschichte werden.“ Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden.

[…]

http://www.sueddeutsche.de/kultur/umstrittenes-zitat-von-ahmadinedschad-der-iranische-schluesselsatz-1.287333

Nun, die Besetzung von Ost-Jerusalem ist völkerrechtswidrig und muß tatsächlich beendet werden. Und die Forderung nach einem Verschwinden des zionistischen Regimes entspricht auf der Gegenseite der Forderung nach einem Verschwinden des Mullah-Regimes – in beiden Fällen wird nicht zur Vernichtung eines ganzen Volkes aufgerufen. Im übrigen: Bramabarsieren gehört zum innenpolitischen Handwerkszeug, und man sollte auf keiner der beiden Seiten Worte auf die Goldwaage legen. Auch den Ministern Jischai und Lieberman ist herabsetzende Polemik nicht fremd:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,675247,00.html

http://zmag.de/artikel/avigdor-lieberman-schande-israels

Wie ernst ist die Gefahr eines israelischen Erstschlags gegen die Atomanlagen im Iran?

Glaubt man Anshel Pfeffer, der bei der ›Haaretz‹ den ›the-axis-haaretz-iran-blog‹ betreibt, hat Netanjahu Anfang März gegenüber Obama abgelehnt, mit dem Militärschlag bis nach den amerikanischen Wahlen im November 2012 zu warten, sondern lediglich versprochen, bis zum Herbst dieses Jahres abzuwarten, so daß der Angriff in die letzte Zeit des Wahlkampfs des amerikanischen Präsidenten fallen und diesen unter Druck setzen würde. So könnte Israel Konzessionen der USA gegen das Versprechen erzielen, den riskanten Militärschlag zu unterlassen.

Pfeffer bezieht sich dabei auf einen Artikel der israelischen Zeitung Maariv vom 10.4.2012, der sich auf amerikanische Offizielle beruft:

  • Published 15:27 10.04.12
  • Latest update 15:27 10.04.12

Small window of opportunity for a strike on Iran

If recent reports of a Netanyahu promise to postpone an attack on Iran until the fall are true, a possible strike would correspond with the pivotal weeks just before the American presidential election.

By Anshel Pfeffer

[…]

Since most military analysts believe that Israel would almost certainly prefer to carry out a complex and difficult long-range attack on Iran in a period when the skies above the target are cloudless, that either means Israel has agreed to postpone the potential strike for at least another eleven months or that the window of opportunity is open now for September or October. In other words, during the crucial final stages of the American presidential elections campaign.

This seems to be the fear of Maariv’s un-named administration sources, complaining that „Netanyahu refused to commit that Israel would not attack Iran before the elections in November 2012 and agreed to wait with a military operation only until the fall.“

According to the paper, Netanyahu’s reasoning is that „after fall, the Iranian nuclear installations will be in ‚the immunity zone‘ from an Israeli strike and Israel will lose its independence to decide on military action.“

We have no way of verifying this report but it does tally with what Barack Obama said two months ago – „I don’t think that Israel has made a decision on what they need to do.“ And of course, it fits in with Netanyahu’s tendency to play the internal American political arena.

Announcing that Israel may decide to attack Iran at the worst possible political timing puts pressure on Obama, and could potentially lead to some valuable American concessions to Israel, in exchange for an eventual commitment not to strike.

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Pfeffer weist auch auf diesen Artikel in der Washington Post vom 8.4.2012 hin, der auf ein gezieltes Leak von Geheimdiensten und Regierungsoffiziellen in Richtung Israel und Iran hindeute: Israel solle damit beruhigt werden, daß die USA wegen ihrer hervorragenden Aufklärung durch Drohnen und Abhörmaßnahmen genau darüber im Bild seien, ob und wann der Iran heimlich ein Atomwaffen-Programm beginne, und der Iran solle gewarnt werden, daß die USA wüßten, was er im Schilde führe:

Meanwhile, a comprehensive report in Sunday’s Washington Post on America’s intelligence operations within and regarding Iran seems to be intended, at least partly, to allay Israeli fears that a lack of accurate intelligence could allow Iran to quietly slip into the nuclear realm, as North Korea did in October 2006 when it shocked the world with its first nuclear test. It would seem that the report is directed at Iran to warn them that „we know what you are up to.“

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Aus dem entsprechenden Artikel der Washington Post ergibt sich allerdings auch, daß der Iran überhaupt kein Atomwaffen-Programm betreibt. Seit Jahrzehnten wurde also ein großer Popanz aufgebaut:

U.S. intelligence gains in Iran seen as boost to confidence

By Joby Warrick and Greg Miller, Published: April 8

More than three years ago, the CIA dispatched a stealth surveillance drone into the skies over Iran.

The bat-winged aircraft penetrated more than 600 miles inside the country, captured images of Iran’s secret nuclear facility at Qom and then flew home. All the while, analysts at the CIA and other agencies watched carefully for any sign that the craft, dubbed the RQ-170 Sentinel, had been detected by Tehran’s air defenses on its maiden voyage.

[…]

U.S. officials say Iran’s leaders are gathering the materials for a nuclear bomb but have not decided to build one. If they do, they’l have to overcome technical hurdles and risk having their work discovered by outsiders. Here are steps Iran might follow to make its first weapon.

“There was never even a ripple,” said a former senior U.S. intelligence official involved in the previously undisclosed mission.

CIA stealth drones scoured dozens of sites throughout Iran, making hundreds of passes over suspicious facilities, before a version of the RQ-170 crashed inside Iran’s borders in December. The surveillance has been part of what current and former U.S. officials describe as an intelligence surge that is aimed at Iran’s nuclear program and that has been gaining momentum since the final years of George W. Bush’s administration.

http://www.wpost.com/world/national-security/us-sees-intelligence-surge-as-boost-to-confidence/2012/04/07/gIQAlCha2S_story.html

Da sind wir also, wie vor dem Irak-Krieg, in die Irre geführt wurden: die USA wußten schon seit Jahren, daß der Iran keine Atomwaffen baut. Diese Desinformationspolitik wundert einen nicht: Iran war, nach dem Irak, der nächste Schurkenstaaat auf Bush’s Agenda. Daß jetzt offenbar wird, daß an dem Verdacht nichts dran war, hat natürlich mit der Gefahr zu tun, die Netanjahus Ankündigung eines Erstschlags auslöst:

The Obama administration has cited new intelligence reports in arguing against a preemptive military strike by Israel against Iranian nuclear facilities.

Israeli officials have pushed for a more aggressive response to Iran’s nuclear activities, arguing that Iran is nearing what some officials have called a “zone of immunity,” in which Iran can quickly complete the final steps toward becoming a nuclear power inside heavily fortified bunkers protected from Israeli airstrikes.

White House officials contend that Iran’s leaders have not decided to build a nuclear weapon, and they say it would take Iran at least a year to do so if it were to launch a crash program now.

“Even in the absolute worst case — six months — there is time for the president to have options,” said the senior U.S. official, one of seven current or former advisers on security policy who agreed to discuss U.S. options on Iran on the condition of anonymity.

http://www.wpost.com/world/national-security/us-sees-intelligence-surge-as-boost-to-confidence/2012/04/07/gIQAlCha2S_story.html

Israel ist auch für die USA aus dem Ruder gelaufen: also wird jetzt offenbart, daß der Iran ab jetzt noch ein Jahr bis zur Waffenentwicklung brauchen würde, wenn er sich denn wenigstens jetzt zu einen solchem Programm entschlösse. Netanjahu geht allerdings von einem halben Jahr aus – daher die Ankündigung eines Abwartens nur bis September/Oktober.

Für das Maulheldentum iranischer Regierungskreise gibt es übrigens auch hier ein instruktives Beispiel: nachdem vor vier Monaten eine den Iran beobachtende US-Drohne abgestürzt war, berühmte sich der Iran, er habe die Kontrolle über die Drohne übernommen und sie gezielt landen lassen. Komplett ausgeschlossen, sagt ein israelischer Drohnen-Spezialist:

On the tail of the long report, there was a very interesting detail – that despite the capture of one of the U.S.’s ultra-secret RQ-170 surveillance drones that fell in Iran four months ago and was displayed on Iranian television, the „Beast of Kandahar“ is still silently overflying Iran, escaping radar detection.

At the time, the Iranians claimed that they had managed to penetrate the drone’s control system, take it over and land it. I recently asked one of Israel Air Force’s veteran drone experts if this was at all possible and he said that „it is virtually impossible. As humiliating as that was for the Americans, losing control of an unmanned plane, especially when it is on a long-range mission, far away from any of your bases, is not a rare occurrence.“

http://www.haaretz.com/blogs/the-axis-haaretz-iran-blog/small-window-of-opportunity-for-a-strike-on-iran-1.423573

Wer also gefährdet aktuell den Weltfrieden: Israel oder Iran?

Und wie gefährlich ist die Atommacht Israel?

In einer Rezension der Neuausgabe von David Hirst’s Buch: ›The Gun and the Olive Branch‹ zitierte THE OBSERVER am 21.9.2003 den berühmten israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld. Aus anderen Quellen ist bekannt, daß es sich hierbei um ein Interview im niederländischen Wochenmagazin Elsevier, 2002, no. 17, p. 52-53 (April 27th, 2002) handelt, also zur Hochzeit der zweiten Intifada:

http://en.wikipedia.org/wiki/Martin_van_Creveld

In dieser Situation schätzte er die Bevölkerung und Ariel Sharon so ein, daß beide zum Eskalations-Mittel einer ‚Überführung’ (sprich Ausweisung) der Palästinenser greifen würden. Auf die Frage, ob die Welt eine solche ethnische Säuberung erlauben würde, sagte er: »Das kommt darauf an, wer es tut und wie schnell es passiert. Wir verfügen über hundert atomare Sprengköpfe und können sie gegen Ziele in alle Richtungen, vielleicht sogar nach Rom, schießen. Die meisten europäischen Hauptstädte sind Ziele für unsere Luftwaffe. Lassen Sie mich General Moshe Dayan zitieren: „Israel muß wie ein tollwütiger Hund sein, zu gefährlich, als daß man sich mit ihm anlegt.“ Für mich ist das alles jetzt hoffnungslos. Wir müßten versuchen, zu verhindern, daß es dazu kommt, soweit das möglich ist. Unsere Armee ist jedenfalls nicht die dreißig-stärkste in der Welt, sondern eher die zweit- oder drittstärkste. Wir haben die Fähigkeit, die Welt mit in den Untergang zu reißen. Und ich kann Ihnen versichern, daß das passiert, bevor Israel untergeht.«

Tilman Krause würde wohl wieder von typischer Nazi-Untergangsmetaphork sprechen, wenn er sich denn mal mit den Realien beschäftigen würde:

The war game

David Hirst’s account of the Arab-Israeli conflict, The Gun and the Olive Branch, caused a storm 25 years ago. In this edited extract from his new and updated edition he offers a personal and highly controversial view of the current crisis in the Middle East

[…]

Iran can never be threatened in its very existence. Israel can. Indeed, such a threat could even grow out of the current intifada. That, at least, is the pessimistic opinion of Martin van Creveld, professor of military history at the Hebrew University in Jerusalem. ‚If it went on much longer,‘ he said, ‚the Israeli government [would] lose control of the people. In campaigns like this, the anti-terror forces lose, because they don’t win, and the rebels win by not losing. I regard a total Israeli defeat as unavoidable. That will mean the collapse of the Israeli state and society. We’ll destroy ourselves.‘

In this situation, he went on, more and more Israelis were coming to regard the ‚transfer‘ of the Palestinians as the only salvation; resort to it was growing ‚more probable‘ with each passing day. Sharon ‚wants to escalate the conflict and knows that nothing else will succeed‘.

But would the world permit such ethnic cleansing? ‚That depends on who does it and how quickly it happens. We possess several hundred atomic warheads and rockets and can launch them at targets in all directions, perhaps even at Rome. Most European capitals are targets for our air force. Let me quote General Moshe Dayan: „Israel must be like a mad dog, too dangerous to bother.“ I consider it all hopeless at this point. We shall have to try to prevent things from coming to that, if at all possible. Our armed forces, however, are not the thirtieth strongest in the world, but rather the second or third. We have the capability to take the world down with us. And I can assure you that that will happen before Israel goes under.‘

http://www.guardian.co.uk/world/2003/sep/21/israelandthepalestinians.bookextracts

Es ging noch einmal gut: aber daß diese Phantasien bei Regierungen bestehen und sie auch noch die Mittel dazu haben, sie umzusetzen, sollte ausreichen, um eine kritische Haltung gegenüber dem einzunehmen, was jetzt gerade geschieht.

Bereits im April 2006 warnte Martin van Creveld Israel davor, den Iran anzugreifen. Unter den gegebenen Machtverhältnissen stelle ein nuklear bewaffneter Iran keine Bedrohung für die USA dar und, allen Brandreden Ahmadinejads zum Trotz, nicht einmal für Israel. Israel habe schon seit langem ausreichendes Abschreckungspotential.

»Sollte die Abschreckung versagen, kann Jerusalem Teheran schnell in eine radioaktive Wüste verwandeln – ein Fakt, dessen sich die Iraner voll bewußt sind.«

Und er weist schon 2006 darauf hin, daß den Geheimdiensten der Bush-Administration nicht zu trauen ist, was die angebliche Nuklear-Rüstung Irans angeht. Seit fünfzehn Jahren erzählen sie, daß der Iran in drei oder fünf Jahren die Bombe haben werde.

»Wenn ihre vergangenen Leistungen überhaupt etwas belegen, dann das, daß die Geheimdienste nicht einmal wissen dürften, wie sie es sagen sollen, ob sie genug über iranische Kernkraftanlagen wissen – oder ob sie ihre Vorgesetzten anlügen oder nicht oder ob sie sich selbst belügen. Jeder, der ihnen auch nur ein Wort glaubt – geschweige denn die ›Information‹, die sie bereitstellen, als Basis einer Entscheidungsfindung benutzt – muß von Sinnen sein.«

Knowing Why Not To Bomb Iran Is Half the Battle

By Martin Van Creveld

Published April 21, 2006, issue of April 21, 2006.

Given the balance of forces, it cannot be argued that a nuclear Iran will threaten the United States. Iranian President Mahmoud Ahmadinejad’s fulminations to the contrary, the Islamic Republic will not even be a threat to Israel. The latter has long had what it needs to deter an Iranian attack.

Should deterrence fail, Jerusalem can quickly turn Tehran into a radioactive desert — a fact of which Iranians are fully aware. Iran’s other neighbors, such as Russia, Pakistan and India, can look after themselves. As it is, they seem much less alarmed by developments in Iran than they do by those thousands of miles away in Washington.

The main countries to feel the impact of a nuclear Iran will surely be those of the Persian Gulf. This is not because Tehran is likely to drop a bomb on Kuwait or the United Arab Emirates; rather, the Iranian regime may feel less constrained in dealing with its neighbors across the Gulf.

[…]

Last but not least, before deciding to bomb Iran’s nuclear installations the Bush administration must seriously question whether the intelligence on which its decision is based is reliable. Those of us who have followed reports on the development of Iran’s nuclear program know that the warnings from American and other intelligence agencies about Tehran building a bomb in three and five years have been made again and again — for more than 15 years.

For 15 years, the intelligence agencies have been proven dead wrong. And to this gross exaggeration of Iran’s true intentions and capabilities must be added the fairy tales the same intelligence agencies have been feeding the world regarding Saddam Hussein’s alleged weapons of mass destruction.

The Central Intelligence Agency, Defense Intelligence Agency, National Security Agency and the rest of the American intelligence community may know where Iran’s nuclear installations are located. Or they may not. They may know how those installations are inter-connected, which ones are the most important, and how they can be hit and destroyed. Or they may not.

If their past record is any indication, the intelligence agencies may not even know how to tell whether they know enough about Iran’s nuclear installations — or whether or not they are lying to their superiors, or to themselves. Anybody who believes one word they are saying — let alone uses the “information” they provide as a basis for decision-making — must be out of his or her mind.
Read more: http://www.forward.com/articles/1254/knowing-why-not-to-bomb-iran-is-half-the-battle/#ixzz1rdpFwCY2

Ganz aktuell, am 14.3.2012, empfahl van Creveld seinem Land dringlich, sich um Syrien zu kümmern, aber den Iran in Ruhe zu lassen. Irans Nuklear-Programm sei durch Bomben nicht zu stoppen – und andererseits würde eine atomare Bewaffnung des Iran Stabilität für die Region bedeuten, wie es der Kalte Krieg in Europa gezeigt habe. Wörtlich sagt er das, was Günter Grass auch sagt:

»In diesem Licht ist die wahre Bedrohung nicht Irans Verfolgung einer Nuklearbewaffnung, sondern Israels Versuche, sie aufzuhalten.«

»Die meisten geistig gesunden Menschen – eingeschlossen die in Israel – verstehen, daß ein unprovozierter israelischer Angriff auf den Iran katastrophale Auswirkungen haben könnte. Er würde die Bewegung des Arabischen Frühlings in eine entschiedene anti-westliche Richtung befördern, die Islamisten und die Säkularisten in erneutem verstärkten Haß gegen Israel vereinen und eine Serie von terroristischen Attentaten sowohl in Israel als auch auf westliche Einrichtungen in arabischen Ländern mit schiitischer Bevölkerung hervorrufen.

Das virtuelle Armageddon zu erkennen, das einem schlecht entworfenen Angriff des Irans folgen könnte hat nichts mit Appeasement-Politik zu tun. Es ist die schlichte Wahrnehmung der Realität, daß Israel und der Westen wenig vom Iran zu befürchten haben – selbst von einem Iran mit limitierter nuklearer Kapazität nicht.«

Martin van Creveld, Jason Pack

Mar. 14, 2012

Hands On Syria, Hands Off Iran

CAMBRIDGE – Israel is daily ratcheting up its threats to attack Iran over its nuclear program. Unfortunately, these threats have come to overshadow more pressing events in Syria, which is the epicenter of a regional crisis that will determine the future of the Arab Spring, as well as Iran’s role in the Middle East.

[…]

The Israeli government has vastly exaggerated the threat that a nuclear Iran poses to its security, as well as Israel’s capacity to halt it. Disabling the Iranian nuclear program by aerial bombardment is probably impossible, owing to its size and dispersion, a lack of actionable intelligence, and, above all, the fact that the element of surprise has long been lost. Iran’s acquisition of the bomb, on the other hand, could bring increased stability to the region, as the doctrine of Mutual Assured Destruction demonstrated in the Cold War between the United States and the Soviet Union.

Understood in this light, the real threat is not Iran’s pursuit of a nuclear weapon, but Israel’s attempts to halt it, which would surely incur Iranian retaliation through blockade of the Strait of Hormuz – sending oil prices soaring to more than $200 a barrel and driving the world’s major economies into sustained free-fall. In fact, despite the faux solidarity that US President Barack Obama expressed to the American Israel Public Affairs Committee in early March, Israel’s saber-rattling appears to be galvanizing an American modus vivendi with Iran in order to avert an Israeli attack.

This reading of events is amplified by British Prime Minister David Cameron’s statements during his recent US visit. The subtext is that Cameron and Obama have closed ranks in identifying Israeli Prime Minister Binyamin Netanyahu, and not the ayatollahs, as the primary wildcard. Netanyahu threatens to upend Obama’s carefully constructed international consensus concerning sanctions and containment of Iran – a consensus that averts regional mayhem.

Most sane people – including in Israel – grasp that an unprovoked Israeli attack on Iran could have catastrophic consequences. It would push the Arab Spring movements in a decidedly anti-Western direction, unify Islamists and secularists in a reinvigorated hatred of Israel, and provoke a spate of terror attacks both inside Israel and on Western interests in Arab countries with Shia populations.

Acknowledging the virtual Armageddon that could follow from an ill-conceived attack on Iran is not appeasement. It is simply recognition of the reality that Israel and the West have little to fear from Iran – even an Iran with limited nuclear capacity.

http://www.project-syndicate.org/online-commentary/hands-on-syria–hands-off-iran

So hat es schon im November 2011 Shimon Stein gesehen:

Atomstreit mit Iran

Mit der Bombe leben

  • Shimon Stein
  • Datum 20.11.2011 – 19:46 Uhr

Sollte die iranische Bedrohung, wie zahlreiche israelische Politiker sie beschreiben, existenzieller Natur sein, dann muss man einen militärischen Eingriff mit allen damit verbundenen Nachteilen ernsthaft in Erwägung ziehen.

Ich bin nicht der Auffassung, dass die Bedrohung existenziell ist. Daher glaube ich, dass wir uns völlig anders mit dem Problem auseinandersetzen müssen. In einem Punkt bin ich mir sicher: Die Folgen eines militärischen Alleingangs Israels hätten unvorstellbare Konsequenzen für unser Land. Daher sollte von der militärischen Option Abstand genommen werden.

[…]

Die zweite Option besteht darin, zu lernen, mit der Bombe zu leben. Wenn ein Staat entschlossen ist, nukleare Waffen zu besitzen, wird es ihm über kurz oder lang auch gelingen (siehe Pakistan). Man kann das iranische Programm militärisch nicht ein für alle Mal ausschalten. Aber sollte man sich deshalb darauf einstellen, regelmäßig aufs Neue militärisch vorzugehen?

Mit der iranischen Bombe zu leben würde für Israel, die Region und den Westen einen Paradigmenwechsel bedeuten. Israel würde sich einige grundsätzliche Fragen bezüglich seiner zukünftigen Abschreckungsstrategie stellen und Antworten darauf finden müssen, wie es sich auf die neue Lage einstellt. Ebenso müssten die USA und die Nato überlegen, welche Strategie sie dann in der Region verfolgen wollen. Die Anpassung würde nicht leicht sein. Hoffen wir deshalb, dass die Vernunft obsiegt und die Welt es schafft, Iran endlich unmissverständlich den Ernst der Lage klarzumachen.

http://www.zeit.de/2011/47/P-Israel-Iran/seite-2

Warum ist es so schwierig, sich von einem überholten Konzept der militärischen Überlegenheit zu verabschieden, wenn sich ein Gleichgewicht des Schreckens doch wesentlich stabilisierender auswirkt?

Grass hat mit seinem Gedicht die wahre Sachlage erfaßt – und viele scheinen es ja geflissentlich übersehen zu haben, daß sein Hauptgegner die deutsche Politik ist.

Da gesteht der Verteidigungsminister gegenüber BILD, daß er seinem israelischen Kollegen von einem Angriff auf den Iran wegen der nicht beherrschbaren Konsequenzen abgeraten habe.

Warum stellt er sich nicht vor das Parlament und erklärt, welche Planspiele in seinem Haus und beim BND zu diesem Szenario durchgeführt wurden? Wieso gibt er nicht bekannt, wie die militärischen Optionen Deutschlands im Kriegsfall aussehen? Und warum begründet er nicht, wie er den Rechtsbruch verantwortet, Waffen in ein Spannungsgebiet zu verkaufen und die Lieferung auch noch mit 135 Mio. Euro zu subventionieren, auf daß die deutsche Rüstungsindustrie gedeihe?

Warum schreibt Westerwelle in BILD, daß die deutsche Politik einen atomwaffenfreien Nahen Osten erstrebe, läßt aber das Parlament darüber im unklaren, welche Schritte zur Erreichung dieses Ziels bislang unternommen wurden? Die U-Boot-Lieferung kann es ja nicht sein…

Warum erklärt Frau Merkel nicht, wie sie die Staatsdoktrin der deutschen Garantie der Sicherheit Israels in der aktuellen Lage – gegen Obama – umzusetzen gedenkt?

Warum müssen israelische Gast-Autoren in deutschen Zeitungen für die Freiheit der Meinung und der Kunst des widerlich gebashten Günter Grass streiten, warum schweigt unser Freiheitskämpfer und Herzens-Präsident Gauck, jetzt, wo es mit billigen Predigten nicht mehr getan, sondern wirklich mal Mut gefragt ist? Weil er nur von Springers Gnaden Präsident geworden ist?

Die taz hält es wie fast alle deutsche Zeitungen: sie traut sich nicht, dem widerwärtigen Antisemitismus-Vorwurf gegen Kritiker der Regierungspolitik Israels selbst entgegenzutreten, sondern läßt den bewährten Moshe Zuckermann das Notwendige sagen:

http://www.taz.de/Debatte-Guenter-Grass/!91171/

Was hinter dem ideologisch mißbrauchten Antisemitismus-Vorwurf steckt, hat Zuckermann hier erläutert:

Das Böse der Banalisierung

Moshe Zuckermann über den Rechtsruck der Antisemitismuskritik – bis an die Grenze zur Holocaust-Leugnung
Von REDAKTION, 25. November 2010 –

H.: Inwiefern und wo grenzt der ideologische Missbrauch der Antisemitismuskritik an „Shoah-Verleugnung“ – bei den Genozid verharmlosenden, sogar verniedlichenden Gleichsetzungen von NS-Schergen mit militanten Palästinensern, wie sie beispielsweise von israelischen Regierungsvertretern oder hierzulande von Israel-Solidarisierern praktiziert werden? Sie warnen ja auch vor einer „Entleerung“ des Antisemitismusbegriffs …

M.Z.: Ja, es handelt sich in der Tat um Vergleiche, die das, was ein Adorno noch als unsäglich apostrophierte und sich davor scheute, allzu schnell mit Namen zu benennen, in einen polemisch konstruierten Zusammenhang bringen. Es geht also um eine verbale Praxis, die letztlich darauf hinauslaufen muss, dass durch Inflationierung des Begriffs, mithin durch seine Abnutzung die welthistorische Singularität der Shoah, aber eben auch das Bewusstsein von den geschichtlich gewichtigen Auswirkungen des realen Antisemitismus schlicht aushöhlt. Was den Polemikern, die solche Vergleiche in Israel wie in Deutschland anstellen, entgeht, ist die Tatsache, dass sie damit nicht nur die historischen Opfer des Antisemitismus für unhaltbare Zwecke instrumentalisieren, sondern dass sie die Opfer im Stande ihres Opferseins, also als die, die sie waren, nämlich Opfer, nicht mehr erinnern. Damit verraten sie die Opfer selbst, aber auch das Andenken daran, was diese zivilisatorisch repräsentieren – eine Opfer erzeugende gesellschaftliche Realität – ein weiteres Mal. Im Falle der so agierenden Deutschen wundert mich das auch gar nicht: ihnen geht es ja gar nicht um die Juden, schon gar nicht um die heute noch lebenden, sondern primär um ihre eigene Befindlichkeit bzw. um die Regulierung ihres gestörten emotionalen Haushaltes. Es handelt sich um ein regressives Moment.

http://www.hintergrund.de/201011251260/feuilleton/zeitfragen/das-boese-der-banalisierung.html

Im übrigen hat Deutschland keinen Anlaß, sich über das Einreiseverbot Israels aufzuregen.

Es bleibt nämlich noch anzumerken, daß Martin van Creveld ebenfalls zur persona non grata erklärt wurde: von der Universität Trier, deren rabiate Feministinnen Anstoß an seinen politisch unkorrekten Auslassungen ­nahmen – eine Kurzfassung seines inkriminierten Vortrags befindet sich hier:

http://www.welt.de/kultur/history/article13693394/Wenn-Maenner-sich-schlagen-erregt-das-die-Frauen.html

Hier der flammende Protestbrief des AStA gegen ihn, weil seine Thesen »frauenfeindlich, militaristisch, latent antiisraelisch, nicht zuletzt vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv« seien – eigentlich fehlt nur noch der bewährte Antisemitismus-Vorwurf!, – der tatsächlich zum Abbruch der Vortragsreihe führte:

http://www.uni-trier.de/index.php?id=21689&tx_ttnews[tt_news]=12570&cHash=5b32f3af9fb735f25ba867415f311d48

Hier der offene Brief von Prof. Gerhard Amendt gegen die Ausladung:

http://www.freiewelt.net/nachricht-8518/offener-brief-zur-ausladung-von-martin-van-creveld.html

Mit der Meinungs- und Wissensschaftsfreiheit ist es eben auch in einem demokratischen Rechtsstaat so eine Sache, wenn man gegen die geltende Staatsdoktrin verstößt. Eigentlich sollte auch der Mißbrauch des Holocaust dazu gehören, wie ihn Netanjahu Anfang März in den USA betrieb. Kritik daran war aber nur aus Israel zu hören.

In Deutschland haben wir vielmehr einen emeritierten Ästhetik-Professor namens Bazon Brock, der die Instrumentalisierung der Shoah sehr in Ordnung findet:

FOCUS Online:Netanjahu hat Obama auch Aufzeichnungen des US-Außenministeriums übergeben, die 1944 erstellt wurden und aus denen hervorgeht, dass trotz Bitten von jüdischen, polnischen und anderen Exilanten das KZ Ausschwitz nicht verhindert wurde.

Brock: Es gab nur sechs Eisenbahngleise nach Auschwitz. Wenn diese gesprengt worden wären, hätte es Auschwitz nie geben können. Roosevelt, Stalin und Churchill haben das systematische Töten von Juden trotz klarer Beweise nicht unterbunden. Sie hätten diese Gleise sprengen können, doch sie haben es nicht getan. Netanjahu gibt Obama damit zu verstehen, dass die Amerikaner damals den Holocaust nicht verhindert haben und sich damit mitschuldig gemacht haben. Hier stecken also die großen Dimensionen in diesem Fall und die hätte ein Grass erkennen müssen. Doch mit seinen Zeilen ist er in der Widersinnigkeit geendet.

FOCUS Online: Auf welche aktuellen Ereignisse spielte Netanjahu mit dieser Botschaft an?

Brock: Die klare Botschaft, die hier überbracht wird, ist, dass es eine solche Situation wie Auschwitz nie weder geben darf. Damit wird eine neue Dimension eröffnet, weil Netanjahu klar sagt, dass auch die Amerikaner Schuld am Holocaust haben. Netanjahus Botschaft ist klar: Amerika muss den Präventivschlag mit Israel gegen den Iran führen oder glaubhaft versichern, dass die Iraner keine Atombombe bauen. Doch mit diplomatischen Mitteln wird das nicht funktionieren. Das funktionierte schon in Indien, Pakistan und Nordkorea nicht. Deshalb wird es auch nicht im Iran funktionieren. Und der Iran hat als erklärtes Ziel die Vernichtung von Israel. Deshalb gibt es von Netanjahu eine klare Botschaft an die amerikanischen Freunde.

http://www.focus.de/politik/deutschland/aesthetik-professor-brock-zu-grass-gedicht-er-hat-in-gravierender-weise-kontrollverlust-erlitten_aid_734426.html

Von einem selbsternannten Generalisten kann man keinen Durchblick verlangen. Von anderen schon.

20 Gedanken zu „Grass-Gedicht: Gefährdet die Atommacht Israel den Frieden? Ein Faktencheck

  1. @ Peter:

    Wußte ich doch, daß mit meinem Computer (wie so oft) etwas nicht stimmt: ich habe nur ein winzig kleines Bild gesehen, auf dem nichts zu erkennen war, und ich konnte nur die Überschrift lesen. Peinlich, peinlich.

    • Das ist nicht nur kurz, das ist nichtssagend. Mir ist es jedenfalls nicht gelungen, hinter dem Logo einen Text zu finden. Vielleicht gibt es ja noch eine Erläuterung, wie man zu dem argumentativen Teil kommt. Ich bin nicht so firm, was das Internet angeht…

      Im aktuellen SPIEGEL ist demgegenüber eine kleine Meldung zu finden, wonach Rußland die israelische Kriegsdrohung ernst nimmt und im Sommer dieses Jahres mit einem israelischen Erstschlag (trotz laufender positiver Verhandlungen mit dem Iran über sein Atomprogramm) rechnet. Und entsprechende Truppen- und Abwehrraketen-Verlagerungen durchführt.

      Es ist insbesondere Aserbeidschan, das Moskaus Befürchtungen nährt: denn es sind wohl mehr als nur Gerüchte, daß Aserbeidschan mit Israel eine Übereinkunft über die Benutzung seiner irannahen Flugplätze getroffen hat.

      Nein, nicht der Iran ›wants war‹. Israel rüstet sich zu einem Krieg – auf den bloßen auf Mißtrauen gegründeten Verdacht hin (der von den US-Geheimdiensten zerstreut wurde), der Iran könne eine atomare Bewaffnung planen.

      Das ist die pure Unvernunft. Und wer hier die Lunte legt, liegt auf der Hand. Es wäre fruchtbarer, den Focus auf die Tatsachen zu richten und nicht in einer schlichten Parteiergreifung zu verharren – es sei konzediert, daß diese Haltung ›einfacher‹ ist. Aber sie ist falsch. Dieser Krieg muß unbedingt verhindert werden! Er wäre ein Desaster, das auf Jahrzehnte nur Verlierer produzierte. Und viele unschuldige Tote, auf allen Seiten.

      Wer für Israel ist, muß der aktuellen israelischen Regierung in den Arm fallen. Die deutsche Regierung ist insoweit ein erwartbarer Totalausfall, weil aus dem Schuldkomplex die falschen Lehren gezogen wurden. Die Lieferung von atomar bestückbaren U-Booten legt nahe, daß mit der historischen Schuld falsch umgegangen wird. Und zwar in einer unappetitlichen Mischung aus Irrationalität, Rechtsbruch und Rüstungswirtschaftsförderung. Man kann nur hoffen und beten, daß Obama energischer und erfolgreicher als zuvor auf die kriegstreibende israelische Regierug einwirkt, die dank Koalitionen mit ultra-orthodoxen Spinnern gegen das eigene Volk regiert.

      • Die Aussage „Iran wants war! Look how close they put their country to our military bases“ ist doch klar erkennbar ironisch gemeint. Haben Sie das überlesen/übersehen?
        Auf dem verlinkten Bild sind die amerikanischen Militärbasen rund um den Iran eingezeichnet und dazu der bereits zitierte Text.

  2. Hallo Chomsky,

    Grass-Gedicht: Gefährdet die Atommacht Israel den Frieden? Ein Faktencheck

    ach, Karasek – der ist doch lange schon kein ernstzunehmender Literaturkritiker mehr, sondern einer der Adabei-Profiteure, Talkshow-Gast und zuletzt Herausgeber eines Witze-Buches. Sein entsprechendes Kolumnisten- und Talkshow-Wirken in Sachen Kachelmann ist noch nicht vergessen. Der Mann hat fertig.

    Wichtig fand ich diese Passage:

    Kritik an Israel
    Grass hat grundsätzlich recht

    Kommentar Der israelische Staat hat die Angst seiner Bürger vor ausländischen Feinden zur Staatsräson erhoben. Damit hat er seine Demokratie geschwächt und die Bedrohung nur verschärft. von Mohssen Massarrat
    […]
    In Deutschland erfährt das Problem eine Verdopplung: Deutschland stilisiert Israels Sicherheitsbedürfnis zur eigenen Staatsräson hoch, als Wiedergutmachung der eigenen Verbrechen: Anstatt aus der eigenen Vergangenheit friedenspolitische Lehren zu ziehen und zur Kooperation mit den Nachbarn zu ermutigen, hilft Deutschland Israel, durch die Lieferung von nuklear umrüstbaren U-Booten in eine Kriegsfalle zu tappen. Mich würde es kaum wundern, wenn im Schatten des rechtsfreien Raums der deutschen Staatsräson nicht Freunde Israels, sondern antisemitische Kräfte in Aktion sind, die Israel in die Kriegsfalle tappen lassen wollen. Hinzu kommt: Deutschland würde im Falle eines Angriffskrieges gegen den Iran nicht nur Israels Kriegspartei, es hebelte auch die eigene Verfassung aus, die einen Angriffskrieg ausdrücklich verbietet. Und es verstieße gegen die Charta der Vereinten Nationen.

    http://www.ftd.de/politik/international/:kritik-an-israel-grass-hat-grundsaetzlich-recht/70021663.html

    Diese Diskussion hat Grass zweifellos angestoßen: wie hält es die deutsche Politik mit der Sonntagsreden-Solidarität zu Israel, wenn im Ernstfall die eigenen Rechtsgrundlagen verletzt werden müßten? Einem Freund steht man schließlich nur dann zur Seite, wenn man ihm bei riskanten bis selbstzerstörischeren Vorhaben in den Arm fällt – so wie die USA das sehr deutlich tun. Die das auch kommunizieren, und nicht nur hinter den Kulissen unternehmen. Das immerhin hat sogar ein Josef Joffe mitgekriegt:

    Das Pentagon hat vor drei Wochen den Ausgang eines Kriegsspiels an die Presse gestreut, wonach ein israelischer Alleingang das Atomprogramm nur um ein Jahr zurückwerfen, aber einen Krieg in der gesamten Region entfachen würde. Das Szenario: Die Iraner schlagen mit Raketen zurück und töten 200 Amerikaner auf einem Navy-Schiff im Golf. Nun entfesselt Amerika seinen eigenen Krieg gegen die Mullahs. Zeitgewinn gerade mal zwei weitere Jahre. Es bringt also nichts.

    ZEIT 16/12, S.3

    Ein Angriff wäre also auch unter rein militärischen Gesichtspunkten sinnlos. Das sollte wenigstens den Militärs einleuchten…

    • Guten Tag, Gabriele,

      entschuldige, aber
      „Ein Angriff wäre also auch unter rein militärischen Gesichtspunkten sinnlos. Das sollte wenigstens den Militärs einleuchten…“,

      die Erfahrung mit Afganistan und Irak stimmt mich nicht so optimistisch, daß die Militärs bei einer noch so sinnlosen Lage nicht bereit wären einen Angrif/Krieg durchzuführen. Und letztendlich entscheidet die Politik, ob und wann… Und da sind wir wieder bei dem Pudels Kern.

      Und noch bei der ewigen Frage cui bono.

      LG, QV

      • Ganz so pessimistisch bin ich nicht, daß Politik nicht doch etwas in Bewegung setzen könnte (siehe Kofi Annan und Syrien: da regt sich doch eine zarte
        Hoffnung). Und wenn die deutsche Politik die rechte und ultra-religiöse israelische Regierung vielleicht nicht beeindrucken kann, dann doch wenigstens die Opposition und die offenbar mehrheitlich regierungskritische Bevölkerung. Daß Deutschland im letzten Jahr gegen die Siedlungspolitik Israels gestimmt hat, kam dort jedenfalls als ein wichtiges Zeichen an:

        • Published 03:36 28.03.12
        • Latest update 03:36 28.03.12
        Israel wants Iran isolated, but instead isolates itself

        Israel’s most loyal allies – starting with Germany, which last year supported a UN resolution condemning the settlement policy – are not willing to ignore the contradiction between that policy and Israel’s declarations about seeking peace.
        Haaretz Editorial

        […]

        Israel’s most loyal allies – starting with Germany, which last year supported a UN resolution condemning the settlement policy – are not willing to ignore the contradiction between that policy and Israel’s declarations about seeking peace. Even the United States blanches at Israel’s long-running violation of its promise to evacuate the unauthorized outposts, particularly those built on stolen land. Above all, settlement expansion deals a mortal blow to grassroots Palestinian support for a two-state solution, and plays into the hands of the extremists. Only an irresponsible government could demand that the whole world boycott Iran, while itself boycotting the whole world.

        http://www.haaretz.com/opinion/israel-wants-iran-isolated-but-instead-isolates-itself-1.421158

        Und cui bono?
        Das ist das Schlimme: ein militärischer Angriff auf den Iran würde niemandem nutzen und allen schaden.

  3. Auch noch ein paar ausgewählte Texte zu diesem Themenkomplex:

    Kriegsdrohungen gegen Iran und Syrien
    Die Aufgaben von Friedensforschung und Friedensbewegung
    Von Lühr Henken und Peter Strutynski
    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Iran/henken-stru.html

    Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten
    http://www.ippnw.de/frieden/konfliktregionen/cscme-kszmno/artikel/003477e957/konferenz-fuer-sicherheit-und-zusamm-1.html

    Zeit für Diplomatie
    von Ali Fathollah-Nejad
    http://zmag.de/artikel/zeit-fuer-diplomatie

    Iran am langen Hebel
    von Gary Sick
    Ein israelischer Militärschlag gegen Teherans Atomanlagen wird immer wahrscheinlicher. Dabei hat der Krieg gegen den Iran längst begonnen: Seit Jahren verschärfen die USA und Europa ihre Wirtschaftssanktionen. Die unkalkulierbaren Folgen dieser Boykottpolitik nimmt der Westen offenbar in Kauf.
    http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/03/09.mondeText.artikel,a0003.idx,0

    Am Rande des Abgrunds.
    Norman Paech

    Klicke, um auf Am+Rande+des+Abgrunds.pdf zuzugreifen

    Ostermarsch Wedel (Schleswig-Holstein), 7. April 2012
    Rede von Norman Peach

    Klicke, um auf Ostermarsch+Wedel+2012.pdf zuzugreifen

    • Danke, Chomsky; besonders instruktiv fand ich in diesem Beitrag die Passage über die Entwicklung der Verhandlungen mit dem Iran über Urananreicherung einschließlich der Sanktionen:

      Am Rande des Abgrunds.
      Norman Paech

      Klicke, um auf Am+Rande+des+Abgrunds.pdf zuzugreifen

      Wer diesem Thema nicht eingehend gefolgt ist, versteht ja nicht, wieso dem Iran das Recht eines jeden Staates, der dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist, nämlich das auf zivile Nutzung einschließlich Urananreicherung, nicht zugestanden werden soll. Man kann nur hoffen, daß bei den anstehenden Verhandlungen nun einmal wirklich verhandelt wird.

      Martin Walser will sich übrigens dem unwürdigen Skandalisierungsgeschehen nicht mehr aussetzen; er weiß zur Genüge, wie es da zugeht.

      ZEIT: Grass warnt vor einem Krieg zwischen Israel und dem Iran. Man sagt, er sei antisemitisch.

      Walser: Sie wollen doch nur hören, ob ich ihm recht gebe. Und das möchte ich nicht. Eine Meinung provoziert eine neue Meinung, schon läuft die Meinungsmaschinerie, an deren weiterem Betrieb ich nicht das geringste Interesse habe. Das ist keine intellektuell würdige Beschäftigung.
      […]
      ZEIT: Sie wollen uns also gar nichts sagen?

      Walser: Das Einzige, was ich Ihnen zu diesem Projekt liefern kann, ist: Günter Grass ist natürlich kein Antisemit. Wer bei uns einen anderen einen Antisemiten nennt, gesteht dadurch, dass er seiner eigenen Argumentation nicht vertraut, also flieht er zum Totschlagwort schlechthin. Wenn unsere Auseinandersetzungen noch das Fairness-Niveau eines normalen Fußballspiels hätten, würde der Gebrauch des Totschlagworts die sofortige Disqualifikation bringen.

      http://www.zeit.de/2012/16/Walser-Interview

      In der aktuellen ZEIT werden Angela Merkel von Jörg Lau unter der Überschrift:

      Feigheit vor dem Freund. Angela Merkel hat Israels Sicherheit zur deutschen Staatsraison erklärt. Nun zeigt sich, was das bedeuten soll

      endlich einmal die richtigen Fragen gestellt und neben dem Druck auf Iran mehr Druck auf Israel zur Herbeiführung der Zwei-Staatenlösung gefordert – angeregt durch das Grass-Gedicht natürlich. Und wie wird auf den Auslöser verwiesen?

      Wer sich in Berlin umhört, trifft auf das verbreitete Gefühl, dass die »Stunde der Bewährung« näher rückt. Im Wochentakt kommen Politiker und Diplomaten aus Jerusalem [??? Nicht aus Tel Aviv?] nach Berlin, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Die Frage, ob »Deutschland sich von Israel in einen Krieg ziehen« lässt, geistert durch Blogposts [sehr richtig!] und Kommentare [der professionellen Presse etwa? Eher nicht.]. Günter Grass hat sie auf den Tisch gelegt wie ein ungezogenes Kind, das ausspricht, was die Erwachsenen beim Abendbrot anzusprechen verbieten.

      ZEIT 16/12, 12.4.12, S. 4
      Sehr hübsch. Gab es also doch ein Schweigegebot?!

      Josef Joffe darf auf S. 3 das tun, was er neben dem Verfassen von Schmähartikeln wie diesem hier:

      Im zweiten Witz überfährt ein Auto das Stoppschild und kracht in ein anderes. Der Fahrer steigt aus und fragt den Schuldigen: „Verzeihung, sind Sie zufällig Jude?“ – „Nein, wieso?“ – „Du blöde Sau, du blinde! Ich könnte dich umbringen!“

      Die Witze erklären, warum Grass der Coup gelang. Er hat eines der letzten Tabus – andere sind Sex mit Kindern und Tieren – geknackt. Er hat, unredlich und verschwiemelt, Diffamierung und Dämonisierung vom Zügel gelassen, zwei klassische Zutaten des Antisemitismus. Alles unter dem salvierenden Vorwand, zu sagen, „was gesagt werden muss“ – so der Titel des Gedichts. Dazu hat er eine vertraute Technik benutzt, die ihm brausenden NPD-Applaus beschert hat. Zulange habe er verschwiegen, was „offensichtlich“ ist. Zulange habe er sich „Lüge und Zwang“ unterworfen, die „Strafe“ gefürchtet, die dem „Verdikt Antisemitismus“ folge. Grass als Held der Aufklärung, als Erlöser Germaniens.

      http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/grass-israel-phobie-der-dichter-als-weltenretter/6496630.html

      am liebsten tut: militärische Sandkastenspiele betreiben. Unklar ist, was dabei herauskommt. Irgendwie klappt es militärisch nicht, ob mit oder ohne die USA, das Atomprogramm des Iran erheblich zu beeinträchtigen. Und Eskalations-Planspiele bleiben bei ihm ohnehin außen vor. Joffe scheint auch etwas betrübt zu sein, daß die USA so wenig kriegslüstern sind wie die israelische Bevölkerung: nur 19% begrüßen einen israelischen militärischen Alleingang, 2/3 sind dagegen, ein Drittel gegen jegliche Art von Angriff. Auch Joffe zitiert, ganz am Schluß seines wirren Artikels, verwässernd, nur einen Randaspekt des Artikels der Washington Post vom 8.4.2012:

      Für den Iran ist die Entscheidung, eine Atombombe nicht nur bauen zu können, sondern es tatsächlich zu tun, nur eine Option. Und wenn die gezogen wird? Die Washington Post zitiert einen hohen Offiziellen: »Selbst im allerschlimmsten Fall« – nur noch sechs Monate bis zur Bombe – »hat der Präsident immer noch Zeit, um zu reagieren« – gewaltsam. Inzwischen werden die Amerikaner an MOP-2 basteln, der garantiert das Massiv von Fordo durchschlägt. Und die Israelis mit Angriffsdrohungen den Druck schüren, der ihnen den Krieg erspart. Diese Gewähr läuft aus, wenn Chamenei die Bombe freigibt.

      So kann man es auch machen: seit dem Washington Post-Artikel weiß auch er, daß der Iran nicht plant, eine Bombe zu bauen – und flugs mutiert die Netanjahu-Ankündigung eines Erstschlags von März zur bloßen Drohung, die einen Krieg vermeiden soll.
      Hoffentlich behält er recht. Im TAGESSPIEGEL war heute ein Artikel über die Stimmung in Israel; dort werden Gasmasken an die Bevölkerung verteilt…

      http://www.tagesspiegel.de/politik/atomstreit-mit-iran-wie-israel-sich-auf-einen-moeglichen-krieg-vorbereitet/6497924.html

      • Guten Morgen liebe Gabriele!
        Na ja, eigentlich bin ich ja dieses Thema leid mit dem Israel-Naher- und Mittlerer-Osten-Konflikt. Ich habe ja ca. ein Jahr lang auf politik.de im Israel-Palästina-Forum geschrieben und ja, ich weiss nicht, wie viele mal ich und meine Gesinnungsgenossen den Antisemitismus-Vorwurf um die Ohren geschlagen bekommen haben. In Deutschland scheint dieser Reflex des Antisemitismus-Vorwurfs ubiquitär zu sein, also hier in der Schweiz kann man über diesen Konflikt viel entspannter schreiben. Aber eben: In Deutschland hat man fast überhaupt keine Lust mehr, über dieses Thema noch etwas zu schreiben, weil die Debatte ist einfach so polarisiert und verhärtet. Deshalb stelle ich hier ja auch quasi nur noch Links rein von Leuten, die nicht müde werden, über diese Komplex etwas zu schreiben.

        Einfach mal den umgedrehten Guttenberg geben. – Warum hat Hellmuth Karasek ein Zitat von Günter Grass gefälscht?
        http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/texte/texte-15.htm#umgedrehten_Guttenberg

        Grass hat grundsätzlich recht
        Kommentar Der israelische Staat hat die Angst seiner Bürger vor ausländischen Feinden zur Staatsräson erhoben. Damit hat er seine Demokratie geschwächt und die Bedrohung nur verschärft. von Mohssen Massarrat
        http://www.ftd.de/politik/international/:kritik-an-israel-grass-hat-grundsaetzlich-recht/70021663.html

  4. http://www.sueddeutsche.de/kultur/guenter-grass-reagiert-auf-israels-einreiseverbot-wie-bei-minister-mielke-1.1330251

    Günter Grass reagiert auf Israels Einreiseverbot „Wie bei Minister Mielke“

    11.04.2012, 18:17

    Günter Grass hat sich erstmals kritisch über das Einreiseverbot geäußert, das die israelische Regierung gegen ihn verhängt hat. In einem kurzen Text mit der Überschrift „Damals wie heute – meine Antwort auf jüngste Beschlüsse“ beschreibt der Schriftsteller, dass ihm bisher zweimal die Einreise in ein Land verwehrt worden sei: in die DDR und Ende der achtziger Jahre nach Birma.

    …der letzte Satz der Stellungnahme wird bestimmt wieder durch die Medienlandschaft gejagt… LG, QV

    • Und da schwafelt man über ein nicht bestehendes Tabu, daß er daher auch nicht gebrochen haben kann, sondern sich mit der Behauptung des Tabubruchs eines sekundären Antisemitismus schuldig gemacht zu haben…

      Was unseren freiheitsdurstigen Präsidenten Gauck angeht:

      Tja, ich weiß nicht: wenn ich mir das Gauck-Besuchsprogramm und die geäußerten Erwartungen so ansehe:

      Beruhigung nach dem Grass-Gedicht
      Zeitung: Gauck besucht Ende Mai Israel

      Berlin. (dpa) Bundespräsident Joachim Gauck will nach einem Zeitungsbericht Ende Mai zu einem Antrittsbesuch nach Israel reisen. Vorgesehen sei auch ein Kurzaufenthalt bei der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, berichtet die «Leipziger Volkszeitung» unter Berufung auf Kreise des Präsidialamtes. Gauck habe Israel noch vor dem Wirbel um das Israel-kritische Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass auf seine spezielle Antritts-Reiseliste gesetzt.

      Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD), äußerte in der Zeitung die Hoffnung, dass Gauck mit seiner Kraft der überzeugenden Rede «rasch dafür wird sorgen können, dass in Israel Gras über Grass wächst». Ausdrücklich begrüßte Robbe, dass Gauck auch die Autonomiebehörde der Palästinenser und nicht nur Israel besuchen wolle. «Ich erwarte mir Zuspruch für die alte aber noch immer nicht umgesetzte Forderung, dass es Frieden im Nahen Osten zwischen Israel und seinen Nachbarn nur dann geben kann, wenn die Zwei-Staaten-Politik durchgesetzt werden kann.»

      Linksfraktionschef Gregor Gysi begrüßte die Planungen für die Israel-Reise Gaucks ebenfalls. Er schlug vor, Gauck könne auch seine Bedenken zum Einreiseverbot für Grass in Israel zum Ausdruck bringen.

      http://www.oberpfalznetz.de/nachrichten/3205639-510,1,0.html

      Vermutlich wird die Reise flachfallen, denn Israel betrachtet Reisen nach Gaza als unerwünschte Aufwertung der Hamas:

      JERUSALEM/BERLIN taz/dpa | Wenn Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) Israel auf die Probe stellen wollte, dann hat der Prüfling glatt versagt. Niebel, der in diesen Tagen Israel und die Palästinensergebiete besucht, stieß mit seinem Wunsch, einen Abstecher in den Gazastreifen machen zu dürfen, auf strikte Ablehnung. „Einen großen politischen Fehler“ nannte er die Entscheidung Jerusalems im ZDF, ihm die Einreise nach Gaza zu verwehren. Das sind ungewohnt harte Worte für einen deutschen Politiker in Israel.

      Niebel ist indes nicht der erste, dem eine Absage erteilt wurde. Auch dem französischen Außenminister Bernard Kouchner blieb die Reise nach Gaza verwehrt. Zudem war, Informationen des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah zufolge, der geplante Besuch weder abgesprochen noch angekündigt.

      In Jerusalem herrschte entsprechend Verblüffung über die Enttäuschung des Entwicklungsministers. „Das ist schon seit langem unsere Politik“, sagte Regierungssprecher Igal Palmor. Hochrangige Politiker dürfen nicht nach Gaza reisen, „weil ein solcher Besuch von der Hamas missbraucht werden würde, um die Illusion zu nähren, die Islamisten unterhielten normale Beziehungen zum Ausland“.
      Die einzigen Ausnahmen waren die EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie Amr Moussa, Generaldirektor der Arabischen Liga. Für sie galt das Einreiseverbot nicht, da sie „Vertreter eines Staatenverbundes sind“.

      http://www.taz.de/!54366/

      Danach kann er dann von Deutschland aus für die Freiheit und den Völkerfrieden eintreten. Und vielleicht auch noch ein paar „ungewohnt harte Worte“ zum Einreiseverbot für Günter Grass finden. Wer der DDR und der Stasi unerschrocken die Stirn bot, wird ja wohl einen medialen Entrüstungssturm überstehen können. Er ist ja zu jung, um zum falschen Truppenteil eingezogen worden zu sein. Und daß seine Eltern und sein Onkel Nazis waren, gült nicht. Da hat er gute Karten, nicht als künstlicher Tabu-Brecher eines nicht bestehenden Tabus diffamiert zu werden.

  5. Hervorragend gebrült, Löwin!

    Eine sehr notwendige Zusammenfassung & Analyse der hard facts. Vereinzelt waren die im Netz schon zu finden, wenn man gesucht hat (…), aber die Heidenarbeit hast Du geleistet. Vor allem die Arbeit der Analyse…

    Daß manche/viele der Marktschreier nach der stalinistischen Methode „Das Buch habe ich nicht gelesen, werde auch nie, weil mir gesagt wurde, daß es Pfui ist, aber der Author soll hängen.“ ihre slogans in die Welt johlen, war mir klar. Schlimmer fände ich um Deutschlands Kultur- und Politlandschaft bestellt, wenn Deine Annahme, „die“ hätten das Gedicht gelesen, aber nur Mist verstanden, zuträfe. Denn dann wäre für mich die logische Folgerung, daß diese Menschen unendlich dumm sind, die einzige Erklärung für ihr Mist-Verständnis.

    Wenn man sich zwischen Skylla und Charybdis befindet – zwischen dem Dummen und dem Ideologieverdorbenen – wen wählt man da? Ach, ich vergaß, dieser Wahl muss sich jeder Wahlberechtigte periodisch stellen.

    Trotzdem, fände ich gut, wenn in manchen Branchen immer wieder Textverständnisprüfungen abgelegt werden müssten. Die Dankbarkeit des Lesers wäre unermesslich.

    Es ist wohl wahr, daß die Banalisierung der Begriffe durch deren Missbrauch und willkürliche Wiederholung der Ursprungsbedeutung nur schaden. Und beim „Schnelltransport“ – ach, ich nenne mal jemanden „fascho“, weil sein Gedankengang mir verschlüsselt bleibt – die Gewichtigkeit des benutzten Wortes verlohren geht. Allerdings erstaunt die Leichtigkeit und … Dummheit, die die Aussagen prägen und zur verbalen Makulatur werden lassen.

    Ich vermisse auch die Stellungnahme des Freiheit-, Gerechtigkeit- und Unparteiigkeitliebenden Präsidenten aller Deutschen. Oder hat er nix mitbekommen? Oder hat er auch nur Mist gelesen?

    LG, QV

    P.S. Nicht alle AStas sind mit Genderwahn infiziert, remember ASta Uni Duisburg-Essen bezüglich der Mercator-Professur 2011 für die berühmte Kachellogin und Bild-Schrift-Stellerin ASchwarzer:

    http://www.xtranews.de/2011/01/27/uni-due-stellungnahme-des-referats-fuer-hochschulpolitik-und-politische-bildung-zur-mercator-professur-2011/

    • Sorry, in der Eile habe ich alle anderen, wie Chomsky , OliverThomas et al, die mit Links zu mindest mir geholfen haben mich viel besser zu informieren, nicht erwähnt…

      LG, QV

      • Hallo, QuoVadis!

        Also für mich war der Bericht der Washington Post vom 8.4.2012 völlig neu – oder hast Du in deutschen Zeitungen breitflächig etwas darüber gelesen, daß die Amerikaner jetzt offiziell zugeben, daß der Iran recht hat, wenn er erklärt, er habe kein Atomwaffen-Programm? Und daß sie es dank ihrer hervorragenden Spionage (Drohnen, Abhöreinrichtungen) jederzeit mitbekommen würden, sollten sich der Iran eines anderen besinnen? Das haben die Amerikaner natürlich nur geleakt, um den angekündigten Militärangriff von Israel zu delegitimieren. Wo nix is, braucht nicht zugeschlagen zu werden.

        Was die deutsche Presse angeht, so habe ich im Nachhinein nur einen einzigen Bericht gefunden – der aber in der Grass-Debatte, in der der Iran noch dämonisiert wird, keine Rolle spielt:
        So fängt er an:
        SPIEGEL, 8.4.2012

        Washington – Seit Jahren rätselt der Westen über das Atomprogramm Irans. Dabei wissen die Amerikaner offenbar bestens Bescheid über die nuklearen Pläne Teherans. Wie die „Washington Post“ am Sonntag berichtet, haben die Amerikaner seit 2006 ihr Spionageprogramm gegen Iran ausgeweitet. Die Zeitung sprach mit aktuellen und früheren Sicherheitsberatern der US-Regierung. Sie kommt zu dem Schluss, dass man im Weißen Haus davon ausgehe, über eine Entscheidung Irans zum tatsächlichen Atombombenbau rechtzeitig Geheimdienstinformationen erhalten zu können.

        http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,826341,00.html

        Danach kommt also nur die Zeitung zu einem vagen Schluß.
        Es folgen viele Einzelheiten zu den Spionage-Aktivitäten der USA. Und ganz am Ende kommt dann dies hier:

        Was haben sie herausgefunden? Laut „Washington Post“ sind die Amerikaner nach Jahren der verstärkten Spionagetätigkeit zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen wie bereits 2007 in einem umstrittenen Bericht. Das Fazit lautete: Auch wenn sich die Iraner aktiv um die Voraussetzungen für ein Atomwaffenprogramm bemühen, hätte sich die Regierung bislang nicht dafür entschieden, auch tatsächlich einen atomaren Sprengkopf zu bauen.
        Wenn sich dies ändere, sind die US-Regierungsvertreter überzeugt, würden es die amerikanischen Geheimdienste mitbekommen. Das dürften die Amerikaner auch deshalb betonen, weil sie einen Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen fürchten.

        http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,826341,00.html

        Mal wieder laut Washington Post. Unterschlagen werden die Kernsätze:

        White House officials contend that Iran’s leaders have not decided to build a nuclear weapon, and they say it would take Iran at least a year to do so if it were to launch a crash program now.
        “Even in the absolute worst case — six months — there is time for the president to have options,” said the senior U.S. official, one of seven current or former advisers on security policy who agreed to discuss U.S. options on Iran on the condition of anonymity.

        http://www.wpost.com/world/national-security/us-sees-intelligence-surge-as-boost-to-confidence/2012/04/07/gIQAlCha2S_story.html

        Und die Einordnung des Washington Post-Artikels ist natürlich höchst oberflächlich. Da müßte sich doch jeder Politik-Redakteur fragen, warum die Regierung gerade jetzt diese Info leaken läßt.

        Und auch ich freue mich über jeden, der hier interessante Links beiträgt: es ist ausgeschlossen, daß einer allein in dem ganzen Internet-Schrott, der hohe Rankings hat, die kleinen, feinen, intelligenten und informativen Beiträge heraussuchen kann. Also Dank auch an Dich (Chomsky und Oliver Thomas und de3n anderen Ungenannten habe ich hoffentlich bislang angemessen gedankt?!)

      • Gabriele, guten Abend!

        Dies habe in TheNewYorkTimes gefunden:

        Iran’s Nuclear Program (Nuclear Talks, 2012)

        http://topics.nytimes.com/top/news/international/countriesandterritories/iran/nuclear_program/index.html

        Ein ziemlich langes report über Irans Atomprogramm. Habe nicht ganz durchgelesen und kann nicht beurteilen, ob der Factcheck stimmt. Auf der Seite sind auch Links zu anderen Medien.

        Was mir aber auffiel war dies:

        „(…) Fears of an attack on Iran have driven up oil prices and represent a threat to the already fragile state of a global economy still reeling from a sovereign debt crisis in Europe. (…)“

        Die Angst ist da und die Märkte bzw. die, die diese Märkte bestimmen, reagieren.
        Ich bin kein Liebhaber der Atomkraft oder Atommacht. Andererseits, wenn die Macht in einer Region nicht gleich verteilt ist, führt es immer zu Konflikten. Nur die Macht ist immer, ob real oder eingebildet, „ungleich“ verteilt… Wieviele dieser Konflikte irrational sind, und trotzdem Opfer fordern, kennt man aus der Geschichte.

        Daß man für Krieg auch Waffen braucht ist genauso logisch, wie, daß man den politischen Willen braucht Konflikte eskalieren zu lassen.

        Der Frieden dient aber nicht dem, der vom Krieg – ob finanziell, politisch oder ideologisch – profitiert, ist auch wie Kloßbrühe, ganz klar.

        Daher im Konflikt Alle gegen Iran frage ich ganz naiv: Und, was wäre, Iran hätte Atomwaffen? Birds do it, bees do it… Na ja, nicht Krieg, sondern love. Warum könnten wir uns nicht in die Vorstellung verlieben, Iran hat auch Atomarsenal. Nach Pakistan, Israel, Nordkorea, USA, Russland, Frankreich, GB, China…

        Und ist Atomwaffensperrvertrag noch der Tinte wert? Gleichwohl auch vom Iran unterzeichnet.

        Und wer fragt, ob der Steuerzahler, der wohl das Geschenk in Form des einen oder des anderen Uboots finanziert, solche Geschenke machen möchte? Man sollte sich darüber aufschreien, daß diee Regierung sich anmasst Waffen als Geschenke feierlich zu überreeichen. Ohne vorher den Schenkenden gefragt zu habe, ob er dabei Glücksgefühle empfindet…

        Ach, geschenkt…

        LG, QV

        In diesem Format kann ich nur mich selbst kommentieren…

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