Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

Rosenkrieg 2Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/11/06/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-2/

Wie also bereitet Dr. Klaus Leipziger den disparaten Akteninhalt auf, den er seiner Diagnose/Prognose im Gutachten vom 25.7.2005 zugrundelegt? Er arbeitet auf den Seiten 3 – 14 seines Gutachtens flächendeckend und zielgerichtet mit dem Stilmittel der Weglassung, um einen stimmigen Sachverhalt zu erzeugen, in dem die Bekundungen der im Trennungskrieg befindlichen Ehefrau den Rang von Anknüpfungstatsachen gewinnen; zugleich werden schriftliche Bekundungen des Probanden Mollath aus dem Zusammenhang gerissen, was spätere Fehlinterpretationen begünstigt. Im Grunde kann man konstatieren, daß sich sein einseitig-interpretatorischer Zugriff auf das Aktenmaterial wie eine Blaupause für das spätere Fehlurteil von Otto Brixner vom 8.8.2006 ausnimmt.

Schon auf S. 3 seines Gutachtens beginnen die Verfälschungen des Sachverhalts:

Aus den Akten ist Folgendes darzustellen:

Im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung durch die KPI Nürnberg vom 15.01.2003 (BI. 5 ff) erklärte die damals von ihrem Ehemann, dem Angeklagten, getrennt lebende Ehefrau u.a., dass sie seit 7 ½ Monaten von ihrem Ehemann getrennt lebe und die Scheidung anstrebe. Grund hierfür sei hauptsächlich das gewalttätige Verhalten ihres Mannes. Es hätte während der letzten Jahre der Ehe immer mehr Probleme gegeben. Es hätte hier mehrere tätliche Angriffe seitens ihres Mannes auf sie gegeben.

Ihr Mann würde auch über Schusswaffen verfügen und sie fürchte in diesem Zusammenhang, dass er diese auch gegen sie und ihre Familienangehörigen einsetzen könne.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=3

Es fehlt auch hier, wie schon bei Erörterung der Anzeige wegen Briefdiebstahls von November 2002, der Beginn der strafrechtlichen Verfolgung durch die Ehefrau, nämlich die telefonische Anzeige wegen illegalen Waffenbesitzes des Ehemannes vom 2.1.2003, die erst zu jener konkretisierenden Vernehmung vom 15.1.2003 führte, ohne die ein Durchsuchungsbeschluß wegen eines Waffendelikts nicht erwirkt worden wäre. Die Kundgabe der angeblichen Körperverletzung von August 2001 und der von Mai 2002 diente dem Zweck, den – nicht zutreffenden – Vorwurf eines Waffendelikts zu untermauern. Das fragliche Attest wurde erst am Tag nach dieser Vernehmung der Polizei per Fax zugesandt.

Es fehlt in der Folge der Aktenauswertung die Darstellung der ergebnislosen Durchsuchung des Hauses des Gustl Mollath vom 19.2.2003 – ein invasiv-aggressiver Akt, der den „Beschuldigten“ zutiefst verstörte. In Unterbrechung der Chronologie – Dr. Leipziger hatte bereits die Vernehmung der Ehefrau vom 15.5.2003 ›dargestellt‹ – wird zusammenhanglos Folgendes mitgeteilt:

In einem Schreiben vom 22.02.2003 (BI. 51) an das Amtsgericht Nürnberg, in dem der Angeklagte Bezug auf die Durchsuchung seiner Wohnung am 19.02.2003 nimmt und 7 Fragen formuliert, stellte er unter 6. die Frage:

„Muss ich davon ausgehen, dass meine zur Verfügungstellung meines Faxgerätes, für ordentliche Jugendliche, im Zusammenhang steht? Siehe Anlage.

Diese vier Blätter gingen an alle wichtigen Medienhäuser und Organisationen Europas, haben letztlich die größten Friedensdemonstrationen der Welt ausgelöst.“

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=4

Es fehlt: die Darstellung der Empörung und Verzweiflung angesichts des ruppigen Eindringens von 12 Polizeibeamten in das große Haus des pazifistisch gesonnenen Gustl Mollath, der überhaupt nicht weiß, wer ihm da irgendwelche abstrusen Waffendelikte angehängt haben könnte. Weshalb er sich beim Amtsgericht nach dem Grund der Maßnahme erkundigt, und angesichts der bekannten bayerischen Verhältnisse unter Ziff. 7 auch einen politischen Hintergrund nicht ausschließt. Daß seine eigene Frau, die aufgrund des Zusammenlebens seit Ende der siebziger Jahre ja eigentlich wissen muß, daß es sich bei der fraglichen Waffe um ein 1984 von den Eltern geerbtes erlaubnisfreies Luftgewehr handelt, ihn derart hätte denunzieren können – darauf kommt er nicht. Es ist unklar, was Dr. Leipziger mit diesem zusammenhanglosen Aktenzitat belegen will: in der Folge bezieht er sich darauf nicht mehr.

Auf S. 4 des Gutachtens zitiert Dr. Leipziger das Attest der „Ärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. Reichel, Nürnberg“ vom 3.6.2002 – allerdings lediglich die Befunde. Die dort von der Patientin gegebene Schilderung der angeblichen Körperverletzung vom 12.8.2001 unterschlägt er: weil sie von der aggravierenden Tatschilderung, wie sie in der Vernehmung vom 15.5.2003 und in der Anklage wiedergegeben wird, erheblich abweicht? Ein kritischer medizinischer Blick auf die attestierten „Würgemale am Hals unterhalb des Kehlkopfes ventral medial“ sowie eine Bewertung der fehlenden Untersuchungen/Nachfragen wegen des angeblichen Würgens bis zur Bewußtlosigkeit unterbleiben. Vielleicht ist es zu lange her, daß Dr. Leipziger Arzt war.

Aus der richterlichen Vernehmung beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten vom 15.5.2003 der Ehefrau zitiert er eine Passage, die als Keimzelle des Krankheitsverdachts gegen Gustl Mollath gelten muß:

Bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Tiergarten, Berlin, (Bl 47 ff), am 15. Mai 2003  hätte die Geschädigte Petra Mollath u.a. angegeben, dass der Misshandlung durch ihren Mann am 12.08.2001 kein besonderes Ereignis vorangegangen sei. Ihr Mann hätte sich psychisch verändert und in sich zurückgezogen. Er sei geschäftlich nicht sehr erfolgreich gewesen und hätte das Geschäft aufgeben müssen. Er sei dann hauptsächlich zu Hause gewesen.

An diesem besagten Tag hätte er sie plötzlich ohne Vorwarnung angegriffen. Er hätte sich in seinen Wahn reingesteigert, das heiße, er wolle die Welt verbessern und meine, alle seien schlecht und sie sei auch schlecht.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=4

So also stellt sich ein Laie Irresein vor, wenn der Partner andere moralische Vorstellungen hat als er selbst: auf die Geschäftsschließung im Jahr 2000 folgt ein Rückzug und ein Weltverbesserungswahn, der sich grundlos auch auf die Ehefrau bezieht und ohne vorangegangene konkrete Streitigkeiten zu plötzlichen physischen Aggressionen führt. Es ist kaum nachvollziehbar, welche Karriere diese schlichten Behauptungen in der professionellen Psycho-Szene machen konnten, zumal die zweite behauptete Körperverletzung, verbunden mit Freiheitsberaubung, im Rahmen einer akuten Trennungssituation erfolgt sein soll, sich mithin durch nichts von vergleichbaren Szenen in Trennungskonflikten unterschied.

Zumal auch der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 25.9.2003 diesem Konstrukt widersprochen hatte. Dr. Leipziger zitiert aus dem zusammenhanglos geführten und ersichtlich unvollständigen Hauptverhandlungsprotokoll:

Der Angeklagte hätte u.a. angegeben, dass (er mit seiner Frau) seit 1991 verheiratet wäre. Sie seien aber schon 24 Jahre zusammen. In der Ehe hätte es immer wieder starke Probleme gegeben. Es sei um Tätigkeiten gegangen, die seine Frau ausgeübt hätte und die er aber nicht tolerieren können. [!] Es gehe hier um Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung im großen Stil.

Wie die Sache hier dargestellt werde, stimme nicht so. Mit seiner Frau sei es nicht einfach. Sie sei auf ihn los gegangen. Er hätte sich nur gewehrt. Er hätte sie angefleht, ihm zu helfen. Ihm sei es in den letzten Jahren nicht gut gegangen. Seine Frau sei ein Teil von ihm. Er hätte sie geliebt. Er sei in einer Grenzsituation gewesen, die er noch nie erlebt hätte. Er könne sich auch nicht mehr so erinnern.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=5

Hier werden also konkrete Streitigkeiten zwischen den Eheleuten wegen strafrechtlich relevanter Tätigkeiten der Ehefrau behauptet und wegen des Körperverletzungsvorwurfs der Rechtfertigungsgrund der Notwehr gegen einen unmittelbaren Angriff der Ehefrau vorgebracht. Die Darstellungen der Parteien widersprechen sich demnach diametral.

Auch wenn Dr. Leipziger bei Auswertung der Verteidigungsschrift des Angeklagten vom 24.9.2013 die entgegenstehende Einlassung Gustl Mollaths noch einmal wiederholt:

Sie hätten sich heftig gestritten, sie hätte nicht aufhören wollen. Wie schon mal passiert, sei sie auf ihn los gegangen. Tritte und Schläge. Leider hätte er sich gewehrt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=11

geht er in der Folge als Tatsachengrundlage seines Gutachtens allein von den belastenden Bekundungen der Ehefrau aus. Da weiß er sich einig mit den befaßten Richtern Huber, Eberl und Brixner: Frauen attackieren Männer nicht, und wenn sie es tun, darf sich der Mann nicht wehren – letzteres eine typisch männliche Einstellung, die auch Gustl Mollath teilt: schließlich tut es ihm leid, sich aktiv zur Wehr gesetzt zu haben. Ein Mann schlägt keine Frau, sondern nimmt deren physische Attacken widerstandslos hin.

Die ›Auswertung‹ der Verteidigungsschrift (S. 10 – 12 des Gutachtens) läßt sich nur als wirre Kompilation bezeichnen, die am Kern der Sache, dem Streit der Eheleute wegen der zunächst im Auftrag der HypoBank durchgeführten Beihilfe zur Steuerhinterziehung für betuchte Kunden, später in Eigenregie fortgeführt für Bank- wie auch Privatkunden, völlig vorbeigeht. Der Schriftverkehr des Probanden mit Banken – seinerzeit noch mit dem Ziel geführt, daß seine Frau mit ihren strafrechtlich wie ökonomisch riskanten Geschäften aufhören möge, ohne steuer- und strafrechtliche Sanktionen erleiden zu müssen – bleibt gänzlich außen vor.

Hier sind die von Dr. Leipziger nicht ausgewerteten Briefe nachzulesen:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=62

Ebenso wird alles weggelassen, was die Kampfmethoden der Ehefrau im Vorfeld des Scheidungsverfahrens beleuchtet, wie sie die Verteidigung im Wiederaufnahmeantrag herausgearbeitet hat:

Aus den in dem Duraplus-Ordner vorhandenen Schreiben meines Mandanten an seine Ehefrau gehen die sich steigernden Taktiken der Ehefrau, meinen Mandanten daran zu hindern, sein Wissen über ihre Tätigkeit zu verbreiten und ihn dazu zu bewegen, seine Ermahnungen, mit ihren illegalen Geschäften aufzuhören, einzustellen – und daneben auch finanziell gestärkt aus einem Scheidungsverfahren herauszugehen –, deutlich hervor. Letzteres Motiv ergibt sich bereits aus ihrem Schreiben vom 27.4.2004, in dem sie ihre Scheidungsanwältin, Frau Woertge, darum bittet, vorzutragen, der Versorgungsausgleich ihres Mannes sei wegen der gegen sie angeblich begangenen Straftaten verwirkt (802 Js 4743/03 Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Bl. 146 d.A.).

In dem Schreiben vom 25.8.2002 (abgelegt in dem Duraplus-Ordner) berichtet Mollath über folgende sich steigernde Maßnahmen seiner Ehefrau gegen ihn, verbunden mit Lockangeboten:

– Kündigung der Lastschriftverfahren, z.B. für die Beiträge Krankenkasse des einkommenslosen Mandanten;

– Verweigerung von Unterhalt, verbunden mit der Ankündigung, dies auch zukünftig zu tun

– Angebot, ihm 500.000,- Euro zu überlassen, damit er schweigt.

Aus dem Duraplus-Ordner geht weiterhin hervor:

– Am 9.8.2002 wird meinem Mandanten kommentarlos das – jetzt als unechte Urkunde zweifelhaften Inhalts enttarnte – Attest vom 3.6.2002 von Dr. Madeleine Reichel über die Folgen einer angeblichen Körperverletzung vom 12.8.2001 durch ihn über den Fax-Anschluß von Müller/Simbek (Bruder der Ehefrau und dessen Lebensgefährtin, Sprechstundenhilfe bei Frau Dr. Reichel) zugefaxt, was von ihm zu Recht als Erpressung gedeutet wird;

– die Ankündigung der Ehefrau, ihr Vermögen auf ihren Bruder zu übertragen und sich arm zu rechnen; daneben wird angekündigt, sein Haus zu ersteigern (was dann in der Folge auch geschah).

– Alle diese Aktivitäten hielten meinen Mandanten nicht davon ab, sich im Zeitraum August 2002 bis Dezember 2002 sowohl an die HypoVereinsbank als auch an die betroffenen Schweizer Banken zu wenden, um seine Frau von den illegalen Geschäften abzuhalten. In dem Ordner befindet sich auch das Antwortschreiben der HypoVereinsbank/München vom 2.1.2003, dass die interne Revision ihre Ermittlungen bereits aufgenommen habe.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf#page=4

Konsequenterweise wird in dem Leipziger-Gutachten nicht nur der Hinweis auf die erfolgte Revision der Bank unterschlagen, sondern auch deren Ergebnis, wie es die Belastungszeugin in ihrer Vernehmung vom 15.5.2003 selbst bekundet hat:

in dieser Vernehmung offenbart sie auch ein Belastungsmotiv, das der VRiLG Brixner in seinem Urteil bewußt ausblendet: „Er hat durch Denunziation dafür gesorgt, dass ich meine Arbeitsstelle verliere“ (wie vor, Bl. 48, 49 d.A.).

[wie vor]

Dr. Leipziger war der erste, der dieses Belastungsmotiv unter den Tisch fallen ließ und der die konkreten Schwarzgeld-Vorwürfe, die sich einigen Schreiben der Verteidigungsschrift und der am 9.12.2003 erstatteten Strafanzeige Mollaths wegen Steuerhinterziehung u.a. entnehmen ließen, nicht einmal wiedergab.

Zu dem begründungslos (mangels Anfangsverdachts) eingestellten Verfahren wegen Steuerhinterziehung heißt es im Gutachten lapidar:

Auf einen Auszug aus der zum Verfahren verbundenen. Akte 41 Cs 802 Js 4726/03 [Briefdiebstahl] kann hier ebenso verzichtet werden, wie auf einen Auszug aus den Akten 509 Js 182/04. [Steuerhinterziehung]

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=10

Die selektive Auswertung des Duraplus-Ordners wird wie folgt kommentiert:

Auf die Mehrzahl der in der Heftung „Duraplus“ abgehefteten Unterlagen des Angeklagten kann hier nicht eingegangen werden.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=12

Dieses Vorgehen hat Methode: denn je weniger konkret und sachlich begründet die Vorwürfe des Probanden erscheinen, desto eher können sie als wahnhaft gewürdigt werden. Je unbelasteter die beschuldigende Ehefrau inszeniert wird, desto eher lassen sich ihre bloßen Behauptungen als Anknüpfungstatsachen behandeln, auch wenn der von ihr eingeführte allgemeine „Weltverbesserungswahn“ durch den Sachverständigen in einen „Schwarzgeldwahn“ umgedeutet werden muß, von dem wiederum sie nichts wissen will. Nach ihren Bekundungen gab es schließlich keine ehelichen Streitigkeiten über dieses Thema (mithin auch keinen „Schwarzgeldwahn“ zu den angeblichen Tatzeiten 2001 und 2002).

Das ficht Dr. Leipziger nicht an, obwohl er die Position der Ehefrau kennt und in seiner Akten-Präsentation ihre seiner Findung entgegenstehende Aussage im Hauptverhandlungstermin vom 22.4.2004 sogar ausdrücklich im Gutachten erwähnt:

Die Zeugin sei auch mal ausgezogen gewesen, das sei, so glaube sie, 1999 aufgrund von Schlägen gewesen. Es sei so, wenn sich der Angeklagte in was verrannte, z.B. Kriegssachen, dass erst die böse waren, dann sei nur die Zeugin böse gewesen und dann seien alle böse gewesen.

Seine Anzeige wegen Schwarzgeld komme vielleicht daher, weil die Zeugin in einer Bank gearbeitet hätte und Kunden in der Schweiz betreut hätte.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=7

Die fehlende Neutralität des Gutachters Dr. Leipziger erweist sich insbesondere bei der Darstellung der vorangegangenen Unterbringung gemäß § 81 StPO in Erlangen zur Gutachtenerstellung durch Dr. Wörthmüller.

Das Einzige, das er hierzu als objektiven Akteninhalt in sein Gutachten aufnimmt, sind diese lapidaren Zeilen:

Auf der verwaltungsseitig durch das Klinikum am Europakanal Erlangen erstellten Entlassungsanzeige vom 12.07.2004 (Bl. 189) wird bezüglich des Angeklagten Aufnahmedatum 30.06.2004 und Entlassdatum 07.07.2004 und Entlassungsdiagnose F 60.9 – Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet, angegeben.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=8

Irgendwas muß die Verwaltung schließlich in ihr Formblatt eintragen, wenn es zu keiner Gutachtenerstellung gekommen ist. Was liegt da näher als eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung, die sogar den Rang einer wissenschaftlich anmutenden ICD-10 Klassifizierung errungen hat? Das ist alles, was Dr. Leipziger hinsichtlich der Erlangener Internierung für erwähnenswert hält! Nicht einmal der Name „Wörthmüller“ scheint auf – dessen Befangenheitserklärung vom 1.7.2004 wird ebenso weggelassen wie sein Schreiben vom 5.7.2004 an das Gericht, in dem er geflissentlich und juristisch unbeachtlich eine formlose „Überweisung“ an Dr. Leipziger offerierte. Dr. Leipziger ist in Nürnberg aufgewachsen, seine Mutter hatte einen sozialpsychiatrischen Dienst in Nürnberg begründet:

http://www.nuernbergwiki.de/index.php/Karl_Leipziger

Diese biographische Verbindung Dr. Leipzigers zu Nürnberg und dessen sozialpsychiatrischen Initiativen dürften Dr. Wörthmüller zu seiner Empfehlung veranlaßt haben. Als Gerichtsgutachter war Dr. Leipziger dort eher ein Unbekannter.

Dr. Wörthmüller begründete seine Befangenheit am 1.7.2004 gegenüber Richter Eberl wie folgt:

Herr Mollath wurde gestern, am 30.06.2004, in die hiesige Klinik eingeliefert, am gleichen Tag wurden mir die Akten (die zuvor nur ungesichtet einen Tag in der hiesigen Abteilung waren, dann zurückgefordert wurden) erneut zugestellt. Leider ist es so, dass ich in der vergangenen Woche bereits persönlichen Kontakt mit Herrn Mollath hatte, mich insbesondere ein Nachbar, mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, ausführlich über seine Sichtweise der Angelegenheit Mollath informierte (Herr Mollath wollte auch jenen aufsuchen). Aufgrund des so erhaltenen Meinungsbildes und der damit verbundenen persönlichen Verquickung sehe ich mich außer Stande, mit der notwendigen Objektivität das von Ihnen angeforderte Gutachten zu erstatten. Auch eine Übertragung auf einen Mitarbeiter meiner Abteilung erscheint hier kontraindiziert, nachdem die hiesige forensisch-psychiatrische Struktur stark durch meine Person bzw. die hiervon ausgehenden Einschätzungen geprägt ist.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf#page=114

Hierüber unterrichtete er das Amtsgericht aber nicht sofort, sondern erst zusammen mit dem per Fax am 5.7.2004 übermittelten Schreiben vom 5.7.2004, in dem Dr. Wörthmüller ausführt:

[,,,] um eine kurzfristige Bearbeitung des bereits eingeleiteten Unterbringungsverfahrens nach § 81 StPO zu ermöglichen, habe ich Herrn Dr. Leipziger vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth angesprochen, der sich bereit erklärte, den Gutachtenauftrag und Herrn Mollath kurzfristig zu übernehmen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, könnte der Angeklagte somit bereits in den nächsten Tagen dorthin überstellt werden, so dass eine wesentliche Verzögerung der Erledigung des Gutachtenauftrages vermieden wird.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf#page=116

Das alles erwähnt Dr. Leipziger in seinem Gutachten nicht, was ihn der Aufgabe entledigt, den genauen Gesprächsinhalt des zwischen Dr. Wörthmüller und ihm stattgefundenen Gesprächs mitzuteilen: wie sah denn die Einschätzung des Dr. Wörthmüller aus? Welche Angaben hat dessen ihm freundschaftlich verbundener Nachbar über Mollath gemacht, die ihn befangen machten? Woher kannte Dr. Wörthmüllers Nachbar, den der Proband aufsuchen wollte, Herrn Mollath überhaupt? Und womit wurde die viertägige Freiheitsberaubung gerechtfertigt, die nach Ablehnung des Gutachtenauftrags objektiv stattfand? Denn die freiheitsentziehende Maßnahme gemäß § 81 StPO muß sofort beendet werden, wenn eine Gutachtenerstellung ausscheidet. Welche die weitere Internierung rechtfertigenden Gespräche wurden zwischen Dr. Wörthmüller und Gustl Mollath geführt, die eine Gutachtenerstellung noch nicht ausschlossen?

Dr. Leipziger klärt nichts. Er vermeidet die Mitteilung, daß Dr. Wörthmüller sich für befangen erklärt und mit ihm, dem Sachverständigen, über den Fall gesprochen hat.

Er führt lediglich, in seiner üblichen kontextlosen Zitierweise, ein Schreiben des Probanden vom 23.9.2004 an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg an:

Mit Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 220 f) an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg führt der Angeklagte u.a. aus, dass die angezeigten Straftaten alle im Zusammenhang des größten Schwarzgeldverschiebungsskandals, von der Bundesrepublik in die Schweiz, unter Mitwirkung der Hypo Vereinsbank, seiner früheren Frau Petra Mollath und deren Arbeitskollegen und Kunden, wie Wolfgang Dirsch, Udo Schicht und Bemhard Roggenhofer usw., zu sehen sind. [Letzterer ist der besagte Nachbar von Dr. Wörthmüller.][…]

Rechtsanwalt Ophoff hätte von Dr. Wörthmüller bewegt werden können, Samstag Mittag in die Klinik zu kommen, denn der Angeklagte hätte auf einer Rechtsberatung bestanden, weil er sonst mit Ihm (Dr. Wörthmüller ?) nicht über seinen Vorschlag verhandeln könne: Er schreibe ein für den Angeklagten passendes Gutachten, dafür bleibe seine Beziehung zu den Schwarzgeldverschiebern in Form von Bernhard Roggenhofer unter ihnen.

Bei einem späteren Gespräch hätte Rechtsanwalt Ophoff gemeint: „Seien Sie doch froh, als ich Sie besuchte, hätten sie doch auch blödgespritzt sein können“.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=8

Weiter heißt es in dem Gutachten:

In einem weiteren Schreiben an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg, datiert vom 05.08.2004 mit der Überschrift Strafanzeigen bzw. Strafanträge gemäß Strafprozessordnung § 158 (Bl. 224 ff) führt der Angeklagte u.a. aus, dass er die Verbindung von Dr. Wörthmüller zu den Schwarzgeldverschieberkreisen aufgedeckt hätte und nachweisen könne. Deshalb hätte sich Dr. Wörthmüller letztlich für befangen erklären müssen.

Trotzdem hätte Dr. Wörthmüller vorher tagelang versucht, ihn zu folgender Abmachung zu bewegen: Er mache ein angeblich ,,harmloses“, für den Angeklagten passendes, Gutachten, dafür müsse er sich nicht für befangen erklären und die Verbindung zu den Schwarzgeldverschiebern würde unter ihnen bleiben. Als der Angeklagte über Tage, auch unter seelischer Folter, nicht auf den Handel eingegangen sei, sei ihm (Dr. Wörthmüller) nichts anderes übrig geblieben, als sich doch nachträglich für befangen zu erklären.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=9

Derartige Verhandlungen zwischen Mollath und Dr. Wörthmüller sowie die Einschaltung des am 6.7.2004 mandatierten Rechtsanwalt Ophoff wären eine plausible Erklärung für die verzögerte Absendung der Befangenheitserklärung durch den früheren Sachverständigen.

Dr. Klaus Leipziger, und das scheint mir fast das größte Skandalon seines Gutachtens zu sein, hat die hier zitierten Schreiben Mollaths zu seiner, auch in ihrem konkreten Vollzug entwürdigenden, in einer ständig beleuchteten und videoüberwachten Isolationszelle vollzogenen, Unterbringung gemäß § 81 StPO in der von Dr. Wörthmüller geleiteten Forensik in Erlangen nicht mit den aus den Akten ersichtlichen Realien konfrontiert. Ohne den Sachverhalt zu klären, hat er die Behauptungen Gustl Mollaths als Indiz für eine Wahn-Progredienz gewertet.

Damit hat er seine Gutachterpflichten gravierend verletzt: die ihm auferlegte Neutralität hätte geboten, gemäß § 80 Absatz 1 StPO vorzugehen, bevor er aus der Luft gegriffene Wertungen der Angaben des Probanden trifft.

§ 80 StPO

(1)    Dem Sachverständigen kann auf sein Verlangen zur Vorbereitung des Gutachtens durch Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten weitere Aufklärung verschafft werden.

Demnach hätte er vor Erstattung seines Gutachtens das Amtsgericht Nürnberg auffordern müssen, Dr. Wörthmüller, dessen Nachbarn Roggenhofer und Rechtsanwalt Ophoff – nach Schweigepflichtsentbindung durch den Mandanten – zeugenschaftlich zu den konkreten Umständen der Befangenheitserklärung, ihrer verzögerten Absendung und des von Rechtsanwalt Ophoff evaluierten Angebots des Gutachters Dr. Wörthmüller gegenüber Gustl Mollath zu vernehmen. Ohne konkrete Anknüpfungstatsachen kann eine psychiatrische Diagnose der Behauptungen eines Probanden nur unter Verstoß berufsrechtlicher Pflichten geschehen.

Kongenial hat auch der VRiLG Otto Brixner keinerlei Aufklärung betrieben. Es blieb der Staatsanwaltschaft Regensburg vorbehalten, im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens den Komplex Dr. Wörthmüller durch Vernehmung dieses beauftragten Sachverständigen und dessen Nachbarn Roggenhofer annähernd aufzuklären – mit dem Ergebnis, daß Dr. Leipzigers „Wahnerweiterungs“-Diagnose der Tatsachengrundlage entbehre und diese neue Tatsache den Wiederaufnahmeantrag stütze (was die Verteidigung zuvor ebenfalls dargelegt hatte).

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=89

Eindeutiger ist wohl noch nie ein psychiatrisches Gutachten zu Fall gebracht worden. Denn entsprechend hätte Dr. Leipziger auch bei der Evaluierung der „Schwarzgeld-Vorwürfe“ vorgehen und vom Amtsgericht verlangen müssen, durch zeugenschaftliche Vernehmung der Ex-Ehefrau und von Mitarbeitern der HypoVereinsbank das Ergebnis der internen Revision und die Kündigungsgründe in Erfahrung zu bringen.

Tatsächlich strotzt das Gutachten von Voreingenommenheit. Letztere ergibt sich auch aus der Auswertung der von Dr. Leipziger Ende März 2005 dringend erbetenen aktuellen Akte, die wegen durch Richter Eberl bei POK Grötsch angemahnter Aktenerstellung hinsichtlich gescheiterter Ermittlungen gegen den Probanden im Februar 2005 tatsächlich im April/Mai 2005 angelegt worden war.

In einer mit Schreiben vom 31.05.2005 nachgereichten Heftung zur Akte 41 Ds 802 Js 4743/03, deren Seiten wiederum beginnend mit 1 nummeriert sind, sind zahlreiche, dem Angeklagten zur Last gelegte Straftaten, überwiegend Sachbeschädigungen an Kfz, teilweise verbunden mit Hausfriedensbruch oder verbunden mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, aufgelistet.

Eine Aufstellung über die zwischen dem 31.12.04 und dem 31.01.05 liegenden Taten, die überwiegend ein Zerstechen von Reifen an Kraftfahrzeugen darstellten, ist Bl. 107 zu entnehmen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=13

Diese unter dem gerichtlichen Aktenzeichen der Körperverletzungsdelikte „nachgereichte Heftung“ stürzt den Gutachter freilich in ersichtliche Ratlosigkeit. Es handelt sich um eine polizeiliche Akte, die von der Staatsanwaltschaft, die Herrin des Verfahrens ist, noch nicht ausgewertet worden ist. Kann, darf und soll er die dort zusammengetragenen Fälle als Taten des Probanden unterstellen? Wie unsicher Dr. Leipziger ist, erhellt seine Zusammenfassung der Causa:

Im Schlussbericht, erstellt von POK Grötsch mit Datum vom 12:05.2005 (Bl. 119 ff), wird dargestellt, dass der vorliegende Ermittlungskomplex insgesamt 18 Fälle von Sachbeschädigungen durch Zerstechen von Fahrzeugreifen, einen Fall von Sachbeschädigung an Kfz und einen Fall von sonstiger Sachbeschädigung im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 01.02.2005 umfasse.

Als Verursacher der angezeigten Sachbeschädigungen sei im Verlaufe der polizeilichen Ermittlungen der Angeklagte festgestellt worden.

Hinsichtlich der aufgelisteten Fälle wird auch die Verbindung zwischen dem Angeklagten und den Geschädigten aufgeführt, bzw. ist dargestellt, dass es sich in einigen Fällen um Zufallsgeschädigte handle.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Schon der letzte Satz – wenn es keinerlei Verbindung zwischen Geschädigtem und Beschuldigten gab, wurde ihm die Tat dennoch zugeschrieben – dementiert eine Substanz dieser polizeilichen „Täterfeststellung“. Noch bedenklicher mußte erscheinen, daß der polizeiliche Tatverdacht gegen Gustl Mollath erst durch diejenige Anwaltskanzlei hervorgerufen worden war, die seinerzeit die Ex-Ehefrau Mollaths vertreten hatte. Dieses Detail aus dem Schlußbericht von POK Grötsch wird vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt.

Obwohl Dr. Leipziger diese „nachgereichte Heftung“ Anfang Juni 2005 erreicht haben dürfte, datiert sein Gutachten erst vom 27.7.2005. Es ist naheliegend, daß der Gutachter abwarten wollte, ob die Staatsanwaltschaft wegen dieser Sachbeschädigungen Anklage erheben würde. Nach zweimaliger Mahnung des Amtsgerichts im Juli 2005, das Gutachten endlich zu erstellen, wurde es schließlich am 27.7.2005 abgeschlossen, ohne daß die Staatsanwaltschaft eine Entscheidung getroffen hatte. Gleichwohl legt Dr. Leipziger die Tatbegehung der Sachbeschädigung seinem Gutachten umstandslos zugrunde (die Erhebung des Vorwurfs reicht für ihn aus) und stützt die Bejahung einer Unterbringung maßgeblich auf diese aktuellen Vorfälle.

Der Schreck muß gewaltig gewesen sein, als die Staatsanwaltschaft das Sachbeschädigungsverfahren am 11.8.2005 gemäß § 154 StPO einstellte, da die Taten z.T. nicht nachweisbar und der Beschuldigte möglicherweise schuldunfähig sei! So dubios wie die polizeilichen „Ermittlungen“ und die nachgeholte Anlage einer Akte in diesem Fall, so dubios sind auch die Manöver, mit denen die Staatsanwaltschaft dazu veranlaßt wurde, ihre Einstellung zurückzunehmen und immerhin neun Fälle anzuklagen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Klagerzwingung-2013-09-19.pdf#page=4

VRiLG Otto Brixner hatte trotz fehlenden Tatnachweises, fehlender Einführung von Sachbeweisen in die Hauptverhandlung und fehlender Zeugen (just jene zwei Anwälte aus der von der Ex-Ehefrau mandatierten Kanzlei waren nicht erschienen) keine Mühe, den Angeklagten Mollath in einer sechsstündigen Hauptverhandlung auch wegen acht der neun angeklagten Sachbeschädigungen zu verurteilen, deren Gefährlichkeit er wahrheitswidrig übertrieb.

In der neuen Hauptverhandlung wird es gründlicher zugehen:

Die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg beabsichtigt, mit der Hauptverhandlung im wiederaufgenommenen Verfahren Mollath im Juli 2014 zu beginnen. Mit den Verfahrensbeteiligten sind bereits 15 Termine für den Zeitraum vom 07. Juli bis 14. August 2014 abgestimmt. Über eventuelle Folgetermine und das vorläufige Programm wird noch entschieden werden.

http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/r/aktuell/04168/index.php

Es ist zu erwarten, daß auch diese entscheidende Anknüpfungstatsache des Gutachtens, die angeblichen Sachbeschädigungen, ersatzlos wegfallen wird.

Aus den polizeilichen Akten paraphrasiert Dr. Leipziger auf S. 13 den Festnahmebericht vom 13.2.2005 (Ergreifen des sich auf dem Dachboden versteckenden Probanden zwecks Überführung in die Bayreuther Forensik) – aus welchem Grund er dieses Detail übernimmt, ist unklar, weil er es später nicht mehr verwendet. Tatsächlich ist es nach den traumatisierenden Erfahrungen in der Erlanger Forensik (23-stündige Einsperrung pro Tag in einer kahlen videoüberwachten Isolationszelle mit bedrohlichem Fixierbett) nachvollziehbar, derlei Schreckensorte vermeiden zu wollen.

Am längsten hält sich der Gutachter Dr. Leipziger mit dem fragwürdigen Schreiben der Ex-Ehefrau und deren neuen Lebensgefährten vom 3.4.2005 auf, in dem über Begegnungen mit dem Probanden vom 30.3.2005 geraunt und diese als stalkingähnliche Handlungen dargestellt werden. Wie unkritisch der Gutachter solch ein wie bestellt wirkendes „Beweisstück“ behandelt, ergibt sich schon daraus, daß es ihn nicht wundert, daß die Verfasser, die beide seit Anfang 2003 in Berlin leben, eine gemeinsame Nürnberger Adresse angeben und den Nürnberger Polizeibeamten, der das Sachbeschädigungsverfahren bearbeitet, um Rat fragen, wie mit solchen Belästigungen deeskalierend zu verfahren sei.

Dabei liest Dr. Leipziger diesen Brief überaus oberflächlich – oder hat er nur dasselbe Gespür, das der Verteidiger Gerhard Strate bei dessen Lektüre hatte?

Auch das aus der angeblichen Perspektive von Martin Maske verfasste, ersichtlich aber weiblich konnotierte Schreiben von Petra Mollath und Martin Maske vom 3.4.2005 (unter der angeblich gemeinsamen Adresse Wöhrder Hauptstr. 13) […]

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf#page=12

Jedenfalls ordnet er die Begegnung Martin Maskes – der frühere Handballer, der von Gustl Mollath bei der ersten Begegnung mit einem Möbelpacker verwechselt worden war – mit Gustl Mollath der Ex-Ehefrau zu, was ja auch irgendwie glaubhafter ist:

Die Zeugin Müller berichtete, dass der Angeklagte, ihr früherer Ehemann, sie am Nachmittag des 30.03.05 durch einen Zufall in ihrem Fahrzeug gesehen hätte. Daraufhin hätte er seine ursprüngliche Wegrichtung geändert und sei ihr gefolgt.

Auf der Straße Richtung Hefnersplatz hätte ihr der Angeklagte den Weg verstellt und sie verbal bedroht. In Begleitung des Angeklagten sei ein junger Mann gewesen, der drei Meter versetzt neben ihm gestanden sei.

Die Zeugin hätte den jungen Mann gefragt, ob er etwas von ihr wolle, was der junge Mann verneint hätte. So sei es der Zeugin möglich gewesen, ihren Weg an ihm vorbei gehend fortzusetzen.

Während dieser kurzen Zeit hätte der Angeklagte ihr gedroht, dass auch noch „alle Anderen“ zurückweichen müssen und dass er es allen zeigen werde.

Während sie ihren Weg fortgesetzt hätte, hätte ihr der Angeklagte noch verschiedene wirre Sätze nachgeschrien, die sie aber nicht wörtlich verstanden hätte.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=13

Tatsächlich schildert Maske diese Begegnung aus der Ich-Perspektive:

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf

[S. 16]

Eigentlicher Adressat der eigentlichen Botschaft dieses gemeinsamen Briefes der Ex-Ehefrau und ihres neuen Lebensgefährten ist natürlich Dr. Klaus Leipziger:

Offensichtlich spioniert und verfolgt er uns weiterhin und sucht unsere Nähe. Frau Müller hat sich bereits vor drei Jahren von Ihm getrennt. Die Persönlichkeitsveränderung des Hr. M. schreitet fort. Er war und ist auch gewalttätig. Ein Verfahren wegen Körperverletzung läuft noch.

Die zweimalige kurzfristige Einweisung in eine Nervenklinik genügt offensichtlich nicht, zumal nach der Entlassung immer wieder die gleichen Verhaltensmuster bei Ihm auftreten. Frau Müller und ich befürchten nach seinen „Aktionen“ in der Zukunft Schlimmeres.

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf

[S. 17]

Diese Passage, die allzu offensichtlich eine akute Gefährlichkeit des Ex-Ehemanns aktenkundig machen sollte, zitiert Dr. Leipziger in seinem Gutachten nicht und legt sie auch im weiteren seiner Diagnose und Prognose nicht zugrunde. Ob sie ›intern‹ ihre manipulative Wirkung entfaltet hat, läßt sich nicht beurteilen. Dagegen spricht jedenfalls, daß Dr. Klaus Leipziger bereits Ende März 2005 den auftragerteilenden Richter Eberl telefonisch darüber informierte, daß er für eine – den Erwartungen der Justiz entsprechende – Gutachtenerstellung aktuelle Fälle benötige.

Weiteres auswertbares Aktenmaterial liefert die hauseigene Dokumentation über Interaktionen und Verhalten des in der Zeit vom 14.2. – 21.3.2005 in der Forensik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth internierten Probanden. Auch hier stützt sich der Gutachter auf von Dritten generiertes Material, das er unüberprüft übernimmt.

Er selbst hat den Probanden in den gesamten fünf Wochen (Maximaldauer der Unterbringung gemäß amtsgerichtlichem Beschluß) lediglich zwei Mal gesehen, nämlich vier Tage nach Einlieferung, am 18.2.2005, sowie drei Tage vor der unabdingbaren Entlassung, am 18.3.2005. Bereits vor dem ersten Treffen hatte Gustl Mollath gegenüber anderen Ärzten mehrfach seine Weigerung ausgesprochen, sich auf eine psychiatrische Exploration, eine körperliche Untersuchung oder auch nur eine Blutentnahme einzulassen, wie Dr. Leipziger zutreffend zusammenfaßt:

Nachdem der Angeklagte im Rahmen der für ihn hier gemäß § 81 StPO angeordneten Beobachtungs- und Untersuchungszeit ab dem 14.02.2005 bereits zu Beginn seiner stationären Unterbringung mit Ausnahme von Gesprächen, die er wegen aktueller Bedürfnisse intendierte oder zuließ, jegliche Untersuchungen und gezieltere Explorationsgespräche verweigerte, kam der Verhaltensbeobachtung des Angeklagten im Hinblick auf die in Auftrag gegebene Begutachtung besondere Bedeutung zu.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=22

So konnte es Dr. Leipziger nicht verwundern, daß der Proband auch ihm gegenüber eine Exploration verweigerte. Erstaunlich ist es vielmehr, daß die Gutachtenpassage, in der es um seine beiden Gespräche mit Gustl Mollath geht, mit der Überschrift: „Untersuchung und Exploration des Angeklagten durch den Sachverständigen.“ (S. 21) versehen ist.

Nach Erläuterung des Gutachtenauftrags und Belehrung, daß es dem Probanden freistehe, gegenüber dem Sachverständigen Angaben zu machen, stellt Dr. Leipziger die Aussagen Gustl Mollaths wie folgt dar:

Bei diesem Gespräch beschwerte sich der Angeklagte über den Umstand, dass seine psychiatrische Untersuchung richterlich angeordnet worden war.

Des Weiteren klagte er darüber, dass ihm durch die ihn festnehmenden Polizeibeamten nicht ermöglicht worden sei, sich seine notwendigen Körperpflegemittel, Nahrungsmittel etc. einzupacken.

Mit den hier verfügbaren Körperpflegemitteln und Nahrungsmitteln sei er nicht einverstanden.

Er bitte um Hilfe, Kernseife und Nahrungsmittel aus biologisch-dynamischen Anbau sich beschaffen zu können.

Auf Frage erklärte der Angeklagte, dass er hier auf Station ansonsten mit den Mitarbeitern und den Mitpatienten zurechtkomme.

Auch körperlich hätte er keine Beschwerden.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Bei diesem Gespräch „imponierte“ der Proband „in psychischer Hinsicht zu allen Qualitäten orientiert, wach und bewusstseinsklar“, war „ruhig und freundlich“ (S. 21), auch hinsichtlich „Gedächtnis, Merkfähigkeit und Konzentrationsvermögen des Angeklagten ergaben sich im klinischen Eindruck keine Auffälligkeiten“, Dr. Leipziger wagt eine „klinische Einschätzung“ der Intelligenz des Probanden als „durchschnittlich“ und attestierte ihm, „keine aggressiven Verhaltensweisen“ zu zeigen. (S. 22)

Lediglich die Exploration lehnt er ab, ja, beschwert sich gegen die richterlich angeordnete psychiatrische Untersuchung. Hier nun hätte Dr. Leipziger die Reißlinie ziehen und das Amtsgericht darüber informieren müssen, daß der Zweck der Unterbringung, nämlich die psychiatrische Untersuchung, nicht erreicht werden könne. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 hätte er ein Konzept entwickeln und vom Gericht absegnen lassen müssen, wie denn auf andere Weise Informationen erlangt werden könnten, die dem Unterbringungszweck dienlich seien. Eins jedoch ist ausgeschlossen: eine Totalbeobachtung, die das BVerfG so definiert:

Die vom Gutachter genannten Bedingungen, die die angeordnete Beobachtung sinnvoll und ergiebig machen könnten, lassen sich in zulässiger Weise nicht herstellen. Das Untersuchungskonzept zielt darauf ab, den Beschwerdeführer in seinem Alltagsverhalten, seiner Interaktion mit anderen Personen und seinem Verhalten gegenüber Personen, deren Urteil er nicht befürchten muss oder das er für belanglos hält, zu beobachten. Er soll in seiner eigenverantwortlichen Gestaltung des Tagesablaufs, seiner persönlichen Pflege oder Vernachlässigung von Interessen und in seiner Integrationsfähigkeit in die jeweilige Umwelt bzw. Gemeinschaft beobachtet werden. Die damit angestrebte Totalbeobachtung, die Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Beschuldigten erbringen soll, die er von sich aus nicht preisgeben will, von denen aber erhofft wird, dass er sie unter der Einflussnahme Dritter offenbart, ist unzulässig. Denn eine solche Maßnahme liefe auf die Umgehung des verfassungsrechtlich garantierten Schweigerechts des Beschuldigten und einen Verstoß gegen § 136 a StPO hinaus. Verfassungsrechtlich steht einer solchen Totalbeobachtung der unantastbare Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten entgegen, der dadurch zum bloßen Objekt staatlicher Wahrheitsfindung gemacht würde, dass sein Verhalten nicht mehr als Ausdruck seiner Individualität, sondern nur noch als wissenschaftliche Erkenntnisquelle verwertet würde.

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20011009_2bvr152301.html

Darüberhinaus heißt es in dem Beschluß:

Das konkrete Untersuchungskonzept muss zudem zur Erlangung von Erkenntnissen über eine Persönlichkeitsstörung geeignet sein, und die Geeignetheit muss wiederum in Gutachten und Beschluss dargelegt werden (vgl. OLG Frankfurt a. M., StV 1986, S. 51).

Das dem Leipziger-Gutachten zugrundeliegende „Konzept“ sah ausweislich seines Gutachtens- und Unterbringungsstils ungefähr so aus: behandle den Mann, als sei er ein rechtskräftig zu Unterbringung verurteilter allgemeingefährlicher psychisch Kranker, stecke ihn in die besonders gesicherte Eingangsstation FP 6, in der die unterschiedlichsten „Fälle“ – eine zum Teil explosive Mischung – darauf warten, daß in den für sie zuständigen Stationen Plätze frei werden, erlege starre Stationsordnungen auf, ordne das Tragen von Handschellen beim Gang zum maximal einstündigen Hofgang an und beauftrage das nachgeordnete Personal, möglichst eifrig zu notieren, welches verdächtige Verhalten ein Proband unter diesen Extrembedingungen an den Tag legt.

Dr. Leipziger hegt offenbar folgende, wissenschaftlich unhaltbare und rechtsstaatlich unannehmbare Hypothesen:

1)      Freiheitsentziehende Forensik ist Alltag.

2)      Die dort gezeigten Verhaltensweisen entsprechen denen, die auch sonst gezeigt werden.

3)      Das gilt auch für Menschen, die sich für unschuldig und gesund halten – beides ist noch nicht widerlegt.

4)      Wer sich der totalitären Institution anpaßt und sich klaglos unterwirft, ist normal.

5)      Wer das nicht tut, ist paranoid, von krankhaftem Mißtrauen geprägt und affektgestört, wenn er sich ab und zu aufregt. Psychopathologisch bedenklicher sind nur noch gehobene Stimmungen.

6)      Grüne Pazifisten, die Flugblätter verfassen und demonstrieren, die passiven Widerstand gegen die Verhältnisse leisten, sind eh crazy.

7)      Die üblen Verhältnisse werden den Willen des Probanden brechen und ihn zur Kooperation zwingen.

Schon bei der Darstellung dieses „informatorischen Gespräches“ (S. 21) vom 18.2.2005 werden diese Aspekte deutlich:

Inhaltlich war sein Denken, das von einer misstrauischen Grundhaltung geprägt war, durch eine starke Körperbezogenheit und Rigidität auffällig, indem der Angeklagte massiv darauf beharrte, ,,natürliche“ Körperpflegemittel ausschließlich benutzen zu können und sich nur anhand von Lebensmitteln aus biologisch-dynamischen Anbau ernähren zu können, die hier nicht ohne Weiteres verfügbar bzw. für ihn beschaffbar waren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Statt sich der Ineffizienz der Sozialarbeiter in seiner Institution zu widmen, die es auch vier Tage nach Einlieferung nicht geschafft haben, einen Transport von Bekleidung, Körperpflegemitteln und ggf. Verpflegung aus dem Haus des Probanden zu organisieren oder eine gesonderte Verpflegung auf dessen Kosten zu vermitteln, wird der Proband bereits pathologisiert. Welche Machtinstinkte treiben den Gutachter an, daß er den Status des Probanden, für den die Unschuldsvermutung und schwache Akten streiten, den er daraufhin begutachten soll, ob eine bislang nur insinuierte psychische Erkrankung vorliegt, derartig verkennt?

Es liegt wohl daran, daß Dr. Leipziger nach Aktenlektüre am 18.2.2005 ohnehin schon weiß, in welche Schublade er den Probanden stecken will. Das ergibt sich aus dessen Überlegungen zu dem informatorischen Gespräch:

Im eher allgemein gehaltenen informatorischen Gespräch wurden für den Angeklagten sensible Themenbereiche – wie sie aus den Akten zu ersehen sind – nicht berührt. Diesbezüglich kamen somit in diesem Gespräch paranoide und Größenvorstellungen des Angeklagten, die bei Erörterung auch der für ihn sensiblen Themenbereiche zur Darstellung hätten kommen können, nicht zur Sprache.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Deutlicher kann eine Voreingenommenheit nicht zum Ausdruck gebracht werden. Wäre er, Dr. Leipziger, im Rahmen dieser ersten Begegnung, auf die Sache, um die es bei den Vorwürfen geht, eingegangen, dann wäre dieses erste Gespräch nicht so relativ unauffällig verlaufen. Dann wären paranoide und Größenvorstellungen demonstriert worden.

Genauso voreingenommen reagiert der aufnehmende Arzt am 14.2.2005 – wie der Herr, so’s Gescherr, und das setzt sich bis zum unterrangigsten Personal fort und durch. Selbst die „Patienten“ kapieren rasch, mit welchen Mitteilungen über „Mitpatienten“ sie dem Personal eine Freude machen und ihrer eigenen Lockerungskarriere Flügel verleihen können.

Dr. Leipziger referiert die Dokumentation des aufnehmenden Arztes folgendermaßen:

Bei seiner Aufnahme am 14.02.2005 hätte der Angeklagte dem aufnehmenden Arzt berichtet, dass er am 13.02.2005 mittags zu Hause von der Polizei abgeholt worden sei und in eine Zelle gesperrt worden sei. Es sei kalt gewesen und es hätte nur ein gemauertes Bett mit einem Leimbrett gegeben, keine Decke. Der Ventilator sei die ganze Zeit gelaufen. Er hätte kein Essen erhalten, es hätte auch kein Wasser gegeben. Der Kontakt zu Angehörigen sei ihm verweigert worden. Hierauf hätte der Angeklagte eine langatmige Auslegung des Grundgesetzes gegeben, gegen das die Polizei verstoßen hätte.

Um auf sich aufmerksam zu machen, hätte er Wasser mit einem Becher aus der Toilette geschöpft, woraufhin die Polizei die Zelle gestürmt hätte, ihn zu Boden geworfen hätte und versucht hätte, ihm den Arm auszukugeln und ihm eine Schürfwunde am linken Knie und einen offenen Bluterguss am linken Schienbein zugefügt hätte.

(Eine dem Angeklagten angebotene Tetanus-Simultan-Impfung sei von ihm verweigert worden).

Bei Ankunft vor der Klinik sei der Angeklagte gefesselt gewesen. An beiden Handgelenken seien Schwellungen und Hautrötungen festzustellen gewesen. Neurologische Ausfälle seien durch den Angeklagten dort verneint worden. Eine Untersuchung hätte der Angeklagte nicht zugelassen.

Bezüglich seines Falles sei alles in den Gerichtsakten nachzulesen. Er (der Angeklagte) habe jetzt nicht die Kraft, das komplexe Geschehen zu erklären.[…] Weiter hätte der Angeklagte berichtet, dass er geschieden sei, keine Kinder hätte.

Er lebe seit Jahren von Bio-Lebensmitteln. Er verweigere die Nahrungsaufnahme, wenn er diese Lebensmittel nicht bekomme, da er multiple Allergien gegen konventionelle Lebensmittel habe.

Er nehme keine Medikamente, habe keine körperlichen Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte hinter sich.

Ein weiteres Gespräch verweigere er, ebenso internistische und neurologische Untersuchung.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Dieser Darstellung läßt sich nicht entnehmen, ob die durch die Polizei zugefügten Verletzungen tatsächlich vorhanden waren oder nicht. Dr. Leipziger zitiert nun mal gern selektiv. Seine Zitate aus den Niederschriften des Pflegepersonals beginnen bewußt erst mit dem 17.2.2005, als ob nicht von Anfang an auch von den Pflegekräften auf seine Anforderung hin eifrig dokumentiert worden wäre.

Denn eins ist klar: wird eine Person unter polizeilichem Zwang eingeliefert, so erfordert es bereits der Selbstschutz der Institution, genauestens zu dokumentieren, welche Verletzungen diese Person bereits vor Aufnahme aufwies, um nicht selbst dafür einstehen zu müssen. Genauso selbstverständlich ist es, daß diese Dokumentationen an den Betroffenen nicht herausgegeben werden, wenn er sie zur Unterfütterung seiner Strafanzeige gegen die Polizei benötigt. Forensik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte stehen schließlich auf derselben Seite.

In den handschriftlichen Aufzeichnungen einer Pflegekraft vom 14.2.2005 heißt es:

Von beiden Beamten und mir wurde Pat. M. auf St. FP6 gebracht. Auf Station wurden die Handfesseln entfernt, hier zeigten sich Druckstellen auf beiden Handglenken. Bemerkenswert ist, dass er zum Transport mit gestreckten Armen auf den Rücken transportiert wurde.

Bei der Aufnahme zeigte er sich wenig kooperativ, kündigt auch passiven Widerstand an. Gibt nur zäh und unter permanenten Nachfragen Antwort. […] Deliktauskunft keine. ärztl. Untersuchung durch Dr. P. verweigert. Körperlich und Kleidung zerrissen, Duschbad welches angeboten wurde verw. Handfesseln noch stark gerötet, kleine 2 Cent große Schürfwunde mit Hämatombildung an li. Schienbein. Pat. will nur noch schlafen und sich aufwärmen und brach dann das Gespräch ab. Meinte dan noch er wolle alles ertragen aber nicht kooperieren. Verletzungen d. Handgelenke sowie d. Schienbeins werden noch zur Beweissicherung fotographisch festgehalten. Pat. ist damit einverstanden.

[Die Dokumentation liegt der Verteidigung vor, der ich dieses Zitat verdanke]

Da wird also ein Proband eingeliefert, ramponiert, in zerrissener Kleidung, ohne Koffer mit Kleidung und Kulturtasche, auf unüblich brutale Art und Weise gefesselt, am Mittag des Vortages festgenommen und grundlos über Nacht in einer kargen kalten Zelle eingesperrt, ohne Wasser und Brot, wird mißhandelt, als er auf seine Bedürfnisse aufmerksam macht, weist Rötungen und Schwellungen an den Handgelenken auf und eine Schürfwunde mit Hämatom am Schienbein, hat die Nacht über nicht geschlafen, ist fertig und dennoch entschieden, gegen die Institution „Psychiatrie“ passiven Widerstand zu leisten. Und nun hören wir uns an, wie Dr. Leipziger diesen Arzt, ich wiederhole: Arzt!, in seiner Einschätzung dieser ersten Begegnung zitiert:

Psychischer Befund: Wach, orientiert, ungepflegt;

auffällig ist das negativistische Weltbild, in dem der Angeklagte der Benachteiligte ist. Es mutet an, dass es sich um paranoides Umdenken handelt, insbesondere die „Schwarzgeldkreis“- Verschwörung gegen ihn.

Es dominieren Größenphantasien.

Auf Stimmen hören befragt hätte der Angeklagte geantwortet:

Er höre eine innere Stimme, die ihm sage, er sei ein ordentlicher Kerl, er spüre sein Gewissen. Im Grundgesetz sei die Gewissensfreiheit verankert. Es gebe nur Gerechtigkeit oder Tod. Dies hier sei ein Unrechtsstaat.

Die Ich-Grenzen wirken verschwommen, die Ausführungen sind ausufernd, scheinlogisch in Abwechslung mit vernünftigen Gedanken.

Der Affekt ist heiter. Gedächtnis und Merkfähigkeit im Untersuchungsgang regelrecht. Die Stimmung wirkt grenzwertig gehoben. Suizidalität ist nicht zu eruieren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Daß hier kein Arzt spricht, der sich in die Situation  des zwangsweise in die Forensik verbrachten Probanden hineinversetzen kann, ist klar. Wer würde nicht „ungepflegt“ wirken nach 30-stündiger Polizeiverwahrung und -behandlung? Ärzte, die unter der Ägide von Dr. Leipziger ihr Leben zu fristen gezwungen sind, deuten das zähe „Aus der Nase ziehen müssen“ als ausufernde Ausführungen, orten Größenphantasien, die nicht belegt werden – oder sollte es sich bei denen um den von der Pflegekraft notierten angekündigten „passiven Widerstand“ handeln, der in der totalitären Institution des Dr. Leipziger tatsächlich größenwahnsinnig anmutet? Denn wahr ist ja: ein diesem System unterworfener Arzt kann eigentlich nur gehen. Verändern kann er nichts. Sich auch nur vorzustellen, man könne rebellieren, grenzte schon an Größenwahn angesichts dieser Hierarchie und dem Bedürfnis, einen Facharzttitel erwerben zu müssen.

Wie kommt der kleine Stationsarzt jetzt nun darauf?

auffällig ist das negativistische Weltbild, in dem der Angeklagte der Benachteiligte ist. Es mutet an, dass es sich um paranoides Umdenken handelt, insbesondere die „Schwarzgeldkreis“- Verschwörung gegen ihn.

Diese Bewertung bezieht sich auf ein Referat von Dr. Leipziger seiner Notate, das ich bislang, mit Gründen, weggelassen habe:

Er sei hier, weil sein Nachbar Kontakte zu Schwarzgeldkreisen habe, zu welchen auch Dr. Wörthmüller gehöre. Dr. Wörthmüller hätte das Schweigen des Angeklagten „erpressen“ wollen. indem er ihm ein Goodwill-Gutachten angeboten hätte. Daraufhin hätte der Angeklagte dafür gesorgt, dass dieser (Dr. Wörthmüller) seine Befangenheit zugeben hätte müssen. Deshalb sei er hier.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=15

Mir ist unklar, wie ein Sachverständiger, der die Akten gelesen hat, dieses Mißverständnis des uninformierten Stationsarztes unkommentiert stehen lassen kann. Er weiß doch genau, daß es um den Nachbarn des Dr. Wörthmüller geht, einem Kunden von Petra Mollath, der mit dem ebenfalls geschaßten Kollegen der Petra Mollath, Wolfgang D. (pardon, er kam seiner beabsichtigten Kündigung durch Eigenkündigung zuvor) und deren Geschäftspartner bei riskanten unerlaubten Eurex-Geschäften, Udo S., im Jahr 2003 eine Finanzdienstleistungs-AG gegründet hatte?

Dr. Leipziger weiß, daß die schnellfingrige Diagnose seines Stationsarztes keine Grundlage hat. Weshalb er die Notizen der Pflegekraft wie auch die Befangenheitserklärung von Dr. Wörthmüller unterschlug. Nur er selbst kann wissen, aus welchen Gründen er gegen den Intellekt handelte.

Aus demselben Grund hat er wohl auch die Fehlleistung jenes Stationsarztes unterschlagen, den die Pflegekraft am 14.2.2005 beflissen aufschrieb:

Insgesamt wirkt der Pat. sehr psychotisch und kann daher lt. Dr. P. zügig isoliert und fixiert werden.

Typisch, daß der Proband sogleich als Patient angesehen wurde. Man muß tatsächlich daran erinnern: Gustl Mollath wurde stationär untergebracht, um durch Exploration eine ihm von der Ehefrau angedichtete psychische Krankheit zu evaluieren.

Was den Stationsarzt dazu bewog, auch eine gehobene Stimmung des Probanden zu erwähnen, war wohl der Witz, den Gustl Mollath sich leistete:

Auf Stimmen hören befragt hätte der Angeklagte geantwortet:

Er höre eine innere Stimme, die ihm sage, er sei ein ordentlicher Kerl, er spüre sein Gewissen.

Im Grundgesetz sei die Gewissensfreiheit verankert. Es gebe nur Gerechtigkeit oder Tod. Dies hier sei ein Unrechtsstaat.

Gustl Mollath hat nun mal einen schwarzen Humor. Nur Schizophrene hören Stimmen, das weiß jeder. Eine derart naive Frage eines veritablen Arztes erregt bei einem intelligenten Menschen natürlich Heiterkeit. Also wird witzig gekontert, daß es bei ihm, Gustl Mollath, nur die innere Stimme des Gewissens gebe. Witz hat in den heiligen Hallen in Bayreuth allerdings nichts verloren, und so wird ihm der lockere Gestus zum Verhängnis. Denn Dr. Leipziger ist nicht neutral. Er sucht nach Begründungen für sein bereits feststehendes Urteil.

(wird fortgesetzt)

3.481 Gedanken zu „Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

  1. Podiumsdiskussion zum Fall Mollath am Göttinger Institut für Kriminalwissenschaften
    Das Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Göttingen veranstaltet am Mittwoch, 29. Januar 2014, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Der Fall Mollath – Psychiatrie und Justiz im Spannungsfeld“. Teilnehmer sind Prof. Dr. Henning Ernst Müller von der Abteilung Jugendstrafrecht, Strafrecht, Kriminologie und Strafvollzugsrecht der Universität Regensburg sowie Dr. Dirk Hesse, Ärztlicher Direktor der Moringer Klinik. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhrhttp://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=4689 via Ernst v All

  2. Gurlitt erwägt Rückgabe von Bildern

    News vom Dienstag, 28.01.2014

    Der Münchner Kunstsammler Cornelius Gurlitt erwägt nach Angaben seines Anwalts die Rückgabe von Bildern aus seiner Sammlung. „Er ist gewillt, sich die Raubkunst-Klagen genau anzuschauen und faire und gerechte Lösungen auszuhandeln“, sagte der Münchner Rechtsanwalt Hannes Hartung am 28. Januar 2014 der Nachrichtenagentur dpa. Das Magazin „Der Spiegel“ hatte Gurlitt im November 2013 mit den Worten zitiert: „Freiwillig gebe ich nichts zurück.“
    Inzwischen habe die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ ihm eine Aufstellung mit Werken zukommen lassen, zu denen es Anfragen von Erben gebe, sagte Hartung. „Es sind aber nur wenige Anfragen mit konkreten Forderungen, die echte Raubkunst beinhalten.“ Derzeit würden außerdem mit den Behörden Verhandlungen über die Rückgabe von Bildern geführt, die Gurlitt zweifelsfrei gehören. „Die Übergabe regeln wir derzeit. Man muss die Bilder schließlich an einen zugänglichen und zugleich sicheren Ort bringen, man kann ihm die Sammlung nicht einfach vor die Tür stellen.“

    458 Werke – mögliche NS-Raubkunst

    Von dem Kunstfund des Münchner Sammlers Cornelius Gurlitt sind bereits 458 Objekte als mögliche NS-Raubkunst identifiziert worden. Die Gemälde, Zeichnungen und Grafiken seien auf der Internet-Seite http://www.lostart.de veröffentlicht worden, teilte die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ am 28. Januar 2014 in Berlin mit. Damit solle die Provenienz der Werke mithilfe der Öffentlichkeit geklärt werden.
    Eine erste Sichtung der Sammlung sei abgeschlossen. Für viele Bilder gebe es keinerlei Anfragen, sagte Gurlitts Anwalt Hartung. Sie seien „pauschal unter Raubkunst-Verdacht gestellt“ worden.

    http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/news/174716/index.html

    Die letzte Hervorhebung ist von mir – die Kritik bezieht sich auf die Staatsanwaltschaft, die mal wieder großräumig Verdacht geschöpft hat, ohne daß sich der auf sachverständigen Rat beziehen könnte.

    • Max Mustermann:

      “Anything short of complete restitution without monetary compensation will be unacceptable to the Rosenberg family,” Mr. Marinello said.
      http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702303448204579340922947502270

      […]

      Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

      Man darf es einem Anwalt nicht übelnehmen, wenn er trotz der ihm bekannten Rechtslage in diesem öffentlichen Fall moralischen, medialen und politischen Druck macht. Ich finde es gut, wie er sich für die Familie Rosenberg ins Zeug legt. Tatsächlich weiß Anwalt Marinello, der die Familie Rosenberg vertritt, daß ein moralisch richtiges Ergebnis nicht im Rechtsweg, sondern nur über Verhandlungen möglich ist:

      Christopher Marinello spricht von dem am besten dokumentierten Restitutionsanspruch, den er je gesehen habe, doch das Washingtoner Abkommen bezieht sich nur auf den illegitimen Besitz öffentlicher Institutionen und nicht auf Privateigentum wie im Falle Gurlitt.

      Dessen Verkauf des Max-Beckmann-Bildes „Der Löwenbändiger“ über das Kölner Auktionshaus Lempertz, bei dem die Erben des enteigneten Kunsthändlers Alfred Flechtheim die Hälfte des Gewinnes bekamen, sieht Wesley Fisher, Forschungsleiter der Jewish Claims Conference, „als potenzielles Modell für weitere Rückgabeforderungen“, wobei ein Vergleich mit den Erben „Herrn Gurlitt im hohen Alter zu einem sehr vermögenden Mann machen könnte“.

      Rosenberg kaufte ein Degas zurück

      Alexandre Rosenberg ging 1971 sogar so weit, „Zwei Tänzer“ von Degas zurückzukaufen – zwar missfiel es ihm, wie er schrieb, „die Nachkommen von Dieben zu bereichern“, doch war der ungerechte Kompromiss für ihn nichts anderes als Politik. Und auch Fisher glaubt, dass man die Restitution aus dem Bereich des Gesetzes auf die Diplomatie verlagern müsse. „Mit den regulären Eigentumsgesetzen sind diese Fälle nicht zu lösen, denn es handelt sich um Diebstahl in Zeiten des Genozids.“

      http://www.taz.de/!129429/

      Gesetze regeln grundsätzliche Sachverhalte, dogmatisch sauber, und im Regelfall auch vernünftig und in Übereinstimmung mit der Moral – deckungsgleich mit Moral in besonderen Situationen sind sie aber keineswegs.
      Die bloße Rechtslage im Fall Gurlitt und der „Raubkunst“, die hier wohl nur in Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt, ist eindeutig:

      Die eigentliche Schlüsselfigur in dem Fall ist der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt. So richtig ins Geschäft kommt er, als die Nazis sich daran machen, die europäische Moderne zu entsorgen. In den Museen beschlagnahmen sie die Kunst, die in ihren Augen entartet ist. 1938 legitimieren sie diese kulturelle Säuberung durch ein Gesetz. Hildebrand Gurlitt profitiert davon durch seine Kontakte. Er verscherbelt jetzt die Moderne. Was davon aus Museen kam und bei ihm hängen blieb, gehört heute seinem Erben Cornelius – unbezweifelbar. Bei Auktionen in der Schweiz kauften damals auch Museen aus Amerika Moderne Kunst zu Spottpreisen. Die juristische Grundlage dafür wurde nach dem Krieg nie angetastet. Für entartete Kunst aus Staatsbesitz gilt: Verkauft ist verkauft, an wen auch immer. Christoph von Berg, Kunstanwalt:
      »Der Staat verkauft seine Bilder, und das kann er ja. Wenn er dabei eine relativ geringe Wertschätzung ansetzt, so ist das sein Problem und nicht das Problem des Käufers.«
      Das ist extrem ärgerlich für viele deutsche Museen, die nun zwar annehmen dürfen, dass ihre Bilder noch existieren – aber keine Chance haben, sie wiederzubekommen. Und was ist mit denen, denen Hildebrand Gurlitt in der Zeit der Verfolgung Werke aus ihrer Privatsammlung abgekauft hat? Die Augsburger Staatsanwaltschaft will nun knapp 600 Arbeiten aus dem Bestand Gurlitt ins Netz stellen. Wer Ansprüche hat, wie im Fall Glaser, soll sie auch anmelden können. Und dann?
      Sabine Rudolph, Anwältin der Erben Fritz Glasers:
      »Diesem Anspruch kann Gurlitt natürlich die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Wenn er es tut, dann besteht keine Aussicht auf Erfolg, die Bilder von ihm direkt wieder zu bekommen.«

      http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/mdr/sendung-vom-17112013-172.html

      Deshalb ist die Linie des Gurlitt-Anwalts Hartung „richtig“, weil sie dem gefühlten Recht entspricht.

      • Ach, Frau Wolff, wie soll man darauf geistreich erwidern?

        Privat teile ich Ihre Sicht im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit vollumfänglich, als Bürger begegne ich der politischen Willensbildung in diesem Lande aber mit vorsichtiger Skepsis.

        Hören wir doch mal was unsere neue Kulturstaatsministerin zu dem Thema zu sagen hat:

        Sie haben den Vorstoß des bayerischen Justizministers Bausback begrüßt. Danach soll ein Gesetzesvorschlag erarbeitet werden, wonach jemand, der beim Erwerb von Raubkunst „bösgläubig“ war, sich nicht auf Verjährung berufen kann. Sollte die Verjährungsfrist in solchen Fällen ausgesetzt werden?

        Ich begrüße die Initiative, da wir, was Raubkunst in Privatbesitz anbetrifft, Handlungsbedarf haben. Der Staat unterliegt dort anderen Regeln als beim staatlichen Besitz. Das ist häufig nach außen nicht leicht zu vermitteln. Insofern ist es politisch das richtige Signal. Der Gesetzentwurf zeigt die Schwierigkeiten bei der Umsetzbarkeit. Wie kann man siebzig Jahre später und zwei Generationen weiter die Bösgläubigkeit des Erwerbs nachweisen? Weil es diese Schwierigkeiten gibt, denken mein Kollege, Justizminister Maas, und ich darüber nach, welche anderen rechtlichen Möglichkeiten es geben könnte, um konsequenter diese Situationen juristisch zu begleiten. Da gibt es weitere Varianten, wie etwa die Unterbrechung der Verjährungsfrist oder zivilrechtliche Herausgabeansprüche.

        http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kulturstaatsministerin-monika-gruetters-im-gespraech-der-fall-gurlitt-hat-privatleute-ermutigt-12774049-p2.html

        Hier darf man schon befürchten, dass sich die Lesart durchsetzen kann, dass Gurlits Bösgläubigkeit schon hinreichend dadurch belegt ist, dass er seinen „Schatz“ versteckt und heimlich gehütet hat.

        Ein anständiger Mensch tut doch sowas nicht, denn wer anständig ist, ist auch ernsthaft und verantwortungsbewusst.

        Auch beim Fall Gurlitt gibt es eine Schieflage: Man gewinnt den Eindruck, dass der Staat härter gegen eine Privatperson vorgeht als gegen öffentliche Einrichtungen. Aus keinem Museum wurden bisher Werke, die unter Verdacht stehen, Raubkunst zu sein, konfisziert. Auch steht den Museen frei, ob sie verdächtige Werke in die Datenbank Lost-Art einstellen. Sollten privater und öffentlicher Besitz gleich behandelt werden?

        Es gibt zivilrechtliche Grenzen, der Staat hat gerade kein willkürliches Zugriffsrecht. Verdachtsmomente müssen gut begründet werden. Ich denke, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg als Herrin des Verfahrens relevante Gründe gehabt hat, so zu handeln. Der Fall Gurlitt kann allerdings eine Entwicklung in Gang setzen, die auch Privatleute, die möglicherweise Raubkunst besitzen, ermutigt, sich öffentlichen Stellen anzuvertrauen. Das kann auch anonym passieren. So kann man gemeinsam über Lösungen nachdenken. Ernsthafte und verantwortungsbewusste Deutsche wurden, so glaube ich, durch diesen Fall eher sensibilisiert.

        http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kulturstaatsministerin-monika-gruetters-im-gespraech-der-fall-gurlitt-hat-privatleute-ermutigt-12774049-p3.html

        Dass intransparente Verfahren die Diskussionkultur emotionalisieren, weiss auch die Staatsministerin, aber gefühltes Recht darf es ja nicht geben, daher

        Es gibt zahlreiche Juristen, die bezweifeln, ob die Beschlagnahme von Gurlitts Sammlung eine rechtliche Grundlage hat, ebenso die Veröffentlichung. Haben Sie das Gefühl, dass der Fall gut gelaufen ist?

        Es bietet sich in diesem Fall nicht an, über Gefühle zu sprechen. Das juristische Verfahren ist Sache der Staatsanwaltschaft in Augsburg und der Justizbehörden in Bayern.

        http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kulturstaatsministerin-monika-gruetters-im-gespraech-der-fall-gurlitt-hat-privatleute-ermutigt-12774049-p3.html

        Die Formalisierung des Unrechts war schon immer eine deutsche Tugend.

        • Ich denke, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg als Herrin des Verfahrens relevante Gründe gehabt hat, so zu handeln.

          Das juristische Verfahren ist Sache der Staatsanwaltschaft in Augsburg und der Justizbehörden in Bayern.

          Dagegen ist nichts einzuwenden. Da hat sie recht. 😉

        • Da laut Grütters der bayrische Gesetzentwurf nicht genügt, nicht genügen kann: Grütters: „Wie kann man siebzig Jahre später und zwei Generationen weiter die Bösgläubigkeit des Erwerbs nachweisen? Weil es diese Schwierigkeiten gibt, denken mein Kollege, Justizminister Maas, und ich darüber nach, welche anderen rechtlichen Möglichkeiten es geben könnte, um konsequenter diese Situationen juristisch zu begleiten. „
          gibt es Anstupser für unentschlossene Privatleute, die jetzt in einem Dilemma stecken.
          Das Interview erweckt in mir leider auch ein Gefühl, nämlich dass nach Abschluss des Falles Gurlitt nur noch wenig geschehen wird. Grütters: „Wir sind noch in den Haushaltsverhandlungen. Aber wir beabsichtigen, die Mittel, die für Provenienzrecherchen aufgewendet werden, zu verdoppeln und die Finanzierung der Institutionen in der Struktur massiv zu stärken. Außerdem wollen wir die Museen in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.“ und „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unsere Aktivitäten zu konzentrieren und neu aufzustellen.“

        • Da laut Grütters der bayrische Gesetzentwurf nicht genügt, nicht genügen kann:(…)gibt es Anstupser für unentschlossene Privatleute, die jetzt in einem Dilemma stecken.

          Erinnert ein wenig an den Ankauf der Steuer-CD`s.
          Die Anzahl der Selbstanzeigen hat den Kaufpreis schnell wettgemacht. Auf Sicht waren nun diejenigen die „Gewinner“, die sich nicht mit Drohungen haben erpressen lassen und mit ihrem Schwarzgeld in andere Gefilde gezogen sind.

          Denn die Schweiz konnte sich dem moralisch-politischen Druck auf ihr „Geschäftsmodell“ auf Dauer
          nicht widersetzen.

          Das pikante Detail, dass die Handlungen des 3. Reiches den Besitz eines namenlosen Nummernkontos ja geradezu notwendig werden erscheinen lässt, ja daran will sich Kavallerie-Kommandant Steinbrück heute nicht mehr erinnern.

          Der Staat kann als einzige Institution schlicht und einfach Enteignungen durchführen und dies dann als rechtmässig erklären und niemand kann sich davor schützen.

          Ich nenne das Diskontinuität des Rechtssystems.

          Eigentlich darf der Staat es nicht, aber er kann es und manchmal reicht halt schon die Drohung, damit er es dann doch nicht tuen muss.

          Die Politik rechnet durch, wieviele können sie dazu bewegen, „freiwillig“ ihre Kunst nun überprüfen zu lassen, wenn sie Gurlitt ein klein wenig Unrecht tut, als dass sie das große Unrecht durchführen muss (was sie nicht darf aber kann).

          Denn was wäre denn eine Unterbrechung der Verjährungsfrist heute rückwirkend, denn anders als eine de facto Enteignung?

  3. Gießen, hier Gießen :).

    Bericht vom Prozess vor der zweiten Strafkammer des Landgerichtes Gießen, 28.01.2014, Az: 2 KLs-401Js 18007/13

    Anwesend waren etwa 10 – 15 Zuschauer, die Sitzung begann leicht verspätet um 8:30 Uhr. Es bot sich eine Verhandlung mit leicht surrealen Zügen.

    Heute wurden vernommen die Zeugin Ö, die zum Unfall des Herrn Stephan aussagte, und der Zeuge K, der zu seinen Ermittlungen zum Brandfall berichtete. Beide sind von der Polizei. Zeugin B. fehlt entschuldigt durch Attest des behandelnden Arztes.

    Zeugin Ö. berichtet, sie habe am Unfalltag Dienst mit ihrem Kollegen gehabt und sei von der Leitstelle informiert worden, jemand spränge in Beuern vor Autos herum und würde Menschen beschimpfen. Hierbei habe es sich, wie später am Unfallort Zeugen angaben, um Herrn Stephan gehandelt. Sie hätten sich deshalb nach Beuern begeben. Auf dem Weg dorthin sei dann gemeldet worden, es habe sich ein Unfall ereignet: Eine Person läge unter einem Auto. Am Unfallort angekommen stellte sich heraus, dass die betreffende Person – Herr Stephan – unter dem Auto, einem SUV der Marke BMW, eingeklemmt war, in Höhe des Kats, oder was das da halt sei, unter der Hinterachse (wahrscheinlich der Mittel- / Endschalldämpfer), Rettungshelfer seien schon vor Ort gewesen und hätten ihm mit Hebekissen bergen und mit dem Helikopter ins Krankenhaus transportieren müssen. Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei sei Herr Stephan schon nicht mehr ansprechbar gewesen.

    Sie habe dann den Unfallfahrer Herrn H. vernommen. Dieser habe geschildert, er habe seinen Enkel abholen wollen und habe sein Auto abgestellt. Die Frage Herrn Stephans nach einem Telefonat habe er abschlägig beantwortet und seinen Enkel von der Haustüre abgeholt. Auf dem Rückweg habe Herr Stephan Herrn H aggressiv angegangen, woraufhin H. gesagt habe, er solle sich ab machen. Daraufhin sei Herr Stephan auch vom Auto weg gegangen, sei ihm aber anschließend mehrfach vor das Auto gelaufen, auch, als er, wie zuvor angekündigt, gerade losfuhr. Daraufhin habe er Herrn Stephan überrollt. Auf Nachfrage der Vorsitzenden fertigt die Zeugin eine Skizze des Unfallgeschehens an. Sie kann sich nicht daran erinnern, ob Herr H. bei der Ankündigung des Losfahrens schon im Wagen gesessen haben wollte oder noch außerhalb dieses sich befand und gibt an, er habe sehr mitgenommen gewirkt, als ob er das alles nicht gewollt habe. Ihr Kollege habe routinemäßig einen Alcotest gemacht. Dieser habe 0,0%o ergeben.

    Sie habe die Angaben des Zeugen nicht bezweifelt, vielmehr angenommen, Herr Stephan habe sich vielleicht das Leben nehmen wollen. Das habe sie vor allem gedacht, weil er ja schon vor mehrere Autos gesprungen sei an dem Tag. Auch habe eine Recherche ergeben, dass Herr Stephan eine Woche vor dem Unfall mit einer Psychose in die Psychiatrie eingewiesen worden sei. Die Psychose sei ausgebrochen, da er nach Angabe der Mutter die Medikamente nicht mehr genommen habe. Daraufhin sei er durch Pöbeleien aufgefallen und ungepflegt sowie singend durch den Ort gezogen. Das sei wohl auch am Unfalltag der Fall gewesen. Die Mutter habe hilflos gewirkt, habe gesagt, es sei jetzt wieder soweit, sie könne ihm nicht helfen. Auch, weil er keine Hilfe annehmen wolle.

    Hinzu kam, dass sich eine Frau am Unfallort gemeldet habe, die angab, Herr Stephan habe am Unfalltag mit einem Stein gegen ihre Eingangstüre gehämmert und Einlass begehrt. Hierbei habe es sich um die Lebensgefährtin des Herrn Stephan, Frau B., gehandelt.
    Sie fügte mehrfach an, dass all dies ihr nur durch Hörensagen bekannt sei.
    Auf Nachfrage der Vorsitzenden, ob sie denn keine weiteren Ermittlungen getätigt habe, führt sie an, die Intensivstation habe bei ihr noch angerufen und mitgeteilt, Herr Stephan habe sich die Infusionsschläuche gezogen und verlautbart, er wolle sich entlassen, was aber gar nicht machbar gewesen sei, da er in Lebensgefahr sich befunden habe. Er habe wirre Dinge geredet unter Anderem von Steuerflüchtlingen des FC Bayern, die ihn überfahren hätten. Damals begann wohl die Affaire Hoeneß.

    Auf Nachfrage des Gutachters gibt die Zeugin an, man habe Herrn Stephan eingewiesen, weil die Mutter gesagt habe, mit ihm könne man nicht reden, er würde sich nicht waschen und wirres Zeug sprechen. Auch habe die Mutter nicht ausschließen können, das eine Selbstgefährdung vorliege. Die Frage, wann die Mutter Herrn Stephan denn zuletzt gesehen habe, konnte sie nicht beantworten, wähnte aber, es könnte zeitnah gewesen sein. Jedenfalls habe die Mutter gewusst, dass Herr Stephan von einem Rechtspfleger aus der Psychiatrie wieder entlassen wurde – wohl zu früh, wie die Mutter sagte.

    Zur Unfallsituation fragte der Verteidiger, ob Herr Stephan bäuchlings unter dem Fahrzeug lag oder auf dem Rücken. Als der Verteidiger auf die Antwort, Herr Stephan habe auf dem Bauch gelegen, einwandte, dann könne es doch sehr wohl sein, dass Herr Stephan versucht habe, vom Auto sich weg zu bewegen und nicht in das Auto hinein gelaufen sei, erwiderte die Zeugin, das könne doch gar nicht sein. Schlüssig begründen konnte sie diese Gewissheit allerdings nicht. Sie stellte lediglich mehrmals fest, dass er ja in das Auto gelaufen sein musste, sonst habe er doch gar nicht unter das Auto geraten können und wäre gar nicht überfahren worden. Überhaupt sei sie ja keine Unfallgutachterin, könne das alles ja gar nicht beurteilen.
    Auch sagte sie, dass sie es sich überhaupt nicht vorstellen könne, dass Herr H. Herrn Stephan vielleicht absichtlich überfahren haben könnte. Dann hätte sie ja die Kripo informiert.

    Der Beklagte hakte nach und fragte nach dem Alco-Test – und wie es denn sein könne, dass zwar ein Alco-Test gemacht wurde, dieser sich aber nicht in den Unfallakten finde? Hierauf wusste die Zeugin keine Antwort. Auch auf die Anmerkung, dass die Zeugen, vor Gericht befragt, eben nicht angeben konnten, dass er, der Beklagte – so sie ihn zweifelsfrei identifizierten – sich vor Autos gestürzt habe, sondern vielmehr sagten, er habe auf der Straße gestanden und sei halt nicht weggegeangen. Die in den Unfallakten fehlende Unfallaufnahme begründete sie dann damit, dass sie und ihr Kollege von einem Unglücksfall / Selbstmordversuch ausgingen. Deshalb habe man keine Unfallaufnahme mit Unfallgutachten für nötig befunden. Etwas verwirrend war, dass sie aber jedes mal, wenn Nachfragen kamen, wie denn Herr Stephan denn in die geschilderte Postion unter das Auto gekommen sein könnte, darauf verwies, sie sei doch keine Unfallgutachterin… diese Position wurde von der Vorsitzenden lautstark unterstützt. Auf die Frage des Beklagten, warum die Zeugin denn kein Gutachten über den Unfall beauftragt habe, wo sie doch gar nicht qualifiziert sei, Aussagen über den Unfallhergang zu treffen, herrschte allerdings drückende Stille.

    Der Frage der Betreuungsbevollmächtigten, ob die Zeugin sich vorstellen könne, dass der Beklagte – von einem Herrn H. überfahren und im Krankenhaus mit einem Anästhesisten H. konfrontiert, der sein Leben retten sollte – durchaus mit einer berechtigten Sorge reagierte, zumal er sich durch den Unfall in einem Schockzustand befand, fuhr die Vorsitzende in die Parade: Es ginge nicht an, dass andauernd neue Tatsachen als Fragen in das Verfahren eingeührt würden. Überhaupt könne die Zeugin diese Frage ja gar nicht beantworten.
    Der Beklagte merkte noch an, dass es durchaus die Möglichkeit eines Intensivtransportes in ein Krankenhaus seines Vertrauens gegeben hätte – ein Krankenhaus, das in der Vergangenheit nicht durch eine von Sparzwängen im Rahmen der Privatisierung mitverursachten, gestiegene Anzahl von völlig misslungenen Behandlungen, völlig überarbeitetem Personal sowie vernachlässigten Patienten in die Schlagzeilen geraten sei. Das sei nicht von vornherein irrsinnig, so etwas zu machen. Und als Rettungssanitäter wisse er um diese Möglichkeit.

    Nach der Zeugenvernehmung behandelte die Kammer die Anträge auf Sperrung der – vom Beklagten bestrittenen – Akteninhalte. Die Kammer sei nicht zuständig, der Beklagte solle sich an die ausstellende Behörde wenden. Auf den Einwand, der Beklagte bekäme seine Patientenakten ja gar nicht zu Gesicht, erwiderte die Vorsitzende, dass sie dennoch nicht zuständig sei. Die Korrektur unrichtiger Akten sei Aufgabe des ausstellenden Krankenhauses. Ein weiterer Antrag hatte sich inzwischen erledigt, da die Verteidigung die beantragten Akten schon erhalten hatte.

    Hier meldete sich der Gutachter zu Wort und versicherte, dass er dem Probanden im Rahmen der Begutachtung eventuell verwendete Akteninhalte vorhalten würde, dass dieser dazu Stellung nehmen könne. Alles andere wäre seiner Ansicht nach auch unlauter.

    Der anschließend vernommene Zeuge KHK K. hatte nach dem Brandgeschehen die Mutter und die Lebensgefährtin des Herrn Stephan vernommen. Die Mutter habe nichts über das Geschehen sagen können, da sie ja nicht dabei gewesen sei. Sie habe aber angegeben, dass in der Vorgeschichte in den Jahren 2004 erstmalig zu einer psychiatrischen Behandlung gekommen sei. Anschließend sei es in den Jahren 2006, 2009 und dann 2013 am 1. Mai zu weiteren Vorfällen gekommen. Beim letzten Vorfall habe er schreiend vor dem Haus gelegen. Dass das nach einem Polizeieinsatz geschehen war, kam allerdings wohl nicht zur Sprache.
    Die Mutter habe noch gesagt, dass es so doch nicht mehr weiter gehe.

    Zur Freundin sei er auf gut Glück vorbei gefahren, als er sie telefonisch nicht erreicht habe. Sie habe anfangs gesagt, dass ihr die Vernehmung etwas zu plötzlich erscheine, er solle doch bitte zu einem späteren Zeitpunkt nochmal kommen. Als er einwilligte, sagte sie, sie wolle Herrn Stephan ja helfen, er solle doch in etwa 20 Minuten nochmal kommen. Das habe er gemacht. Er könne sich aber nicht erklären, warum das nötig gewesen sei.
    Nachdem er mit ihr aussortiert habe, dass sie und Herr Stephan nicht verlobt seien, habe er ihr gesagt, dann müsse sie ja jetzt aussagen. Das ist aber, glaube ich, so nicht ganz zutreffend. Sie habe – wie auch die Mutter – ständig gesagt, dass es dem Beklagten ja wahrscheinlich gar nicht Recht wäre, wenn sie mit der Polizei spräche.

    Dann habe sie ausgesagt, Herr Stephan brauche wohl schon eine Therapie, sie habe gedacht, man könne ja vielleicht gemeinsam eine machen, überhaupt habe es bei ihm ja schon chaotisch ausgesehen und Kohleanzünder sei auch herum gelegen und er wollte Zettel verbrennen. Auf Nachfrage habe sie sich korrigiert und gesagt, sie habe definitiv gesehen, wie er Zettel verbrannt habe.Diese (angebliche) Aussage der Zeugen B. wiederholte er mehrmals. Auch habe er vor der Türe einen Teppich angezündet gehabt. Insgesamt habe sie sehr quirlig gewirkt und großen Redebedarf gehabt. Allerdings wollte sie das mit den Zetteln und dem brennenden Teppich nicht mehr wiederholen, als er die Aussage auf das Diktiergerät sprechen lassen wollte. Dort habe sie dann lediglich gesagt, dass sie glaube, er sei psychisch schon ein bisschen „angeknackst“, habe das mit dem Brandgeschehen aber mit Sicherheit nicht absichtlich verursacht. Es sei einfach passiert, wegen der Unordnung. Dass da Sachen lagen und Kohleanzünder, das habe sie so gesagt. Die Vorsitzende fragte nach, wo genau er denn die Zettel angezündet habe. Der Zeuge antwortete, das habe er damals nicht gefragt, habe aber angenommen, das sei im Badezimmer geschehen. Überhaupt habe er gar nicht mehr nachfragen können, da die Zeugin „dicht“ gemacht habe, als das Band lief.

    Auch wie das Chaos im Badezimmer entstanden sei, habe er deswegen nicht erfragen können. Ein umgefallenes Regal oder Räucherstäbchen seien aber definitiv nicht erwähnt worden – das hätte er sich mit Sicherheit notiert.
    Die Gesprächsdauer schätzte er auf ca. 45 Minuten. Bei der Vernehmung der Mutter sei noch eine Kollegin B. anwesend gewesen, die Lebensgefährtin habe er alleine vernommen.

    Der Gutachter fragte, warum er das Diktiergerät nicht von Anfang an verwendet habe. Darauf hin sagt er, es sei durchaus üblich, dass man im Polizeialltag Dinge erst erfrage und dann, im Einvernehmen, für’s Protokoll auf Band spreche. Der Gutachter hakte nach und sagte, er wisse durchaus, wie das üblich sei – aber warum er denn das Band nicht habe mitlaufen lassen für’s Protokoll – und warum Dinge protokolliert wurden, die nicht auf dem Band waren. Daraufhin gab der Zeuge an, wenn er alles aufgenommen und protokolliert habe, was gesprochen worden sei, hätte man jetzt 80 Seiten schwer Verständliches und er habe es halt nicht gemacht.

    An die Zeugenvernehmung anschließend wurde folgende Stellungnahme von Frau Jakob verlesen:

    http://deutsche-direkthilfe.de/strafverfahren-gegen-dennis-stephan/

    Während des Verlesens blätterte die Vorsitzende etwas verloren in ihren Akten.
    Anschließend sagte sie, das Gericht habe alle ihm vorliegenden Akten der Verteidigung zur Einsicht gegeben. Die Berichte der JVA Brandenburg seien dem Gericht nicht zugänglich. Sie seien nur im Gutachten des Herrn G. verwendet worden. Dieses sei jedoch mit der Feststellung der Befangenheit „vom Tisch“.
    Der Gutachter meldete sich nochmals zu Wort und gab an, die Akteneinsicht zurückzustellen, bis er mit dem Probanden gesprochen habe, um nicht durch die Akteninhalte voreingenommen zu sein. Dann würde er die Akten lesen und in einer weiteren Sitzung für ihn relevante Inhalte mit dem Probanden besprechen. Anschließend ginge ein Vorentwurf des Gutachtens zur Stellungnahme an den Probanden und erst daraufhin würde das Gutachten endgültig abgefasst. An Akten habe er lediglich die vom Gericht übermittelten Akten, mehr nicht. Er erbat noch eine Kopie der Stellungnahme von Frau Jakob, da die dort angeführten Medikamenten durchaus von Belang zur Beurteilung der Situation sei.

    Sitzungsende war um 11:30 Uhr.

    Die Vorgängersitzungen:

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (2)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (2)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (2)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (2)

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (2)

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    Flurfunk: Ein älterer Herr war anwesend und berichtete von einem Verfahren vor dem Schiedsgericht der Partei DIE LINKE, das von Herrn Stephan angerufen worden sei. Ein Parteimitglied der Gießener Parteiuntergliederung habe, nachdem er nicht mehr auf einen Listenplatz gewählt worden sei, seine eigene Liste aufgemacht. Daraufhin habe Herr Stephan diesem Parteimitglied parteischädigendes Verhalten vorgeworfen und seinen Ausschluss beantragt. Das Landesschiedsgericht habe dem – aufgrund der Parteistatuten zwingend – stattgegeben. Dieser Spruch sei in einer Nacht- und Nebelverhandlung vor dem Bundesschiedsgericht, die, entgegen den Statuten, dem Landesschiedsgericht nicht zur Stellungnahme vorgelegt worden sei, aufgehoben worden.

    Seither sei Herr Stephan in den höheren Ebenen seiner Partei nicht mehr wohlgelitten. Seine einzige Fraktionskollegin sei zu der „Zweitliste“ quasi übergelaufen. Man habe ihm wohl von Parteiseite die Unterstützung entzogen und wünsche seinen – er stünde also alleine da. Der politische Gegner wisse das wohl. Und den „Parteifreunden“ sei seine Lage zumindest nicht arg.

    Nach der Verhandlung fand eine Demonstration gegen Unterdrückungs- und Zwangssysteme in dieser Gesellschaft statt, die von der angrenzenden JVA über das Arbeitsamt bis zur örtlichen psychiatrischen Klinik ging. Im Rahmen der Kundgebungen wurde thematisiert, dass – trotz der vorherrschenden Zwangsideologien dieser Gesellschaft – man sich die Utopie bzw. das Ideal einer zwangfreien Gesellschaft nicht nehmen lassen wolle und doch darauf hin arbeiten möchte, diesem Ideal näher zu kommen – anstatt Zwamngsinstitutionen auszubauen und zu Zwänge zu verfestigen.

    • Der vorletzte Absatz muss heißen: „Seither sei Herr Stephan in den höheren Ebenen seiner Partei nicht mehr wohlgelitten. Seine einzige Fraktionskollegin sei zu der “Zweitliste” quasi übergelaufen. Man habe ihm wohl von Parteiseite die Unterstützung entzogen und wünsche seinen Rücktritt – er stünde also alleine da. Der politische Gegner wisse das wohl. Und den “Parteifreunden” sei seine Lage zumindest nicht arg.“

    • @ Horst Pachulke

      Vielen Dank für Ihre wiedereinmal schöne Darstellung der Gerichtsverhandlung.

      Was persönliches:
      Auf mein bitten hin, hat Frau Wolff ihnen eine Mail von mir mit einer Idee/Anfrage zugesendet. Vielleicht ist diese nicht angekommen. Ich würde mich über eine Antwort freuen.

      Gruß

      Gaston aka Georg S.

    • Ich danke Ihnen, Herr Pachulke für Ihren weiteren, detaillierten Bericht. Tolle Leistung und gute Unterstützung – für Herrn Stephan! Die Öffentlichkeit hat letztlich auch Herrn Mollath zur Befreiung verholfen.
      Hervorheben möchte ich die Wichtigkeit Ihres Links: http://deutsche-direkthilfe.de/strafverfahren-gegen-dennis-stephan/
      Dieses, dahinter stehende Schreiben der Frau Jacob hat mir sehr geholfen, die „Verwirrspiele“, eigentlich die Rechtsbeugungen von Justiz&Ärzteschaft besser zu verstehen.
      Ich danke Frau M.A. Jacob für Ihr engagiertes Zeugnis!

    • @Horst Pachulke:

      Zunächst möchte ich Ihnen mal ein riesiges Kompliment machen: Ihre Berichte sind jedesmal echt absolut großartig, denn wenn ich mir vorstelle, ich wäre bei so einem Schauspiel (bald hätt ich Farce geschrieben) zugegen, ich könnte im Leben keine so sachliche Reportage drüber schreiben. Im Gegenteil würde mir der Zynismus aus allen Buchstaben nur so triefen………aber gerade solche, wie ich denke, sehr sachlichen Berichte bilden ja überhaupt erst eine Grundlage für uns Nichtanwesende, uns darüber selbst eine Meinung zu bilden bzw. bilden zu können. Da könnten sich diverse Journalisten echt mal ein Beispiel dran nehmen.

      Zumal in dem Fall ja nichts reißerischer ist, als die, wie ich finde, echt haarsträubenden Fakten. Alleine die Vorstellung, dass er bäuchling unter dem Auto lag………in etwa so glaubwürdig, als wenn man einem Angreifer aus Notwehr in den Rücken schießt…………….

      Als Tüpfelchen aufs I dann noch der Bericht von Frau Jakob, also da tun sich ja erst richtig die Abgründe auf……………bis ich endlich wenn gefunden hab, der mir den Unterkiefer wieder hochgeklappt hat, hat gedauert nach dem Lesen…………nee, mal im Ernst, vermutlich wird Frau Jakob demnächst wegen Paranoia und Verbreitung von VTs selber massive psychiatrische Hilfe bekommen. (EIne Patientenverfügung, dass sie das nicht möchte, kann sie sich ja getrost sparen, hahaha)

      Weil wenn sich DAS beweisen liese, was sie da schreibt, das wäre ja, also das wär doch, äääähm, kriminell, oder?

      • @ frank&frei:
        Das Verfahren hat durchaus etwas von Realsatire. Besser als Fernsehen. Um Längen. Dass bestimmte Darsteller ihre Handlungen auch noch bierernst nehmen, verleiht dem Ganzen manchmal slapstikhafte Züge. Allerdings ist ein trockener Humor nicht von Nachteil.

        Akzentuierter Zynismus oder Sarkasmus würde meines Erachtens die ganze situative Komik kaputt machen. Die ist schwer zu toppen, der Versuch würde hölzern wirken. Darüber hinaus wäre der Bericht dann für diejenigen, die nicht dabei waren, zur Meinungsbildung reichlich wertlos.

        Das Beste scheint mir zu sein, die Angelegenheit mit Humor zu nehmen, auch wenn einem das Lachen im Halse steckenbleibt – und nüchtern zu berichten. Es gibt in derartigen Lagen wohl nichts demaskierenderes als eine möglichst realitätsnahe Darstellung.

        Besonderen Dank @ sunih

        Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)


        für den Link zu der Erklärung von Fau Jakob. Bei der Faktendichte wäre das Mitschreiben sicherlich sehr anstrengend geworden, es wäre unterwegs einiges an Fakten verloren gegangen.

        @ all:

        Danke für den Zuspruch. Ich kann’s noch nicht ganz einschätzen, ob das, was ich schreibe, auch lesbar ist, deshalb bin ich um Feedback dankbar.

        Es wurden gestern übrigens Forstetzungstermine angesetzt.

        10.02.2014, 9:00 Uhr

        14.02.2014, 9:30 Uhr

        04.03.2014, 13:30 Uhr

        04.04.2014, 9:00 Uhr

  4. Gute Zusammenfassung der Tagung „Ersessene Kunst – Der Fall Gurlitt“
    http://www.rnz.de/kulturregional/00_20140128060000_110619914-Der_Fall_Gurlitt_Unzuverlaessig_willkuerlich_u.html
    Zur „Lex Gurlitt“: Der Jurist und Kunsthistoriker Lucas Elmenhorst (Berlin) fürchtet allerdings schon heute, dass dieser „zahnlose Tiger“ spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird, da der Nachweis einer „Bösgläubigkeit“ beim Ankauf eines Kunstwerks kaum erfolgreich zu führen sei. Elmenhorst sieht hier eher einen „problematischen politischen Aktionismus“, und er stellte die ketzerische Frage: „Handelt es sich beim ,Fall Gurlitt‘ überhaupt um eine Straftat (nach deutschem Recht)?“

    „Auf die Frage, wie er die derzeitige Restitutionspraxis in Deutschland bewerte, hatte Korte (Jurist, Historiker und Provenienzforscher, USA ) eine klare Antwort: „Unzuverlässig, willkürlich, unberechenbar“ – ganz gleich, ob es sich dabei um die Rückgabe von Kunstobjekten aus öffentlichen oder privaten Sammlungen handele. Die juristische Handhabe bei in Privatbesitz befindlichen Werken sei seiner Meinung nach selbst bei eindeutigen Fällen von Raubkunst „hoffnungslos“.
    In den USA gilt der Grundsatz, „dass gestohlenes Gut nicht Eigentum werden kann“. Darin unterscheide sich das deutsche Verfahren bei der Rückgabe von „Raubkunst“ an die eigentlichen Besitzer oder deren Rechtsnachfolger, denn hier gelte „Enteignung nicht als Diebstahl.“
    Jedenfalls muss Frau Ingeborg Berggreen-Merkel klar sein, dass die Beschlagnahmung der Bilder nicht rechtmäßig abgelaufen ist. Ihre Aussagen widersprechen sich. Entgegen besserem Wissen macht sie weiter als „Leiterin der Task Force“.

    • Provenienzforschung und Restitution müssten daher gegen große Widerstände kämpfen, auch weil die Museen nicht zur Herausgabe von Akten gezwungen werden können, die ihre eigenen Bestände belasten würden. Er forderte daher, auch im Fall Gurlitt die noch vorhandenen Geschäftsunterlagen zu publizieren, die Klarheit bringen könnten.

      Doch das schließt unser Rechtssystem aus, so Berggreen-Merkel, da es sich hier um persönliche Unterlagen handele.

      http://www.rnz.de/kulturregional/00_20140128060000_110619914-Der_Fall_Gurlitt_Unzuverlaessig_willkuerlich_u.html

      Wer A sagt, muß auch B sagen: Geschäftsbücher sind privat, Bilder aus einer privaten Sammlung nicht und dürfen daher veröffentlicht werden?
      Ein größeres juristisches Tohuwabohu ist kaum noch vorstellbar…

      • Noch besser:
        http://www.heute.de/Die-Geschichte-der-Gurlitt-Werke-30960028.html
        „Nemetz beurteilt das anders: Wenn Hildebrand Gurlitt von einem Nazi-Verfolgten ein Bild weit unter Wert gekauft haben sollte, von dem er wusste, dass es nur wegen des Verfolgungsdrucks verkauft wird, dann handele es sich um ein sittenwidriges Geschäft. Gleiches gelte für „staatlich abgepresste“ Bilder von NS-Verfolgten, die Gurlitt später übernommen haben könnte. „Solche Geschäfte sind nach den Grundregeln des Bürgerlichen Rechts von Anfang an nichtig“, so der Chefermittler. „In solchen Fällen kann kein Käufer rechtswirksam Eigentum erwerben.“ Auch durch ein Erbe sei solche Bilder dann kein Eigentum der Angehörigen Gurlitts geworden.“
        Da ist es doch wieder: „Nachweis einer “Bösgläubigkeit”. Was Nemetz beurteilt spielt doch eigentlich keine Rolle.

        • Diese Einschätzung wies der Leitende Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz vehement zurück. „Richtig ist demgegenüber: Juristische Grundlage für die Beschlagnahme war ein dreiseitiger Gerichtsbeschluss.“ Dieser sei auf die Strafprozessordnung gestützt.

          http://www.heute.de/Die-Geschichte-der-Gurlitt-Werke-30960028.html

          Datiert auf den 5.12.2013

          Nun das steht im Widerspruch zu den Veröffentlichungen des FOCUS, aber steht es nicht auch im Widerspruch zur Logik?

          Der Zoll hat Herrn Gurlitt die Tür eingetreten.
          Wie will ein Richter denn wissen, auf welchem „Schatz“ Gurlitt da sitzt?
          Und selbst wenn, die Beschlagnahmung im Verlaufe der Durchsuchung beantragt wurde: Gestützt auf welche Erkenntnisse?

          Ich spekulier einmal fröhlich: Als ich das Foto im FOCUS sah, auf dem Gurlitt auf einer Überwachungskamera des Zolls festgehalten war, da dacht ich mir, der Zoll könnte sich theoretisch ein Jahr auf die Lauer gelegt haben, um dem nicht gemeldeten Gurlitt eine Steuerpflicht in Deutschland nachzuweisen. Welch Aufwand!

          Und dann haben die immer noch nichts…

        • Damals, am 5.12.2013, war das ja auch noch so: beantragt worden war die Durchsuchung und die Sicherstellung von Beweismitteln nach der StPO wegen Verdachts von Steuerstraftaten. Man glaubte wohl, Gurlitt handele gewerbsmäßig mit Bildern und sei daher steuerpflichtig (ESt und MWSt).

          Als Beweismittel für diesen Verdacht waren die noch vorhandenen Bilder aber nicht notwendig; man hat sie dennoch kassiert, ohne sich über die Rechtsgrundlage weiter Gedanken zu machen. Das brauchte man ja auch nicht, denn Gurlitt ließ die Aktion widerstandslos über sich ergehen, weshalb eine Beschlagnahme (also Wegnahme gegen den Willen) gar nicht nötig war. Das Amtsgericht wurde mit dem Fall also nicht wieder befaßt, und die Staatsanwaltschaft machte sich, nachdem ein Raubkunstverdacht aufgetaucht war, auch keine Gedanken mehr über die rechtliche Grundlage der Sicherstellung, sondern erweiterte den Tatverdacht auf Unterschlagung, wobei ich nicht weiß, welche Tathandlung den Verdacht erfüllen soll.
          Vielleicht die Versteigerung des Liebermann-Bildes Ende 2011?

          Erst kurz vor der Besprechung mit dem General Nerlich am 9.12.2013 wurde in der Staatsanwaltschaft ordentlich durchgeprüft mit dem Ergebnis, daß es keine Unterschlagungshandlung gab und die Bilder als Beweismittel nicht benötigt werden, weshalb dann die Staatsanwaltschaft das Polizeipräsidium anwies, dort zu vermerken, daß die Bilder nach Polizeiaufgaben-Gesetz präventiv sichergestellt worden seien, zum Schutz potentieller unbekannter Eigentümer (die wegen Verjährung des Eigentümer-Herausgabeanspruchs die Gegenstände nicht mehr herausfordern können).

        • Vielen Dank für die Ausführungen. Das sortiert es doch schon ein wenig.

          Vielleicht lag ich doch mit meiner Spekulation doch nicht so daneben.

          Die Glaubhaftmachung einer Steuerpflicht eines Österreichers, der nicht gemeldet ist, aber wegen einem Einzelverkauf im Ausland auf dem Radar aufgetaucht ist.

          Unsere objektivste Behörde der Welt hat ja an hellseherische Fähigkeiten grenzendes Ermittlungsgespür…und der Richter unterschreibt!

        • Und nun stellen die Anwälte von zwei Anspruchstellern auch noch bohrende Fragen nach der sachgerechten Aufbewahrung der Bilder durch die Staatsanwaltschaft – und bekommen keine Antwort:

          Private dealers value the Matisse at around $6 million to $8 million, a figure that they say could rise to $20 million at auction, given the attention caused by the Gurlitt case. If in good condition, the Liebermann painting, „Two Riders on the Beach,“ could fetch or eclipse the artist’s record of $3.8 million.
          Yet hopes for such prices would be shattered if the paintings were damaged.
          Mr. Gurlitt’s collection consists of works on paper and oil paintings, which can deteriorate if not stored under appropriate temperature and humidity conditions. The works on paper must be wrapped individually in sterile tissue paper away from sunlight, according to David Lewis, an art historian and founder of the Commission for Looted Art in Europe, a nonprofit research center in London.
          A spokesman for the Augsburg prosecutor’s office, which handles Mr. Gurlitt’s case, said the works were „not in a basement.“ He said they weren’t exposed to direct sunlight and the storage area was temperature-controlled.
          Mr. Gurlitt, who kept the work hidden in his apartment for decades, didn’t store them under museum-standard conditions.
          The Matisse is particularly vulnerable: Photos taken by German authorities show that the painting, unlike the Liebermann, isn’t on a stretcher, the wooden frame that artists wrap canvas over to prevent paint from peeling or buckling, says Mr. Lewis.
          Mr. Marinello wrote to the prosecutor’s office on Monday requesting that the work be stretched and asking whether it was being properly stored.
          His request was forwarded to Ingeborg Berggreen-Merkel, a respected academic and the head of a task force appointed by the prosecutor to determine the art’s provenance. Ms. Berggreen-Merkel promised to respond within a few days, Mr. Marinello said.
          A spokesman for Ms. Berggreen-Merkel didn’t respond to requests for comment. The prosecutor’s office declined to comment on specific works of art. Germany’s Culture Ministry didn’t respond to emails and calls requesting comment.
          „It is possible everything has been properly stored, but then why wouldn’t the prosecutor’s office or task force just say that?“ says Mr. Marinello.

          http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702303448204579340922947502270

        • Nur mal so: wer bezahlt eigentlich am Ende diese ganze Aktion, die Einsetzung der Task Force, mind. 10 Personen, sind involviert, Leitung Ingeborg Berggreen-Merkel, weiter Uwe Hartmann, Leiter der Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung, Meike Hoffmann, Projektkoordinatorin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität Berlin, Michael Franz, Leiter der Magdeburger Koordinierungsstelle für Kulturverluste, Magnus Brechtken vom Münchner Institut für Zeitgeschichte, die Provenienzforscher Sophie Lillie (Wien), Jane Milosch (Smithsonian Institution, Washington), Thierry Bajou vom französischen Kulturministerium sowie Yehudit Schendar von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und Shlomit Steinberg vom Israel Museum. Die Zeit dieser hochqualifizierten Mitarbeiter ist sicher nicht billig zu haben. Eingesetzt wurde die Task Force von der Bundesregierung und Bayern und soll die Staatsanwaltschaft Augsburg bei der Recherche nach der Herkunft der Kunstwerke unterstützen, die in Gurlitts Wohnung entdeckt wurden.
          Ob versucht werden wird, die anlaufenden Kosten auf Herr Gurlitt als Tatverdächtigen von was auch immer abzuwälzen.
          http://www.merkur-online.de/lokales/muenchen/nord/kunst-sammler-gurlitt-erwaegt-laut-anwalt-rueckgabe-bildern-3336854.html

        • Was die Kosten angeht, so werden die wohl dem Etat der BMK (Bund) und des Kunstministeriums (Bayern) belastet werden, denn für staatsanwaltschaftliche Zwecke braucht man keine Provenienzforschung.
          Und fälschlicherweise beauftragt hat die StA ja nur eine Sachverständige, Meike Hoffmann.
          Ob die Justiz versuchen würde, diese Kosten abzuwälzen, ist eine theoretische Frage, denn es sieht ja so aus, als ob das Verfahren eingestellt werden würde. Dann gehen die Verfahrenskosten zu Lasten der Staatskasse.

        • „Anything short of complete restitution without monetary compensation will be unacceptable to the Rosenberg family,“ Mr. Marinello said.

          http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702303448204579340922947502270

          Wie wird das nun laufen?

          Der Steuerzahler zahlt für die moralischen Bedenken eines Politikers, der sich dann international feiern lassen darf für sein entschlossenes Engagement?

          Und Gurlitt kann mit der Kompensation der BRD dann seine Anwaltskosten begleichen, die ohne das rechtsgrundlose Handeln der Behörden gar nicht notwendig gewesen wären?

          Gurlitts Haltung kann ich nachvollziehen: Hätten die nicht warten können bis er tot ist?

        • Ist der „Gerichtsbeschluss“ (vermutlich Durchsuchungsbeschluss?) jetzt wegen „steuerlich relevanter Sachverhalte“ oder wegen der „Verantwortung Deutschlands für die Aufarbeitung des nationalsozialistischen Terrors“ (Bausback) beantragt und erlassen worden? Oder hat die Staatsanwaltschaft den Richter über den wahren Grund getäuscht?

        • „Solche Geschäfte sind nach den Grundregeln des Bürgerlichen Rechts von Anfang an nichtig“, so der Chefermittler. „In solchen Fällen kann kein Käufer rechtswirksam Eigentum erwerben.“

          Aber, hallo! So ein grotesker Unsinn! Lang ist es wohl her mit dem kleinen BGB-Schein von Herrn Nemetz.

          Wenn ein krasses Missverhältnis von Wert und Gegenwert vorliegt, dann kann sich die Nichtigkeit nur(!) auf das Kausalgeschäft, nicht aber auf das abstrakte und wertneutrale Verfügungsgeschäft auswirken. Was soll auch an der bloßen Einigung über den Eigentumsübergang an einem Kunstwerk denn sittenwidrig sein? Auch ist das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung dem Eigentumsübergang völlig fremd.

        • Ja, aber die Verkennung des Abstraktionsprinzips lag vermutlich der Auffassung, es könne neben Steuerdelikten auch eine Unterschlagung vorliegen, zugrunde.

        • @ Waldemar Robert Kolos

          Nur, weil mir gerade so übel ist, ein Denkanstoß:

          Was soll auch an der bloßen Einigung über den Eigentumsübergang an einem Kunstwerk denn sittenwidrig sein?

          Bei historischer Kenntnis und Betrachtungsweise könne man zu „Fehleridentität“ kommen.

        • @Fotobiene

          Weiß nicht … vielleicht … kommt auf den Einzelfalls an … und wenn, dann allenfalls bei krasser Ungleichheit von Leistung und Gegenleistung. „Grundregel“ ist das aber nicht.

          Entscheidend ist, dass ein Behördenleiter der Staatsanwaltschaft die Rechtfertigung des Umgangs seiner Behörde mit dem Fall Gurlitt an einem so spekulativen Wörtchen „Wenn“ und den angeblichen „Grundregeln“ festmacht. Um zu Fehleridentität zu kommen, braucht es schon ein bisschen mehr.

        • @ Waldemar Robert Kolos

          Danke für die Unsicherheit.

          Mich stört vor allem die selektive Lesart einzelner DiskutantInnen samt Hausherrin auch hier im Blog.
          Man kann z.B. nicht ausschließlich über von Hildebrand Gurlitt oder Vorbesitzern gekaufte Bilder (mit/ohne Wissen unter Preis und mit/ohne Wissen um letzte Möglichkeit der Fluchtfinanzierung) im möglichen Besitz von Cornelius Gurlitt reden, wenn es möglicherweise auch um Bilder geht, die der Vater bis zuletzt nur in Kommission besaß, und kann sich schon gar nicht alleine auf die aus Museen beschlagnahmten Bilder der Nazi-Kategorie „entartete Kunst“ zurückziehen.
          Weitere Szenarien des Erwerbs oder der Inbesitznahme sind denkbar, wie die Komplexe Nazi-Strategie in Frankreich zeigt.
          Darum ist eine Einzelfallprüfung notwendig zur Beurteilung vieler Bilder.
          Die beste Darstellung für mich ist noch immer (wenngleich nicht vollständig, aber gut zum Verständnis der Problematik):
          http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article121980701/Welche-Rechte-hat-Cornelius-Gurlitt.html
          Die Art und Weise, wie man diesen „Schwabinger KunstFUND“ „gefunden“ hat, ist davon zu trennen, auch wenn es juristische Überschneidungen geben mag. Da ist vermutlich ganz heftig Unrecht praktiziert worden, das auch geahndet werden sollte.
          Mich bestürzt die überwiegend undifferenzierte und heimlich überschneidende Diskussion über Beschlagnahmung einerseits und Bilder andererseits. Letztere sind tatsächlich im Einzelfall zu prüfen und ein Resultat darf nicht wegen der (möglicherweise unrechtmäßigen) Beschlagnahmung einseitig „verrechnet“ werden.

          Ohne also auf die Diskussion hier oder anderswo im Detail einzugehen, hoffe ich auf eine weniger selektive Diskussionweise wenigstens hier im Blog, ohne mich daran beteiligen zu wollen, wohl wissend, daß eine Beurteilung erst nach Prüfung erfolgen kann – und nicht umgekehrt.

        • @ Fotobiene:

          Ich weiß, es fällt schwer, aber hier wird allein die allgemeine deutsche Rechtslage diskutiert, die sich am römischen Recht orientierte. In der Breite sämtlicher Fälle, die das BGB seit 150 Jahren abstrakt regelt, ist sie gerecht im Einzelfall und sorgt zudem für Rechtssicherheit bei Eigentums-Übertragungsakten, die nach einem sittenwidrigem schuldrechtlichem Vertrag stattfanden.
          In Diktaturen, in denen Unrecht zum Recht wurde, wirkt sie kontraproduktiv. Die Frage ist, wie man darauf reagieren sollte: mit einer verfassungswidrigen Lex Gurlitt, die sowieso nichts bringt, weil die Beweislage hinsichtlich einer Böswilligkeit siebzig Jahre nach den Geschehnissen ohnehin nicht zu erbringen ist, oder mit massiven, ökonomisch unterfütterten Appellen an die Moral, um die es doch eigentlich geht.
          Hier eine Darstellung der deutschen Rechtslage:

          II. Das Trennungs-und Abstraktionsprinzip

          Den schärfsten Gegensatz zum Code civil bildet das deutsche BGB. Nach diesem kommt es dem Grundsatze nach für den Eigentumsübergang überhaupt nicht auf den Kaufvertrag und dessen Wirksamkeit an, vielmehr müssen sich die Parteien darüber einig sein, daß das Eigentum auf den Käufer übergehen soll. Der Kaufvertrag wird aus dieser Sicht lediglich zum Motiv des den Eigentumsübergang bewirkenden dinglichen Vertrages.
          Damit das Eigentum übergehe, ist weiters die Übergabe vorausgesetzt (Traditionsprinzip). An diese stellt das BGB allerdings so niedrige Anforderungen bzw. läßt so viele Ausnahmen zu (namentlich das constitutum possessorium!), daß Heck davon sprechen konnte, das Traditionsprinzip sei nur das „historische Kostüm, in dem das Vertragsprinzip [Konsensualprinzip] Eingang in das geltende Recht gefunden hat“.
          Das deutsche Recht trennt also die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung von der als eigenständiges Rechtsgeschäft aufgefaßten Übertragung des Eigentums (Trennungsprinzip). Da die Wirksamkeit des dinglichen Übertragungsgeschäfts (dinglicher Vertrag) durch die Wirksamkeit des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages nicht berührt ist, spricht man davon, daß der dingliche Vertrag vom schuldrechtlichen abstrakt sei (Abstraktionsprinzip).
          Im französischen Recht ist eine solche Abstraktion dem Prinzip nach nicht denkbar, da der Eigentumsübergang bereits durch den Kaufvertrag bewerkstelligt wird. Ist dieser unwirksam oder entfällt seine Wirksamkeit, geht das Eigentum nicht an den Käufer über oder es fällt wieder an den Verkäufer zurück. Um diese Abhängigkeit des Eigentumsübergangs vom Kaufvertrag zu bezeichnen, spricht man von Kausalprinzip oder Rechtsgrundabhängigkeit.
          Soweit ersichtlich kennt in Europa heutzutage wohl nur Griechenland eine mit der deutschen vergleichbare Regelung des Eigentumsüberganges; im schottischen Recht ist diese Frage mangels eindeutiger Stellungnahme des Gesetzes hoch umstritten, wobei die Tendenz in Richtung Abstraktion geht.

          Klicke, um auf Eigentum.pdf zuzugreifen

        • @ Gabriele Wolff

          Deine selektive Diskussion klammert gerade gar meinen Hauptpunkt aus – Fehleridentität.
          s.a.:
          http://www.juraexamen.info/der-fall-gurlitt-teil-1-zivilrechtliche-fragen/
          http://www.rewi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/br/intrecht/Emeritus/lehre/materialien/WS_06_07/DINREC.rtf
          Ich denke, dieser Fall ist ggf. zu prüfen.

          Die Verjährung betreffend gibt es übrigens ebenso noch einen differenzierten Betrachtungsbedarf.
          http://ruettenundloening.prozessbeobachter.net/kommentare/der-herausgabeanspruch-auf-die-bilder-der-sammlung-gurlitt/

          Schaut Euch das mal an, liebe Juristen…

        • Auch die Vertretung von Mindermeinungen durch Rechtsreferendare ändert ja nichts am Ergebnis:

          1. Ansprüche der Voreigentümer

          Ansprüche der Voreigentümer aus § 985 BGB scheiden aus, soweit Herr Gurlitt Eigentum erworben hat. Das ist wohl jedenfalls durch Ersitzung der Fall. Selbst wenn man aber anders entscheiden sollte, ist der Anspruch inzwischen nicht mehr durchsetzbar, soweit Herr Gurlitt die Einrede der Verjährung erhebt (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Ansprüche aus dem Eigentum (§ 985 BGB) sind – soweit man nicht von einer Hemmung nach § 206 BGB ausgeht – gemäß §§ 200 S. 1, 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt.

          Auch ein Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB dürfte nicht bestehen, da Herr Gurlitt junior vermutlich Eigentümer ist. Ein Anspruch nach § 1007 Abs. 1 BGB scheidet zumindest dann aus, wenn er Eigentum an den Werken erworben hat. Außerdem wären auch diese Ansprüche inzwischen verjährt (§§ 195, 199 Abs. 5 BGB), soweit man der Lösung mit der Hemmung (§ 206 BGB) nicht folgt. Auch der Anspruch aus § 861 BGB ist ausgeschlossen, § 864 BGB.

          Je nachdem, wie sich die genauen Umstände des Erwerbes darstellten, kommen auch deliktische Ansprüche gegen Herrn Gurlitt in Betracht. Soweit man einen Eigentumserwerb zunächst verneint, bestand ein EBV. Damit ergibt sich eine mögliche Haftung auf Schadensersatz nach §§ 989, 990 BGB. Nach § 992 BGB bleibt bei verbotener Eigenmacht oder Erwerb durch eine Straftat (z.B. §§ 253, 259 StGB) die allgemeine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 und Abs. 2 (z.B. iVm mit vorgenannten Strafnormen) unberührt. Auch all diese Ansprüche sind jedoch verjährt (§§ 199 Abs. 3 BGB). Selbst die Norm des § 852 BGB, die eine Abschöpfung des Gewinns aus einer unerlaubten Handlung auch nach Ablauf der Verjährungsfrist erlaubt, hilft nicht weiter. Auch dieser Anspruch verjährt jedenfalls nach 30 Jahren (§ 852 S. 2 BGB).

          Bereicherungsrechtliche Ansprüche sind als Fortwirkungsansprüche zu § 985 nicht durch das EBV gesperrt, scheiden aber aus verschiedenen Gründen aus. Ein Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB) kommt nur in Betracht, wenn das ursprüngliche Kausalgeschäft unwirksam war. Das kommt insbesondere beim Kauf direkt vom Voreigentümer in Betracht, eher nicht beim Kauf aus staatlichen Quellen. Auch dieser Anspruch ist aber längst verjährt (§§ 195, 199 Abs. 5 BGB). Gleiches gilt für die Kondiktion nach § 817 S. 1 BGB. Soweit der Eigentumserwerb auf Ersitzung beruht, bildet diese nach hM den Rechtsgrund für das Behaltendürfen (Palandt/Bassenge, BGB, 937 Rn. 1). Eine Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB) scheidet damit aus.

          2. Ansprüche des Staates

          Gegen den Vater von Herrn Gurlitt bestand ein Anspruch des Deutschen Reiches und damit auch der (identischen) Bundesrepublik Deutschland aus § 667 BGB (ggf. iVm § 675 Abs. 1 BGB) auf Herausgabe der Werke, die im Rahmen des „Verkaufsauftrages“ an ihn übergeben wurden. Dieser Anspruch ist nach § 1922 BGB nunmehr gegen Herrn Gurlitt junior als Rechtsnachfolger seines Vaters gerichtet.

          Er ist jedoch verjährt. Er war jedenfalls fällig, als der Auftragszweck endgültig verfehlt war (Palandt/Sprau, BGB, § 667 Rn. 8). Das ist wohl mit dem Ende des Dritten Reiches der Fall. Damit tritt – unabhängig von der Kenntnis des Auftraggebers – gemäß § 199 Abs. 5 BGB Verjährung zehn Jahre nach Entstehung (und Fälligkeit) des Anspruchs ein.

          Außerdem hat auch diese Werke Herr Gurlitt vermutlich inzwischen ersessen (§ 937 BGB). Deshalb scheidet auch insofern eine Herausgabe aus, da rechtliche Unmöglichkeit eingetreten ist (§ 275 Abs. 1 BGB).

          III. Ergebnis

          Zivilrechtlich ist damit gegen Herrn Gurlitt voraussichtlich kein Kraut gewachsen. Ein Ergebnis, das sicherlich nicht jeden zufrieden stellt. Es zeigt, dass das allgemeine Zivilrecht strukturell einfach nicht für die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen, wie sie im Rahmen von Umwälzungen wie dem 2. Weltkrieg entstanden sind.

          http://www.juraexamen.info/der-fall-gurlitt-teil-1-zivilrechtliche-fragen/
          http://www.rewi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/br/intrecht/Emeritus/lehre/materialien/WS_06_07/DINREC.rtf

          Ich bleibe dabei: moralisch richtige Lösungen sind nicht über Vergewaltigungen des Rechts, sondern über außerrechtliche Prozeduren zur Durchsetzung der Moral zu erzielen.

          Der zweite von Dir gepostete Link ist schlicht indiskutabel. Es ist nun mal so: es gibt eben auch Rechtsanwälte, die nicht einmal die Sachs-Entscheidung verstehen, bei der der Staat ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat.

        • @ W.R. Kolos: Der Unsinn liegt leider ganz bei Ihnen – schon weil die Zwangsverkäufe durch NS-Verfolgungsopfer unproblematisch unter § 138 Abs. 2 BGB subsumiert werden können, bei dem sich die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts unstreitig schon aus dem Gesetz ergibt („versprechen oder gewähren lässt“).

          Aber auch nach § 138 Abs. 1 BGB erfasst die Nichtigkeit nach ständiger BGH-Rechtsprechung zugleich das Erfüllungsgeschäft, wenn die Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt (hier: Eigentumsverlust als mittelbare Folge unrechtmäßiger staatlicher Verfolgungsmaßnahmen).

        • Kann es sein, daß Sie den Herrn Nemetz beraten haben?
          Und daß der deshalb in den aktuellen Schwierigkeiten steckt=

          Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

          Ich würde mich freuen, wenn Sie ein Beispiel der ständigen BGH-Rechtsprechung über staatliche Verfolgungsmaßnahmen posten könnten. Bekanntlich sorgt das Richterrecht für Einzelfallgerechtigkeit – aber die Durchbrechung des Abstraktionsprinzips dürfte sich auf Ausnahmefälle beziehen.

  5. http://www.sueddeutsche.de/bayern/konsequenz-aus-fall-mollath-bayern-plant-initiative-zur-psychiatrie-reform-1.1873555
    Konsequenz aus Fall Mollath
    Bayern plant Initiative zur Psychiatrie-Reform
    „Ich könnte mir vorstellen, dass länger als drei Jahre künftig kein Mensch in der psychiatrischen Anstalt sitzen sollte, ohne dass ein externer Gutachter, also ein Gutachter, der nicht zur Anstalt gehört, die medizinischen Voraussetzungen der Unterbringung neu überprüft“, sagte Bausback. Es soll auch eine Vollzugsordnung geben, welche die Rechte der Menschen in der forensischen Psychiatrie regelt.“
    Das vollständige Interview mit Bayerns Justizminister Bausback lesen Sie in der Dienstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung und in der SZ-Digital-App

    • Justizminister Winfried Bausback: „Kein Psychiatrie-Straftäter solle mehr das Gefühl haben, lebendig begraben zu sein“. (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/bayern/konsequenz-aus-fall-mollath-bayern-plant-iniative-zur-psychiatrie-reform.1.1873555 ) Meine Frage: sollen aber noch immer Psychiatrie-Nichtstraftäter – Unschuldige – das Gefühl haben, lebendig begraben zu werden? Was geschieht mit den wahren Psychiatrie-Straftätern, die Menschen gegen deren Willen blödspritzen? Eine Großbaustelle, auf der nur geplant wird (ohne Pläne), ist in 10 Jahren wieder mit viel Unkraut zugewachsen.

      • Zu meiner Ergänzung nur ein grobes Beispiel, falls es als Vergleich tauglich wäre. Wenn z.B. Bergleute in einem Stollen durch ein Unglück hilflos in einem Stollen eingeschlossen worden sind, dann fragt niemand, ob und welche Fehler von wem begangen worden sind und berät auch nicht, wie man diese in Zukunft vermeiden könnte. Es läuft sofort und fast vollautomatisch ein Rettungsplan ab: eine technisch voll ausgestattete Grubenwehr, bzw. Grubenwehren machen sich auf Achse zum Unglücksort: mittels armdicker Probe-Bohrungen bei Erfolg dann die Rettungs-Bohrungen getätigt – sebst dann wenn diese 800 tief werden müssen und es 2 Wochen dauern kann zu den hilflos Eingeschlossenen. Erst noch später wird palavert über bessere Sicherheits-Vorkehrungen, zusätzlichen Sicherheits-Vorschriften etc.. Mit diesen Gedanken zurück zur Psychiatrie, wobei ich z.B. an Ilona Haslbauer denke, die nun 6 Jahre eingesperrt sein soll: mag die gute Frau renitent sein – sie hat ein Menschenrecht, um gegen Unrecht auf ihren Leib und Seele sich zur Wehr zu setzen. Nur in seltenen Fällen wären Menschen gegen deren zugefügtes Unrecht so restistent wie Gustl Mollath. Mittlerweile wissen wir es, was der Untersuchungs-Aussschuß Mollath bewirkt hatte, wobei es keine Schande wäre, auch Parteien bennenen zu dürfen: CSU/FDP/SPD als Mehrheits-Parteien gegen die Minderheits-Parteien GRÜNE/FW. Muß auch gesagt werden: die SPD-Aigner hatte noch rechtzeitig die „scharfe Kurve“ geschafft, nachdem der SPD-Schindler bereits mit der CSU-Merk im „Graben lag“. Eine gute Merk-Hilfe: schon weit vor einer scharfen Kurve nimmt man vorzeitig „Gas weg“ und entschleunigt sich notfalls auch mit Abbremsen. In einer Kurve wäre es schon zu spät, wobei Bremsen kaum nützen würde. Hat man auch mitten in einer scharfen Kurve einen vollen Überblick: sich zurückerinnern, ob nicht doch vor der Kurve ein Geschwindigkeits-Beschränkungs-Schild stand, das möglicherweise übersehen worden ist, denn noch nur wenige Meter vor einem Geschwindigkeits-Aufhebungs-Schild lauern manchmal die „Stare“ in Form von Radar-Messung (heutzusage auch mittels Laser). Ich finde dies gut so, wobei Unfälle sich in erheblichem Umfange reduziert haben – trotz erhöhtem Verkehrs-Aufkommen. Der gute §1 der Straßen-Verkehrs-Ordnung besagt im Grunde ALLES zu den vielen anderen §§ der StVO ! Es wäre somit sehr zu begrüßen, wenn Justiz sich um deren §63 „herum“ ebenso einen „§1 zum §63“ schaffen könnte. Wie ich erkennen kann, sind bereits etliche gute Denker, wie z.B. Herr Dr. Sponsel, auf besten Wegen…

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