Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

Rosenkrieg 2Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/11/06/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-2/

Wie also bereitet Dr. Klaus Leipziger den disparaten Akteninhalt auf, den er seiner Diagnose/Prognose im Gutachten vom 25.7.2005 zugrundelegt? Er arbeitet auf den Seiten 3 – 14 seines Gutachtens flächendeckend und zielgerichtet mit dem Stilmittel der Weglassung, um einen stimmigen Sachverhalt zu erzeugen, in dem die Bekundungen der im Trennungskrieg befindlichen Ehefrau den Rang von Anknüpfungstatsachen gewinnen; zugleich werden schriftliche Bekundungen des Probanden Mollath aus dem Zusammenhang gerissen, was spätere Fehlinterpretationen begünstigt. Im Grunde kann man konstatieren, daß sich sein einseitig-interpretatorischer Zugriff auf das Aktenmaterial wie eine Blaupause für das spätere Fehlurteil von Otto Brixner vom 8.8.2006 ausnimmt.

Schon auf S. 3 seines Gutachtens beginnen die Verfälschungen des Sachverhalts:

Aus den Akten ist Folgendes darzustellen:

Im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung durch die KPI Nürnberg vom 15.01.2003 (BI. 5 ff) erklärte die damals von ihrem Ehemann, dem Angeklagten, getrennt lebende Ehefrau u.a., dass sie seit 7 ½ Monaten von ihrem Ehemann getrennt lebe und die Scheidung anstrebe. Grund hierfür sei hauptsächlich das gewalttätige Verhalten ihres Mannes. Es hätte während der letzten Jahre der Ehe immer mehr Probleme gegeben. Es hätte hier mehrere tätliche Angriffe seitens ihres Mannes auf sie gegeben.

Ihr Mann würde auch über Schusswaffen verfügen und sie fürchte in diesem Zusammenhang, dass er diese auch gegen sie und ihre Familienangehörigen einsetzen könne.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=3

Es fehlt auch hier, wie schon bei Erörterung der Anzeige wegen Briefdiebstahls von November 2002, der Beginn der strafrechtlichen Verfolgung durch die Ehefrau, nämlich die telefonische Anzeige wegen illegalen Waffenbesitzes des Ehemannes vom 2.1.2003, die erst zu jener konkretisierenden Vernehmung vom 15.1.2003 führte, ohne die ein Durchsuchungsbeschluß wegen eines Waffendelikts nicht erwirkt worden wäre. Die Kundgabe der angeblichen Körperverletzung von August 2001 und der von Mai 2002 diente dem Zweck, den – nicht zutreffenden – Vorwurf eines Waffendelikts zu untermauern. Das fragliche Attest wurde erst am Tag nach dieser Vernehmung der Polizei per Fax zugesandt.

Es fehlt in der Folge der Aktenauswertung die Darstellung der ergebnislosen Durchsuchung des Hauses des Gustl Mollath vom 19.2.2003 – ein invasiv-aggressiver Akt, der den „Beschuldigten“ zutiefst verstörte. In Unterbrechung der Chronologie – Dr. Leipziger hatte bereits die Vernehmung der Ehefrau vom 15.5.2003 ›dargestellt‹ – wird zusammenhanglos Folgendes mitgeteilt:

In einem Schreiben vom 22.02.2003 (BI. 51) an das Amtsgericht Nürnberg, in dem der Angeklagte Bezug auf die Durchsuchung seiner Wohnung am 19.02.2003 nimmt und 7 Fragen formuliert, stellte er unter 6. die Frage:

„Muss ich davon ausgehen, dass meine zur Verfügungstellung meines Faxgerätes, für ordentliche Jugendliche, im Zusammenhang steht? Siehe Anlage.

Diese vier Blätter gingen an alle wichtigen Medienhäuser und Organisationen Europas, haben letztlich die größten Friedensdemonstrationen der Welt ausgelöst.“

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=4

Es fehlt: die Darstellung der Empörung und Verzweiflung angesichts des ruppigen Eindringens von 12 Polizeibeamten in das große Haus des pazifistisch gesonnenen Gustl Mollath, der überhaupt nicht weiß, wer ihm da irgendwelche abstrusen Waffendelikte angehängt haben könnte. Weshalb er sich beim Amtsgericht nach dem Grund der Maßnahme erkundigt, und angesichts der bekannten bayerischen Verhältnisse unter Ziff. 7 auch einen politischen Hintergrund nicht ausschließt. Daß seine eigene Frau, die aufgrund des Zusammenlebens seit Ende der siebziger Jahre ja eigentlich wissen muß, daß es sich bei der fraglichen Waffe um ein 1984 von den Eltern geerbtes erlaubnisfreies Luftgewehr handelt, ihn derart hätte denunzieren können – darauf kommt er nicht. Es ist unklar, was Dr. Leipziger mit diesem zusammenhanglosen Aktenzitat belegen will: in der Folge bezieht er sich darauf nicht mehr.

Auf S. 4 des Gutachtens zitiert Dr. Leipziger das Attest der „Ärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. Reichel, Nürnberg“ vom 3.6.2002 – allerdings lediglich die Befunde. Die dort von der Patientin gegebene Schilderung der angeblichen Körperverletzung vom 12.8.2001 unterschlägt er: weil sie von der aggravierenden Tatschilderung, wie sie in der Vernehmung vom 15.5.2003 und in der Anklage wiedergegeben wird, erheblich abweicht? Ein kritischer medizinischer Blick auf die attestierten „Würgemale am Hals unterhalb des Kehlkopfes ventral medial“ sowie eine Bewertung der fehlenden Untersuchungen/Nachfragen wegen des angeblichen Würgens bis zur Bewußtlosigkeit unterbleiben. Vielleicht ist es zu lange her, daß Dr. Leipziger Arzt war.

Aus der richterlichen Vernehmung beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten vom 15.5.2003 der Ehefrau zitiert er eine Passage, die als Keimzelle des Krankheitsverdachts gegen Gustl Mollath gelten muß:

Bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Tiergarten, Berlin, (Bl 47 ff), am 15. Mai 2003  hätte die Geschädigte Petra Mollath u.a. angegeben, dass der Misshandlung durch ihren Mann am 12.08.2001 kein besonderes Ereignis vorangegangen sei. Ihr Mann hätte sich psychisch verändert und in sich zurückgezogen. Er sei geschäftlich nicht sehr erfolgreich gewesen und hätte das Geschäft aufgeben müssen. Er sei dann hauptsächlich zu Hause gewesen.

An diesem besagten Tag hätte er sie plötzlich ohne Vorwarnung angegriffen. Er hätte sich in seinen Wahn reingesteigert, das heiße, er wolle die Welt verbessern und meine, alle seien schlecht und sie sei auch schlecht.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=4

So also stellt sich ein Laie Irresein vor, wenn der Partner andere moralische Vorstellungen hat als er selbst: auf die Geschäftsschließung im Jahr 2000 folgt ein Rückzug und ein Weltverbesserungswahn, der sich grundlos auch auf die Ehefrau bezieht und ohne vorangegangene konkrete Streitigkeiten zu plötzlichen physischen Aggressionen führt. Es ist kaum nachvollziehbar, welche Karriere diese schlichten Behauptungen in der professionellen Psycho-Szene machen konnten, zumal die zweite behauptete Körperverletzung, verbunden mit Freiheitsberaubung, im Rahmen einer akuten Trennungssituation erfolgt sein soll, sich mithin durch nichts von vergleichbaren Szenen in Trennungskonflikten unterschied.

Zumal auch der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 25.9.2003 diesem Konstrukt widersprochen hatte. Dr. Leipziger zitiert aus dem zusammenhanglos geführten und ersichtlich unvollständigen Hauptverhandlungsprotokoll:

Der Angeklagte hätte u.a. angegeben, dass (er mit seiner Frau) seit 1991 verheiratet wäre. Sie seien aber schon 24 Jahre zusammen. In der Ehe hätte es immer wieder starke Probleme gegeben. Es sei um Tätigkeiten gegangen, die seine Frau ausgeübt hätte und die er aber nicht tolerieren können. [!] Es gehe hier um Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung im großen Stil.

Wie die Sache hier dargestellt werde, stimme nicht so. Mit seiner Frau sei es nicht einfach. Sie sei auf ihn los gegangen. Er hätte sich nur gewehrt. Er hätte sie angefleht, ihm zu helfen. Ihm sei es in den letzten Jahren nicht gut gegangen. Seine Frau sei ein Teil von ihm. Er hätte sie geliebt. Er sei in einer Grenzsituation gewesen, die er noch nie erlebt hätte. Er könne sich auch nicht mehr so erinnern.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=5

Hier werden also konkrete Streitigkeiten zwischen den Eheleuten wegen strafrechtlich relevanter Tätigkeiten der Ehefrau behauptet und wegen des Körperverletzungsvorwurfs der Rechtfertigungsgrund der Notwehr gegen einen unmittelbaren Angriff der Ehefrau vorgebracht. Die Darstellungen der Parteien widersprechen sich demnach diametral.

Auch wenn Dr. Leipziger bei Auswertung der Verteidigungsschrift des Angeklagten vom 24.9.2013 die entgegenstehende Einlassung Gustl Mollaths noch einmal wiederholt:

Sie hätten sich heftig gestritten, sie hätte nicht aufhören wollen. Wie schon mal passiert, sei sie auf ihn los gegangen. Tritte und Schläge. Leider hätte er sich gewehrt.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=11

geht er in der Folge als Tatsachengrundlage seines Gutachtens allein von den belastenden Bekundungen der Ehefrau aus. Da weiß er sich einig mit den befaßten Richtern Huber, Eberl und Brixner: Frauen attackieren Männer nicht, und wenn sie es tun, darf sich der Mann nicht wehren – letzteres eine typisch männliche Einstellung, die auch Gustl Mollath teilt: schließlich tut es ihm leid, sich aktiv zur Wehr gesetzt zu haben. Ein Mann schlägt keine Frau, sondern nimmt deren physische Attacken widerstandslos hin.

Die ›Auswertung‹ der Verteidigungsschrift (S. 10 – 12 des Gutachtens) läßt sich nur als wirre Kompilation bezeichnen, die am Kern der Sache, dem Streit der Eheleute wegen der zunächst im Auftrag der HypoBank durchgeführten Beihilfe zur Steuerhinterziehung für betuchte Kunden, später in Eigenregie fortgeführt für Bank- wie auch Privatkunden, völlig vorbeigeht. Der Schriftverkehr des Probanden mit Banken – seinerzeit noch mit dem Ziel geführt, daß seine Frau mit ihren strafrechtlich wie ökonomisch riskanten Geschäften aufhören möge, ohne steuer- und strafrechtliche Sanktionen erleiden zu müssen – bleibt gänzlich außen vor.

Hier sind die von Dr. Leipziger nicht ausgewerteten Briefe nachzulesen:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=62

Ebenso wird alles weggelassen, was die Kampfmethoden der Ehefrau im Vorfeld des Scheidungsverfahrens beleuchtet, wie sie die Verteidigung im Wiederaufnahmeantrag herausgearbeitet hat:

Aus den in dem Duraplus-Ordner vorhandenen Schreiben meines Mandanten an seine Ehefrau gehen die sich steigernden Taktiken der Ehefrau, meinen Mandanten daran zu hindern, sein Wissen über ihre Tätigkeit zu verbreiten und ihn dazu zu bewegen, seine Ermahnungen, mit ihren illegalen Geschäften aufzuhören, einzustellen – und daneben auch finanziell gestärkt aus einem Scheidungsverfahren herauszugehen –, deutlich hervor. Letzteres Motiv ergibt sich bereits aus ihrem Schreiben vom 27.4.2004, in dem sie ihre Scheidungsanwältin, Frau Woertge, darum bittet, vorzutragen, der Versorgungsausgleich ihres Mannes sei wegen der gegen sie angeblich begangenen Straftaten verwirkt (802 Js 4743/03 Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Bl. 146 d.A.).

In dem Schreiben vom 25.8.2002 (abgelegt in dem Duraplus-Ordner) berichtet Mollath über folgende sich steigernde Maßnahmen seiner Ehefrau gegen ihn, verbunden mit Lockangeboten:

– Kündigung der Lastschriftverfahren, z.B. für die Beiträge Krankenkasse des einkommenslosen Mandanten;

– Verweigerung von Unterhalt, verbunden mit der Ankündigung, dies auch zukünftig zu tun

– Angebot, ihm 500.000,- Euro zu überlassen, damit er schweigt.

Aus dem Duraplus-Ordner geht weiterhin hervor:

– Am 9.8.2002 wird meinem Mandanten kommentarlos das – jetzt als unechte Urkunde zweifelhaften Inhalts enttarnte – Attest vom 3.6.2002 von Dr. Madeleine Reichel über die Folgen einer angeblichen Körperverletzung vom 12.8.2001 durch ihn über den Fax-Anschluß von Müller/Simbek (Bruder der Ehefrau und dessen Lebensgefährtin, Sprechstundenhilfe bei Frau Dr. Reichel) zugefaxt, was von ihm zu Recht als Erpressung gedeutet wird;

– die Ankündigung der Ehefrau, ihr Vermögen auf ihren Bruder zu übertragen und sich arm zu rechnen; daneben wird angekündigt, sein Haus zu ersteigern (was dann in der Folge auch geschah).

– Alle diese Aktivitäten hielten meinen Mandanten nicht davon ab, sich im Zeitraum August 2002 bis Dezember 2002 sowohl an die HypoVereinsbank als auch an die betroffenen Schweizer Banken zu wenden, um seine Frau von den illegalen Geschäften abzuhalten. In dem Ordner befindet sich auch das Antwortschreiben der HypoVereinsbank/München vom 2.1.2003, dass die interne Revision ihre Ermittlungen bereits aufgenommen habe.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf#page=4

Konsequenterweise wird in dem Leipziger-Gutachten nicht nur der Hinweis auf die erfolgte Revision der Bank unterschlagen, sondern auch deren Ergebnis, wie es die Belastungszeugin in ihrer Vernehmung vom 15.5.2003 selbst bekundet hat:

in dieser Vernehmung offenbart sie auch ein Belastungsmotiv, das der VRiLG Brixner in seinem Urteil bewußt ausblendet: „Er hat durch Denunziation dafür gesorgt, dass ich meine Arbeitsstelle verliere“ (wie vor, Bl. 48, 49 d.A.).

[wie vor]

Dr. Leipziger war der erste, der dieses Belastungsmotiv unter den Tisch fallen ließ und der die konkreten Schwarzgeld-Vorwürfe, die sich einigen Schreiben der Verteidigungsschrift und der am 9.12.2003 erstatteten Strafanzeige Mollaths wegen Steuerhinterziehung u.a. entnehmen ließen, nicht einmal wiedergab.

Zu dem begründungslos (mangels Anfangsverdachts) eingestellten Verfahren wegen Steuerhinterziehung heißt es im Gutachten lapidar:

Auf einen Auszug aus der zum Verfahren verbundenen. Akte 41 Cs 802 Js 4726/03 [Briefdiebstahl] kann hier ebenso verzichtet werden, wie auf einen Auszug aus den Akten 509 Js 182/04. [Steuerhinterziehung]

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=10

Die selektive Auswertung des Duraplus-Ordners wird wie folgt kommentiert:

Auf die Mehrzahl der in der Heftung „Duraplus“ abgehefteten Unterlagen des Angeklagten kann hier nicht eingegangen werden.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=12

Dieses Vorgehen hat Methode: denn je weniger konkret und sachlich begründet die Vorwürfe des Probanden erscheinen, desto eher können sie als wahnhaft gewürdigt werden. Je unbelasteter die beschuldigende Ehefrau inszeniert wird, desto eher lassen sich ihre bloßen Behauptungen als Anknüpfungstatsachen behandeln, auch wenn der von ihr eingeführte allgemeine „Weltverbesserungswahn“ durch den Sachverständigen in einen „Schwarzgeldwahn“ umgedeutet werden muß, von dem wiederum sie nichts wissen will. Nach ihren Bekundungen gab es schließlich keine ehelichen Streitigkeiten über dieses Thema (mithin auch keinen „Schwarzgeldwahn“ zu den angeblichen Tatzeiten 2001 und 2002).

Das ficht Dr. Leipziger nicht an, obwohl er die Position der Ehefrau kennt und in seiner Akten-Präsentation ihre seiner Findung entgegenstehende Aussage im Hauptverhandlungstermin vom 22.4.2004 sogar ausdrücklich im Gutachten erwähnt:

Die Zeugin sei auch mal ausgezogen gewesen, das sei, so glaube sie, 1999 aufgrund von Schlägen gewesen. Es sei so, wenn sich der Angeklagte in was verrannte, z.B. Kriegssachen, dass erst die böse waren, dann sei nur die Zeugin böse gewesen und dann seien alle böse gewesen.

Seine Anzeige wegen Schwarzgeld komme vielleicht daher, weil die Zeugin in einer Bank gearbeitet hätte und Kunden in der Schweiz betreut hätte.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=7

Die fehlende Neutralität des Gutachters Dr. Leipziger erweist sich insbesondere bei der Darstellung der vorangegangenen Unterbringung gemäß § 81 StPO in Erlangen zur Gutachtenerstellung durch Dr. Wörthmüller.

Das Einzige, das er hierzu als objektiven Akteninhalt in sein Gutachten aufnimmt, sind diese lapidaren Zeilen:

Auf der verwaltungsseitig durch das Klinikum am Europakanal Erlangen erstellten Entlassungsanzeige vom 12.07.2004 (Bl. 189) wird bezüglich des Angeklagten Aufnahmedatum 30.06.2004 und Entlassdatum 07.07.2004 und Entlassungsdiagnose F 60.9 – Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet, angegeben.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=8

Irgendwas muß die Verwaltung schließlich in ihr Formblatt eintragen, wenn es zu keiner Gutachtenerstellung gekommen ist. Was liegt da näher als eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung, die sogar den Rang einer wissenschaftlich anmutenden ICD-10 Klassifizierung errungen hat? Das ist alles, was Dr. Leipziger hinsichtlich der Erlangener Internierung für erwähnenswert hält! Nicht einmal der Name „Wörthmüller“ scheint auf – dessen Befangenheitserklärung vom 1.7.2004 wird ebenso weggelassen wie sein Schreiben vom 5.7.2004 an das Gericht, in dem er geflissentlich und juristisch unbeachtlich eine formlose „Überweisung“ an Dr. Leipziger offerierte. Dr. Leipziger ist in Nürnberg aufgewachsen, seine Mutter hatte einen sozialpsychiatrischen Dienst in Nürnberg begründet:

http://www.nuernbergwiki.de/index.php/Karl_Leipziger

Diese biographische Verbindung Dr. Leipzigers zu Nürnberg und dessen sozialpsychiatrischen Initiativen dürften Dr. Wörthmüller zu seiner Empfehlung veranlaßt haben. Als Gerichtsgutachter war Dr. Leipziger dort eher ein Unbekannter.

Dr. Wörthmüller begründete seine Befangenheit am 1.7.2004 gegenüber Richter Eberl wie folgt:

Herr Mollath wurde gestern, am 30.06.2004, in die hiesige Klinik eingeliefert, am gleichen Tag wurden mir die Akten (die zuvor nur ungesichtet einen Tag in der hiesigen Abteilung waren, dann zurückgefordert wurden) erneut zugestellt. Leider ist es so, dass ich in der vergangenen Woche bereits persönlichen Kontakt mit Herrn Mollath hatte, mich insbesondere ein Nachbar, mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, ausführlich über seine Sichtweise der Angelegenheit Mollath informierte (Herr Mollath wollte auch jenen aufsuchen). Aufgrund des so erhaltenen Meinungsbildes und der damit verbundenen persönlichen Verquickung sehe ich mich außer Stande, mit der notwendigen Objektivität das von Ihnen angeforderte Gutachten zu erstatten. Auch eine Übertragung auf einen Mitarbeiter meiner Abteilung erscheint hier kontraindiziert, nachdem die hiesige forensisch-psychiatrische Struktur stark durch meine Person bzw. die hiervon ausgehenden Einschätzungen geprägt ist.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf#page=114

Hierüber unterrichtete er das Amtsgericht aber nicht sofort, sondern erst zusammen mit dem per Fax am 5.7.2004 übermittelten Schreiben vom 5.7.2004, in dem Dr. Wörthmüller ausführt:

[,,,] um eine kurzfristige Bearbeitung des bereits eingeleiteten Unterbringungsverfahrens nach § 81 StPO zu ermöglichen, habe ich Herrn Dr. Leipziger vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth angesprochen, der sich bereit erklärte, den Gutachtenauftrag und Herrn Mollath kurzfristig zu übernehmen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, könnte der Angeklagte somit bereits in den nächsten Tagen dorthin überstellt werden, so dass eine wesentliche Verzögerung der Erledigung des Gutachtenauftrages vermieden wird.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf#page=116

Das alles erwähnt Dr. Leipziger in seinem Gutachten nicht, was ihn der Aufgabe entledigt, den genauen Gesprächsinhalt des zwischen Dr. Wörthmüller und ihm stattgefundenen Gesprächs mitzuteilen: wie sah denn die Einschätzung des Dr. Wörthmüller aus? Welche Angaben hat dessen ihm freundschaftlich verbundener Nachbar über Mollath gemacht, die ihn befangen machten? Woher kannte Dr. Wörthmüllers Nachbar, den der Proband aufsuchen wollte, Herrn Mollath überhaupt? Und womit wurde die viertägige Freiheitsberaubung gerechtfertigt, die nach Ablehnung des Gutachtenauftrags objektiv stattfand? Denn die freiheitsentziehende Maßnahme gemäß § 81 StPO muß sofort beendet werden, wenn eine Gutachtenerstellung ausscheidet. Welche die weitere Internierung rechtfertigenden Gespräche wurden zwischen Dr. Wörthmüller und Gustl Mollath geführt, die eine Gutachtenerstellung noch nicht ausschlossen?

Dr. Leipziger klärt nichts. Er vermeidet die Mitteilung, daß Dr. Wörthmüller sich für befangen erklärt und mit ihm, dem Sachverständigen, über den Fall gesprochen hat.

Er führt lediglich, in seiner üblichen kontextlosen Zitierweise, ein Schreiben des Probanden vom 23.9.2004 an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg an:

Mit Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 220 f) an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg führt der Angeklagte u.a. aus, dass die angezeigten Straftaten alle im Zusammenhang des größten Schwarzgeldverschiebungsskandals, von der Bundesrepublik in die Schweiz, unter Mitwirkung der Hypo Vereinsbank, seiner früheren Frau Petra Mollath und deren Arbeitskollegen und Kunden, wie Wolfgang Dirsch, Udo Schicht und Bemhard Roggenhofer usw., zu sehen sind. [Letzterer ist der besagte Nachbar von Dr. Wörthmüller.][…]

Rechtsanwalt Ophoff hätte von Dr. Wörthmüller bewegt werden können, Samstag Mittag in die Klinik zu kommen, denn der Angeklagte hätte auf einer Rechtsberatung bestanden, weil er sonst mit Ihm (Dr. Wörthmüller ?) nicht über seinen Vorschlag verhandeln könne: Er schreibe ein für den Angeklagten passendes Gutachten, dafür bleibe seine Beziehung zu den Schwarzgeldverschiebern in Form von Bernhard Roggenhofer unter ihnen.

Bei einem späteren Gespräch hätte Rechtsanwalt Ophoff gemeint: „Seien Sie doch froh, als ich Sie besuchte, hätten sie doch auch blödgespritzt sein können“.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=8

Weiter heißt es in dem Gutachten:

In einem weiteren Schreiben an den Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg, datiert vom 05.08.2004 mit der Überschrift Strafanzeigen bzw. Strafanträge gemäß Strafprozessordnung § 158 (Bl. 224 ff) führt der Angeklagte u.a. aus, dass er die Verbindung von Dr. Wörthmüller zu den Schwarzgeldverschieberkreisen aufgedeckt hätte und nachweisen könne. Deshalb hätte sich Dr. Wörthmüller letztlich für befangen erklären müssen.

Trotzdem hätte Dr. Wörthmüller vorher tagelang versucht, ihn zu folgender Abmachung zu bewegen: Er mache ein angeblich ,,harmloses“, für den Angeklagten passendes, Gutachten, dafür müsse er sich nicht für befangen erklären und die Verbindung zu den Schwarzgeldverschiebern würde unter ihnen bleiben. Als der Angeklagte über Tage, auch unter seelischer Folter, nicht auf den Handel eingegangen sei, sei ihm (Dr. Wörthmüller) nichts anderes übrig geblieben, als sich doch nachträglich für befangen zu erklären.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=9

Derartige Verhandlungen zwischen Mollath und Dr. Wörthmüller sowie die Einschaltung des am 6.7.2004 mandatierten Rechtsanwalt Ophoff wären eine plausible Erklärung für die verzögerte Absendung der Befangenheitserklärung durch den früheren Sachverständigen.

Dr. Klaus Leipziger, und das scheint mir fast das größte Skandalon seines Gutachtens zu sein, hat die hier zitierten Schreiben Mollaths zu seiner, auch in ihrem konkreten Vollzug entwürdigenden, in einer ständig beleuchteten und videoüberwachten Isolationszelle vollzogenen, Unterbringung gemäß § 81 StPO in der von Dr. Wörthmüller geleiteten Forensik in Erlangen nicht mit den aus den Akten ersichtlichen Realien konfrontiert. Ohne den Sachverhalt zu klären, hat er die Behauptungen Gustl Mollaths als Indiz für eine Wahn-Progredienz gewertet.

Damit hat er seine Gutachterpflichten gravierend verletzt: die ihm auferlegte Neutralität hätte geboten, gemäß § 80 Absatz 1 StPO vorzugehen, bevor er aus der Luft gegriffene Wertungen der Angaben des Probanden trifft.

§ 80 StPO

(1)    Dem Sachverständigen kann auf sein Verlangen zur Vorbereitung des Gutachtens durch Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten weitere Aufklärung verschafft werden.

Demnach hätte er vor Erstattung seines Gutachtens das Amtsgericht Nürnberg auffordern müssen, Dr. Wörthmüller, dessen Nachbarn Roggenhofer und Rechtsanwalt Ophoff – nach Schweigepflichtsentbindung durch den Mandanten – zeugenschaftlich zu den konkreten Umständen der Befangenheitserklärung, ihrer verzögerten Absendung und des von Rechtsanwalt Ophoff evaluierten Angebots des Gutachters Dr. Wörthmüller gegenüber Gustl Mollath zu vernehmen. Ohne konkrete Anknüpfungstatsachen kann eine psychiatrische Diagnose der Behauptungen eines Probanden nur unter Verstoß berufsrechtlicher Pflichten geschehen.

Kongenial hat auch der VRiLG Otto Brixner keinerlei Aufklärung betrieben. Es blieb der Staatsanwaltschaft Regensburg vorbehalten, im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens den Komplex Dr. Wörthmüller durch Vernehmung dieses beauftragten Sachverständigen und dessen Nachbarn Roggenhofer annähernd aufzuklären – mit dem Ergebnis, daß Dr. Leipzigers „Wahnerweiterungs“-Diagnose der Tatsachengrundlage entbehre und diese neue Tatsache den Wiederaufnahmeantrag stütze (was die Verteidigung zuvor ebenfalls dargelegt hatte).

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=89

Eindeutiger ist wohl noch nie ein psychiatrisches Gutachten zu Fall gebracht worden. Denn entsprechend hätte Dr. Leipziger auch bei der Evaluierung der „Schwarzgeld-Vorwürfe“ vorgehen und vom Amtsgericht verlangen müssen, durch zeugenschaftliche Vernehmung der Ex-Ehefrau und von Mitarbeitern der HypoVereinsbank das Ergebnis der internen Revision und die Kündigungsgründe in Erfahrung zu bringen.

Tatsächlich strotzt das Gutachten von Voreingenommenheit. Letztere ergibt sich auch aus der Auswertung der von Dr. Leipziger Ende März 2005 dringend erbetenen aktuellen Akte, die wegen durch Richter Eberl bei POK Grötsch angemahnter Aktenerstellung hinsichtlich gescheiterter Ermittlungen gegen den Probanden im Februar 2005 tatsächlich im April/Mai 2005 angelegt worden war.

In einer mit Schreiben vom 31.05.2005 nachgereichten Heftung zur Akte 41 Ds 802 Js 4743/03, deren Seiten wiederum beginnend mit 1 nummeriert sind, sind zahlreiche, dem Angeklagten zur Last gelegte Straftaten, überwiegend Sachbeschädigungen an Kfz, teilweise verbunden mit Hausfriedensbruch oder verbunden mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, aufgelistet.

Eine Aufstellung über die zwischen dem 31.12.04 und dem 31.01.05 liegenden Taten, die überwiegend ein Zerstechen von Reifen an Kraftfahrzeugen darstellten, ist Bl. 107 zu entnehmen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=13

Diese unter dem gerichtlichen Aktenzeichen der Körperverletzungsdelikte „nachgereichte Heftung“ stürzt den Gutachter freilich in ersichtliche Ratlosigkeit. Es handelt sich um eine polizeiliche Akte, die von der Staatsanwaltschaft, die Herrin des Verfahrens ist, noch nicht ausgewertet worden ist. Kann, darf und soll er die dort zusammengetragenen Fälle als Taten des Probanden unterstellen? Wie unsicher Dr. Leipziger ist, erhellt seine Zusammenfassung der Causa:

Im Schlussbericht, erstellt von POK Grötsch mit Datum vom 12:05.2005 (Bl. 119 ff), wird dargestellt, dass der vorliegende Ermittlungskomplex insgesamt 18 Fälle von Sachbeschädigungen durch Zerstechen von Fahrzeugreifen, einen Fall von Sachbeschädigung an Kfz und einen Fall von sonstiger Sachbeschädigung im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 01.02.2005 umfasse.

Als Verursacher der angezeigten Sachbeschädigungen sei im Verlaufe der polizeilichen Ermittlungen der Angeklagte festgestellt worden.

Hinsichtlich der aufgelisteten Fälle wird auch die Verbindung zwischen dem Angeklagten und den Geschädigten aufgeführt, bzw. ist dargestellt, dass es sich in einigen Fällen um Zufallsgeschädigte handle.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Schon der letzte Satz – wenn es keinerlei Verbindung zwischen Geschädigtem und Beschuldigten gab, wurde ihm die Tat dennoch zugeschrieben – dementiert eine Substanz dieser polizeilichen „Täterfeststellung“. Noch bedenklicher mußte erscheinen, daß der polizeiliche Tatverdacht gegen Gustl Mollath erst durch diejenige Anwaltskanzlei hervorgerufen worden war, die seinerzeit die Ex-Ehefrau Mollaths vertreten hatte. Dieses Detail aus dem Schlußbericht von POK Grötsch wird vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt.

Obwohl Dr. Leipziger diese „nachgereichte Heftung“ Anfang Juni 2005 erreicht haben dürfte, datiert sein Gutachten erst vom 27.7.2005. Es ist naheliegend, daß der Gutachter abwarten wollte, ob die Staatsanwaltschaft wegen dieser Sachbeschädigungen Anklage erheben würde. Nach zweimaliger Mahnung des Amtsgerichts im Juli 2005, das Gutachten endlich zu erstellen, wurde es schließlich am 27.7.2005 abgeschlossen, ohne daß die Staatsanwaltschaft eine Entscheidung getroffen hatte. Gleichwohl legt Dr. Leipziger die Tatbegehung der Sachbeschädigung seinem Gutachten umstandslos zugrunde (die Erhebung des Vorwurfs reicht für ihn aus) und stützt die Bejahung einer Unterbringung maßgeblich auf diese aktuellen Vorfälle.

Der Schreck muß gewaltig gewesen sein, als die Staatsanwaltschaft das Sachbeschädigungsverfahren am 11.8.2005 gemäß § 154 StPO einstellte, da die Taten z.T. nicht nachweisbar und der Beschuldigte möglicherweise schuldunfähig sei! So dubios wie die polizeilichen „Ermittlungen“ und die nachgeholte Anlage einer Akte in diesem Fall, so dubios sind auch die Manöver, mit denen die Staatsanwaltschaft dazu veranlaßt wurde, ihre Einstellung zurückzunehmen und immerhin neun Fälle anzuklagen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Klagerzwingung-2013-09-19.pdf#page=4

VRiLG Otto Brixner hatte trotz fehlenden Tatnachweises, fehlender Einführung von Sachbeweisen in die Hauptverhandlung und fehlender Zeugen (just jene zwei Anwälte aus der von der Ex-Ehefrau mandatierten Kanzlei waren nicht erschienen) keine Mühe, den Angeklagten Mollath in einer sechsstündigen Hauptverhandlung auch wegen acht der neun angeklagten Sachbeschädigungen zu verurteilen, deren Gefährlichkeit er wahrheitswidrig übertrieb.

In der neuen Hauptverhandlung wird es gründlicher zugehen:

Die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg beabsichtigt, mit der Hauptverhandlung im wiederaufgenommenen Verfahren Mollath im Juli 2014 zu beginnen. Mit den Verfahrensbeteiligten sind bereits 15 Termine für den Zeitraum vom 07. Juli bis 14. August 2014 abgestimmt. Über eventuelle Folgetermine und das vorläufige Programm wird noch entschieden werden.

http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/r/aktuell/04168/index.php

Es ist zu erwarten, daß auch diese entscheidende Anknüpfungstatsache des Gutachtens, die angeblichen Sachbeschädigungen, ersatzlos wegfallen wird.

Aus den polizeilichen Akten paraphrasiert Dr. Leipziger auf S. 13 den Festnahmebericht vom 13.2.2005 (Ergreifen des sich auf dem Dachboden versteckenden Probanden zwecks Überführung in die Bayreuther Forensik) – aus welchem Grund er dieses Detail übernimmt, ist unklar, weil er es später nicht mehr verwendet. Tatsächlich ist es nach den traumatisierenden Erfahrungen in der Erlanger Forensik (23-stündige Einsperrung pro Tag in einer kahlen videoüberwachten Isolationszelle mit bedrohlichem Fixierbett) nachvollziehbar, derlei Schreckensorte vermeiden zu wollen.

Am längsten hält sich der Gutachter Dr. Leipziger mit dem fragwürdigen Schreiben der Ex-Ehefrau und deren neuen Lebensgefährten vom 3.4.2005 auf, in dem über Begegnungen mit dem Probanden vom 30.3.2005 geraunt und diese als stalkingähnliche Handlungen dargestellt werden. Wie unkritisch der Gutachter solch ein wie bestellt wirkendes „Beweisstück“ behandelt, ergibt sich schon daraus, daß es ihn nicht wundert, daß die Verfasser, die beide seit Anfang 2003 in Berlin leben, eine gemeinsame Nürnberger Adresse angeben und den Nürnberger Polizeibeamten, der das Sachbeschädigungsverfahren bearbeitet, um Rat fragen, wie mit solchen Belästigungen deeskalierend zu verfahren sei.

Dabei liest Dr. Leipziger diesen Brief überaus oberflächlich – oder hat er nur dasselbe Gespür, das der Verteidiger Gerhard Strate bei dessen Lektüre hatte?

Auch das aus der angeblichen Perspektive von Martin Maske verfasste, ersichtlich aber weiblich konnotierte Schreiben von Petra Mollath und Martin Maske vom 3.4.2005 (unter der angeblich gemeinsamen Adresse Wöhrder Hauptstr. 13) […]

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf#page=12

Jedenfalls ordnet er die Begegnung Martin Maskes – der frühere Handballer, der von Gustl Mollath bei der ersten Begegnung mit einem Möbelpacker verwechselt worden war – mit Gustl Mollath der Ex-Ehefrau zu, was ja auch irgendwie glaubhafter ist:

Die Zeugin Müller berichtete, dass der Angeklagte, ihr früherer Ehemann, sie am Nachmittag des 30.03.05 durch einen Zufall in ihrem Fahrzeug gesehen hätte. Daraufhin hätte er seine ursprüngliche Wegrichtung geändert und sei ihr gefolgt.

Auf der Straße Richtung Hefnersplatz hätte ihr der Angeklagte den Weg verstellt und sie verbal bedroht. In Begleitung des Angeklagten sei ein junger Mann gewesen, der drei Meter versetzt neben ihm gestanden sei.

Die Zeugin hätte den jungen Mann gefragt, ob er etwas von ihr wolle, was der junge Mann verneint hätte. So sei es der Zeugin möglich gewesen, ihren Weg an ihm vorbei gehend fortzusetzen.

Während dieser kurzen Zeit hätte der Angeklagte ihr gedroht, dass auch noch „alle Anderen“ zurückweichen müssen und dass er es allen zeigen werde.

Während sie ihren Weg fortgesetzt hätte, hätte ihr der Angeklagte noch verschiedene wirre Sätze nachgeschrien, die sie aber nicht wörtlich verstanden hätte.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=13

Tatsächlich schildert Maske diese Begegnung aus der Ich-Perspektive:

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf

[S. 16]

Eigentlicher Adressat der eigentlichen Botschaft dieses gemeinsamen Briefes der Ex-Ehefrau und ihres neuen Lebensgefährten ist natürlich Dr. Klaus Leipziger:

Offensichtlich spioniert und verfolgt er uns weiterhin und sucht unsere Nähe. Frau Müller hat sich bereits vor drei Jahren von Ihm getrennt. Die Persönlichkeitsveränderung des Hr. M. schreitet fort. Er war und ist auch gewalttätig. Ein Verfahren wegen Körperverletzung läuft noch.

Die zweimalige kurzfristige Einweisung in eine Nervenklinik genügt offensichtlich nicht, zumal nach der Entlassung immer wieder die gleichen Verhaltensmuster bei Ihm auftreten. Frau Müller und ich befürchten nach seinen „Aktionen“ in der Zukunft Schlimmeres.

http://download.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-06-20.pdf

[S. 17]

Diese Passage, die allzu offensichtlich eine akute Gefährlichkeit des Ex-Ehemanns aktenkundig machen sollte, zitiert Dr. Leipziger in seinem Gutachten nicht und legt sie auch im weiteren seiner Diagnose und Prognose nicht zugrunde. Ob sie ›intern‹ ihre manipulative Wirkung entfaltet hat, läßt sich nicht beurteilen. Dagegen spricht jedenfalls, daß Dr. Klaus Leipziger bereits Ende März 2005 den auftragerteilenden Richter Eberl telefonisch darüber informierte, daß er für eine – den Erwartungen der Justiz entsprechende – Gutachtenerstellung aktuelle Fälle benötige.

Weiteres auswertbares Aktenmaterial liefert die hauseigene Dokumentation über Interaktionen und Verhalten des in der Zeit vom 14.2. – 21.3.2005 in der Forensik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth internierten Probanden. Auch hier stützt sich der Gutachter auf von Dritten generiertes Material, das er unüberprüft übernimmt.

Er selbst hat den Probanden in den gesamten fünf Wochen (Maximaldauer der Unterbringung gemäß amtsgerichtlichem Beschluß) lediglich zwei Mal gesehen, nämlich vier Tage nach Einlieferung, am 18.2.2005, sowie drei Tage vor der unabdingbaren Entlassung, am 18.3.2005. Bereits vor dem ersten Treffen hatte Gustl Mollath gegenüber anderen Ärzten mehrfach seine Weigerung ausgesprochen, sich auf eine psychiatrische Exploration, eine körperliche Untersuchung oder auch nur eine Blutentnahme einzulassen, wie Dr. Leipziger zutreffend zusammenfaßt:

Nachdem der Angeklagte im Rahmen der für ihn hier gemäß § 81 StPO angeordneten Beobachtungs- und Untersuchungszeit ab dem 14.02.2005 bereits zu Beginn seiner stationären Unterbringung mit Ausnahme von Gesprächen, die er wegen aktueller Bedürfnisse intendierte oder zuließ, jegliche Untersuchungen und gezieltere Explorationsgespräche verweigerte, kam der Verhaltensbeobachtung des Angeklagten im Hinblick auf die in Auftrag gegebene Begutachtung besondere Bedeutung zu.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=22

So konnte es Dr. Leipziger nicht verwundern, daß der Proband auch ihm gegenüber eine Exploration verweigerte. Erstaunlich ist es vielmehr, daß die Gutachtenpassage, in der es um seine beiden Gespräche mit Gustl Mollath geht, mit der Überschrift: „Untersuchung und Exploration des Angeklagten durch den Sachverständigen.“ (S. 21) versehen ist.

Nach Erläuterung des Gutachtenauftrags und Belehrung, daß es dem Probanden freistehe, gegenüber dem Sachverständigen Angaben zu machen, stellt Dr. Leipziger die Aussagen Gustl Mollaths wie folgt dar:

Bei diesem Gespräch beschwerte sich der Angeklagte über den Umstand, dass seine psychiatrische Untersuchung richterlich angeordnet worden war.

Des Weiteren klagte er darüber, dass ihm durch die ihn festnehmenden Polizeibeamten nicht ermöglicht worden sei, sich seine notwendigen Körperpflegemittel, Nahrungsmittel etc. einzupacken.

Mit den hier verfügbaren Körperpflegemitteln und Nahrungsmitteln sei er nicht einverstanden.

Er bitte um Hilfe, Kernseife und Nahrungsmittel aus biologisch-dynamischen Anbau sich beschaffen zu können.

Auf Frage erklärte der Angeklagte, dass er hier auf Station ansonsten mit den Mitarbeitern und den Mitpatienten zurechtkomme.

Auch körperlich hätte er keine Beschwerden.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Bei diesem Gespräch „imponierte“ der Proband „in psychischer Hinsicht zu allen Qualitäten orientiert, wach und bewusstseinsklar“, war „ruhig und freundlich“ (S. 21), auch hinsichtlich „Gedächtnis, Merkfähigkeit und Konzentrationsvermögen des Angeklagten ergaben sich im klinischen Eindruck keine Auffälligkeiten“, Dr. Leipziger wagt eine „klinische Einschätzung“ der Intelligenz des Probanden als „durchschnittlich“ und attestierte ihm, „keine aggressiven Verhaltensweisen“ zu zeigen. (S. 22)

Lediglich die Exploration lehnt er ab, ja, beschwert sich gegen die richterlich angeordnete psychiatrische Untersuchung. Hier nun hätte Dr. Leipziger die Reißlinie ziehen und das Amtsgericht darüber informieren müssen, daß der Zweck der Unterbringung, nämlich die psychiatrische Untersuchung, nicht erreicht werden könne. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 hätte er ein Konzept entwickeln und vom Gericht absegnen lassen müssen, wie denn auf andere Weise Informationen erlangt werden könnten, die dem Unterbringungszweck dienlich seien. Eins jedoch ist ausgeschlossen: eine Totalbeobachtung, die das BVerfG so definiert:

Die vom Gutachter genannten Bedingungen, die die angeordnete Beobachtung sinnvoll und ergiebig machen könnten, lassen sich in zulässiger Weise nicht herstellen. Das Untersuchungskonzept zielt darauf ab, den Beschwerdeführer in seinem Alltagsverhalten, seiner Interaktion mit anderen Personen und seinem Verhalten gegenüber Personen, deren Urteil er nicht befürchten muss oder das er für belanglos hält, zu beobachten. Er soll in seiner eigenverantwortlichen Gestaltung des Tagesablaufs, seiner persönlichen Pflege oder Vernachlässigung von Interessen und in seiner Integrationsfähigkeit in die jeweilige Umwelt bzw. Gemeinschaft beobachtet werden. Die damit angestrebte Totalbeobachtung, die Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Beschuldigten erbringen soll, die er von sich aus nicht preisgeben will, von denen aber erhofft wird, dass er sie unter der Einflussnahme Dritter offenbart, ist unzulässig. Denn eine solche Maßnahme liefe auf die Umgehung des verfassungsrechtlich garantierten Schweigerechts des Beschuldigten und einen Verstoß gegen § 136 a StPO hinaus. Verfassungsrechtlich steht einer solchen Totalbeobachtung der unantastbare Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten entgegen, der dadurch zum bloßen Objekt staatlicher Wahrheitsfindung gemacht würde, dass sein Verhalten nicht mehr als Ausdruck seiner Individualität, sondern nur noch als wissenschaftliche Erkenntnisquelle verwertet würde.

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20011009_2bvr152301.html

Darüberhinaus heißt es in dem Beschluß:

Das konkrete Untersuchungskonzept muss zudem zur Erlangung von Erkenntnissen über eine Persönlichkeitsstörung geeignet sein, und die Geeignetheit muss wiederum in Gutachten und Beschluss dargelegt werden (vgl. OLG Frankfurt a. M., StV 1986, S. 51).

Das dem Leipziger-Gutachten zugrundeliegende „Konzept“ sah ausweislich seines Gutachtens- und Unterbringungsstils ungefähr so aus: behandle den Mann, als sei er ein rechtskräftig zu Unterbringung verurteilter allgemeingefährlicher psychisch Kranker, stecke ihn in die besonders gesicherte Eingangsstation FP 6, in der die unterschiedlichsten „Fälle“ – eine zum Teil explosive Mischung – darauf warten, daß in den für sie zuständigen Stationen Plätze frei werden, erlege starre Stationsordnungen auf, ordne das Tragen von Handschellen beim Gang zum maximal einstündigen Hofgang an und beauftrage das nachgeordnete Personal, möglichst eifrig zu notieren, welches verdächtige Verhalten ein Proband unter diesen Extrembedingungen an den Tag legt.

Dr. Leipziger hegt offenbar folgende, wissenschaftlich unhaltbare und rechtsstaatlich unannehmbare Hypothesen:

1)      Freiheitsentziehende Forensik ist Alltag.

2)      Die dort gezeigten Verhaltensweisen entsprechen denen, die auch sonst gezeigt werden.

3)      Das gilt auch für Menschen, die sich für unschuldig und gesund halten – beides ist noch nicht widerlegt.

4)      Wer sich der totalitären Institution anpaßt und sich klaglos unterwirft, ist normal.

5)      Wer das nicht tut, ist paranoid, von krankhaftem Mißtrauen geprägt und affektgestört, wenn er sich ab und zu aufregt. Psychopathologisch bedenklicher sind nur noch gehobene Stimmungen.

6)      Grüne Pazifisten, die Flugblätter verfassen und demonstrieren, die passiven Widerstand gegen die Verhältnisse leisten, sind eh crazy.

7)      Die üblen Verhältnisse werden den Willen des Probanden brechen und ihn zur Kooperation zwingen.

Schon bei der Darstellung dieses „informatorischen Gespräches“ (S. 21) vom 18.2.2005 werden diese Aspekte deutlich:

Inhaltlich war sein Denken, das von einer misstrauischen Grundhaltung geprägt war, durch eine starke Körperbezogenheit und Rigidität auffällig, indem der Angeklagte massiv darauf beharrte, ,,natürliche“ Körperpflegemittel ausschließlich benutzen zu können und sich nur anhand von Lebensmitteln aus biologisch-dynamischen Anbau ernähren zu können, die hier nicht ohne Weiteres verfügbar bzw. für ihn beschaffbar waren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Statt sich der Ineffizienz der Sozialarbeiter in seiner Institution zu widmen, die es auch vier Tage nach Einlieferung nicht geschafft haben, einen Transport von Bekleidung, Körperpflegemitteln und ggf. Verpflegung aus dem Haus des Probanden zu organisieren oder eine gesonderte Verpflegung auf dessen Kosten zu vermitteln, wird der Proband bereits pathologisiert. Welche Machtinstinkte treiben den Gutachter an, daß er den Status des Probanden, für den die Unschuldsvermutung und schwache Akten streiten, den er daraufhin begutachten soll, ob eine bislang nur insinuierte psychische Erkrankung vorliegt, derartig verkennt?

Es liegt wohl daran, daß Dr. Leipziger nach Aktenlektüre am 18.2.2005 ohnehin schon weiß, in welche Schublade er den Probanden stecken will. Das ergibt sich aus dessen Überlegungen zu dem informatorischen Gespräch:

Im eher allgemein gehaltenen informatorischen Gespräch wurden für den Angeklagten sensible Themenbereiche – wie sie aus den Akten zu ersehen sind – nicht berührt. Diesbezüglich kamen somit in diesem Gespräch paranoide und Größenvorstellungen des Angeklagten, die bei Erörterung auch der für ihn sensiblen Themenbereiche zur Darstellung hätten kommen können, nicht zur Sprache.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=21

Deutlicher kann eine Voreingenommenheit nicht zum Ausdruck gebracht werden. Wäre er, Dr. Leipziger, im Rahmen dieser ersten Begegnung, auf die Sache, um die es bei den Vorwürfen geht, eingegangen, dann wäre dieses erste Gespräch nicht so relativ unauffällig verlaufen. Dann wären paranoide und Größenvorstellungen demonstriert worden.

Genauso voreingenommen reagiert der aufnehmende Arzt am 14.2.2005 – wie der Herr, so’s Gescherr, und das setzt sich bis zum unterrangigsten Personal fort und durch. Selbst die „Patienten“ kapieren rasch, mit welchen Mitteilungen über „Mitpatienten“ sie dem Personal eine Freude machen und ihrer eigenen Lockerungskarriere Flügel verleihen können.

Dr. Leipziger referiert die Dokumentation des aufnehmenden Arztes folgendermaßen:

Bei seiner Aufnahme am 14.02.2005 hätte der Angeklagte dem aufnehmenden Arzt berichtet, dass er am 13.02.2005 mittags zu Hause von der Polizei abgeholt worden sei und in eine Zelle gesperrt worden sei. Es sei kalt gewesen und es hätte nur ein gemauertes Bett mit einem Leimbrett gegeben, keine Decke. Der Ventilator sei die ganze Zeit gelaufen. Er hätte kein Essen erhalten, es hätte auch kein Wasser gegeben. Der Kontakt zu Angehörigen sei ihm verweigert worden. Hierauf hätte der Angeklagte eine langatmige Auslegung des Grundgesetzes gegeben, gegen das die Polizei verstoßen hätte.

Um auf sich aufmerksam zu machen, hätte er Wasser mit einem Becher aus der Toilette geschöpft, woraufhin die Polizei die Zelle gestürmt hätte, ihn zu Boden geworfen hätte und versucht hätte, ihm den Arm auszukugeln und ihm eine Schürfwunde am linken Knie und einen offenen Bluterguss am linken Schienbein zugefügt hätte.

(Eine dem Angeklagten angebotene Tetanus-Simultan-Impfung sei von ihm verweigert worden).

Bei Ankunft vor der Klinik sei der Angeklagte gefesselt gewesen. An beiden Handgelenken seien Schwellungen und Hautrötungen festzustellen gewesen. Neurologische Ausfälle seien durch den Angeklagten dort verneint worden. Eine Untersuchung hätte der Angeklagte nicht zugelassen.

Bezüglich seines Falles sei alles in den Gerichtsakten nachzulesen. Er (der Angeklagte) habe jetzt nicht die Kraft, das komplexe Geschehen zu erklären.[…] Weiter hätte der Angeklagte berichtet, dass er geschieden sei, keine Kinder hätte.

Er lebe seit Jahren von Bio-Lebensmitteln. Er verweigere die Nahrungsaufnahme, wenn er diese Lebensmittel nicht bekomme, da er multiple Allergien gegen konventionelle Lebensmittel habe.

Er nehme keine Medikamente, habe keine körperlichen Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte hinter sich.

Ein weiteres Gespräch verweigere er, ebenso internistische und neurologische Untersuchung.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Dieser Darstellung läßt sich nicht entnehmen, ob die durch die Polizei zugefügten Verletzungen tatsächlich vorhanden waren oder nicht. Dr. Leipziger zitiert nun mal gern selektiv. Seine Zitate aus den Niederschriften des Pflegepersonals beginnen bewußt erst mit dem 17.2.2005, als ob nicht von Anfang an auch von den Pflegekräften auf seine Anforderung hin eifrig dokumentiert worden wäre.

Denn eins ist klar: wird eine Person unter polizeilichem Zwang eingeliefert, so erfordert es bereits der Selbstschutz der Institution, genauestens zu dokumentieren, welche Verletzungen diese Person bereits vor Aufnahme aufwies, um nicht selbst dafür einstehen zu müssen. Genauso selbstverständlich ist es, daß diese Dokumentationen an den Betroffenen nicht herausgegeben werden, wenn er sie zur Unterfütterung seiner Strafanzeige gegen die Polizei benötigt. Forensik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte stehen schließlich auf derselben Seite.

In den handschriftlichen Aufzeichnungen einer Pflegekraft vom 14.2.2005 heißt es:

Von beiden Beamten und mir wurde Pat. M. auf St. FP6 gebracht. Auf Station wurden die Handfesseln entfernt, hier zeigten sich Druckstellen auf beiden Handglenken. Bemerkenswert ist, dass er zum Transport mit gestreckten Armen auf den Rücken transportiert wurde.

Bei der Aufnahme zeigte er sich wenig kooperativ, kündigt auch passiven Widerstand an. Gibt nur zäh und unter permanenten Nachfragen Antwort. […] Deliktauskunft keine. ärztl. Untersuchung durch Dr. P. verweigert. Körperlich und Kleidung zerrissen, Duschbad welches angeboten wurde verw. Handfesseln noch stark gerötet, kleine 2 Cent große Schürfwunde mit Hämatombildung an li. Schienbein. Pat. will nur noch schlafen und sich aufwärmen und brach dann das Gespräch ab. Meinte dan noch er wolle alles ertragen aber nicht kooperieren. Verletzungen d. Handgelenke sowie d. Schienbeins werden noch zur Beweissicherung fotographisch festgehalten. Pat. ist damit einverstanden.

[Die Dokumentation liegt der Verteidigung vor, der ich dieses Zitat verdanke]

Da wird also ein Proband eingeliefert, ramponiert, in zerrissener Kleidung, ohne Koffer mit Kleidung und Kulturtasche, auf unüblich brutale Art und Weise gefesselt, am Mittag des Vortages festgenommen und grundlos über Nacht in einer kargen kalten Zelle eingesperrt, ohne Wasser und Brot, wird mißhandelt, als er auf seine Bedürfnisse aufmerksam macht, weist Rötungen und Schwellungen an den Handgelenken auf und eine Schürfwunde mit Hämatom am Schienbein, hat die Nacht über nicht geschlafen, ist fertig und dennoch entschieden, gegen die Institution „Psychiatrie“ passiven Widerstand zu leisten. Und nun hören wir uns an, wie Dr. Leipziger diesen Arzt, ich wiederhole: Arzt!, in seiner Einschätzung dieser ersten Begegnung zitiert:

Psychischer Befund: Wach, orientiert, ungepflegt;

auffällig ist das negativistische Weltbild, in dem der Angeklagte der Benachteiligte ist. Es mutet an, dass es sich um paranoides Umdenken handelt, insbesondere die „Schwarzgeldkreis“- Verschwörung gegen ihn.

Es dominieren Größenphantasien.

Auf Stimmen hören befragt hätte der Angeklagte geantwortet:

Er höre eine innere Stimme, die ihm sage, er sei ein ordentlicher Kerl, er spüre sein Gewissen. Im Grundgesetz sei die Gewissensfreiheit verankert. Es gebe nur Gerechtigkeit oder Tod. Dies hier sei ein Unrechtsstaat.

Die Ich-Grenzen wirken verschwommen, die Ausführungen sind ausufernd, scheinlogisch in Abwechslung mit vernünftigen Gedanken.

Der Affekt ist heiter. Gedächtnis und Merkfähigkeit im Untersuchungsgang regelrecht. Die Stimmung wirkt grenzwertig gehoben. Suizidalität ist nicht zu eruieren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=14

Daß hier kein Arzt spricht, der sich in die Situation  des zwangsweise in die Forensik verbrachten Probanden hineinversetzen kann, ist klar. Wer würde nicht „ungepflegt“ wirken nach 30-stündiger Polizeiverwahrung und -behandlung? Ärzte, die unter der Ägide von Dr. Leipziger ihr Leben zu fristen gezwungen sind, deuten das zähe „Aus der Nase ziehen müssen“ als ausufernde Ausführungen, orten Größenphantasien, die nicht belegt werden – oder sollte es sich bei denen um den von der Pflegekraft notierten angekündigten „passiven Widerstand“ handeln, der in der totalitären Institution des Dr. Leipziger tatsächlich größenwahnsinnig anmutet? Denn wahr ist ja: ein diesem System unterworfener Arzt kann eigentlich nur gehen. Verändern kann er nichts. Sich auch nur vorzustellen, man könne rebellieren, grenzte schon an Größenwahn angesichts dieser Hierarchie und dem Bedürfnis, einen Facharzttitel erwerben zu müssen.

Wie kommt der kleine Stationsarzt jetzt nun darauf?

auffällig ist das negativistische Weltbild, in dem der Angeklagte der Benachteiligte ist. Es mutet an, dass es sich um paranoides Umdenken handelt, insbesondere die „Schwarzgeldkreis“- Verschwörung gegen ihn.

Diese Bewertung bezieht sich auf ein Referat von Dr. Leipziger seiner Notate, das ich bislang, mit Gründen, weggelassen habe:

Er sei hier, weil sein Nachbar Kontakte zu Schwarzgeldkreisen habe, zu welchen auch Dr. Wörthmüller gehöre. Dr. Wörthmüller hätte das Schweigen des Angeklagten „erpressen“ wollen. indem er ihm ein Goodwill-Gutachten angeboten hätte. Daraufhin hätte der Angeklagte dafür gesorgt, dass dieser (Dr. Wörthmüller) seine Befangenheit zugeben hätte müssen. Deshalb sei er hier.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=15

Mir ist unklar, wie ein Sachverständiger, der die Akten gelesen hat, dieses Mißverständnis des uninformierten Stationsarztes unkommentiert stehen lassen kann. Er weiß doch genau, daß es um den Nachbarn des Dr. Wörthmüller geht, einem Kunden von Petra Mollath, der mit dem ebenfalls geschaßten Kollegen der Petra Mollath, Wolfgang D. (pardon, er kam seiner beabsichtigten Kündigung durch Eigenkündigung zuvor) und deren Geschäftspartner bei riskanten unerlaubten Eurex-Geschäften, Udo S., im Jahr 2003 eine Finanzdienstleistungs-AG gegründet hatte?

Dr. Leipziger weiß, daß die schnellfingrige Diagnose seines Stationsarztes keine Grundlage hat. Weshalb er die Notizen der Pflegekraft wie auch die Befangenheitserklärung von Dr. Wörthmüller unterschlug. Nur er selbst kann wissen, aus welchen Gründen er gegen den Intellekt handelte.

Aus demselben Grund hat er wohl auch die Fehlleistung jenes Stationsarztes unterschlagen, den die Pflegekraft am 14.2.2005 beflissen aufschrieb:

Insgesamt wirkt der Pat. sehr psychotisch und kann daher lt. Dr. P. zügig isoliert und fixiert werden.

Typisch, daß der Proband sogleich als Patient angesehen wurde. Man muß tatsächlich daran erinnern: Gustl Mollath wurde stationär untergebracht, um durch Exploration eine ihm von der Ehefrau angedichtete psychische Krankheit zu evaluieren.

Was den Stationsarzt dazu bewog, auch eine gehobene Stimmung des Probanden zu erwähnen, war wohl der Witz, den Gustl Mollath sich leistete:

Auf Stimmen hören befragt hätte der Angeklagte geantwortet:

Er höre eine innere Stimme, die ihm sage, er sei ein ordentlicher Kerl, er spüre sein Gewissen.

Im Grundgesetz sei die Gewissensfreiheit verankert. Es gebe nur Gerechtigkeit oder Tod. Dies hier sei ein Unrechtsstaat.

Gustl Mollath hat nun mal einen schwarzen Humor. Nur Schizophrene hören Stimmen, das weiß jeder. Eine derart naive Frage eines veritablen Arztes erregt bei einem intelligenten Menschen natürlich Heiterkeit. Also wird witzig gekontert, daß es bei ihm, Gustl Mollath, nur die innere Stimme des Gewissens gebe. Witz hat in den heiligen Hallen in Bayreuth allerdings nichts verloren, und so wird ihm der lockere Gestus zum Verhängnis. Denn Dr. Leipziger ist nicht neutral. Er sucht nach Begründungen für sein bereits feststehendes Urteil.

(wird fortgesetzt)

3.481 Gedanken zu „Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

    • Dieser Kommentar entspricht exakt meiner Auffassung.

      Es ist nun leider so, daß Rechtsstaatler keine Chance haben. Gurlitt ist ein der Sippenhaft unterliegender Nazi-Kunstraubprofiteur und daher schadet es nicht, daß man bei ihm rechtsgrundlos durchsucht und sichergestellt hat. Daß bis heute noch kein aktuell verfolgbarer Straftatbestand gefunden worden ist, der zur Anklagereife gediehen wäre, fällt nicht auf. Im Gegenteil, die StA Augsburg erklärt, ein Ende der seit 2011 andauernden Ermittlungen sei nicht abzusehen. Dann kommt der mediale Pranger, und das zurückgezogene Leben des alten Mannes, der sich nicht wehren kann, ist zerstört.

      Edathy hat, so meint es die Staatsanwaltschaft Hannover, merkwürdige Neigungen, die sich aus legalen Erwerben von Bildmaterial irgendwie zusammenreimen lassen, und daher liegt es nahe, daß er auch Straftaten begeht, weshalb ein Gericht auch gleich einen Beweisermittlungs-Durchsuchungsantrag unterschreibt.
      Der gewiß von der Staatsanwaltschaft vorformuliert war – bei der StA Hannover hat man immer Kapazitäten frei, wenn es gegen mißliebige Politiker geht. Daß nicht nur das Wulff., sondern auch das Glaeseker-Schmidt-Verfahren den Bach runtergehen wird, zeichnet sich immer sicherer ab. Für die Produktion von Fehlurteilen bei Sexualdelikten ist sie ebenfalls unrühmlich bekannt geworden (siehe das Rückert-Buch). Während Ermittlungsrichter beim Amtsgericht keine Zeit haben, ihr Wächteramt wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, effektiv wahrzunehmen.

      Vielleicht ist ein Leser dieses Blogs Inhaber eines Facebooks-Accounts und kann die Mitteilung Edathys verifizieren, daß in dem Durchsuchungsbeschluß sogar davon ausgegangen wurde, daß die von ihm ja keineswegs konspirativ erworbenen Bilder und Filme „strafrechtlich irrelevant“ seien, er gleichwohl unter Verdacht stehe, sich Kipo verschafft zu haben?
      Es wird einem angst und bange um den Rechtsstaat.

      Bei Mollath lief es genauso. Da zeigt die getrennt lebende Ehefrau, die die Scheidung anstrebt, im Januar 2003 den Mann telefonisch an, weil er angeblich eine scharfe Langwaffe besitze und irgendwie habe er auch schon mal etwas von einer Pistole erzählt, über die er verfüge. Da der Mann gewalttätig sei, befürchte sie, daß er die Waffe gegen sie und ihre Familie einsetzen könne. Daraufhin wird sie zur Vernehmung geladen, und dann erzählt sie am 15.1.2003 etwas von einer Gewalttätigkeit im August 2001 und Querelen kurz nach der Trennung von Ende Mai 2002, die Langwaffe bleibt konkret, die Pistole akut.
      Nun kennt jeder Staatsanwalt und jeder Richter das wenig ernstzunehmende Gerede zerstrittener Ehepartner und führt daher zunächst einmal eine richterliche Vernehmung herbei. Denn zeugnisverweigerungsberechtigte Ehepartner können jederzeit ihre aus spontaner Wut getätigten Aussagen zurücknehmen. Nur eine vor dem Richter nach entsprechender Belehrung getätigte Aussage kann in ein Verfahren eingeführt werden, wenn später vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht wird.

      Die Staatsanwaltschaft verfährt nun zweigleisig: hinsichtlich der Körperverletzungsvorwürfe ordnet sie eine richterliche Vernehmung an, hinsichtlich des Waffendelikts formuliert sie einen Durchsuchungsbeschluß vor, wobei sie sich als Verdachtsgrund auf die „durchgeführten Ermittlungen“ einerseits und die Aussage der Ehefrau andererseits bezieht.
      Was macht die Richterin, der beide Anträge der Staatsanwaltschaft vorliegen? Nun, sie streicht einfach in dem vorformulierten Durchsuchungsantrag als Verdachtsgrund die Aussage der Ehefrau durch – weil sie genau weiß, daß die ohne richterliche Vernehmung keinen Wert hat. Andere Ermittlungen gab es aber nicht…

      Das Bundesverfassungsgericht müßte aus pädagogischen Gründen jetzt eine Serie von Aufhebungen rechtswidriger Durchsuchungen in Gang setzen.

      Daß Politiker vom Rechtsstaat nicht viel halten, ist mir nicht neu. Politik ist ja so ziemlich dessen Gegenteil. Nun wird der damalige Innenminister Friedrich gar nicht so viel an Dienstgeheimnissen an Gabriel ausgeplaudert haben können, denn im Oktober 2013 gab es ja noch nicht viel. Im Gegenteil, das kanadische Unternehmen mit seiner öffentlichen Website war ja sogar nach kanadischem Recht sauber, was es in einigen Verfahren auch erstritt. Seine offiziellen Kunden waren es natürlich auch.
      Der Rest ist für mich eher uninteressant. Politik eben.

      Friedrich informierte Gabriel, weil der für höhere Weihen vorgesehene Edathy eventuell inkriminiert werden könnte – im Interesse der Groko. Die SPD sah vorsichtshalber von höheren Weihen ihres verdienstvollen BT-Abgeordneten ab. Und weil ein KiPo-Vorwurf den bürgerlichen Tod bedeutet, findet sich heute auch niemand der Parteigenossen bereit, sich gegen die Aktivitäten der StA Hannover zu positionieren.

      Ob Sebastian Edathy konkret gewarnt worden ist?

      Das glaube ich eher nicht. Es war ja alles absehbar. Im November 2013 wurden die Ermittlungen gegen den kanadischen Vertreiber bekannt. Mit einem Bruchteil seiner zahlreichen „offiziellen“ Kunden hatte er auch kinderpornographische Filme ausgetauscht, mit 341 von zehntausenden, die legale Bilder und Filme bezogen hatten. Daß die leicht identifizierbaren legalen Kunden weitergemeldet werden würden, war klar. Im selben Zeitraum erlebte er, daß er, der verdienstvolle Ausschußvorsitzende im NSU-Ausschuß, in keiner Weise von seiner Partei für irgendwelche Ämter vorgesehen wurde, ohne daß man ihm hierfür Erklärungen gab.

      Im Dezember lieferte er der taz einen kryptischen Text, den man heute so interpretieren kann, daß er wußte, daß man ihn fertig machen würde, daß er sich deshalb aber nicht ändern wolle. Ein letzter Trotz nach den jahrelangen Anfeindungen von Rechts, die er irgendwie weggesteckt hatte.

      http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2013/12/28/a0023&cHash=82fd8dfa0fe3e2c2d55aa59f69032895

      Im Januar dann, als ihm klar wurde, daß er ganz allein dastehen und ausgestoßen werden würde, erfolgte der absehbare Zusammenbruch, der mit burnout zu milde beschrieben ist. Es ist schlichtweg eine Katastrophe, mit einem Kinderpornographie-Vorwurf überzogen zu werden, daran kann keine spätere Einstellung des Verfahrens etwas ändern. Wir leben in einer hysterischen Zeit, in der online-Petitionen gegen Thomas Mann zur posthumen Aberkennung des Literaturnobelpreises denkbar sind, weil er „Tod in Venedig“ geschrieben hat, und in der eine Ausstellung mit Balthus-Fotographien abgesagt wird, aus Angst vor Repressalien.

      Ich hoffe, daß Edathy diese Aktion überlebt – und rate der StA Hannover dringend, den Schnabel zu halten und nicht sofort zu insinuieren, daß auf gelöschten Festplatten ganz bestimmt etwas gewesen sei, das ihren rechtswidrigen Durchsuchungsbeschluß im Nachinein bestätigt hätte.
      Vielleicht sollte sie mal die Ergebnisse des LKA abwarten, das gelöschte Dateien rekonstruieren kann.

      • @gabriele wolff: Danke für den wiederum klasse Kommentar!

        Was mich als Praktiker ebenso irgendwie zweifeln lässt: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass sich jemand der Mühe unterzieht, Festplatten zu zerstören, um diese dann in der Wohnung zu belassen, in der er damit doch nichts mehr damit anfangen kann und bezüglich dieser er ja demnach offenbar davon ausgeht, dass diese durchsucht werden wird? Oder ist das nicht vielmehr schon die Legende, die benötigt wird, um später mal über „toll belastende Funde“ berichten zu können?

        • Als jemand der sich manchmal erlaubt sich an Abgeordnete zu wenden habe ich immer auf Artikel 47 GG Vertraut:
          GG Artikel 47.
          Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

          Ich kenne die Motivation von Herrn Edathy nicht, mit der er Festplatten zerstört hat. Aber auch der Schutz von Bürgereingaben, die sich im Vertrauen auf seine Verschwiegenheit an ihn gewendet hatte, wäre ein Motiv.

        • Da gabs doch schon mal was (Vergleichbares) vor fast zwanzig Jahren – in Bayern :

          Politikersohn wurde von bevorstehender Hausdurchsuchung vorgewarnt,
          sichergestellte Festplatte spurlos verschwunden und schließlich Freispruch
          wegen nicht ausreichender Beweise….

          „Vor einer Hausdurchsuchung im Januar 1996 war Strauß gewarnt worden. Eine dabei sichergestellte Festplatte aus seinem Laptop war laut eigener Darstellung unmittelbar vorher von einem Computervirus befallen und gelöscht worden. Als die Staatsanwaltschaft sie später weiter untersuchen lassen wollte, war sie in den Händen eines privaten Sachverständigen[5] nicht mehr auffindbar, ebenso die gleichfalls beschlagnahmten Datensicherungsbänder. Dieses für die Staatsanwaltschaft unaufklärbare Verschwinden von wichtigen Beweismitteln führte zu wenig freundlichen Kommentaren in der deutschen Presse.“

          http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Strau%C3%9F

          Nur : Im Gegensatz zum Fall Edathy, in den der ehemalige Bundesinnenminister Friedrich ( aus Bayern) eindeutig involviert ist, kann man in der Causa Max Strauß nur vermuten, dass maßgebliche CSU-PolitikerInnen oder ihnen nahestehende Personen damals Hilfestellung leisteten….

      • @gabrielewolff

        „Vielleicht ist ein Leser dieses Blogs Inhaber eines Facebooks-Accounts und kann die Mitteilung Edathys verifizieren, daß in dem Durchsuchungsbeschluß sogar davon ausgegangen wurde, daß die von ihm ja keineswegs konspirativ erworbenen Bilder und Filme “strafrechtlich irrelevant” seien, er gleichwohl unter Verdacht stehe, sich Kipo verschafft zu haben?“

        Auf Edathys FB-Seite finde ich eine solche Mitteilung nicht. Auch einen Auszug aus dem Durchsuchungsbeschluss sehe ich dort nicht.

        • Danke, daß Sie das überprüft haben.
          Jetzt bleibt die Frage offen, ob die Mitteilung dort einmal stand oder ob der Kommentator sie frei erfunden hat…

        • Da hat das BKA aber ein ziemlich nichtssagendes Dementi herausgegeben; denn für die Schöpfung eines hinreichenden Anfangsverdachts ist es nicht zuständig.

          Heribert Prantl hat heute einen Kommentar geliefert, dem ich nur zustimmen kann:

          14. Februar 2014 07:00

          Der Fall Edathy Ein Abgrund von Fragen

          […]
          Ein Kommentar von Heribert Prantl

          Letztendlich kann es sein, dass nichts, gar nichts strafbar ist. Es kann sein, dass die Filme, die sich der SPD-Politiker Sebastian Edathy beschafft hat, strafrechtlich harmlos sind. Es kann sein, dass er sich also strafrechtlich nichts hat zuschulden kommen lassen. Wenn das so ist, wenn also gar nichts bestraft werden kann, dann kann sich auch niemand der Strafvereitelung schuldig gemacht haben: Nicht einmal der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich, der dem SPD-Vorsitzenden Gabriel bei den Koalitionsverhandlungen von den Ermittlungen gegen Edathy erzählt hat – was dann eine sozialdemokratische Erzählkette auslöste, die womöglich bis zum Beschuldigten Edathy reichte.
          Das alles wäre dann strafrechtlich nicht relevant; und trotzdem wären die Vorgänge höchst sonderbar. Man steht, so oder so, bestürzt vor einem Abgrund von Fragen. Sie beginnen wie folgt: Ist jemand auch dann verdächtig, wenn er sich nicht strafrechtlich, sondern nur moralisch verdächtig gemacht hat?
          Wenn die Ermittler (wie man hört) wussten, dass die Filme legal sind, die sich Edathy beschaffte – durften sie dann eine Razzia veranstalten? Reicht dafür die Vermutung, dass eine Person, die moralisch bedenkliche, aber legale Filme betrachtet, auch illegale Filme besitzt? Es gäbe dann künftig einen neuen Zugriffsgrund: den der begründeten Spekulation.
          Der Chef des Bundeskriminalamts hat dem damaligen Bundesinnenminister Friedrich frühzeitig von Ermittlungen gegen Edathy berichtet. Dagegen ist nichts zu sagen, der Innenminister ist sein Vorgesetzter; der darf, der muss so etwas wissen. Der Minister hat aber von den Ermittlungen gegen den SPD-Abgeordneten auch dem SPD-Chef berichtet. Dagegen ist sehr wohl etwas zu sagen, weil es ein Ermittlungsgeheimnis gibt – das im frühen Stadium der Ermittlungen gewahrt werden muss.

          […]

          Es geht womöglich (nur?) um Moral – und dann um die Frage, mit welcher Moral Justiz, Politik und Öffentlichkeit darüber berichten und richten.

          http://www.sueddeutsche.de/politik/der-fall-edathy-ein-abgrund-von-fragen-1.1888394

        • @ Gabriele Wolff

          Da hat das BKA aber ein ziemlich nichtssagendes Dementi herausgegeben; denn für die Schöpfung eines hinreichenden Anfangsverdachts ist es nicht zuständig.

          Ich denke, es geht hier nicht um die Schöpfung, sondern um die angebliche Weitergabe einer Information über einen solchen.

        • Nein, das BKA verneint einen eigenen „Anfangsverdacht“ (wofür es so wenig zuständig ist wie für die juristische Einordnung des Materials).
          Dies hier ist der BILD-Bericht:

          OKTOBER 2013
          ► Die kanadische Polizei meldet dem BKA: Edathys Daten tauchen bei Ermittlungen gegen einen internationalen Kinderporno-Ring (Operation „Spade“) auf. Edathy soll Nacktfilme von minderjährigen Jungen (Alter 9–12) aus dem Netz geladen haben. Dies begründet den Anfangsverdacht, dass Edathy auch härtere Kinderpornografie konsumiert haben könnte.
          ► BKA-Chef Jörg Ziercke (66) spricht in Berlin mit Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (60), berichtet ihm nach BILD-Informationen über den Anfangsverdacht gegen Edathy wegen kinderpornografischer Schriften.

          ► Wie BILD erfuhr, soll Fritsche danach seinen Innenminister Friedrich über den konkreten Verdacht gegen Edathy ins Bild gesetzt haben. Doch Friedrich bestreitet das. Sein Sprecher gestern: Der Ex-Innenminister habe gerade NICHT erfahren, um welche Art von Verdacht es sich handelte.

          http://www.bild.de/politik/inland/sebastian-edathy/die-chronologie-34671604.bild.html

          Das BKA dementiert:

          BKA weist Bild-Bericht zurück
          Erscheinungsdatum
          13.02.2014
          Einem Bericht von Bild.de vom 13.02.2014 zufolge soll der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Klaus-Dieter Fritsche, durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, über einen begründeten Anfangsverdacht gegen den früheren SPD-Bundestagabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften informiert worden sein.
          Das BKA stellt klar: Diese Darstellung ist falsch. Von einem begründeten Anfangsverdacht gegen Herrn Edathy ist nie die Rede gewesen.

          http://www.bka.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Presse2014/140213__StellungnahmeBildbericht.html?__nnn=true

          Der Staatsanwaltschaft sind die BKA-Akten über den GStA in Frankfurt a. M. und in Celle erst am 5.11.2013 zugegangen, den Entschluß, einen Anfangsverdacht zu bejahen, hat die Staatsanwaltschaft erst am 28.1.2014 gefaßt.
          Natürlich war das eine juristisch-politische Entscheidung. Nach Auffassung des BKA bestand das von Edathy bestellte Material aus Bildern und Videos der Kategorie 2 (straflose bis an der Grenze liegende Bilder) (ab Minute 18:21 der heutigen Pressekonferenz). LOStA Fröhlich vermeidet zwar die Mitteilung einer glasklaren Auskunft, spricht von vorläufigen Würdigungen, und eigentlich sei ja auch das Gericht zuständig, aber letztlich bejahte auch er keine Strafbarkeit des bestellten Materials: Minute 43:28, Bilder und Filme mit natürlichen Posen nackter Knaben, die nach vorläufiger Würdigung der Staatsanwaltschaft die Strafbarkeit knapp unterschreiten.

        • @ Gabriele Wolff

          Ah, ok. Ich muß zugeben, daß ich mir das BILD-Original nicht angesehen hatte.
          Ich war davon ausgegangen, daß dementiert wurde, daß ein existenter Anfangsverdacht der kanadischen Behörden weitergegeben wurde.
          „Nie die Rede“ bezieht sich also auch auf den Passus bei BILD „Dies begründet den Anfangsverdacht…“ und nicht nur das Gespräch.

          Was mich zu der Frage führt: Wie läuft denn sowas?
          War das eine Art Amthilfeersuchen zu eigenen Ermittlungen der Kanadier oder eine Liste mit der Aufforderung, mal selbst zu gucken, ob man bei uns und nach unseren Gesetzen was machen muß?
          Und, zu der Frage, wieso 16 StA informiert wurden: Gab es evtl. in allen Bundesländern „Verdächtige“, und es wird darum die komplette Liste an alle geschickt, um z.B. möglicherweise Kontakte untereinander ermitteln zu können?

        • Laut Staatsanwaltschaft ist die Zerstörung einer Festplatte „Spekulation. Die „Ausbeute“ der Durchsuchungen „eher mager“….

          Es liegt bislang definitiv nichts Strafbares vor.  

        • @Gabriele Wolff: Demnach kommt eine zentrale Rolle in dem Geschehen dem aus Franken stammenden CSU-Juristen Klaus-Dieter Fritsche zu, der nach den bisher bekannt gewordenen Informationen dann ja den damaligen Innenminister falsch informiert hätte.

          Dieser war nach Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus-Dieter_Fritsche ) von 1993 bis 1996 Büroleiter des bayerischen Innenministers Günther Beckstein. Von Oktober 1996 bis November 2005 war er Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Von Dezember 2005 bis Dezember 2009 arbeitete Fritsche als Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt. Dann folgte er dem vom damaligen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in den einstweiligen Ruhestand versetzten August Hanning als beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium nach. Seit Dezember 2013 ist er Staatssekretär für die Belange der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt. Der Posten wurde von Bundeskanzlerin Merkel zu Beginn Ihrer dritten Amtszeit neu geschaffen.

          Bei Wikipedia findet sich folgende Darstellung zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen diesem damit zu den mächtigsten Männern in Deutschland zählenden CSU-Juristen und dem damals Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses Edathy:

          Im NSU-Ausschuss des Bundestags kam es am 18. Oktober 2012 bei seiner Vernehmung zu einem Eklat. Er nahm die kritisierten Sicherheitsbehörden in Schutz und lehnte Zwischenfragen von Abgeordneten ab. Der Ausschussvorsitzende unterbrach deswegen die Sitzung für 20 Minuten. Ausdrücklich kritisierte Fritsche: „Der Respekt vor den Opfern gebietet es […] dass die wichtige Untersuchungsarbeit nicht von einem Skandalisierungswettstreit überlagert […] wird. Ich wehre mich […] dass auf Grundlage des Wissens von heute […] beißende Kritik, Hohn und Spott über einen ganzen Berufszweig von Polizisten und Verfassungsschützern niedergeht. Für skandalös und gefährlich für die Vertrauensbasis zwischen Bürgern und Sicherheitsbehörden halte ich die Unterstellung, es werde staatlicherseits systematisch vertuscht und gegen den Rechtsextremismus nicht mit voller Kraft vorgegangen.“

          Auf den Seiten des Bundesinnenministeriums findet sich dessen Statement in dieser öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss vollständig: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Reden/DE/2012/10/fritsche_nsu.html

          Zuerst wurden beim Verfassungsschutz – in einer undenkbaren und unmöglichen Aktion – Akten zu einer der größten Mordserien in Deutschland vernichtet. Wird nun mit Edathy einer von denen in die Wirkungslosigkeit getrieben, der mit die beste Aktenkenntnis dazu hat(te) und der bei der Aufarbeitung des NSU-Skandals kein ganz unkritisches Bild abgab?

          Der Agrarminister Friedrich dürfte aus CSU-Sicht jedenfalls in dieser Position eine unter Machtgesichtspunkten vernachlässigbare Größe darstellen bzw dargestellt haben: Die CSU kann dort nachbesetzen und Friedrich fehlte sowieso der „Stallgeruch“. Nach meinem Eindruck wirkte dieser immer schon ziemlich naiv und deshalb dankbar für „Einflüsterungen“ Untergebener. Ist er also über seine persönliche Verantwortlichkeit hinaus vielleicht nicht auch zugleich Bauernopfer – und deshalb so unerwartet schnell zurückgetreten?

        • @ Michael Bach

          Ich finde diesen Hinweis ebenfalls interessant, auch wenn er etwas verschwörungstheoretisch erscheint, was ich weiter unten zunächst für mich ablehnte.

          Auch laut N24 steht ja Fritsche zwischen BKA und Friedrich. ER erhielt als erster die Information (hier angeblich sogar aktiv seitens des BKA) – und gab an Friedrich weiter – daß es auf internationaler Ebene einen Anfangsverdacht mit bereits existierenden internationalen Ermittlungen gab (woraus ich eine – angebliche, vom BKA dementierte – Weitergabe eines (international) bestehenden Anfangsverdachts ableitete):
          „Das Bundeskriminalamt gibt dem damaligen Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche einen Hinweis, dass der Name des Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (SPD) bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei. Fritsche und Edathy sind alte Bekannte: Als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag waren die beiden wenige Monate zuvor wegen der Rolle der Geheimdienste aneinandergeraten.“
          http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/4282482/der-krimi-um-den-fall-sebastian-edathy.html

          In der momentanen Berichterstattung ist Fritsche total raus, alles scheint bei Friedrich und Oppermann zu beginnen… seltsam…

        • Daß Fritsche nicht weiter erwähnt wird, liegt daran, daß die Weitergabe von BKA-Informationen durch den Innen-Staatssekretär an den Innenminister ein völlig legitimer Routinevorgang ist.
          Ich weiß nicht, was Fritsche selbst über den Gegenstand seiner Minister-UNterrichtung gesagt hat. Alle anderen (Ziercke, Friedrich, Gabriel, Oppermann) sagen jedenfalls, daß es nicht um einen Tatverdacht des Besitzes von KiPo-Material durch Edathy gegangen sei – was ja richtig ist. Den Verdacht, er könne sich neben den strafrechtlich irrelevanten Bildern aus Kanada so etwas beschafft haben, faßte ja erst die Staatsanwaltschaft Hannover, und das auch erst 2-3 Monate später.

          Gegenstand der Unterrichtung kann wirklich nur das Auftauchen auf einer Liste in einem ausländischen Verfahren sein, verknüpft evt. mit der Befürchtung, da könne noch etwas nachkommen. Ob Fritsche Friedrich darauf aufmerksam gemacht hat, die Mitteilung für sich zu behalten?

        • @ Gabriele Wolff

          Daß Fritsche nicht weiter erwähnt wird, liegt daran, daß die Weitergabe von BKA-Informationen durch den Innen-Staatssekretär an den Innenminister ein völlig legitimer Routinevorgang ist.

          Ah, ok, danke.
          Damit wird natürlich auch der Beitrag von Michael Bach relativ uninteressant.

          Fritsche informiert seinen Chef, den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Der Minister soll aber nicht gewusst haben, um welche Art von Verdacht es sich handelte. Ihm sei wichtig gewesen, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren, sagte Friedrichs Sprecher.

          http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/4282482/der-krimi-um-den-fall-sebastian-edathy.html

          „Keine strafrechtlichen Vorwürfe“ interpretiere ich jedenfalls hier als auf das deutsche Strafrecht bezogen, insofern also in sich stimmig, daß auch das BKA nicht eigenständig einen Anfangsverdacht im Sinne der deutschen Gesetzgebung schöpfte, geschweige denn weitergab.

          faßte ja erst die Staatsanwaltschaft Hannover, und das auch erst 2-3 Monate später.

          Man könnte denken, daß die also recht lange abgewogen haben, bevor sie sich zu Ermittlungen entschlossen.
          Dazu hieß es vorhin im ARD-Brennpunkt u.a. aus der Pressekonferenz (die ich noch immer nicht komplett angesehen habe, sorry), daß Edathy für seine Bestellungen gesonderte e-Mail-Adressen und eine gesonderte Kreditkartennummer benutzt haben soll.
          Das mag einer StA seltsam erscheinen, wenn man doch strafrechtlich nichts zu verbergen habe (analog der vermuteten Festplattenzerstörungen bzw. -löschungen) und zu einem Anfangsverdacht führen.
          Ich kann das nachvollziehen.
          Auf der anderen Seite könnte ich auch nachvollziehen, wenn Edathy das tat, um seine Vorlieben zu vertuschen, da ihm klar war, daß eine solche Vorliebe, auch wenn er sie im nicht strafbaren Rahmen betrieb, zu seinem nicht nur politischen, sondern auch persönlichen „Exitus“ aus Politik und Gesellschaft führen würde.

          Im Zusammenhang mit seiner Rolle als NSU-UA-Vorsitzender sind VT durchaus nicht völlig auszuschließen.

          Trotzdem – und das möchte ich hier bitte richtig verstanden wissen – geht für mich weder das eine noch das andere, im Brustton der Überzeugung verkündet:
          Weder die als Tatsache verkündete Spekulation, daß die StA hier ohne hinreichenden Tatverdacht eine Hausdurchsuchung vorgenommen habe (auch wenn das bekanntermaßen sehr oft vorkommt, wir aber die Details in diesem speziellen Fall nicht kennen, nur Blitzlichter aus der Presse…….), noch die Behauptung, daß es sich um eine rechtmäßige Ermittlung gegen Edathy unter dem Verdacht des Besitzes von KiPo der Kat. 2 handle.

        • Gab es evtl. in allen Bundesländern “Verdächtige”, und es wird darum die komplette Liste an alle geschickt, um z.B. möglicherweise Kontakte untereinander ermitteln zu können?

          Wäre sehr verwunderlich, denn für die Staatsanwaltschaft in Hannover war man ja (auch später als nach der Information an die Länder) an Geheimhaltung interessiert:

          Die Staatsanwaltschaft Hannover fühlt sich wegen dieser Verbreitung der Informationen „eh in der Hinterhand“, sagte Fröhlich. Er habe als Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover das erste Mal am 5. November 2013 von den Vorwürfen gegen Edathy im Zusammenhang mit internationalen Kinderpornografie-Ermittlungen erfahren. An diesem Tag habe ihn die Verfahrensakte im „verschlossenen Umschlag“ erreicht.

          http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-02/sebastian-edathy-ermittlungen-staatsanwaltschaft-hannover?commentstart=265#comments

          Ermitteln selbst konnte man ja erst später (Immunität)…

        • @Fotobiene: Also, ich finde das auch nicht toll, so mit irgendwelchen zeit- und verstandraubenden Verschwörungstheorien 😉 – und ich sage Dir, erst recht die Verschwörungspraxis, die kann doch meist gar nicht gefallen:

          Stell Dir mal vor, die haben da in München in der Wohnung eines altlinken Antifaschisten, der in der alternativ-gewerkschschaftlich-friedensbewegten Szene zum Inventar gehörte, nach seinem noch nicht so lange zurückliegenden Tode doch tatsächlich Bänder gefunden, auf denen er dem bayerischen Verfassungschutz von diversen Zusammenkünften berichtete. Glaubste nicht? Hätte ich auch nicht. Aber der Bayerische Rundfunk meint genau das.

          Nachzuhören ist der empfehlenswerte Radio-Beitrag, der helfen kann, das bayerntypische Umfeld, in dem sich auch der Mollath-Unterstützerkreis zwangsläufig bewegt(e), nicht zu unterschätzen, unter: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiofeature/nsu-vmann-geheimdienst-100.html

        • @ Michael Bach

          Der Einsatz von V-Leuten ist keine VT, das ist schon klar, wieso sollte das einen altlinken Antifaschisten ausklammern?
          Meine Zeit ist begrenzt, wieso sollte ich mir nun also die Stunde reinziehen?
          Wo ist die konkrete Verbindung zu Edathy, oder wie jetzt?

        • @Michael Bach

          Die SZ im Dezember über Fritsche. Der letzte Satz blieb damals bei mir hängen, weil die sinistre Figur aus Bamberg stammt, ein m.W. ganz spezielles Umfeld….

          http://www.sueddeutsche.de/politik/klaus-dieter-fritsche-auf-du-und-du-mit-den-geheimdienst-chefs-1.1845214

          Zitat: „Zeitweise wurde die Sitzung unterbrochen, und ein Grünen-Politiker forderte Fritsche dazu auf, sich nicht in allgemeiner Staatsbürgerkunde zu ergehen. Die SPD erklärte, sie habe kein Vertrauen mehr in Fritsche. Dessen Versagen sei „unverzeihlich“. Jetzt aber ist große Koalition; und Fritsche mächtiger denn je.“

        • @Martin Deeg: Danke! Und bei mir ist hängengeblieben, dass Fritsche aus dem Büro von Beckstein heraus an die große Macht kam („… von 1993 bis 1996 war Fritsche Büroleiter des bayerischen Innenministers Günther Beckstein … von Oktober 1996 bis November 2005 war er Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz …“; http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus-Dieter_Fritsche) – und dass auch die frühere Justizministerin Merk zum engeren Beckstein-Netzwerk zu gehören scheint:

          Nach München kam Frau Merk erst 1976 zum Jurastudium, das sie zügig absolvierte. Nach dem zweiten Staatsexamen ging sie 1984 in das bayerische Innenministerium, wo man ihr den Bereich Kommunalfinanzen als Aufgabe zuwies.
          Der heutige Innenminister Günther Beckstein, damals Staatssekretär, wurde auf die junge Juristin, die inzwischen auch in die CSU eingetreten war, aufmerksam. Beckstein holte sie als Referentin in sein Büro.

          http://www.welt.de/print-welt/article249289/Aus-Nordhorn-in-die-CSU-Spitze-Beate-Merk-laesst-Bayern-aufmerken.html

          War es nicht Beckstein, der geäußert hatte, er hätte eine Wiederaufnahme im Falle Mollath abgelehnt? War es nicht der Nürnberger Beckstein, dem Mollath so oft vergeblich geschrieben hat? Und war nicht Beckstein als Innenminister Bayerns für die bayerische Polizei verantwortlich in den langen Jahren 1993 bis 2007, und damit dem Zeitraum der Skandalfälle Mollath, Rupp, NSU und Peggy/Ulvi Kulac?

          (Da fällt mir auf: 2007 endete auch die Ceska-Mordserie. Wird aber hoffentlich schon keine Bedeutung haben.)

        • Dass die Mitteilung dort zwischenzeitlich gestanden hat, glaube ich nicht. Ich habe mir die Seite wiederholt angesehen. Ausschließen kann ich es natürlich trotzdem nicht.

        • @Fotobiene: Ich weiß auch nicht so ganz, was Deine Kommentare mit dem Fall Edathy zu tun haben sollen. Vor allem haben diese doch mit dem zu tun, was Du Dir dazu gerade anhand weniger Informationen „zusammenreimst“.

          Dagegen spricht natürlich nichts, finde ich auch wichtig und vielleicht liegst Du ja auch gar nicht verkehrt. Aber, so sehr ich Deine Beiträge sonst schätze, habe ich jetzt eher den Eindruck, Du versuchst den doch recht komplexen Sack zu schnell zu machen. Dabei können doch unsere Informationen nur sehr begrenzt sein, und gibt es viele Personen in dem Spiel, die, egal ob nun im Unterauftrag von Parteien, Behörden, Diensten etc. oder aus eigenen Interessen bzw. Defiziten, versuchen, bestimmte Informationen zu transportieren. Da muss man nicht alles gleich glauben. Da wird auch kaum alles stimmen.

          Also muss es doch darum gehen, überhaupt erst das System und das Geschehen besser zu verstehen und dazu und dabei verschiedene mögliche Deutungsvarianten und wichtige Zusammenhänge herauszuarbeiten. Und diese dann ohne Wertung und damit Festlegung auf eine bestimmte Variante mal einige Zeit nebeneinander stehen zu lassen. Denn nur so kann sich eine vertiefte Wahrnehmung von Mustern ergeben, und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit das tatsächliche Gespielte vielleicht etwas treffsicherer erfassen zu können.

          Soweit dazu. Zurück zum Radiobeitrag. Den habe ich – nicht nur Dir – deshalb empfohlen, weil dieser wirklich erstklassig, spannend und informativ gemacht ist, und zudem Einblicke in eine Schattenwelt gibt, die uns – jedenfalls mir – normalerweise kaum vorstellbar ist. Du wirst kaum merken, wie schnell die Stunde vergeht. Und Du wirst vielleicht auch besser verstehen, in welchem Umfeld sich die Mollath-Unterstützer bewegen müssen. Und vielleicht ändert sich dann auch etwas an Deinem Blick auf den Fall Edathy, und wenn es nur etwas mehr Zweifel und weniger Wertung wäre. Deshalb hier noch einmal der Link auf diesen wirklich empfehlenswerten Beitrag:
          http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiofeature/nsu-vmann-geheimdienst-100.html

          Also, ich würde mich freuen, wenn Du mal reinhörst und, wenn Du magst, dann vielleicht mal eine Rückmeldung gibst! Gute Nacht!

        • @ Michael Bach

          Ich versuche, mich in meinen Betrachtungen – durchaus in Kenntnis dessen, was es auf der Welt so alles gibt – zunächst an die bekannten Fakten zu einem speziellen Fall zu halten und nicht von anderen Fällen auf einen einzelnen ohne Sachgrundlage zu schließen.
          Dies nimmt mich zeitlich in Sachen Edathy voll in Beschlag.
          Weitere Fälle, die es sonst noch so gibt, nehme ich gerne auf, wenn ich Zeit dafür finde – Analogien können eh‘ nur bei Kenntnis des Einzelfalls (zu den möglichen Parallelfällen) gezogen werden, das Nachvollziehen dieses Falles läßt mir da gerade wenig Zeit für Vergleiche zu Fällen, deren Parallelität sich ggf. erst später überhaupt ergeben kann.
          Ich hoffe, ich kann Deinen Tipp später nacharbeiten, Dank dafür!

      • Ein Kommentar dazu von Stefan Geiger, StZ:

        http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kommentar-zum-amtsgeheimnis-gut-gemeint-aber-rechtswidrig.45f9d093-dd65-4956-a74e-0069f6359bce.html

        „Das Ministergesetz schreibt ausdrücklich vor, dass Mitglieder der Bundesregierung über alle ihnen „dienstlich bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren“ haben.“  …Und: „Die Staatspraxis ist eine andere.“

        Eben, das Strafrecht ist doch auf allen Ebenen instrumentalisiert.

        • Das Strafrecht ist in Ordnung:

          Pressemitteilung

          1 StR 83/08;
          Verkündet am: 16.04.2008
          Bundesgerichtshof
          Vorinstanzen:
          5 KLs (a) 1 Js 64595/04 Landgericht Stuttgart;
          Rechtskräftig: unbekannt!

          Verurteilung der ehemaligen baden-württembergischen Justizministerin wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen rechtskräftig

          Titelauswahl:Franz-Anton Plitt, Leipzig

          Mit Urteil vom 27. September 2007 hat das Landgericht Stuttgart die Angeklagte Corinna Werwigk-Hertneck, die bis zu ihrem Rücktritt am 22. Juli 2004 Justizministerin des Landes Baden-Württemberg war, wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

          Nach den Urteilsfeststellungen erfuhr die Angeklagte in der Funktion als Justizministerin durch einen von einem Mitarbeiter ihres Ministeriums „außerhalb der Akten“ verfassten Vermerk, dass in einem von der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen krimineller Aktivitäten bei der Firmengruppe „FlowTex“ geführten Ermittlungsverfahren relevante Unterlagen sichergestellt worden waren.

          Diese erhärteten den Verdacht, dass Dr. Walter Döring, der damalige baden-württembergische Wirtschaftsminister und wie die Angeklagte Mitglied der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.), vor dem im selben Zusammenhang vom 13. Landtag Baden-Württembergs gebildeten Untersuchungsausschuss wahrheitswidrig ausgesagt hatte.

          In einem Telefonat am 17. Juni 2004 unterrichtete die Angeklagte ihn über die angefallenen Ermittlungsergebnisse. Am 6. Juli 2004 informierte sie Dr. Döring ebenfalls telefonisch über durch weitere Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse, die dem Justizministerium am Vortag von der Staatsanwaltschaft Stuttgart berichtet worden waren (siehe auch Pressemitteilung Nr. 069/08 vom 8.4.2008).

          Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die von der Angeklagten gegen das Urteil eingelegte Revision verworfen. Er hat sich dabei insbesondere mit der Würdigung der Beweise und der Bemessung der Strafe befasst, wie sie das Landgericht in den schriftlichen Urteilsgründen dargelegt hat.
          […]

          http://www.recht-in.de/urteil/verurteilung_der_ehemaligen_baden_wuerttembergischen_justizministerin_wegen_verletzung_von_dienstgeheimnissen_rechtskraeftig_1_str_83_08_bgh_pressemitteilung_144020.html

        • Eilmeldung…Friedrich gibt seinen Rücktritt bekannt……

          mehr dazu um 17.30 Uhr in den Nachrichten…

      • @Frau Wolff. InfoDank für Ihren guten Kommentar zu einer schlechten Sache, Ihr Hinweis auf mögliche „höhere Weihen“ in der GroKo überzeugt ebenso wie Ihre Kritik der Hannöver´schen Strafkontrukteure, Mike.

      • Ich bin ja nur eine kleine Hausfrau, verstehe aber an Ihrer Einschätzung wenig .
        Ob es nun strafbares oder nicht strafbares Material war, ist oft nicht mühelos abgrenzbar, so lese ich es . FKK nein, Posing ja . Das BKA sieht hier beides . Und das soll keinen Anfangsverdacht auslösen ?
        Wieso ist das kanadische Unternehmen sauber ? Ich google da ganz anderes .
        Dienstgeheimnisse eines Innenministers können doch nicht nur bestehen, wenn es um Strafbarkeit geht ? Dass Strafvereitelung nur vorliegen kann, wenn eine Straftat begangen wurde,versteht sogar mein Hausfrauenhirn . Aber sonst hat ein Innenminister keine Schweigepflicht ?
        Keiner soll Edathy gewarnt haben ? Einen Tag nach dem Absenden des Antrags auf Aufhebung der Immunität trat er zurück . Tatsächlich Zufall ?

      • Niemand wird bei uns ohne Grund für viele Jahre in der geschlossenen Psychiatrie weggesperrt, niemand zu einem Geständnis gezwungen. Selbst Kindermörder können sich bei uns mit Erfolg gegen unangemessene Behandlung zur Wehr setzen.

        Es muss schon gute Gründe dafür geben, dass wegen Straftatverdacht ermittelt, Durchsuchung der Wohnung und Büroräume richterlich genehmigt wird. Das gilt erst recht für Bundespräsidenten und Abgeordnete, schon ihrer Immunität wegen. Klar, dass auch bei ihnen bei Bestechung oder Kinderpornographie durchgegriffen werden muss. Auch verstecktes Vermögen aus Nazi-Unrecht wird die Staatsgewalt wohl finden und in Gewahrsam nehmen dürfen. Da gibt es kein Wenn und Aber.

        Natürlich können Ermittlungsbehörden und Gerichte die Öffentlichkeit nicht immer über Details informieren. Wo kämen wir auch dahin? Einer möglichen öffentlichen Vorverurteilung muss der Rechtsstaat entschieden entgegenwirken. Zugleich darf auch der Ermittlungserfolg nicht auf Spiel werden.

        Natürlich können Fehler passieren. Schließlich entscheiden bei uns immer noch Menschen und nicht Maschinen. Deswegen müssen sich aber selbsternannte Kritiker nicht stets dazu berufen sehen, Fehler gänzlich aus ihrer Phantasie und ohne Aktenkenntnis herbeizureden. Diese Schwarzseher, die alles nur verkomplizieren und schlecht machen wollen, sollten nicht übersehen, dass selbst psychiatrische Gerichtsgutachter bei uns ihre Gutachten nicht einfach so ohne Aktenkenntnis anfertigen dürfen. Sehr viele Menschen sehen das völlig unkompliziert. So viele Menschen können sich nicht einfach irren.

        Nach neuester EU-Umfrage vertrauen bei uns über 70 Prozent der Befragten in die Arbeit der Justiz. Etwa genauso viele sind der Meinung, dass das Justizsystem bei uns besser sei als anderswo in der EU. Dafür wird es wohl gute Gründe geben. Dass der Anteil derjenigen, die in den letzten zehn Jahren mit der Justiz nichts zu tun hatten – weder sie selbst noch jemand aus ihrem Familienumfeld, in etwa auch 70 Prozent beträgt, ist laut der Umfrageauswertung irrelevant. Ich denke, so sehen viele Medien und Politiker das auch.

  1. Ein großer Artikel in den NN 13.02.2014, S. 17 mit Bild GFM und M. Heidingsfelder:
    „60 Tage festgeschnallt: Thema im Landtag“
    Dazu, direkt daneben, ein ziemlich ordentlicher Kommentar von hpr:
    „Nicht lebendig begraben fühlen“ aus dem hervorgeht, dass nun Bausback offenbar auch ein PsychKG will (die CSU hatte sich früher dagegen gesträubt).

    • Ein PsychKG regelt nur öffentlich-rechtliche Unterbringungen in der geschlossenen Allgemein-Psychiatrie. Wesentlich wäre ein Maßregelvollzugsgesetz, das den in besonderer Weise Gewaltunterworfenen nicht nur mindestens dieselben Rechte wie Strafgefangenen verleiht, sondern ihnen auch gegen den nötigenden Charakter der Unterbringung als solcher einen Status verleiht, in dem sie Rechtssubjekt sind.

      Es ist ja nicht verwunderlich, daß bis heute in keinem einzige Bundesland eine Maßregelvollzugsgesetz vorliegt, das den Vorgaben des BVerfG seit seiner Rechtsprechung ab 2011 genügen würde, was Zwangsbehandlung angeht. Das war einfach kein Thema. Erstens haben Untergebrachte keine Lobby, und zweitens ist es in dem totalitären System des Maßregelvollzugs unproblematisch möglich, ohne physische Gewalt Neuroleptika zu verabreichen. Denn bei Therapieverweigerung – sprich Neuroleptika-Verweigerung, das ist ja die hauptsächliche Therapie – gibt es keine Lockerungen, und ohne Lockerungen keine positive Sozialprognose. Jeder, der verweigert, weiß, daß er auf unabsehbare Zeit drinbleibt. Es sind nur wenige, die wie Gustl Mollath hart bleiben, ihre kognitiven Fähigkeiten retten (unter Neuroleptika-Gaben schwinden sie) und sogar von gewährten Lockerungen Abstand nehmen – denn die können von heute auf morgen wieder willkürlich zurückgenommen werden, also gewöhnt man sich besser erst gar nicht daran und bewahrt die geistige Unabhängigkeit.

      Diese Mechanismen, daß äußere Anpassungen an das Biotop „Forensik“ belohnt und Autonomie-Bestrebungen bestraft werden, müssen von Rechtswegen abgeschafft werden. Die Produktion von hospitalismusgeschädigten Wracks, die einer niederschwelligeren staatlichen Obsorge überantwortet werden, kann nicht Sinn und Zweck der Psychiatrie sein. Nicht einmal der forensischen. Eine „Besserungsmaßnahme“, die für die zu Bessernden zum Trauma wird, hat ihre Aufgabe verfehlt.

        • Die besten gesetzlichen Regelungen nützen nichts, solange die Allianz Psychiatrie-Justiz in Form der Kollaboration Gutachter-Gericht so läuft, wie das im Fall Mollath exemplarisch sichtbar geworden ist.

          Wenn nicht einmal ein eindeutig nicht psychotischer Mensch Grundrechte beanspruchen kann in einer Weise, die man nicht als Farce bezeichnen muss, wie etwa das Recht, sich jährlich gegen Kostenbeteiligung sagen lassen zu müssen, dass es halt leider, leider noch nichts ist mit der Entlassung, wie sollen dann ernsthaft beeinträchtigte Personen zu ihrem Recht gelangen?

          Dazu eine praktische Beobachtung aus der Zeit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsmedikation: wie gesetzlich vorgeschrieben, wurde im Rahmen eines Anrags auf Zwangsmedikation und Unterbringung nach Betreuungsgesetz ein Verfahrenspfleger bestellt, zusätzlich zum bereits bestellten Betreuer. Dieser Verfahrenspfleger ist nicht in irgendeiner für den Betreuer ersichtlichen Weise in Aktion getreten, er hat sich jedenfalls nicht über die Person des Betreuers und höchstwahrscheinlich auch nicht über die untergebrachte Person und die näheren Umstände selbst persönlich kundig gemacht. Und das wäre ja nur der erste Schritt zur Wahrung der Rechte der untergebrachten Person gewesen, falls diese im Rahmen der Unterbringung verletzt worden sein sollten. Strenggenommen wäre er ja auch zuständig für die rechtliche Vertretung im Fall einer von wem auch immer absichtlich oder unabsichtlich begangenen Täuschung über die Gründe der Unterbringung.Der Vertrauensgrundatz im Amtsverkehr kann leicht zum Nachteil eines eh schon beschwerten Menschen führen, und das dürfte kein ganz seltenes Ereignis sein.

        • @ Rudolf Sponsel:

          Zu spät – ist schon in Arbeit:

          […]
          Das Sozialministerium will nach Auswertung der Klinikberichte aus Taufkirchen über weitere Schritte in diesem Fall entscheiden. Das teilte ein Sprecher auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks mit. Nach Berichten des Bayerischen Rundfunks über die häufigen und stundenlang dauernden Fixierungen in der forensischen Abteilung des Isar-Amper-Klinikums in Taufkirchen an der Vils hatte das Ministerium eine Stellungnahme der Klinik angefordert.

          Gesetz für psychisch kranke Straftäter ist in Arbeit

          Unterdessen fordern die Oppositionsparteien im Landtag die Staatsregierung auf, ein in Bayern bislang nicht vorhandenes Gesetz zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter zügig auf den Weg zu bringen.
          Ein Gesetzentwurf ist nach Angaben des Sozialministeriums bereits in Arbeit. Allerdings befinde sich der Entwurf noch in der internen Abstimmung und sei daher noch nicht öffentlich. In diesem sogenannten Maßregelvollzugsgesetz sollen auch Sicherungsmaßnahmen wie Fixierungen geregelt sein, so ein Sprecher.

          Grüne wollen Meldepflicht für Zwangsmaßnahmen

          Die SPD fordert in einem Antrag, im Rechts- und Sozialausschuss des Landtags eine Experten-Anhörung über die Situation und den Reformbedarf im Bereich der psychisch kranken Straftäter durchzuführen.
          Die Grünen fordern ein Melderegister für Zwangsmaßnahmen. Die Sozialpolitische Sprecherin der Grünen Kerstin Celina sagte, „sowohl Fixierungen als auch Zwangsmedikationen müssen dann in Zukunft gemeldet werden, damit bei Problemen sofort nachgefasst und Beratung und Hilfe angeboten werden kann“. So ein Extremfall wie in Taufkirchen wäre mit einem Landesregister sofort aufgefallen, so Celina.
          Auch die Freien Wähler fordern mehr Kontrolle der forensischen Kliniken und regelmäßige Berichte an den Landtag.
          „Auch forensische Kliniken sind nach Recht und Gesetz zu führen. Die Patienten sind kein Freiwild, sondern schutzbedürftige Menschen, die eine Würde haben. Diese Würde gilt es zu schützen.“
          Florian Streibl, rechtspolitischer Sprecher der Freien Wähler am 12.2.2014 im Bayerischen Rundfunk
          […]

          http://www.br.de/nachrichten/psychiatrie-landtag-freie-waehler-100.html

        • „Gesetz für psychisch kranke Straftäter ist in Arbeit“ heißt es (laut Bayerischem Rundfunk) aus dem Bayerischem Sozialministerium. Was heißt schon „in Arbeit“? Noch nicht mal eine Novellierung des Bayerischen Unterbringungsgesetzes hat Bayern bisher hinbekommen, obwohl das schon seit vielen, vielen Jahren im Gespräch ist. Da wird es mit einem speziellen Maßregelvollzugsgesetz erst recht nicht so schnell gehen.

  2. Da mir dieser Punkt persönlich sehr wichtig ist und es genau jetzt ja einen „Seitenumbruch“ gab, mach ich das hier neu auf mit Hinweis auf:

    Der Fall Mollath: Die Irrwege der Psychiatrie (3)

    @ ja…….. @ im Prinzip alle, die sich nun an dieser Diskussion beteiligen:

    Mir ging es zum Einen, wie A.Hirsch sehr zutreffend bemerkt/erkannt hat, schon sehr deutlich darum, auf die Doppelmoral, die sich für mich in einigen Kommentaren doch lesen lässt, aufmerksam zu machen, besser gesagt, deutlich zu sagen, dass ich das nicht gut finde.

    Dass dann so argumentiert wird, Frau Wolff und mir zu unterstellen, oder es zumindest als Denkhypothese zu unterlegen, wir würden uns möglicherweise nicht in Situationen wie die eines Herrn Deeg einfühlen können, davon war im Grunde auszugehen, das ist, möchte ich mal ganz frech sagen, das Übliche.

    Wenn man bei etwas nicht mitgeht, hat man halt keine Ahnung, wie schlimm dies und das ist.
    Alte Hacke.

    Dass jemand, gerade WEIL er sich BESTENS einfühlen kann, gewisse Denkweisen kritisch kommentiert, liegt scheinbar weit außerhalb dieser, oberflächlich ja sehr griffigen, Darstellungsweise.

    Ebenso vorhersehbar waren, nach meinem Gefühl, Unterstellungen, man wisse eventuell mehr und versuche (das stand hier zwar noch nicht, fehlte aber halt gerade noch 😉 daher hier zu helfen, etwas unter dem Deckel zu halten!

    Keine dieser Unterstellungen (oder eben Denkhypothesen) tangiert auch nur die Tatsachen was mich betrifft, und ich kann ja nur für mich sprechen. (gehe aber bzgl. GW von nichts anderem aus!)

    Ich les mir einfach diesen Blog durch und bilde mir meine Meinung.

    Und ich fand es schon immer beschissen, von sich selbst etwas spitze zu finden, was man bei anderen verteufelt.

    Egal um was es geht.

    Aber im Speziellen, um das mal so deutlich zu sagen, Herr Deeg, dem es, so mein Eindruck, letztlich alleine gelassen in seiner Situation MIT seiner Situation immer schlechter geht, der sich die Finger wund und die Seele aus dem Hals schreibt, wollte ich damit einfach auch mal sagen, dass man sich, leider, am allermeisten selbst schadet, wenn man Sachen im Bezug auf andere goutiert, oder gar fordert, die man im Bezug auf sich selbst als so schlimm erleben musste.

    Warum wirkt denn GM an so vielen Stellen so „hölzern“, obwohl er ja doch recht deutlich wird in vielen Fragen? Weil er sich, ach wie soll man das sagen, etwas „vorschnallt“, aus seiner Erfahrung, grade aus seiner schlimmen Erfahrung, das ihn davon abhält, sich um Kopf und Kragen zu reden.

    @ michael bach punkt6/7

    Wie schon geschrieben habe ich keinerlei Hintergrundinfos und mir das nur aus den Infos hier im Blog zusammengereimt. D.h auch, für mich, wenn es nach mir ginge, würde (spätestens jetzt!) eben eine Qualitätssicherung eingeführt, die dann (sogar generell, nicht nur in Problemfällen) eben solche Fälle nochmal überprüfen würde (Und mit „nochmal“ meinte ich einfach nur nochmal durchgehen, und nicht, dass sie bereits überprüft worden wären, das ist wohl einfach ein sprachliches Missverständnis) Auch sehe ich es genau wie Sie so, dass hinter all diesen Fällen Menschen stecken, aber hätte sich „Menschen nochmal überprüfen“ denn besser gelesen? Vermutlich ganz im Gegenteil 😉

    Dass die Betroffenen das im Rahmen einer solche Überprüfung dann eh erfahren würden, war einfach eine Annahme von mir, ganz primitiv gedacht, weil man dann ja den „Fall“ nochmal neu begutachten müsste(sprich den Betroffenen kontaktieren), sozusagen.

    Und ansonsten erspar ich es mir, mich hier weiter zu rechtfertigen.

    Jeder, der meine Beiträge ernsthaft verfolgt weiß, dass ich 100% gegen jedweden Klüngel, menschenverachtende Verfahrensweisen und alles Artverwandte bin.

    Das Schlimmste, nach meiner Anschauung und Erfahrung ist, das traut man sich ja aber kaum hinschreiben, da es keine Luft nach oben mehr lässt ist, dass das alles einfach nicht wirklich was bringt, weil sämtliche Seilschaften einfach dicker sind.

    Ums an dem Fall konkret zu machen:

    WER überprüft denn nun den „durchgeknallten“ Gutachter xy?
    Ein ebenso durchgeknallter?
    Ein Kröber?
    Einer der nach dem scheinbar allgegegenwärtigen GOBSAT Prinzip agiert? Oder auf gut Deutsch eine Krähe hackt ja der andern kein Auge aus.

    In einer, sory, dass ich das mal so deutlich hier sage, Pseudowissenschaft wie Psychiatrie?

    Aber nichtsdestotrotz werfe ich hier ein, im Sinne dessen, was ich vorab geschrieben hatte, nicht selten frisst die Revolution ihre Kinder.

    Und das mit Abstand Schlimmste ever finde ich mangelnde Lernfähigkeit 🙂

    • Frau Wolff hat geschrieben: „Martin Deeg weiß bereits, daß der betroffene Psychiater nicht der ist, der ihn falsch begutachtet hat. Denn der war kein leitender Arzt einer forensischen Psychiatrie.“

      So ist es. 

      Zur Diskussion @Frank und frei: 
      Von „Veröffentlichungspflicht“ war bspw. am vergangenen Sonntag im Presseclub im Zusammenhang mit Alice Schwarzer die Rede. Konkret ging es darum, dass vor der Berichterstattung des Spiegel der Focus und ein weitere Blatt Kenntnis von dem Steuerstraftaten hatten – die Informationen jedoch unterschlugen. Das lässt m.E. tief blicken. 

      So bitte ich auch meine Aussage in Zusammenhang mit dem Gutachter zu verstehen. Es kann nicht sein, dass dieser Vorgang im November stattfand  und insbesondere die Regionalpresse, die sonst jedes Kleinereignis aufgreift, nicht berichtet bzw. erst am 8.2. berichtet. Die Staatsanwaltschaft muss hier m.E. frühzeitig informieren, sollte es denn daran gelegen haben. So wie sie es sonst auch tut, wenn es darum geht, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken, „Litigation-PR“ zu betreiben, selbst bei abwegigem Verdacht frühzeitigste Berichterstattung. 

      Ein Beispiel: 

      http://www.mainpost.de/ueberregional/politik/main-posttitelseite/Ermittlungen-gegen-Stefan-Lurz;art9484,5685542

      Zum Vorwurf der „Doppelmoral“: den lasse ich gelten, wenn meine Beiträge  so rüberkamen dass der  Gutachter namentlich vorverurteilt gefälligst in den Medien zu stehen habe. Im ersten Ärger darüber, dass hier über Monate überhaupt keine Berichterstattung erfolgte und gerade in der Region Gutachter eben regelhaft  namentlich genannt werden, wenn sie gegen Angeklagte „glänzen“ und auch aus „Eigeninteresse“, WER denn der Mann ist –  danke Michael Bach für die Unterstützung. 

      frank & frei, Sie schrieben: 
      „Aber im Speziellen, um das mal so deutlich zu sagen, Herr Deeg, dem es, so mein Eindruck, letztlich alleine gelassen in seiner Situation MIT seiner Situation immer schlechter geht, der sich die Finger wund und die Seele aus dem Hals schreibt, wollte ich damit einfach auch mal sagen, dass man sich, leider, am allermeisten selbst schadet, wenn man Sachen im Bezug auf andere goutiert, oder gar fordert, die man im Bezug auf sich selbst als so schlimm erleben musste.“

      Als „so schlimm“ erlebte und erlebe ich nicht die jahrelange, letztlich identifizierende Vorverurteilung und den Rufmord in der Mainpost als „Rosenkrieger“ sondern die zu Unrecht erfolgte Kriminalisierung/Pathologisierung und  den immensen Machtmissbrauch bis zum Versuch der Anwendung Par. 63 StGB mittels Fehlgutachten. 

      Das „goutiere“ oder „fordere“ ich sicher bei niemandem! Was ich hier fordere, ist strafrechtliche und zivilrechtliche Aufklärung. Und hier sitzen noch einige andere Geschädigte nach wie vor in der Forensik Lohr, denen massives Unrecht widerfährt!

      Weshalb ich mir aber die „Seele aus dem Hals“ schreibe, liegt vor allem daran, dass mein Kind ebenfalls  OPFER dieses Justizskandals ist und die Entfremdung von der Justiz tagtäglich weiter schuldhaft fortgeführt wird.  Das geht tatsächlich an die Substanz – und zwar als Vater. (Bei mir melden sich übrigens dauernd Betroffene, denen es ähnlich ergeht).

    • Ich unterstelle aufgrund eigener Erfahrungen allerdings den Staatsanwaltschaften hier auch Unredlichkeit. D.h., einen Vertuschungswillen zu Lasten der von dem Mann „Begutachteten“ schließe ich keinesfalls aus!

      • Es gibt auch Psychiater, die den zu Begutachtenden wohlgesonnen sind, weil sie humanitär eingestellt sind, aber angesichts des Systems, in dem sie arbeiten müssen, „verrückt“ werden.

        Ich gebe das zu bedenken. Und habe Gründe dafür.

        • @Gabriele Wolff: Ich kann das bestätigen: Es gibt auch Psychiater, die humanitär eingestellt sind und die am System verzweifeln. Und dann gibt es zudem an sich wohlmeinende Psychiater, die denken, ihren Patienten etwas Gutes zu tun, und die dabei jedoch so eng in das obskure Krankheits- und Behandlungsverständnis der Psychiatrie verstrickt sind, dass sie damit ihre Patienten immer tiefer in die Überforderung treiben. Und dann gibt es noch welche, die verdienen sich nebenbei noch etwas, indem sie gegen Geld oder im Sinne der Beziehungspflege Gefälligkeitsgutachten erstellen, die davon Betroffene massiv unter Druck setzen und gegebenenfalls vernichten. usw.

    • @frank&frei: Danke für Ihre Rückmeldung! Ich wollte Ihnen nichts unterstellen – und bitte Sie um Entschuldigung, wenn meine demnach unvollkommenen Beiträge diesen Eindruck bei Ihnen erzeugt haben! Denn ich schätze Ihre Kommentare sehr und, nach dem, was ich daraus mitbekommen habe, ebenso den Menschen dahinter unbedingt!

      Auch aus Ihrem aktuellen Beitrag entnehme ich, dass wir in der Einschätzung sehr nahe liegen, sowohl was die Notwendigkeit einer Überprüfung der Arbeiten dieses Psychiaters angeht und damit auch einer Information der davon Betroffenen als auch der geringen Hoffnung, innerhalb dieses dysfunktionalen „Sauhaufens“ aus Juristen, Psychiatern und Politikern wirklich noch jemand zu finden, der so frei und qualifiziert ist, in dieser Sache bis zur Realität vorzudringen und ausgehend davon konkrete Hilfe zu leisten, wirksame Besserungen einzuleiten und dabei auch noch das Wohl aller Betroffenen soweit als möglich im Auge zu behalten.

      Was mir bei Ihrem Vorbringen jedoch tatsächlich fehlte, war diesmal die gleichwertige Betonung der Warte der möglicherweise durch diesen Psychiater existentiell Geschädigten, die an solchen Gutachten und deren Folgen oft jeden Tag ihres damit sicher nicht länger werdenden Lebens leiden. Ich sah darin aber keinerlei auch nur im Entferntesten negative Absicht o.ä., sondern dies lediglich der Tatsache geschuldet, dass ihnen die Persönlichkeitsrechte Tatverdächtigter bzw. psychisch auffälliger Menschen sehr wichtig waren (was ich begrüße), und Sie zudem vom dringenden Wunsch von Martin Deeg, den Namen des Psychiaters zu erfahren, zur Gegenposition gereizt wurden.

      Insgesamt sehe ich mich der Position von Martin Deeg jedoch sehr nahe, halte dessen Vorgehen für auf Dauer zielführend und die dabei gezeigte Vitalität für entscheidend, um weiter handlungsfähig zu bleiben – und wollte vor allem auch nicht, dass die Perspektive möglicher Opfer dieses auffällig gewordenen Psychiaters in den Hintergrund geraten könnte. (Zudem gilt: Martin Deeg wurde nicht nur begutachtet, sondern mindestens ein leitender Psychiater einer forensischen Psychiatrie in der relevanten Gegend hat für Gerichte Stellungnahmen abgegeben, die soweit ich es noch im Gedächtnis habe, weitreichende negative Folgen nach sich zogen.)

      Was mir auch weniger gefallen und mich zum Widerspruch gebracht hat, war, dass Sie anderen hier Mitwirkenden, nach meinem Empfinden moralisierend abwertend, Doppelmoral unterstellt haben, ohne wirklich nachvollziehbar konkret zu benennen, worin diese für Sie besteht.

      Ich z.B. weiß immer noch nicht, ob Sie mich damit auch gemeint haben und aufgrund welcher von mir geäußerten Tatsachen bzw. Meinungen. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, dass Sie, wenn ich den in Zukunft mal gemeint sein sollte, solche Unstimmigkeiten, die Ihnen dann sicher nicht ohne Grund auffallen und die nicht in meinem Interesse wären, konkret benennen – um dann mit mir gemeinsam zu schauen, was genau vorliegt: Divergenz, Unklarheit, unterschiedliche Einschätzung, unzutreffende oder unzureichende Darstellung, Missverständnis, falsche Ansicht etc..

      Ich denke, im aktuellen Fall ging es Ihnen vor allem um die Frage, wie man die Öffentlichkeit dazu informiert, dass ein Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Person eingeleitet worden ist, aufgrund eines Vorfalls, der nicht unbedingt das beste Licht auf diese wirft. Und hierbei im speziellen zu der Frage, ob deren Name öffentlich genannt werden sollte. Ich denke der diesbezüglich absolut negativ einzuschätzende Fall Kachelmann und zwischenzeitlich viele weitere haben uns alle dafür ziemlich sensibilisiert. Desgleichen Fälle von zu Unrecht als psychisch krank abgestempelten Menschen – und unzählige Beispiele unzureichender bis unzutreffender Informationen in den Medien.

      Soweit einerseits. Andererseits habe ich mich heute ziemlich intensiv gefragt, wie es sein kann, auch in Bezug auf die von mir hochgeschätzte Gabriele Wolff, dass es so ausschaut, als ob wir hinsichtlich dieses Falls plötzlich auf ziemlich unterschiedlichen Planeten unterwegs wären (- was ich aus verschiedenen Gründen wirklich nicht sehen kann! 😉 .)

      Ich erkläre es mir so: Dieser Fall unterscheidet sich aus zwei Gründen wesentlich von den meisten anderen Fällen zu Steuerhinterziehern, Betrügern, etc., bei denen bekannt geworden ist, dass es staatsanwaltliche Untersuchungen gibt: (1) Dieser Mann war in einer gesellschaftlich bedeutsamen Position, kraft der er existentiell wirksame Macht über andere Menschen ausübte und dies öffentlich bestellt. (2) Diese Machtstellung forderte von diesem Menschen und erlaubte es diesem damit zugleich, andere Menschen – mehr oder weniger unkontrolliert – als psychisch krank oder gesund zu erklären. Dieser Mensch fällt nun in einer Art und Weise völlig aus dem Rahmen, die sogar die Staatsanwaltschaft veranlasst, eine so weitgehende psychische Störung in Betracht zu ziehen, dass möglicherweise sogar Schuldunfähigkeit festgestellt werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass die Entwicklung eines Menschen in der Regel nicht von heute auf morgen zu solchen Ergebnissen führt. Es könnte also sein, dass diese Entwicklung mit nicht korrektem Verhalten gegenüber ihm ohnmächtig ausgelieferten Menschen in den Feldern Begutachtung, Forensische Psychiatrie und Forschung verbunden gewesen sein könnte. Damit sind bei der Interessensabwägung zu einer Veröffentlichung auch Aspekte einer Fürsorgepflicht und der Schadensminimierung mit zu beachten.

      Mir scheint, die Bedeutung dieser beiden grundlegenden Tatsachen haben wir in unserem Disput jeweils unterschiedlich gewertet, wenn auch noch implizit. Für mich hat sich damit etwas geklärt. Danke dafür Ihnen und Gabriele Wolff!

      P.S. @Gabriele Wolff: Sie schrieben, eine Überprüfung der Gutachten dieses Psychiaters werde erst dann einsetzen, wenn über dessen Schuldfähigkeit begutachtet worden sei. Wie soll ich mir das vorstellen: Wenn der Psychiater nicht schuldunfähig, also zurechnungsfähig war bei dem Versuch der Kindesentführung, dann besteht keine Notwendigkeit, die Gutachten zu überprüfen? 😉 .

      Ganz ehrlich gesagt: Mir dauert solches Zuwarten zu lange. Ich mag es weder, dass bei „Kindern in Kühlschränken“ erst hinterher die Frage gestellt wird, ob das Umfeld gegebenenfalls nicht „nett“ mit dem Kind umgehen könnte, noch mag ich es, wenn bei Menschen, die von einem möglicherweise schon damals „durchgeknallten“ Psychiater als psychisch krank einselektiert worden sind, dann hinterher gefragt wird, ob man den Suizid nicht hätte vermeiden können, wenn man sofort nach Bekanntwerden von Alarmzeichen dessen Gutachten hätte geprüft. (Ein in solche Richtung gehender, wenn auch nur in der potentiellen Wirkung vergleichbarer Zersetzungs-Fall unter http://www.havemann-gesellschaft.de/index.php?id=463 , Nur zu Erklärung: Wenn jemand falsch begutachtet wird und dann nicht mehr aus dem Zwangssystem herauskommen kann, kann dies ähnlich wirken.)

      P.S. II: Hier noch ein Link auf eine interessante Zusammenstellung zu den psychiatrischen Kliniken in Bayern, die auch die fünf Forensischen Psychiatrien in Franken mit deren Bettenzahl enthält: http://www.bay-bezirke.de/downloads/82cd10d35bd0802d49440b51cbbd7eb6_2014%20Art%20und%20Zahl%20d.%20Betten%20in%20BKHs%20544.2-1.pdf

      • @ wiederum alle aktuell an der Diskussion Beteiligten.

        In meinem Ausgangspost dazu ging es mir wirklich primär darum darzulegen, dass ich es einfach nicht gutfinden KANN, wenn man im eigenen Interesse Sachen fordert, die man im Allgemeinen verurteilt.

        Und zwar sowohl in sozusagen moralischer Hinsicht, und wenn die nicht reicht, dann wenigstens im eigenen Interesse.

        Da ich weder Herrn Deeg (noch nachfolgend welche der Kommentatoren) persönlich angreifen wollte, habe ich das dann etwas allgemeiner ausgedrückt, was dann scheinbar als „Moralisieren“ rübergekommen ist.

        Das finde ich deutlich schade, denn den meisten Sachen (Sachverhalten) täte es sehr gut, mehr in der Sache und losgelöst von Personen betrachtet und diskutiert zu werden, zumindest meiner Meinung nach.

        Daraus dann zu schließen, dass einem (also mir in dem Fall) scheinbar die menschliche Betroffenheit angesichts Betroffener wie Herrn Deeg fehle, ich wiederhole mich da gerne, jeder der meine Postings liest, weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.

        Muss man dazu echt jedesmal schreiben, mir tut ja der und der echt leid, aber………..

        Ginge mir die menschliche Betroffenheit ab, würde ich mir sicherlich NICHT die Mühe machen, mengenweise Buchstaben hinzutippen, die letztlich auch darauf abzielen, dass man sich heißblütiger- und unbedachterweise (und dabei ist es, mit Verlaub, leider scheißegal, WIE verständlich das jeweils ist) aus lauter Wut und Betroffenheit in den eigenen Nachteil schreibt.

        Das denke ich mir bzgl. Herrn Deeg bei verschiedenen Postings schon länger, da mir das aber als viel zu pesönlich erschien (darauf wirklich genauer einzugehen) habe ich dazu hier nichts geschrieben und werde es auch weiterhin nicht tun. Bei Interesse und bei Gelegenheit aber gerne direkt an ihn (via Ihrer, Herr Deeg, Blogseite am besten, oder?)

        Leuten aber, denen das ganze am Arsch vorbeigeht (die aber u.U. in relevanten Positionen sitzen!) , kann man, meiner Meinung nach, im Übrigen drei Millionen mal schreiben, beschreiben, und in allen traurigen Details schildern, wie schlimm das Unrecht ist, das einem widerfahren ist.

        Im besten Fall ist es ihnen egal. Im ungünstigeren Fall treibt sie das noch richtig an.

        Mit „ das ist aber fies“ kommt man da leider nicht vom Fleck, eben eher im Gegenteil.
        Mit völlig sachlicher Analyse und Kritik bestehen , wenn überhaupt, da noch die größten Chancen.

        Und da bietet sich, ich sag es nochmal, doch am allerbesten der Fall Postel an, der, zumindest soweit mir das bekannt ist, das ganze (psychiatrisch-juristische) System ja wirklich komplett ad absurdum führt.

        Und, (ich kann da ja nur aus Wiki schöpfen) ich hab den Eindruck, der Postel fände das noch nicht mal so verkehrt, wenn da mal tiefer gegraben würde.

        Postel besuchte die Hauptschule und schloss eine Ausbildung zum Postboten ab. Er gibt an, dass seine Mutter an einer Fehlbehandlung wegen Depression gestorben und er selbst für kurze Zeit in der Jugendpsychiatrie gewesen sei. Daraus sei später die Absicht entstanden, die Psychiatrie als „heiße Luft“ zu enttarnen und bloßzustellen.

        • @frank&frei: Danke auch für diese Ihre Rückmeldung, die mir wiederum zeigt, dass wir in der Einschätzung meist wirklich nahe beieinander liegen!

          Aus meiner Sicht gibt es bezogen auf den auffällig gewordenen Psychiater nur einen Punkt, an dem wir wirklich unterschiedlicher Meinung sind bzw. vielleicht ja auch waren, wenn überhaupt:

          Als wesentliche Tatsache zur Beurteilung des Sachverhalts hat sich für mich inzwischen herauskristallisiert: Der Mann, der versucht hatte, das Kind zu entführen, hatte als leitender Psychiater bis offenbar kurz zuvor praktisch unbegrenzte Macht über andere Menschen: Sowohl als Gutachter als auch als Forscher.

          Dies unterscheidet diesen Fall deutlich von fast allen anderen Fällen, in denen die Namen Verdächtiger im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit gelangt sind. Damit kann es im Vorfeld bereits Opfer gegeben haben, gegebenenfalls sogar bei Richtern und Kollegen, die sonst Manches vielleicht nicht mitgetragen hätten. Eine Korrektur möglicher Fehlentscheidungen oder ein nun eventuell mehr Erfolg versprechender Angriff belastender Gutachten erfordert aber die Information, dass die Arbeit dieses Psychiaters nun kritischer zu sehen sein kann und gesehen werden wird.

          So ist es z.B. durchaus vorgekommen, auch hier schon beschrieben und diskutiert worden, dass zwangseingewiesene Menschen u.a. im BKH Bayreuth Suizid begangen haben. Möglicherweise sind diese Menschen in eine solche Einrichtung aufgrund einer Stellungnahme dieses nun auffällig gewordenen leitenden Psychiater gekommen. Andere sitzen möglicherweise derzeit aufgrund dessen Gutachten noch ein. Wir sind uns sicher einig, dass diese bzw. deren Angehörige und auch deren Rechtsvertreter ein Recht haben, möglichst schnell zu erfahren, dass die Gutachten und Stellungnahmen dieses konkreten Psychiaters kritischer gesehen werden müssen.

          Damit liegt eine Veröffentlichung dessen Namen meiner Ansicht nach deutlich mehr im öffentlichen Interesse als bei den meisten anderen Fällen. Insofern fehlt mir bezogen auf diesen Fall eben die Basis für eine Doppelmoral, selbst wenn sich Martin Deeg diesbezüglich entgegenkommend zeigte, denn es handelt sich um unterschiedliche Fälle. In diesen sind Grundrechte, so wie es die Richter machen sollten, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen.

          Erst eine solche konkrete sachliche Abwägung wird ergeben, ob in diesem Fall tatsächlich andere Werte angewendet wurden (wäre „Doppelmoral“), oder ob sich aufgrund spezifischer Falleigenheiten lediglich Gewichtungen zwischen weiterhin wertgeschätzten Grundrechten verschoben haben (wäre „Doppelmoral“).

          (Insofern dürfen Sie mich bzw. Dinge, die ich geschrieben habe, wirklich gerne angreifen und müssen sich nicht in Zurückhaltung üben. Und wenn Sie dabei über das Ziel hinausschießen sollten? Macht nichts: Ersten bin ich nicht nachtragend, versuche zweitens zu verstehen, worin die – in der Regel berechtigte – Sachbotschaft liegt und drittens bin ich mir sicher, dass wir es dann schon hinbringen werden, aus den „Scherben“ herauszufinden, was eigentlich das am Anfang sowieso meistens noch nicht so klare Thema war. Wenn Sie sich, was an sich ein von mir wertgeschätzter Zug bei Ihnen ist, diesbezüglich zurückhalten, kann es sein, dass die Sachen einfach nicht klarer werden. Was wir tun können, dass es nicht zu sehr entgleist: Uns gegenseitig möglichst gut „zuhören“, versuchen zu verstehen, was der andere uns sagen will und dazu rückzufragen, und mehr die eigene Einschätzung erklären als die des anderen verdammen. Wir sind ja schon dabei! 😉 )

          Was dabei jedoch nicht auf der Strecke bleiben darf, und auch da bin ich ganz bei Ihnen, ist der saubere Umgang mit Informationen, die Offenheit für neue Entwicklungen und Einschätzungen sowie der höchstmöglicher Schutz der Rechte sowohl des Psychiaters als auch dessen möglicher Opfer.

          Andererseits habe ich, wie auch Sie, erhebliche Zweifel daran, dass in Bayern Justiz, Psychiatrie und Politik ohne merkbare kritische Öffentlichkeit wirklich daran gehen werden, sich um potentielle weitere Opfer dieses Psychiaters – über den beinahe mitgenommenen Jungen und dessen geschockte Großeltern hinaus – von sich aus sachgerecht zu kümmern.

          Ich befürchte, da wird es vor allem darum gehen, die aktuellen Justiz- und Psychiatrie-Strukturen sowie die darin Verankerten zu schützen und die Folgen für den „Kameraden“ Psychiater möglichst zu begrenzen. (Die fehlende Orientierung auf potentielle Opfer des Psychiaters hin ergibt sich für mich aus der Tatsache, dass der Vorfall erst nach vier Monaten veröffentlicht wurde. Zudem habe ich bisher noch nichts dahingehend vernommen, dass aus Sorge um diejenigen Menschen, die diesem Psychiater vor dem Vorfall ausgeliefert waren, dessen Wirken vor der Tat schnellstmöglich untersucht werden soll. Wichtig ist mir dazu: Da kann dann gerne auch herauskommen, dass alles in Ordnung war. Aber es gehört angeschaut.)

          P.S.: Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Der Fall des Hochstaplers Postel bietet natürlich ausgezeichnete Ansatzpunkte – und hätte schon längst zu einem tiefgreifenden Prozess der Selbstreflektion bei den Psychiatern führen müssen. Dazu scheinen diese aber kaum in der Lage zu sein, denn nach meinem Eindruck hatte dieser Fall keinerlei Auswirkungen auf die psychiatrische Praxis.

  3. Prof. a.D. Monika Frommel über den Fall Edathy (sie hat sich schon im Fall Kachelmann als temperamentvolle Verteidigerin des Rechtsstaats profiliert):

    [audio src="http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/02/13/dlf_20140213_1217_3fd50be1.mp3" /]

    Einem Leserkommentar habe ich entnommen, daß Edathy auf seiner Facebook-Seite (die ich nicht einsehen kann) einen Auszug aus dem Durchsuchungsbeschluß veröffentlicht hat. In diesem soll es heißen, daß sein Erwerb (der zum Tatverdacht geführt hat) strafrechtlich nicht relevante Bilder/Videos zum Gegenstand gehabt habe.

      • Was für eine taktlose Einladung…
        Zwischen Klatsch und Rufmord besteht ja wohl ein gewisser Unterschied.

        Der Fall Edathy weitet sich aus: Durfte der damalige Innenminister Friedrich SPD-Chef Gabriel über mögliche Ermittlungen gegen Sebastian Edathy informieren? Staatsrechtler sind der Meinung, der CSU-Politiker habe das Amtsgeheimnis verletzt. Auch Ermittler sind empört.

        Berlin – Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat nach Auffassung von Staatsrechtlern das Amtsgeheimnis verletzt, als er den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über möglicherweise bevorstehende strafrechtliche Ermittlungen gegen dessen Parteifreund Sebastian Edathy informierte. „Ich sehe keine Ermächtigungsgrundlage, um in diesem Fall das Amtsgeheimnis aufzuheben“, sagte Ulrich Battis, Berliner Experte für Staats- und Verwaltungsrecht, am Donnerstag SPIEGEL ONLINE. Dass das Bundeskriminalamt (BKA) Friedrich über die Hinweise auf Edathy informierte, sei zwar der „normale Dienstweg“, der Minister dürfe die Informationen aber nicht ohne weiteres weitergeben, so Battis.
        Christoph Degenhart, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Leipzig, sieht das ähnlich: „Friedrich hätte dieses Amtsgeheimnis für sich behalten müssen“, sagte Degenhart SPIEGEL ONLINE. Er sehe keinen Grund, der eine Weitergabe dieser Information rechtfertigen würde. „Das war wohl politisch motiviert.“
        Die Weitergabe von Informationen an die SPD-Spitze stößt auch bei den zuständigen Ermittlern auf heftige Kritik. „Das grenzt an Strafvereitelung“, sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Hannover. „Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben“, sagte der Vertreter der Ermittlungsbehörden.

        Friedrich, der inzwischen Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung ist, verteidigte inzwischen die Weitergabe der Informationen. Dem Minister sei Ende Oktober von seinem Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche zugetragen worden, dass Edathy bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei, sagte Friedrichs früherer Sprecher im Innenressort, Jens Teschke, der Nachrichtenagentur dpa. Dieser Hinweis sei vom BKA gekommen. Friedrich habe aber nicht erfahren, um welche Art von Verdacht es sich gegen Edathy handele. Der Minister habe nachgehakt, ob es strafrechtliche Vorwürfe gegen den SPD-Politiker gebe. Fritsche habe das verneint.
        „Für den Minister war wichtig, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren“, betonte Teschke. Aufgrund der „politischen Dimension“ des Falls und angesichts der Gefahr, dass die Namensliste öffentlich werden könnte, habe er dann den SPD-Parteivorsitzenden Gabriel in einem vertraulichen Gespräch informiert.

        […]

        http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fall-edathy-battis-wirft-friedrich-verletzung-von-amtsgeheimnis-vor-a-953246.html

        Es trifft übrigens zu, daß es sich seinerzeit nicht um strafrechtliche Ermittlungen gehandelt hat. Und niemand von der SPD will Edathy informiert haben.

        • Möglicherweise wäre es bei Wieland Backes gerade möglich gewesen, den Unterschied zwischen harmlosem Tratsch und Rufmord herauszuarbeiten.

          Dem Gastgeber traue ich das zu, die Einladung kam sicher nicht aus Verlegenheit, und soweit ich die Sendungen verfolgt habe, ging es da nicht in erster Linie um Sensation, Provokation und Krawall.

          Besser noch wäre natürlich eine Sendung, in der nur die Themen Anschuldigung, strafrechtliche Prozeduren, Verteidigung und Medien behandelt würde.

      • Die Charakterisierung der ARD-SWR Hierarchen ist gut gelungen, Jörg Kachelmann hat ihre untrügliche Fähigkeit, dem richtigen Stallgeruch hinterherzuhecheln gut dargestellt.

        Diese Fähigkeit zeigt sich ja an vielen anderen Beispielen, genannt sei die Hofberichterstattung des SWR Stuttgart über das Jahrhundertprojekt Stuttgart 21 einschließlich der dazugehörigen politiisch- wirtschaftlich-justiziellen Hintergründe.

        Der Unterschied zu einer gleichgeschalteten Gesellschaft zeigt sich in der Existenz solcher Blättter wie „Kontext“, http://www.kontextwochenzeitung.de/, solcher Sendungen wie „Eisenbahnromantik“ mit Hagen von Ortloff, http://www.swr.de/eisenbahn-romantik/ oder einfach in der Berichterstattung etwa von SWR Mainz zu Stuttgart 21.

        Wieland Backes ist es zuzutrauen, Klartext zu reden zur Causa Kachelmann, die ja bei Lichte besehen eine ganz andere Causa war und ist. Insofern finde ich es bedauerlich, dass Jörg Kachelmann abgesagt hat. So kommt der nicht ganz kleine Unterschied zwischen einem Günther Jauch und Wieland Backes nicht aufs Tapet.

        Erst nach zweimaligem Gelinkt-Werden, so sagt die Spieltheorie, ist es zielführend, die Kooperation zu verweigern. Und hier wäre eine Gelegenheit gewesen, die Mär von der prinzipiellen moralischen Überlegenheit des weiblichen Geschlechtes einmal mehr zu widerlegen. Wer hat, noch mal gefragt, mit diesem „Schades of Grey“ seinen (ihren) Reibach gemacht? Der erste Band war noch schneller ausverkauft als seinerzeit bei dieser Geschichte von dem Harry Potter. Nun müsste man natürlich noch wissen, wer für den Verkaufserfolg bezahlt hat.

  4. Harry Wörz / Petition „Sucht den wahren Täter.“?…..

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.online-petition-harry-woerz-will-den-wahren-taeter-finden.ef9f1cd9-f662-4b79-a81d-5cfaf856034a.html

    „Nun haben ihn die unzähligen Reaktionen der Zuschauer darin bestärkt, nicht nur in der Opferrolle zu verharren, sondern zu versuchen, die Klärung dieses ungelösten Kriminalfalls voranzutreiben. Viele Zuschauer sahen ihr Vertrauen in Polizei und Justiz erschüttert ob der einseitigen Ermittlungen mit vielen Fehlern und Pannen. Andere wiederum zeigten sich fassungslos, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen sämtliche Ermittlungen eingestellt hat. Drei Jahre lang hatte sie nach dem Freispruch von Wörz den damaligen Freund seiner Frau, ebenfalls Polizist, überprüft.“

    „Lieber Harry, ich habe heute eine Online-Petition gestellt. Hoffe auf viele Stimmen. Kopf hoch und viel Kraft. Alles Liebe“, dies hatte Heike Nocker-Bayer am 30. Januar um 21.54 Uhr im Forum auf der Homepage von Harry Wörz bekannt gemacht. Die Frau ist in Hessen keine Unbekannte: die frühere Lottofee und Wettermoderatorin des Hessischen Rundfunks hatte sich als eine der Ex-Geliebten von Jörg Kachelmann in der Bild-Zeitung für die Unschuld ihres ehemaligen Arbeitgebers stark gemacht. Mit der Gründung eines digitalen lokalen TV-Senders erlebte sie Schiffbruch, inzwischen ist sie Krimiautorin.“

    Auch wenn Ermittlungen nicht von einer „Petition“ abhängen (sollten)  – nachdem ich soeben den Bericht „Wo leben wir denn“ von Annette Ramelsberger (noch nicht online) auf Seite 3 der SZ heute gelesen habe über einen Prozess in Halle finde ich diese Petition ganz und gar nicht sinnlos. 

    In Halle wurde offenkundig ein versuchter Mord (angeklagt jetzt als Gef. KV) an einer syrischen Familie durch drei Rechtsradikale von Polizei und Staatsanwaltschaft erst verfolgt, als die SZ über den Vorfall berichtete: „Die Staatsanwaltschaft Halle hat diese Rat neun Monate liegen lassen. Sie hat noch nicht einmal Haftbefehle gegen die Täter beantragt, sie hat, als die Süddeutsche Zeitung am 21. Dezember  2012 nachfragte, schnell, zwischen Weihnachten und Neujahr, eine Anklage zusammengeschustert – und sie nicht beim Landgericht eingereicht sondern beim Amtsgericht.“…

    Hoffentlich bald online! 
    „Alle…. Indizien haben die Anwälte der Opferfamilie gesammelt.“

  5. @wolff: https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/12/28/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-3/comment-page-3/#comment-32570

    Danke für die klaren Worte. Eins habe ich aber immer noch nic ht verstanden, ich übernehme mal meinen Beitrag aus dem beck-blog, um den Sachverhalt auch hier zu diskutieren, wichtig genug ist das Problem ja wohl:

    Forensisch Psychiatrische Zwangsmaßnahmen, Menschenrechte und Folter
    Ich lese um die Auseinandersetzung mit den unglaublichen Vorgängen in der Frauenforsenik Taufkirchen, dass Fixeren, auch über 24h hinaus, in Bayern durch die Unterbringungsgesetz abgedeckt sei. Das verstehe ich nicht. Denn die Menschenrechte (MRK3) und des Grundge-setzes (104,1,2S) gelten überall in Deutschland, also auch in Bayern, völlig gleichgültig, ob ein bayerisches Landesrecht dies vorsieht oder nicht. Es gibt also eine Rechtsgrundlage auch in Bayern, wie überall in Deutschland, und das sind die Menschenrechte und das Grundgesetz.
    Nach den folgenden Informationen zur Folter, unmenschlichen oder erniedrigenden Behand-lungen von Amesty International und dem Karlruher Kommentar zum MRK Artikel 3 erfüllen die Fixierung, Dauerisolation und Zwangsmedikation („Betonspritze“, insbesondere auf Dauer) in aller Regel diese Kriterien. Damit gehört die Zwangspsychiatrie und ihre Gewaltmaßnahmen – exemplarisch der Fall Taufkirchen – nach meiner Bewertung vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Das möchte ich hier zur Diskussion stellen.

    Amnesty International definiert:
    „Die Antifolterkonvention von 1984 definiert Folter als jede Handlung, «durch die einer Per-son vorsätzlich grosse körperliche oder seelische Schmerzen zugefügt werden, zum Beispiel, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmasslich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund.» Diese Schmerzen oder Leiden müssen darüber hinaus von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.“
    Quelle: http://www.amnesty.ch/de/themen/folter/was-ist-folter
    Hierzu präzisierend der Karlsruher Kommentar zu MRK Artikel 3 Verbot der Folter
    Karlruher Kommentar zur Strafprozessordnung von Schädler/Jakobs, 7. Auflage 2013, Rn 1-12, nach beck-online:
    „1. Internationale Vereinbarungen, Geltungsbereich
    Randnummer 1 Neben Art 3 MRK verbieten verschiedene internationale Vereinbarungen, insbesondere die UN-Antifolterkonvention vom 10.12.1984 (BGBl 1990 II 247f), die Folter ebenso wie die unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Personen (vgl i. E. LR-Esser Rn 1 bis 13). Am 4.12.2008 hat Deutschland das Fakultativprotokoll zum UN-Antifolterübereinkommen v. 18.12.2002 ratifiziert (COP-CAT). Hierdurch erhält der Unter-ausschuss der UN uneingeschränkten Zugang zu deutschen Gewahrsamseinrichtungen. Dem Europaübereinkommen vom 26.11.1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe hat die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 29.11.1989 zugestimmt (BGBl II 946). Art 3 MRK begründet nicht nur ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Dieser ist vielmehr auch verpflichtet, wirksame Strafvorschriften vor-zusehen, die den Verboten aus Art 3 MRK auch tatsächlich Geltung verschaffen. Ein Vertragsstaat ist daher gehalten, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, auch Misshandlun-gen durch Privatpersonen zu verhindern (EGMR 26.7.2005 „Siliadin“, NJW 2007, 41 Nr 80).“

    Einzelfallprüfung Ob Handlungen als Folter qualifiziert werden können hängt nach der Rechtsprechung des EGMR (Rn 3) „von den Umständen des Einzelfalles ab, ob die schwere Misshandlung eines Menschen als Folter zu bewerten ist. Hierbei spielt die Dauer der Misshandlung und die Folgen beim Opfer eine Rolle, die ihrerseits vom Alter, Gesundheits-zustand und vom Geschlecht abhängig sein können (EGMR 18.1.1978 „Irland“, EuGRZ 1979, 149 Nr 162).“

    Folter und unmenschliche Behandlung Rn 4: „… Der EGMR definiert als unmenschlich eine Behandlung, die absichtlich schwere körperliche oder geistige Leiden verursacht und die in der besonderen Situation nicht zu rechtfertigen sind (EGMR 18.1.1978 „Irland“, EuGRZ 1979, 153). Die Abgrenzung zur Folter ist schwierig, wenn dem Opfer die Leiden vorsätzlich zugefügt werden (Meyer-Ladewig Rn 20?ff.; LR-Esser Rn 66). Hinzu kommt, dass bei der Abgrenzung der Folter von der unmenschlichen Behandlung der EGMR die zunehmend höheren Anforderungen an den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten berücksichtigt und die Definition der UN-Antifolterkonvention im Sinne dieser höheren Anforderungen ausgelegt wissen möchte (EGMR 28.7.1999 „Selmouni“, NJW 2001, 56 Nr 101 mwN). Dies hat zur Folge, dass früher nur als unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen eingestufte Vorgehensweisen jetzt als Folter eingestuft werden können. Dieses hängt wiederum vom Mindestmaß der Schwere des jeweiligen Einzelfalles ab (EGMR aaO; EGMR 30.6.2008 „Gäfgen“, NStZ 2008, 699 Nr 69, der die Androhung einer Folter nur als unmenschliche Handlung qualifiziert).“

    Folter und erniedrigende Behandlung Rn 6: „Eine Behandlung ist erniedrigend, wenn sie das Opfer demütigt und es unter Missachtung seiner Würde gröblich herabsetzt. So, wenn es gezwungen wird, gegen sein Gewissen und seinen eigenen Willen zu handeln (EKMR 7.3.1988 „E.“, bei Strasser EuGRZ 1990, 86 Nr 1). So kann eine Behandlung als erniedrigend angesehen werden, wenn sie beim Opfer Gefühle der Angst, des Schmerzes und der Unterle-genheit erweckt, die geeignet sind, es zu demütigen und möglicherweise seinen körperlichen und moralischen Widerstand zu brechen (EGMR 27.9.1999 „Smith u. Grady“, NJW 2000, 2089 Nr 120).“

    Abgrenzungsprobleme Rn 7 „Die erniedrigende Behandlung ist der schwächste Verstoß ge-gen Art 3 MRK und in der Folter bzw der unmenschlichen Behandlung immer mit enthalten (LR-Esser Rn 71). Sie muss einen gewissen Schweregrad erreichen und das Opfer erheblich beeinträchtigen. Intensive körperliche oder seelische Schmerzen müssen im Gegensatz zur Folter und zur unmenschlichen Behandlung nicht mit einer Erniedrigung verbunden sein (LR-Esser aaO). Die Abgrenzung zu rechtskonformen, hoheitlichen Vorgehensweisen, die notwendigerweise mit einer Behandlung oder Bestrafung einhergehen, fällt nicht leicht.“

    • Tja, Folter ist fremdnützige Mißhandlung, Fixation und Zwangsmedikation erfolgen im wohlverstandenen Intereresse des Patienten selbst. Noch Fragen?

      Da spielt es dann keine Rolle mehr, dass der angestrebte Erfolg der Maßnahme jeweils die Brechung des Willens des Opfers ist.

      Von diesem sarkastischen Vergleich nehme ich ausdrücklich aus die berechtigte und notwendige Gegenwehr bei aggressivem Handeln, mache aber darauf aufmerkam, dass hier wiederum interessant ist, wie die Sache nach der Entschärfung der Situation weitergeht.

      Eine mehrstündige Fixation im Anschluss an die körperliche Überwältigung ist jedenfalls mit der legitime Gefahrenabwehr noch nicht in jedem Fall ausreichend begründet.

      Sehr interessant fand ich den Hinweis eines Psychiaters im Rahmen einer Auseinandersetzung wegen einer völlig unbegründeten Fixation einer partiell desorientierten Person. Er hatte darauf verwiesen, dass er sich, um eigene Erfahrungen zu bekommen, selbst habe fixieren lassen.

      Mein Angebot, ihm bei der Einnahme von 10 mg Haloperidol behilflich zu sein, um so wenigstens angenähert das höchst demoralisierende seelische Erleben einer Überwältigung zu erfahren, die nicht prinzipiell jederzeit wieder aufgehoben werden kann, wurde nicht goutiert. Schade.

      • Die Selbsterfahrungsidee habe ich im Editorial meiner Forensik-Gewaltseite untergebracht:
        Exkurs Selbsterfahrung, Aufsicht, Supervision, Kontrolle. In der Psychotherapie (z.B. die Lehranalyse in der Psychoanalyse und die Selbstmodifikation in der Verhaltenstherapie) gilt die Leitidee, was man seinen PatientInnen angedeihen lässt, sollte man an sich selbst schon erfahren haben, wenigstens stichprobenweise (> Selbsterfahrung im Psychotherapeutengesetz). Ein Psychiater, der Zwangsmaßnahmen verordnet, sollte selbst Erfahrung in dem Maße mitbringen, wie er verordnet. Externe Supervision sollte zum Pflichtprogramm gehören.
        Aufsicht und Kontrolle muss streng, gründlich und unvorhersehbar durchgeführt, die Ergebnisse natürlich veröffentlicht werden.
        http://www.sgipt.org/medppp/zwang/gewalt.htm

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