Gertrud Höhlers Merkel-Kritik – ein Fall für den medialen Kanzlerin-Rettungsschirm

 

Merk-Würdiges ereignet sich zur Zeit in unserer an Merkwürdigkeit ja nicht armen Presselandschaft: schon wieder führt sie eine Kampagne, staatstragend und unkritisch wie eh und je (wenn sie aus kommerziellen und Macht-Gelüsten in scheinmoralischem Furor einzelne Politiker oder Promis stürzt, oder auch nur nebenbei Existenzen zerstört, agiert sie ebenfalls staatstragend und unkritisch, dies nur nebenbei).

Gertrud Höhler hat es gewagt, den Regierungsstil der Kanzlerin fundamental und aus konservativer Sicht zu kritisieren, und schon fällt die gesamte Presse über sie her. Von der Springer-Presse war nichts anderes zu erwarten, das walte die Merkel-Freundin Friede Springer, zu deren Gefallen Merkel regiert:

Die Welt 24.08.12

Merkel? Frau Höhler hat da eine Meinung

Die Publizistin hat ein Kanzlerinnen-Buch geschrieben. Sie verunglimpft die Regierungschefin als Zerstörerin der Demokratie

Von Daniel Friedrich Sturm

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article108766968/Merkel-Frau-Hoehler-hat-da-eine-Meinung.html

Der STERN faßt das Unisono des medialen Sperrfeuers gegen Gertrud Höhler so zusammen:

Der „Spiegel“ interpretierte Höhlers Buch als Rache einer Frustrierten, die unter Kohl noch eine geschätzte Beraterin und Anwärterin auf einen Ministerposten war, von Merkel aber nicht weiter beachtet wird. Die „Süddeutsche Zeitung“ legte nach, und beschrieb auf der Reportageseite, wie Höhler zwei Mal kurz davor war, ein Interview abzubrechen, nur weil sie nach ihrem persönlichen Verhältnis zu Merkel gefragt wird.

Den Vorwurf, sie schlage allein aus persönlicher Eitelkeit um sich, empfindet Höhler als Beleidigung. Diese Deutung will sie unter allen Umständen unterbinden.

http://www.stern.de/politik/deutschland/die-patin-ueber-angela-merkel-gertrud-hoehlers-furor-1883460.html

Und selbstredend schließt sich der STERN dem medialen Mainstream an, der ihr Buch: ›Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut‹ ebenfalls als Dokument des Neides und der Stutenbissigkeit diskreditiert und den Furor verstörend findet, der dieses Buch antreibt – einen deutschen Verleger hätte es wohl kaum gefunden. Glücklicherweise war der Schweizer Verlag Orell Füssli mutig, unabhängig und geschäftstüchtig genug, die ewige Kumpanei zwischen Verlagen und Presse, wie sie in Deutschland dank der großen Konzerne gang und gäbe ist, zu durchbrechen und auf Lobeshymnen zu pfeifen. Auch schrille Begleitmusik fördert den Verkauf.

Der von der deutschen Presse reflexhaft aufgespannte Rettungsschirm für Angela Merkel ist mehr als nur nachvollziehbar. Die Denkverbote, die sich aus dem feministischen Mainstream der zur Mittelschicht zugehörigen Journaille ergeben, lassen es schlicht nicht zu, einen weiblichen Kanzler fundamental zu kritisieren. Und überhaupt muß ein solch engagiertes Buch wie das von Höhler die Defizite der eigenen Schreibe geradezu schmerzhaft vor Augen führen: die mediale Kritik an der Kanzlerin ist so harm- und zahnlos wie seinerzeit der gängige Birne-Spott gegen den gleicherweise machtversessenen Helmut Kohl, der nur von seiner kongenialen Ziehtochter Angela gestürzt werden konnte. Die macht es allerdings besser als er – sie hat weder Ziehsöhne noch Ziehtöchter, und Politiker ihrer eigenen Generation hat sie gezielt entsorgt, zuletzt in unnachahmlicher Manier den ihr zu gefährlich erscheinenden Umweltminister Norbert Röttgen. Der kann, im Gegensatz zu ihr, wenigstens reden. Sein Nachfolger, der eher mit Homestories und erwartungsdämpfender PR denn mit gestaltender Politik auf sich aufmerksam macht, ist haargenau eines jener loyalen Beta-Männchen, mit denen sie sich aus Gründen gern umgibt.

In dieser dumpfen Abwesenheitsperiode des kritischen Geistes verhalten sich ehedem geachtete Blätter wie die SÜDDEUTSCHE affirmativ und agieren als PR-Soldaten für Angela Merkel – das muß doch möglich sein, von ihr auf ein paar Promi-Fragen endlich einmal menschelnde Antworten zu erhalten – da muß es doch mehr als nur eine Machtmaschine geben:

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/37939

Das Experiment ist allerdings gründlich mißlungen, öde und spröde kommen die wortkargen Antworten daher – Wahlkampfrhetorik aus der Retorte.

Es bleibt also konservativen, plumpem Feminismus abholden und nicht allzusehr in den kommerziellen Presse-Betrieb eingebundenen Frauen vorbehalten, sich laut und deutlich gegen Angela Merkel zu positionieren. Den Anfang machte im Februar 2011 Cora Stephan mit ihrem Buch: ›Angela Merkel. Ein Irrtum‹:

Angela Merkel ist nach Rot-Grün 2005 die Hoffnungsträgerin der Eliten, weit über das klassische CDU-Spektrum hinaus. Welch ein Irrtum. Auch wenn die Kanzlerin im Ausland eine gute Figur macht, im Lande selbst nimmt man sie nur noch als machtversessene, lavierende und konzeptionslose Staatsmann-Darstellerin wahr.

Nach Schröder, Fischer, Lafontaine, viel Basta und Testosteron sehnten sich viele nach einer neuen Politik. Nach einem sachbezogenen Regierungsstil. Nach einer Person wie Angela Merkel, die in der DDR den Wert von Freiheit und Unangepasstheit schätzen gelernt hat. Und endlich nach einer Frau im Amt. Die Physikerin Merkel machte Hoffnung auf eine Berliner Republik ohne Klientelpolitik, Mackertum und Lagerwahlkampf. Doch es ist alles beim Alten geblieben. Keine Reformen, nur Stillstand, keine Problemlösungen, nur Parolen. Kein Gedanke an die Zukunft, nur Wahlgeschenke zur Machtsicherung. An der Spitze eine ihre Macht bloß noch verwaltende verkrampfte Einzelkämpferin. Und deshalb sagt eine, die Angela Merkel einst gewählt hat, heute: »Basta, Frau Merkel!« Gewiss, da ist auch enttäuschte Liebe im Spiel. Cora Stephans schonungslose Analyse von Aufstieg und Fall der Angela Merkel ist radikal und subjektiv zugleich und spricht damit vielen aus der Seele.

Die erste persönliche Abrechnung mit Angela Merkel.

http://www.amazon.de/Angela-Merkel-Irrtum-Cora-Stephan/dp/3813504166

6.3.2011

Enttäuschte Liebe

Cora Stephan: „Angela Merkel. Ein Irrtum!“

Rezensiert von Reinhard Mohr

[…]

Heute nun, Jahrzehnte später, gilt es, einen neuen, ganz anderen Irrtum einzugestehen: „Angela Merkel. Ein Irrtum“ heißt Cora Stephans Abrechnung mit der Kanzlerin, die sich vom „funkensprühenden Rohdiamanten“ zur „stumpfen Murmel“ gewandelt habe: „Wohl selten hat jemand so anspruchslos vor sich hin regiert“, resümiert die enttäuschte Wählerin, die selbst von „enttäuschter Liebe“ spricht. Es wird sich irgendwie durchgewurstelt, bis Politik endgültig zum „alternativlosen“ Geschäft geworden ist, das man am besten gleich „Mutti“ überlässt. Um die Sache streitende Parteien braucht’s dann auch nicht mehr, Argumente und offene Diskussion schon gar nicht.

„There is no alternative“, kurz T.i.n.a. So lautet das Standardprogramm des organisierten politischen Stillstands.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1403452/

Seitdem hat sich das trostlose Erscheinungsbild einer überzeugungslosen Durchlaviererei noch weiter verfestigt, die aus dem Tritt geratenen Koalitionspartner CSU und FDP werden mit abstrusen Zugeständnissen ruhiggestellt, die Opposition gibt sich europapolitisch staatstragend, die Presse hat sich von der Kunst der grundlegenden Analyse verabschiedet und erschöpft sich in quotenträchtigen Skandalisierungs-Hypes.

Nun also hat sich Gertrud Höhler zu Wort gemeldet, und verknüpft Cora Stephans zutreffende Analyse der Person und des Wirkens von Angela Merkel kausal mit den zeitgleich zu beobachtenden Phänomenen von Politik(er)verdrossenheit, Demokratieabbau, Verfassungsverstößen und Rechtsbrüchen. (Das wäre noch zu untersuchen, ob unter der Kanzlerschaft Merkel nicht alle Rekorde gebrochen wurden, was die Aufhebung verfassungswidriger Gesetze durch das BVerfG anbelangt. Gefühlt: Ja, durchaus.) Die FAZ hat sehr klug gehandelt, als sie einen kleinen Vorabdruck aus dem Buch ›Die Patin‹ von Gertrud Höhler brachte:

Der Politikstil der Kanzlerin

Das System M

02.08.2012 ·  Mit Angela Merkel kam die Relativierung von Werten in die Politik. Ihre Führung lebt von den Missverständnissen, die über sie in Umlauf sind. So arbeitet sie am Zerfall der Demokratie.

Von Gertrud Höhler

Niemand unter den Tätern, die Europa durch Rechtsbrüche und Verfassungsverstöße retten wollen, bringt für diese lautlose Sprengung der Pfeiler, auf denen Europa und seine Staaten ruhten, eine so natürliche Qualifikation mit wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Die Ironie der Geschichte machte sie genau deshalb zur „Königin von Europa“, weil ihre Unbefangenheit beim Abbruchunternehmen Euro-Rettung von den beklommenen Vollstreckern als Überlegenheit erlebt wird. „Die Werte der anderen“ haben für die deutsche Chefin keinerlei Verbindlichkeit. So wird die Kanzlerin zur Protagonistin in einem dämonischen Spiel, das die „Rettung Europas“ zu einem absurden Preis auslobt: alle Spielregeln zu brechen, die den Geist von Europa garantieren. Die Stabilität des Kontinents wird nur noch über Geldwerte definiert. Der Irrtum am Start der Währungsunion wird damit wieder handlungsleitend; das geheime Motto lautet: Wir kaufen Europa.

Die Kanzlerin hat mit einer Rechtzeitigkeit die Szene betreten, die wir Zufall nennen können. Ob ohne diese unbeschwerte „gute Patin von Europa“ („Bild“ am 28. Oktober 2011) die deutsche Politik und ihre Dominanz im europäischen Projekt genauso aussähe, darf bezweifelt werden. „Führung“, wie die Kanzlerin sie praktiziert, ist ein zuverlässig codiertes Undercover-Stück, das von den Missverständnissen der Beobachter lebt. Jahrelang hat die Presse sich mit der Frage beschäftigt, ob sie besonders gut oder eher schlecht oder vielleicht gar nicht führt. In Wahrheit hat Merkel ein autokratisches System entwickelt, das von den Vorurteilen der Beobachter profitiert: Autoritäres Schweigen ist in diesen Vorurteilen nicht verzeichnet. Genau das praktiziert die Kanzlerin mit wachsendem Erfolg.

[…]

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/der-politikstil-der-kanzlerin-das-system-m-11841711.html

Auch Nicht-Konservative können sich dieser Analyse anschließen: ob Merkel sich als Präsidenten-Macherin oder -verhinderin betätigt, Rüstungsexporte in Spannungsgebiete ermöglicht oder Energiewenden per Abschaltungsverfügung ohne ausreichende Rechtsgrundlage einleitet (und gar die eine Ministerin nach der Frauenquote rufen läßt, während sie die andere gegen deren Willen dazu verdonnert, aus Koalitionszwängen ein sinnfreies Betreuungsgeld auf den Weg zu bringen) – nie wird etwas erklärt, niemals liegt diesen Entscheidungen eine innere Werte-Überzeugung zugrunde, wie es auch der gegen ihren Willen von der FDP installierte Bundespräsident Gauck, sozusagen ihr natürlicher Gegenspieler, moniert.

Gertrud Höhler ruft: ›Die Kaiserin ist nackt!‹ – ihre Partei, die CDU, schweigt betreten, denn niemand will es sich mit der Kanzlerin verderben, von der auch die eigene Karriere abhängt, und die wegen ihrer Leisetreterei beschämte Presse spammt ad hominem gegen die einsame Ruferin:

Irgendwann zischt sie nur noch. Ihr Kiefermuskel spannt sich an und das „S“ betont sie scharf: „So“, sagt Gertrud Höhler und beschließt damit jenen Satz, der erklären soll, an wen sich ihr Buch über Angela Merkel richten soll. „Für alle, die die Faust in der Tasche haben.“ So steht es auch als Widmung in ihrem Buch. Den gerechten Zorn müsse man entwickeln und ihn auch rauslassen – „als Warnung“. Und Gertrud Höhler hat die Faust ausgepackt und ihre Wut in Buchform gepresst. „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“, so hat sie ihr Werk betitelt und zeigt auf dem Cover einen Schattenriss der Kanzlerin – die Anmutung der dunklen Seite der Macht.

[…]

Mit einem politischen Amt, einem Ministerposten, hat es nie geklappt. Sie selbst reagiert erbost auf den Vorwurf, ihr Buch sei nur eine persönliche Abrechnung mit Angela Merkel. Ganze Interviews lässt sie platzen, wenn sie ihr zu sehr auf diesen Punkt zugespitzt sind.

[…]

Merkel wird all diese Kritik sehr wohl registrieren, in Angst und Schrecken wird es sie nicht versetzen. Das Magazin „Forbes“ hat sie gerade erst wieder zur mächtigsten Frau der Welt gekürt – und das zählt in einer Partei, die gerne an der Macht ist und bleiben will, dann doch mehr als eine überdrehte Kritikerin und ihre Freunde.

http://www.tagesspiegel.de/politik/hoehler-schlarmann-und-co-angela-merkel-ist-nicht-zu-fassen/7047562.html

Ja, selbstverständlich geht es Merkel und ihrer CDU nur um Macht und Machterhalt – das ist ja gerade der Kernpunkt von Höhlers Kritik… Die kann eine Presse, der es selbst um Meinungsmacht und -mache geht, natürlich nicht teilen. Besonders läppisch kanzelt SPON, die BILD-Tochter des SPIEGEL, die Kritikerin ab:

Wie kann jemand, der die Regierungschefin in Grund und Boden schreibt, kein tiefergehendes Problem mit ihr haben? Die Frage steht im Raum, sie wird gestellt, immer wieder. „Es gibt keine Fehde, es gibt sie nicht!“, bricht es irgendwann aus Höhler heraus.

Auch ein Versuch des Moderators nach Verständigung geht daneben. Viele Anwesende seien interessiert am Verhältnis der Autorin zur Kanzlerin. Es sei schließlich „nicht gerade ein lobhudelndes Buch“ entstanden. Da erstarrt Höhlers Gesicht. „Ich wollte über das Buch referieren und hatte gerade damit begonnen“, sagt sie mit eisiger Stimme. Der Moderator schweigt erstmal.

[…]

Die Berichterstatterin meldet sich noch einmal: Ob Höhler das wirklich so gemeint habe, dass Ostdeutsche generell leidenschaftslos seien?

Höhler sagt, sie könne sich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben. Dabei fiel der Satz vor 20 Minuten, alle haben ihn mitgeschrieben: Merkel besitze „eine Coolness, eine Wertneutralität, eine Leidenschaftslosigkeit, die vielen Westbürgern fremd war“. Aber nein, daraus eine Ost-Legende zu generieren, das sei weit hergeholt, meint Höhler, und hat einen kühlen Rat parat: „Lesen Sie doch einfach das Buch.“

Mit Material von dpa und dapd

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-patin-gertrud-hoehler-stellt-ihr-buch-ueber-angela-merkel-vor-a-851709.html

Ja, so ist das wirklich, Journalisten haben keine Zeit, Bücher zu lesen, und verdrehen Interviewten gern das Wort im Munde, so viel Boulevard muß sein – da hat die SPON-Autorin mit ihrem Bericht von der Pressekonferenz, die eher einem suggestiven Verhör voreingenommener Staatsanwälte glich, ein perfektes Eigentor geschossen; und so durfte auch der Merkel-Biograph Gerd Langguth bei SPON den originellen Einwand gegen die Autorin erheben, daß die Medien ihr immerfort den Titel ›Kanzlerberaterin‹ beilegten, obwohl in den Archiven so gut wie nichts über eine entsprechende Tätigkeit für Helmut Kohl zu finden sei…

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gertrud-hoehler-zweifel-an-ihrer-taetigkeit-als-kohls-kanzlerberaterin-a-851820.html

Diese substanzlose Attacke erstaunt umso mehr, als Langguth schon im Jahr 2005, noch vor der Kanzlerschaft Angela Merkels, zu vergleichbaren Ergebnissen über Angela Merkel und ihren Weg an die Macht gekommen war:

Angela Merkel strebt nach Macht, bekennt sich dazu, lässt aber die Frage: „Macht, wozu?“ unbeantwortet. Auch für diese Zurückhaltung, sich festzulegen, klar Position zu beziehen, findet Langguth Erklärungen in ihrer Biografie. Sie habe als Teil der Gefahrenabwehr in einer Diktatur gelernt, nie zu offenbaren, was sie wirklich denkt. Sie könne daran allerdings auch scheitern, wenn es ihr nicht gelinge, sich ein tragfähiges Netzwerk an guten Freunden oder Vertrauten zu schaffen.

[…]

In wieweit Angela Merkel das Christdemokratische oder Konservative in der CDU verkörpere, beantwortet Gerd Langguth so:

Langguth: Dies ist eine generelle Frage: Was ist eigentlich heute in einer Zeit der Säkularisierung noch typisch christdemokratisch oder typisch sozialdemokratisch. Sie entspricht in ihren politischen Grundüberzeugungen eigentlich sogar sehr viel stärker dem normalen Typus des Wechselwählers, der auch in vielen Punkten gar nicht so sehr festgelegt ist. Sie kann sehr schnell, wenn es sein muss, inhaltlich die Positionen wechseln. Sie ist unideologisch und sie ist pragmatisch. Das ist ein Vorteil, aber auch ein Nachteil zugleich. Denn natürlich muss sie auch als Parteivorsitzende einer christlich-demokratischen Partei dieser ein prägnantes christlich-demokratisches Profil geben.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesbuch/389027/

Gertrud Höhler bestätigt demnach nur, wie zutreffend seine damaligen Einschätzungen waren – das sieben Jahre später vorliegende Beweismaterial ist schließlich erdrückend. War der Politik-Professor eventuell neidisch auf die Literatur-Professorin, die sich so blendend artikulieren kann? Brillanter als ein dröger Politikwissenschaftler? Man wird ja wohl noch fragen dürfen.

Den vorläufigen Höhepunkt in der Kanzlerin-Verteidigungsschlacht der Presse lieferte bislang allerdings der öffentlich-rechtliche Rundfunk ab, was zwar nicht weiter erstaunt angesichts der parteipolitischen Einflußnahme auf die Sender, die sich der Macht gern gefällig zeigen. Aber die Mischung aus Larmoyanz, Hochmut und Drohung, die den offenen Brief von Armin Conrad an Frau Höhler vom 23.8.2012 auszeichnet, übersteigt dann doch das Vorstellungsvermögen des gebührenzahlenden Zuschauers, der das ZDF/3sat-Kulturfernsehen bislang für unverdächtig hielt, mit boulevardesken Überrumpelungsmanövern zu arbeiten.

Das hier war laut ZDF/3sat geschehen (und es muß ja stimmen, wenn es fettgedruckt auf dem Sender-Blog steht):

Die Publizistin und Literaturwissenschaftlerin Professor Gertrud Höhler hat am 22. August 2012 unmittelbar vor einem Schalt-Interview mit Kulturzeit-Moderatorin Cécile Schortmann das zugeschaltete Studio in Berlin verlassen, nachdem sie die Fragen, die wir ihr stellen wollten, angefordert und zu lesen bekommen hatte. Kulturzeit-Redaktionsleiter Armin Conrad hat dazu einen Brief an Frau Professor Dr. Höhler verfasst.

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Aber vielleicht ist es auch nicht so geschehen – denn am 24.8.2012 hat sich Claudia Cornelsen, Autorin und PR-Beraterin, zu Wort gemeldet und erklärt, daß Frau Höhler die ihr zu stellenden Fragen keineswegs angefordert habe. Ihr Kommentar ist bislang nicht kommentiert worden, was tief blicken läßt.

Armin Conrad tritt dennoch nach, allerdings ins Leere, denn Frau Höhler, so Cornelsen, verfügt über keinen Internetanschluß – ja, sowas gibt’s auch noch.

Hochverehrte Frau Professor Dr. Höhler, …

… jetzt ist das mit Ihnen für gestern vereinbarte Interview doch nicht zustande gekommen. Wir haben die Empörung auf Ihrem Gesicht mit angesehen, die Sie bei der Lektüre unserer Ihnen freundlicherweise vorher zur Verfügung gestellten Fragen empfunden haben. Uns sind nach Ihrem fulminanten Artikel in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 3. August 2012 leider keine besseren Fragen eingefallen. Das Problem war wohl, wofür wir eigentlich nichts können, dass Ihr sicherlich ebenso fulminantes Buch “Die Patin” erst morgen, am Freitag, den 24. August, erscheint und uns Ihr Verlag bis gestern leider keine Fahnen zur Verfügung stellen konnte. Das ist ja das Dilemma: Dass man zu einem gescheiten Buch, das man nicht gelesen hat, keine gescheiten Fragen stellen kann. Und das ist gerade bezogen auf Ihre sicher sehr edlen Gedanken besonders schlimm.

[…]

Wir wissen, dass es auch andere Wege gibt, einem Interview die gewünschte intellektuelle Harmonie zu geben. Niedersachsens Ministerpräsident hat sich die Fragen, die man an ihn haben sollte, gleich selbst gestellt, sie beantwortet und dann das fertige Produkt an die Medien geschickt. Vielleicht ist da ja ein Modell, wenn Sie Ihr nächstes Buch schreiben.

[…]

Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind wir ja gehalten, mit den uns anvertrauten Gebührengeldern sparsam umzugehen. Das haben wir gestern nicht einlösen können. Aber seien Sie versichert: Wir haben den Reflex, Ihnen wegen Nichteinhaltung getroffener Absprachen eine Rechnung über die uns entstandenen Aufwendungen zuzusenden, sofort unterdrückt.

Es bedarf sicher keiner Erwähnung mehr, dass wir künftig auf jede Mitwirkung Ihrer Person in unserer Sendung verzichten werden. Es ist gut zu wissen, dass das deutsche Fernsehen,  in dessen Gesprächsformaten Sie ja seit Jahrzehnten zu Hause und dabei hoch angesehen sind, Ihnen genügend andere Gelegenheiten gibt, sich darzustellen. Hoffentlich werden dort die der Qualität Ihrer Gedanken angemessenen Fragen gestellt.

[…]

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

In einer Antwort auf einen kritischen Kommentar hat Conrad am 23.8.2012 weiter ausgeführt:

 […]

Frau Höhler ist Fernsehprofi durch und durch. Sie kann über die Formulierung von Fragen bei diesem aufgezeichneten (!) Gespräch mit der Fragerin streiten. Sie kann auch vorher schon abgesagt haben. Frau Höhler hat jedoch wortlos bis vor sich hin schimpfend, ohne mit der Redaktion, die sie eingeladen hat, den Raum verlassen. Die Gefährdung der eine Stunde später stattfindenden Sendung folgte auf dem Fuße. Beitrag neu gestalten, Ablauf umstricken, neue Stellproben, Bilder neu laden. und das alles weitgehend in die Tarifpause der Kollegen im Studiobetrieb hinein. Aus ihrer Axiomatik heraus hat sie sicher die richtige Entscheidung getroffen, aber eben nur daraus. Hoffentlich ist sie zufrieden mit ihrer Entscheidung, dann muss man darüber nicht mehr soviel reden. Würden Sie denn jemanden wieder einladen, der Ihnen abrupt Ihre Arbeitsergebnisse gefährdet. Nicht nur die zu diesem Thema. Beste Grüße, Armin Conrad

[3sat] Armin Conrad | 23. August 2012 | 17:19 |

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Eine Direktverlinkung auf den Kommentar ist leider nicht möglich. Fein, wie sehr der Herr Conrad die effektive Verwendung unserer Gebühren im Auge hat, wie sehr ihm die tariflichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter am Herzen liegen, und wie gründlich und zugleich flott in seiner Redaktion gearbeitet wird, die einer Autorin mit acht ächt kritischen Fragen zu Leibe rückt, ohne das betreffende Buch gelesen zu haben! Hach, wäre das toll gewesen, als erster schon am 22.8., vor Sperrfristablauf des erst am 24.8.2012 erscheinenden Buchs, berichten zu können. Und wie super sich das anfühlt, eine Autorin abzuwatschen und ihr für immer die Tür zu weisen; da sieht man doch gleich, wer die Macht hat und auf wen es im Literaturbetrieb ankommt: was sind denn schon Buchproduzenten gegenüber denjenigen, die Werbung für ihre Produkte machen, sei es durch Verriß & Attacke oder durch Lobhudelei? Was sind Schriften im Vergleich zu TV? Was wäre Kuhmilch ohne Molkereien?

Schon der Tonfall des düpierten Herrn Conrad ist entlarvend. Liest man dann, wie das Geschehen aus der unwidersprochenen Sicht der Betroffenen tatsächlich abgelaufen ist, wird einem flau angesichts der Methoden, die sowohl im Vorfeld als auch im Nachgang der gescheiterten Sendung von einem öffentlich-rechtlichen Sender angewandt wurden:

Claudia Cornelsen:

 […]

Im Unterschied zu Ihnen war ich live vor Ort dabei, als Frau Professor Höhler das ZDF-Studio der Sendung “Kulturzeit”(3SAT) empört verlassen hat. Ich kenne die Gründe und will Sie Ihnen gern erläutern. Es war fast so wie Sie es darstellen:
Der Redakteur Ralf Rättig hatte Frau Höhler – übrigens unaufgefordert – mit “herzlichen Grüßen” eine knappe Stunde vor der Aufzeichnung des Interviews die Fragen zugeschickt, die man ihr stellen wolle. Vier kurze sachliche Fragen, nämlich diese:
– Was kennzeichnet das System Merkel?
– Wohin steuert sie Deutschland? Gefahr für die Demokratie?
– Werterelativismus, ein Problem der CDU oder der Zeit?
– was unterscheidet das System Merkel vom System Kohl?
Als sie bereits verkabelt vor der Kamera saß, legte eine Studio-Mitarbeiterin Frau Höhler einen Zettel vor. Dies seien die Fragen, die man ihr stellen würde: Acht lange und sehr polemische Fragen, die Sie (bis auf die Korrektur der zahlreichen Grammatik- und Schreibfehler) sauber hier im Netz dokumentiert haben.
Sie müssen zugegeben, dass in Quantität und Qualität ein erheblicher Unterschied zwischen den zuerst vorgelegten Fragen und den tatsächlich beabsichtigten Fragen besteht. Allein die Masse der „echten“ Fragen übertrifft das Volumen dessen, was in einem (auf acht Minuten angesetzten) aufgezeichneten Gespräch, das später auf drei Minuten gekürzt gesendet werden soll, bewältigbar ist.
Ist das nicht seltsam? Warum sagen Sie erst A, dann B? Muss man da nicht misstrauisch werden? Wird da jemand bewusst auf eine falsche Fährte geführt? Wer mit Tricks versucht einen Gesprächspartner vor die Kamera zu locken – was führt der im Schilde?
Und bedenkt man nicht nur die Zahl der neuen Fragen, sondern auch ihre Tonart, dann muss man erheblich ins Grübeln kommen (wozu im Studio keine Minute Zeit war, weil bereits die Techniker die Geräte einschalteten):
Wie soll man mit den zahlreichen Unterstellungen, die Ihre langen Fragen enthalten, in der Kürze der Zeit umgehen? Um alles richtigzustellen, bräuchte es sehr viel länger: Nein, Frau Höhler wirft Frau Merkel NICHT unverblümt ihre DDR-Jugend vor. Nein, „autoritäres Schweigen“ ist NICHT dasselbe wie „Aussitzen“. Nein, das Buch ist KEINE persönliche Kampfansage gegen Frau Merkel. usw.
Wer im allerersten Fernsehinterview (Frau Höhler hatte Ihnen das Interview in Wertschätzung Ihrer Sendung zugesagt und zwar VOR allen anderen Fernsehsendern in Deutschland, die ebenfalls alle angefragt hatten, sich aber alle bis zum offiziellen Pressegespräch am Folgetag gedulden mussten) nicht ausschließlich als „Nein-Sagerin“ auftreten will, der MUSS an dieser Stelle aufstehen und das Gespräch abbrechen. Das ist das einzig richtige und angemessene. Ich habe Frau Höhler deswegen sehr zugeraten, das zu tun. Sie hat nur einmal “Nein” gesagt und das richtig.

[…]

PS: Frau Höhler hatten Sie gesagt, dass die Sendung erst am Freitag [24.8.2012] laufe und allein aus technischen Gründen vorab aufgezeichnet werden müsse. Dass Sie vorhatten, das Interview bereits am Mittwochabend [22.8.2012] zu senden, erfahre ich jetzt erst anhand Ihrer Kommentare zu den Blogkommentaren: „Die Gefährdung der eine Stunde später stattfindenden Sendung folgte auf dem Fuße. Beitrag neu gestalten, Ablauf umstricken, neue Stellproben, Bilder neu laden. und das alles weitgehend in die Tarifpause der Kollegen im Studiobetrieb hinein.“ – Sie Ärmster. Da wollten Sie still und heimlich die allseits beachtete Sperrfrist unterlaufen und jetzt kommt auch das noch raus…

Claudia Cornelsen | 24. August 2012 | 16:31 |

http://blog.zdf.de/3sat.Kulturtube/2012/08/23/hochverehrte-frau-professor-dr-hoehler/

Die geballte Arroganz der vermeintlichen Medienmacht hat es vermocht, dieses wichtige Buch in kürzester Frist auf einen Bestseller-Rang zu katapultieren (wie ja auch bereits – mal wieder – die überwiegend kritischen Leserkommentare zu den flachen Zickenkrieg-Artikeln unserer Qualitätsmedien andeuteten, deren Affinität zum ›System M‹ unverkennbar ist – es wird dort vermutlich ebenfalls praktiziert, anders läßt sich die Abwesenheit von klugen Köpfen einfach nicht mehr erklären). Bei AMAZON rangiert das Höhler-Werk heute unter Nr. 8 bei Büchern und als Nr. 1 in den Kategorien Politik/Geschichte nach Ländern bzw. Deutsche Politik.

Mephisto läßt grüßen…

10 Gedanken zu „Gertrud Höhlers Merkel-Kritik – ein Fall für den medialen Kanzlerin-Rettungsschirm

  1. Tja…..tztztztz….. liebe Kulturzeit – daran müsst Ihr vermutlich einfach noch arbeiten, wie man das richtig macht, das mit dem Angebot und dem Interview und Fragen, die man nicht ablehnen kann. Nett von Euch, dass Ihr uns die Fragen zu lesen gebt. DAS nenne ich einen geschickten Zug. Im Umgang mit dem Medium Medien. Und Autoren, die mit Thesen und Titeln und Vorwürfen an andere im Umgang mit der Demokratie verbal nicht kleinlich sind, aber mit sachlichen Fragen so ihre Sprachhürden bei den Antworten zeigen. Schweigend. Was – Schweigen ist ja eigentlich das Gesetz, das sonst unter Paten gilt, rischtisch? -beinahe schon wieder passend wäre ….

  2. In der Sendung von Günther Jauch zu den Thesen von Gertrud Höhler wurde Angela Merkel als „intelligent“ und „ehrlich“ bezeichnet, was nicht für einen tieferen Durchblick spricht. Denn diese beiden Eigenschaften schließen bei Frau Merkel einander aus. Das seinerzeitige Interview mit der WDR-Intendantin Monika Piel offenbarte zweifelsfrei, daß unsere Kanzlerin höchstens eines von beiden sein kann, also intelligent oder ehrlich, aber nicht beides zugleich, da sie als Physikerin auf die Frage, ob sie die Relativitätstheorie verstehe, behauptete, sie mal ganz gut verstanden zu haben, was objektiv nicht möglich ist. Wenn sie das also subjektiv wirklich glaubt, ist sie nicht intelligent, und im anderen Falle ist sie logischerweise nicht ehrlich. In Wahrheit ist diese längst falsifizierte Theorie nämlich überhaupt nicht zu verstehen, weil sie beispielsweise wegen der fehlenden Transitivität der zugrundeliegenden Lorentz-Transformation nicht konsistent ist. Man kann dieses Machwerk, wenn man nicht gerade auf den Kopf gefallen ist, also nur durchschauen!

    • Ja, ähm,

      also eigentlich kann ich mich zu Fragen der Physik nicht äußern, weil ich davon nichts verstehe – ich meine aber, daß zuletzt die eigentlich unverstehbare Einstein-Theorie bestätigt worden sei? Durch Cern-Experimente?

      Daß ein intelligenter Politiker niemals ehrlich ist, versteht sich von selbst, wenn man unter Ehrlichkeit ›die ganze Wahrheit‹ versteht. Da wird es immer Filter geben müssen, gerade wegen der medialen Beobachtung, die aus jedem kleinen Fauxpas einen Shitstorm kreiiert. Dazu kommt gleich was: denn Merkel taktiert und lügt, was wiederum eine ganz andere Qualität hat.

      Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie je mit Leib und Seele Physikerin war. Was hat sie all die Jahre getrieben in ihrer Akademie-Nische? Irgendetwas Nützliches? Irgendeine Erkenntnis gehabt? Oder war das gutbezahlte Langeweile, Bedeutungslosigkeit, Laborroutine, die sie nach der Wende bewog, nun endlich und ganz unbedingt Bedeutung zu erlangen, die ein unbedeutender Physiker zwangsläufig entbehren muß?

      Mit dem Job kann man ja nicht mal auf Parties was reißen… 😉

      • Die nicht verstehbare „Einstein-Theorie“, die letztlich gar nicht von Einstein stammt, wurde natürlich nie bestätigt, weder im CERN noch sonstwo. Das ist reine Propaganda. Im übrigen kann ja eine mathematisch falsifizierte Theorie durch noch so ausgeklügelte Experimente niemals mehr bestätigt werden!

  3. Liebe Frau Wolff,
    ja, ich stimme meiner Vorrednerin zu, wieder eine sehr präzise Zerlegung des Medien-Betriebs, vielmehr der Medien-Methoden, die ja immer mal wieder extrem durchtrieben und unfair sind.

    Zur Sache selbst bin ich allerdings anderer Meinung.
    Wenn jemand wie Frau Höhler, die ich in vielen Talkshows in den vergangenen Jahren als extrem konservativ bzw. neoliberal erlebt habe, jetzt auf einmal ihr politisches Gewissen entdeckt haben will und gegen Machtpolitik schreibt, dann fragt man sich natürlich schon, was da vorgefallen sein mag.

    Sie hat auf mich immer den Eindruck einer sehr willensstarken Frau gemacht, die sich ihre Position in der damaligen Männerwelt bestimmt nicht mit demokratischer Fairness erobert hat, und die eigentlich als erste wissen müßte, daß zum Machterhalt in einer Demokratie bestimmte Fähigkeiten gehören.

    So, wie ich unsere heutige Demokratie einschätze, wäre Frau Merkel schon lange nicht mehr Kanzlerin, wenn sie sich nicht genau dieses Regierungsstils befleißigt hätte, den Frau Höhler ihr vorwirft. Und wen hätten wir dann ? Man weiß es natürlich nicht, aber alle diese aufstrebenden Talente, die sie zum Machterhalt weggebissen haben soll (was ich sowieso nicht ganz glauben kann, einige haben sich ja selbst demontiert), sind Typen, die ich in der heutigen Krisenzeit nicht an der Macht sehen möchte.

    Ich persönlich fühle mich bei der „protestantischen Pfarrerstochter“ eben gut aufgehoben, und verzeihe ihr auch so manches, was ihr andere vorwerfen.

    Das wichtigste dabei sind mir die Eigenschaften, die wahrscheinlich von der protestantischen Pfarrerstochter-Erziehung herrühren, ihre absolute Uneitelkeit, ihre Unbestechlichkeit, und ihr Pragmatismus.

    • Liebe Stringa,

      natürlich habe ich mein Hauptaugenmerk auf die Rolle der Medien gerichtet – aber daß ich der Stephan- und Höhler-Kritik an Merkel (wenn auch auf gänzlich anderem politischen Standpunkt stehend) zustimme, ist offensichtlich!

      Ich greife mal die letztgenannten gerühmten Eigenschaften heraus.
      Uneitel – das mag, was ihre äußere Erscheinung angeht, zutreffen (andererseits find ich Eitelkeit in diesem Bereich auch nicht weiter schlimm). Aber ist nicht auch der eitel, der nach acht Jahren Macht, obwohl deren Ausübung ein Knochenjob ist, noch weitere vier Jahre davon haben will?
      Ich frage mich das, weil mir ein solches Amt wie ein Albtraum vorkommt, ich würde es darin keine Woche aushalten…

      Unbestechlich: glaube ich nicht. Wer sich mit treu ergebenen Ja-Sagern umgibt, populistisch agiert, indem er Mehrheitsmeinungen per Umfrage, Pressezuspruch oder aus dem eigenen Umfeld abwartet, um sich dann entschlossen an die Spitze der Bewegung zu stellen, der läßt sich durchaus bestechen – wenn auch nicht mit Geld.

      Pragmatisch: das ist wohl der Kern des Vorwurfs, daß sie nach Nützlichkeit und nicht nach Werten entscheidet. Was sagte sie über v.u.z. Guttenberg: »Ich habe ihn nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt.« – und verrät so, als Akademikerin, die Redlichkeit wissenschaftlicher Arbeit. Oder daß sie sich »freue«, daß Osama Bin Laden getötet worden sei – und verrät so christliche Grundwerte. Kaum mißfällt ihr ein Gerichtsurteil, entfleucht es ihr, daß sie es aber ›komisch‹ finde, wenn es in Deutschland keine Beschneidungen mehr geben würde, was denn da das Ausland sagen könnte: hat diese Äußerung irgendetwas mit Rechtsstaat und der Abwägung zwischen Grundrechten zu tun?

      • Nun ja, offensichtlich bewerten wir die Eigenschaften von Frau Merkel verschieden und können das auch ruhig so stehen lassen.

        Etwas möchte ich noch hinzufügen.
        Für das Funktionieren einer Gesellschaft ist m.E. eine gewissen Beständigkeit absolut wichtig, und diese Beständigkeit liefert sie eben schon dadurch, daß sie sich schon so lange an der Macht hält.
        Eine der weniger guten Eigenschaften von Demokratie ist ja leider die Unbeständigkeit und Hektik, mit der ständig neu regiert wird, und wie Sie selbst ja beklagen, die nächste Bild-Zeitungs-Schlagzeile kann die Politik beeinflussen.

        Ich glaube fest, daß unser relativ gutes Abschneiden in der derzeitigen Europa- und Finanzkrise auch (neben vielem anderen) der Tatsache geschuldet ist, daß wir schon so lange Frau Merkel an der Spitze haben.
        So etwas trägt einfach zur Beruhigung bei.

        Meine Oma hatte für solche Regierungsstrukturen einen Spruch parat: „Lieber ein satter Löwe als ein Rudel hungriger Hunde!“

        Ich gebe zu, daß dies nicht sehr demokratisch und schon gar nicht politisch korrekt klingt, aber es hat was, finden Sie nicht?

    • O, die habe ich freilich verpaßt, weil ich nach dem Tatort diesen Beitrag formatierte und postete, den ich vor dem Tatort verfaßt hatte: aber schön, daß sich langsam Widerstand gegen den medialen Mainstream regt – es ist ja schon seltsam, andererseits auch bezeichnend, daß man sich einer aus einer konservativen Ecke stammenden Kritik anschließen muß, deren Voraussetzungen man allerdings ganz und gar nicht teilen kann…

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