Gewalt, Kitas, Psychotrauma, Falschbeschuldigung – Klartext von Hans-Ludwig Kröber

Doch, doch, es gibt auch Positives, obwohl die Welt im Allgemeinen es einem nicht erspart, sich in unnützlichen Kommentaren medien-, ideologie- und justizkritisch zu Wort melden zu müssen. Und das Positive erschöpft sich nicht einmal in guten Büchern, Natur, Liebe zwischen den Menschen, der Wiederwahl von Obama oder auch nur in einem schönen, ruhigen, genußvollen Moment wie dem hier:

Was mich richtig positiv stimmt, sind Menschen, die von ihrem Fach und darüberhinaus vom Leben etwas verstehen, sich gegen irrationale modische Zeitgeist-Konstrukte wenden und Klartext reden. Dazu gehört für mich der forensische Psychiater Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber.

In einer medial hysterisierten Zeit, in der runde Tische gegen Schulhofraufereien gegründet und genderbewegt Kita-Erzieherinnen angeleitet werden, dem Machogehabe von vierjährigen Jungs zu Leibe zu rücken – all das bei objektiv sinkenden Zahlen an Gewaltkriminalität –, da ruft er in einem ZEIT-Essay in Erinnerung, daß Aggression und Gewalt bis hin zur Tötungshandlung zur menschlichen Natur gehören.

Töten ist menschlich

Wer mordet, ist nicht normal – glauben wir. Dabei liegt das Töten in unserer Natur. Wenn wir das akzeptieren, vermeiden wir Gewalt. Ein Essay

Down by the river I shot my baby. Dead, oh, shot her dead.

Neil Young

Jemanden getötet zu haben, kann in Verzweiflung stürzen, davon singt Neil Young. Jemandem unwiderruflich das Leben zu nehmen, davor muss auch dem Mörder schaudern. Auch für ihn führt kein Weg zurück. Youngs Lied gibt dem Täter eine Stimme und zeigt, dass er kein Herz aus Stein hat.

Können normale Menschen zum Mörder werden? Die meisten von uns sind zu derart extremen Zielsetzungen oder leidenschaftlichen Verwicklungen, in denen es um Liebe und Tod geht, nicht ohne Weiteres fähig. Werden wir sitzen gelassen, werden wir ohne Bedenken (wenn auch nicht ohne Klage) eben Singles oder Alleinerziehende. Selber zu töten interessiert uns nicht. Oder doch?

http://www.zeit.de/2012/42/Toeten-Mord-Psychologie-Kriminalistik/komplettansicht

Schon die Todesstrafenbefürworter, die sich vorstellen können, selbst Hand anzulegen, ist der zu Bestrafende nur übel genug, (Stichwort: ›Kinderschänder‹), sehnen sich laut Kröber nach einem Vorwand, um als Lynchmob tätig zu werden. Er reißt die große Perspektive auf: von den kranken Zeiten der Nazizeit und der Kriege, in denen Töten legitim wenn nicht gar ehrenvolles Heldentum war (und auch heute noch ist), und nur eine geringe Zahl der Akteure psychisch krank. Die Mörder sind nicht die anderen, sagt er – was im Grunde schon Goethe wußte. Wie überhaupt die gesamte Kultur, ob Märchen, Sage, Hochliteratur oder Entertainment, Gewalt thematisiert und verherrlicht.

Kröber:

Wir Deutschen sind heute aus tiefstem Herzen davon überzeugt: Du sollst nicht töten! Schon Kätzchen zu ertränken ist etwas Schlimmes. Das absichtliche Töten eines Menschen gilt erst recht als unmenschlich. Wir haben sehr hohe Hemmungen davor, und entsprechend selten kommt es vor. Der scheinbar naheliegende Umkehrschluss: Wer dennoch so etwas tut, ist nicht normal, muss verrückt sein oder schwer traumatisiert oder ein ideologisch verblendeter Fanatiker (Anarchist, Rassist, Islamist). Kaum einer kennt solche Täter persönlich, und so fällt es nicht sehr schwer, sich das Bild eines Täters nach Belieben zurechtzuschnitzen – bis die Polizei anrückt und mitteilt, der eigene Sohn werde wegen Totschlags gesucht.

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Er beklagt die verzerrte Wahrnehmung von Gewalt:

Gewaltanwendung wird von Rechtspolitikern derzeit zu einer unerklärlichen, neuartigen Bedrohung aufgeblasen, als lebten wir nicht im friedlichsten aller jemals existierenden Deutschländer.

[…]

Die allgegenwärtige Verdammung und Pathologisierung von Gewalt und Tötung kontrastiert eindrucksvoll mit dem erzieherischen und kulturellen Stellenwert von Gewalt.

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Zur medial seit einigen Jahren besonders herausgestellten Jugendgewalt hat er, der von der kulturell einzuhegenden natürlichen Aggressionsausstattung des Menschen ausgeht, einen vollkommen anderen Zugang als der populistische Mainstream in Gesellschaft und Politik:

Die typische Konstellation: Die Täter sind vier Jungs, ihnen gegenüber zwei von vorneherein unterlegene, stark alkoholisierte Opfer. Von den vier Tätern trägt einer echte Zerstörungswut in sich und psychische Probleme, gerade so einer ist oft der Anführer. Zwei sind eigentlich intakt, aber noch dabei, herauszufinden, wer sie eigentlich sein wollen, und der vierte Junge ist häufig mustergültig sozialisiert, aber auch interessiert, das »männliche Leben«, den Kampf zu erfahren. In der Schule haben die Lehrerinnen allen vieren erzählt: Gewalt ist überflüssig! Man kann – stattdessen – über alles reden. Das haben die Kindergärtnerinnen, und Mutti, auch schon gesagt. Doch die Jungs wissen längst: Frauengerede.

Gewalt konstituiert Macht, schon in der Schule. Der Gewalt kann ein Junge nicht immer ausweichen. Man kann nicht über alles reden, jedenfalls nicht nur. Um selbst eine gute Position im sozialen Spiel zu erreichen, um Stärke zu demonstrieren, muss man bereit sein zu kämpfen. Man muss lernen, zu widerstehen, sich durchzusetzen. Dies geht gemeinsam mit anderen meist besser als allein.

Bei Gewalt von jungen Männern geht es oft um Selbstbehauptung und zugleich um den Erwerb von Tugenden, die gelernt und geübt werden müssen: Mut, Tapferkeit, Loyalität zu anderen, eine gewisse Rücksichtslosigkeit (auch gegen sich selbst).

In der Hochkultur und in der Pädagogik aber werden die traditionellen Konzepte von Männlichkeit zu Sekundärtugenden degradiert: Mut, Tapferkeit, Stehvermögen, Wehrhaftigkeit, Stärke – was soll das? Wozu soll es gut sein? Die moderne »weiche« Pädagogik versucht den Kindern einzureden, dass Gewalt böse ist, dass man sie immer vermeiden muss. Dass man im Zweifel nicht zurückhauen, sondern bei Erwachsenen Hilfe suchen soll, die dann anstelle des Kindes alles regeln. Keine eigene Macht aufbauen (als jemand, der Respekt genießt oder einer Gruppe angehört, die Respekt genießt), sondern im Schlepptau von Starken (im schlimmsten Fall der Mutter) agieren – man begreift, dass dieses Konzept bei den Jungs im Kindergarten, im Schullandheim oder bei der Bundeswehr auf sehr wenig Begeisterung stößt.

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Das ist freilich ein Schlag ins Gesicht der verweiblichten Erziehungsinstanzen (alleinerziehende Mütter, Kita-Erzieherinnen und Lehrerinnen), daß da einer kommt, der von der menschlichen Psyche viel versteht und sie zur Abwechslung mal mit der Wahrheit konfrontiert: Aggression ist weder per se schlecht noch Gewalt ein zu therapierendes Übel. Es komme, so Kröber, vielmehr darauf an, Gewalt zu ächten und ihr entschlossen zu begegnen:

Das Wichtigste bei der Einhegung, Kanalisierung und Entschärfung von Gewalt ist ein sichtbares, eindeutiges und wirksames Auftreten der Repräsentanten staatlicher Gewalt. Ich meine damit Polizei und Strafjustiz. Mögliche Täter einzuschüchtern, indem der Öffentlichkeit die rasche Ergreifung und Bestrafung von Verbrechern nicht nur zugesichert, sondern garantiert wird, ist eine essenzielle Voraussetzung. Ein männlicher Umgang mit vor allem jugendlichen Tätern ist notwendig. Der Staat muss ihnen als Respektsperson entgegentreten. Und sie selbst dürfen nicht als schwach und belehrungsbedürftig behandelt werden, sondern als verantwortlich, stark und erfahren. Sie müssen spüren, dass man sie nicht zu Mädchen umerziehen möchte, sondern zu selbstdisziplinierten Männern.

Gerade Jungen aber müssen auch das Kämpfen lernen, den körperlichen Kampf, den geistigen Kampf, allein und in Mannschaften und – selbstverständlich – am Computer. Den eigenen Körper zu beherrschen ist ein lohnendes Ziel. In der Auseinandersetzung mit anderen die eigenen Gefühle zu beherrschen und Regeln einzuhalten ebenfalls. Die Regeln müssen von allen geteilt und getragen werden, Verstöße führen zu Auszeiten und Strafen. Trainierte Selbstdisziplin, auch und gerade wenn es wehtut und man wütend wird, ist ein Ausdruck der eigenen Stärke.

Junge Gewalttäter sind selten perspektivlos, aber ihre Lebensperspektive ist noch in Arbeit. Da kann man helfen, vielleicht auch dadurch, dass sich gestandene Männer als Vorbilder und Paten um solche Jungs kümmern. Nur wer nicht begreift, was Hanteltraining in diesem Alter bedeutet, wer keinen Sinn für die Lust hat, die Gewaltausübung bereiten kann, wer kein Gespür hat für die dahinterstehenden Selbstkonzepte von Jugendlichen und jungen Männern, der wird diese Täter als abnorm abstempeln. Er wird Gewalt tabuisieren, anstatt sie in »Power« zu verwandeln.

Also: Der Mörder ist in uns allen. Doch er wird erfolgreich domestiziert durch eine energische Pädagogik, machtvolle Vorbilder, einen entschiedenen Staat und eine Kultur, die Gewalt ablehnt und gesundes Durchsetzungsvermögen fördert. Dann wird die Zahl der Gewaltakte weiter zurückgehen. Natürlich nur, solange der Rechtsstaat stabil ist. Wollen wir hoffen, dass er es bleibt.

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Da legt er den Finger in die Wunde: denn die Generation vaterloser Söhne hat diese machtvollen Vorbilder nicht, die Gewaltausübung in selbstdisziplinierte Power verwandeln, die statt zerstörerischer Gewaltexzesse ein regelhaftes Kräftemessen generieren. Da müssen Paten her, um diese Lücke zu füllen. Box- und Kampfsport-Trainer, zupackende Typen, die nicht nur Respekt bekommen, sondern die verunsicherte pubertierende Jungen aus chancenlosen Schichten, die im weiblichen Universum Schule eh nur Störfaktoren sind, endlich auch einmal respektieren und anerkennen.

In einem Cicero-Interview über sein Buch: ›Mord. Geschichten aus der Wirklichkeit‹ – literarisch aufbereitete wahre Fälle, die à la Ferdinand von Schirach ohne Erklärungsgestus und moralische Distanzierungen auskommen – fegt er den ganzen ideologischen Qualm beiseite, der sich bleiern über die Frage von Kita-Ausbau und Betreuungsgeld gelegt hat. Berufstätigkeit der Frau als Akt der Emanzipation? Betreuungsgeld, das Frauen an den Herd fessele und zweijährigen Unterschichtkindern Bildungszugänge versperre? Wie irre muß eine Gesellschaft sein, die nicht einmal merkt, um was es eigentlich wirklich geht?

Im Anfang war der Mord

Interview mit Hans Ludwig Kröber 8. Oktober 2012

Wobei auch in Ihrem Buch verdächtig viele Mütter eine Rolle spielen…

Naja, in vier der neun Geschichten tauchen bedeutsame Mütter auf. Aber auch dort ereignet sich ein Zusammenspiel mit dem Eigenwillen des Täters und den lebensgeschichtlichen Zufällen. Gerade bei den dissozialen Straftätern spielen aus meiner Sicht abwesende Väter und ihr fehlendes Vorbild eine viel wichtigere Rolle. Was die Ausschaltung der Mütter anbetrifft, schickt sich Deutschland ja demnächst an, ein Massenexperiment durchzuführen, wenn die Kinder alle schon mit einem Jahr in die Kita müssen und dann von ehemaligen Hartz-4 Empfängern in die Mehrsprachigkeit eingeführt werden…

Sie sind ein Kita-Skeptiker?

Ehrlich gesagt, ich finde die ganze Diskussion entsetzlich. Die Idee ist doch knallhart darauf ausgerichtet, Frauen so schnell und pausenlos wie möglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Es gibt keine andere vernünftige Begründung. Dass man auf diese Weise einjährige Kinder aus bildungsfernen Schichten frühzeitig in den Bildungsprozess einbezieht – das halte ich wirklich für Schrott. Inzwischen belegen empirische Untersuchungen, dass die fitten Kinder die frühe Fremdbetreuung mit wechselnden Personen gut überstehen, während gerade die anfälligen, entwicklungsbehinderten Kinder dort gleich wieder vernachlässigt werden, weil sie den Erzieherinnen keinen Spaß machen und nichts zurückgeben. Und wenn man erklärt, man müsse türkischen Müttern ihre Kinder möglichst bald wegnehmen, ist das nicht schlichter Rassismus?

http://www.cicero.de/salon/im-anfang-war-der-mord/52121

Solche Worte der Vernunft reißen vernagelte Fenster nebst Fensterläden auf, sorgen für Frischluft, enttarnen Ideologien als das, was sie sind: als Bevormundung, Herabsetzung und objektiv allein der Wirtschaft dienlich, die per Niedriglohnsektor und Leiharbeit von der Vermehrung der Arbeitsuchenden profitiert und zugleich den Zwang zum doppelverdienenden Paar erst hervorruft. Kröber spricht auch, und wer traut sich das überhaupt noch, von den Schäden, die die Ökonomisierung aller Lebensbereiche verursacht:

Das besorgt Sie als Kriminalpsychiater?

Naja, für uns ist das insofern ein sehr reales Problem, als wir es relativ viel mit ehemaligen Heimkindern zu tun bekommen. Bei denen war es schon Zuhause chaotisch, meist alleinerziehende Mütter mit wechselnden Partnern, was schon schwierig genug ist, aber in Heimen geht das Kind dann unter in der Anonymität, es verliert seinen Namen und seine Individualität. Es kann sich eigentlich nur Respekt und Aufmerksamkeit verschaffen, in dem es sich durchschlägt und den dicken Larry macht. Oft genug endet das in Kriminalität. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das in den Kitas ganz anders ist. Wenn man sich mal anschaut, was da wirklich los ist, stellt man fest, wie überidealisiert das immer beschrieben wird. Kleinkinder benötigen nicht viele Beziehungen, sondern enge und gute.

http://www.cicero.de/salon/im-anfang-war-der-mord/52121?seite=2

Zu ähnlich klaren Worten der Vernunft findet er gegen Ideologen und Erfinder von Modekrankheiten in seinem eigenen Fachbereich.

Das einstmals seriöse Fach der Psychotraumatologie, das sich mit KZ-Überlebenden, Folteropfern und Kriegsteilnehmern befaßte, ist durch die ständige lukrative Ausweitung seiner Zuständigkeit, insbesondere durch feministischen Einfluß, in eine Beliebigkeit abgesunken, die wissenschaftlichen Standards nicht mehr genügt. Opferempathie geht vor: und so behaupten Trauma-Therapeuten, daß (jedenfalls beim Erleben von Sexualstraftaten) Wahrnehmung oder Wiedergabe der Tat gestört sein könnten, was Widersprüche und Erinnerungslücken in ›Opferaussagen‹ nicht nur erklärbar mache, sondern das behauptete traumatische Ereignis geradezu belege. Hierbei handelt es sich nicht nur um einen Zirkelschluß, sondern um einen Verstoß gegen die klassischen Erkenntnisse der Psychotraumatologie: bei den durch unzählige Triggern auslösbaren gefürchteten Flashbacks wird gerade die tief eingebrannte scharfe Erinnerung an das auslösende Ereignis reproduziert, in der Regel mit allen ursprünglich begleitenden Emotionen.

Im Kachelmann-Verfahren hat Hans-Ludwig Kröber den Versuch des von der Staatsanwaltschaft ›angestifteten‹ Therapeuten der  Nebenklägerin, die aussagepsychologisch bereits als nicht erlebnisbasiert verworfene Aussage seiner Klientin zu retten, in der ihm eigenen Mischung aus Brillanz und Klartext, für jeden verständlich, pulverisiert. Kein Wunder, daß der auf Seiten der Staatsanwaltschaft agierende FOCUS sein Gutachten als ›Versuchte Hinrichtung‹ des Kollegen bezeichnete:

http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-versuchte-hinrichtung_aid_553526.html

Womit er freilich noch untertrieb. Tatsächlich war es eine intellektuell überzeugende vollendete Hinrichtung – und es ist zu hoffen, daß die unfundierten Angriffe der Psychotraumatologie auf die Aussagepsychologie damit ihr Ende gefunden haben.

Der BGH hat sich jedenfalls in einer Entscheidung vom 27. Oktober 2010 (5 StR 319/10), in der er die Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Urteil des Landgerichts Berlin wegen besonders schwerer Vergewaltigung verwarf, eindeutig positioniert.

Die belastende Aussage der Zeugin war von Lügen im Randbereich, allergrößten Unwahrscheinlichkeiten, erheblichen Erinnerungslücken, inkonstanten Angaben und einem Falschbelastungsmotiv (sie mußte ihrem Freund erklären, warum sie ihm auf mehrfaches Klingeln an ihrer Wohnung nicht geöffnet hatte) geprägt. Der hatte sie zudem gedrängt, ihre Horrorstory auch der Polizei zu übermitteln. Zudem hatte der Angeklagte, den sie explizit in seinen Avancen ermutigt hatte, ihr zuvor eine Waschmaschine und ein Handy gekauft. Diesen Aufwand hatte er zurückgefordert, als er während des Aufenthalts in der Wohnung der Frau herausbekam, daß sie einen Freund hatte. Trotz zeitnaher Untersuchung des angeblichen ›Tatorts‹ gab es nicht die geringsten Spuren, die ihre Angaben stützen konnten.

Der Versuch der Staatsanwaltschaft Berlin, den Freispruch wegen unzulänglicher Erörterung einer gravierenden Vorstrafe des Angeklagten zu kippen, schlug fehl – insofern hätten im Fall Kachelmann auch negative Äußerungen enttäuschter Geliebten nichts gebracht –:

a) Das Landgericht hat den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Umfang der Darlegungspflicht entscheidungsrelevanter Umstände nicht missachtet (vgl. BGHSt 52, 314, 315; BGH NStZ 2010, 529).

Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich der Persönlichkeit und des Werdegangs des Angeklagten, einschließlich seiner Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1994 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren nebst den hierzu festgestellten Begleitumständen. Der Senat entnimmt den wertenden Betrachtungen des Landgerichts UA S. 16 f., 28, in die es den Angaben der Nebenklägerin widersprechende objektive Beweisanzeichen ersichtlich einbezogen hat, dass auf die Angaben der Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten schlechterdings nicht gestützt werden könne. Bei einem schon hierdurch unaufklärbaren Tatgeschehen hätten die von der Revision vermissten Darlegungen keine maßgebliche Stärkung von Belastungsindizien begründen können. Daher liegt keine sachlichrechtlich relevante Erörterungslücke zugunsten des Angeklagten vor.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=6b1f413249aea8854fc1171a1148d102&nr=53962&pos=0&anz=1

Übersetzt: da mag es sich auch um einen verurteilten Mörder handeln: wenn die belastende Aussage unzulänglich ist, kommt es darauf nicht an.

Entscheidend ist allerdings eine andere Passage. Denn die Staatsanwaltschaft versuchte, die desaströse Aussage der Belastungszeugin durch eine psychotraumatische Belastungsstörung zu erklären. Hierzu führte der 5. Strafsenat aus:

b) Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts den sachlichrechtlichen Anforderungen stand (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).

aa) Soweit dem Revisionsvortrag zu entnehmen ist, die posttraumatische Belastungsstörung der Nebenklägerin sei insofern lückenhaft erörtert worden, als diese nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden sei, wird keine relevante Lücke dargelegt. Mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der psychologischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurteilung (vgl. Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer 2002, S. 69, 70) kann die Beweiswürdigung des Landgerichts nämlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht übergangen haben. Das Landgericht hat zudem wesentliche Mängel schon in den Widersprüchlichkeiten der Aussagen unmittelbar nach der Tat, die nach dem Revisionsvortrag von der Traumatisierung unbeeinflusst geblieben wären, festgestellt und auf mit keinem Trauma in Zusammenhang stehende bewusst unwahr geschilderte Umstände abgestellt.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=6b1f413249aea8854fc1171a1148d102&nr=53962&pos=0&anz=1

Mit diesem Urteil, das nach Hans-Ludwig Kröbers Gutachten im Kachelmann-Verfahren ergangen ist, hat der BGH die Thesen der Psychotraumatologie, wonach defizitäre Aussagen auf die spezifische Wahrnehmung und Verarbeitung des Psychotraumas zurückzuführen zu seien, weshalb die üblichen aussagepsychologischen Kriterien nicht anwendbar seien, als unwissenschaftlich zurückgewiesen.

Dieses Urteil, das Kröbers Gutachten glänzend bestätigte, muß ein Schlag für Mannheim gewesen sein, genau wie jenes, das der 5. Strafsenat ebenfalls noch während des laufenden Verfahrens, am 25.1.2011 (5 StR 418/10), fällte. Mit diesem Urteil wurde ein Urteil des Landgerichts Neuruppin aufgehoben, mit dem ein unbescholtener Großvater wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, Vergewaltigung einer Jugendlichen u.a. zum Nachteil seiner Enkelin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war.

Die absolut widersprüchlichen und inkonstanten Angaben der Enkelin waren von einer inkompetenten, affirmativ tätigen aussagepsychologischen Sachverständigen als glaubhaft ›zurechterklärt‹ worden – diese der Logik widersprechenden Erklärungen wurden vom BGH zerlegt. Entscheidend für die Aufhebung war allerdings ein Therapeut der jungen Frau, der ihr, wie im Kachelmann-Verfahren, als sachverständiger Zeuge ein psychotraumatisches Belastungssyndrom aufgrund der behaupteten Taten attestierte, dabei aber Anzeichen übersah, die eine ganz andere psychiatrische Diagnose nahelegten – hier war der BGH durch die von Schwenn im Wiederaufnahmeverfahren gewonnenen Osnabrücker Fälle sensibilisiert:

c) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, den von dem sachverständigen Zeugen erst in der Hauptverhandlung bekundeten Umstand der Selbstverletzungen der Nebenklägerin auf einen möglichen Zusammenhang mit einer etwaigen psychischen Störung der Nebenklägerin hin zu untersuchen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 2010, – 2 StR 185/10). Zwar gibt es weder den Erfahrungssatz, dass selbstverletzendes Verhalten typische Folge eines erlittenen Missbrauchs ist (vgl. Schwenn, StV 2010, 705, 710), noch denjenigen, dass es sich dabei regelmäßig um den Ausdruck einer krankhaften seelischen Störung handelt. Auch dieser Aspekt wäre indes in den Blick zu nehmen gewesen, da Anlass für die Klärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Selbstverletzung und Persönlichkeitsstörung hätte bestehen können. (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 5 StR 127/2010).

Das Unterlassen solcher Prüfung lässt insbesondere auch besorgen, dass die von der Sachverständigen und dem sachverständigen Zeugen gestellte, vom Landgericht übernommene – und von diesem ersichtlich auch als die Glaubhaftigkeit der qualitätsgeminderten Aussage der Nebenklägerin steigernde Umstand herangezogene – Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auf einem Wertungsfehler beruhen kann. Auf geltend gemachte grundsätzliche Bedenken hinsichtlich einer zirkulären Argumentationsweise bei einer mit dieser Diagnose maßgeblich begründeten Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage kommt es bei dieser Sachlage nicht einmal an. Sie wäre indes für das weitere Verfahren zu bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 – 5 StR 319/10; Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, 2002, S. 69, 71).

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2011-1&Seite=1&nr=55272&pos=49&anz=264

Weil der Therapeut hier also die Warnzeichen übersah, die zur Diagnose einer Borderline-Störung hätten führen können wenn nicht müssen, er vielmehr aufgrund des unüberprüften Berichts der Klientin eine PTBS annahm, die wiederum die Aussagepsychologin und das Gericht unkritisch zur Annahme der Glaubhaftigkeit der ersichtlich unzulänglichen belastenden Aussage veranlaßte, wurde ein kranker alter Mann erstinstanzlich zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Dieser leichtfertigen, vermeintlich ›opferempathischen‹, Verfahrensweise aller Beteiligter hat der BGH, der Kröber und Schwenn damit wiederum bestätigte, einen Riegel vorgeschoben.

Der BGH ist dem ebenso wie Kröber zur Ratio verpflichteten Aussagepsychologen Prof. Dr. Max Steller, wie Kröber an der Charité Berlin tätig, gefolgt, nun schon zum zweiten Mal seit 1999 in Konsequenz der irregeleiteten Mißbrauchsaufdeckungen und der unsäglichen Prozesse, die aus ihnen resultierten. Steller fungiert in feministischen Kreisen zurecht als Gottseibeiuns all jener, die aus ideologischen Gründen an ubiquitären Mißbrauch glauben und die die Freisprüche im Montessori- und den Wormser Prozessen noch heute für Fehlurteile halten. Alice Schwarzer gehört selbstredend dazu – schließlich ist sie die irrationalste Person, die sich je als Medienfigur erschuf.

Der Workshop von Max Steller in Zürich führt in die Problematik, die alte wie die neue, kurz und knapp ein:

Forensisch-psychologische Glaubhaftigkeitsbegutachtung

Zum Realitätsgehalt der Aussagen von Opfer-Zeugen

Workshop beim 4. Intern. Symposium Forensische Psychiatrie, Zürich 24./25. Mai 2012 Prof. Dr. Max Steller Fachpsychologe für Rechtspsychologie BDP/DGPs

Professor für Forensische Psychologie a. D. am

Institut für Forensische Psychiatrie, Charité-Universitätsmedizin

Oranienburger Str. 285 (Haus 10), 13437 Berlin

Obwohl ich die komplette Lektüre der stichwortartigen, sehr gedrängten Darstellung empfehle, blende ich hier nur den letzten Flipchart ein, weil er das beleuchtet, was sowohl Kröber als auch Steller auszeichnet: die Verpflichtung auf die Ratio:

DOPPELTER „OPFER“SCHUTZ DURCH FORENSISCHE AUSSAGEPSYCHOLOGIE

Substanziierung des Realitätsgehalts von Opferaussagen und

Identifizierung von Falschaussagen

als gleichberechtigte Ziele.

Plädoyer für rationale Problemlösung in einem emotionalisierten Feld!

http://www.fotres.ch/index.cfm?action=act_getfile&doc_id=100696

Ja, das ist auch mein Ideal.

Hans-Ludwig Kröber denkt und verhält sich rational: anders kann man eine auf Wahrheit beruhende Gerechtigkeit auch nicht angehen. Im Kachelmann-Verfahren hat er sich strikt auf den begrenzten Auftrag beschränkt, als Psychiater die Aussagetüchtigkeit (also die Fähigkeit, Realität wahrzunehmen und zu reproduzieren) der Nebenklägerin zu untersuchen, die zwar von der Aussagepsychologin Prof. Dr. Luise Greuel bejaht, von ihrem Therapeuten aber wegen einer PTBS verneint worden war. Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage hätten seinen engen Untersuchungsauftrag überschritten, und bei Überschreitung dieses Auftrags droht ein Befangenheitsantrag. Also beschränkte er sich im Verfahren darauf, die Diagnose PTBS zu verneinen, dem Therapeuten schwerwiegende Vorwürfe wegen Diagnose und Therapie zu machen, da er mangels Distanz die manipulative Potenz der Klientin nicht wahrnehme, und der Nebenklägerin volle Aussagetüchtigkeit zu bescheinigen.

Das war ein rationales Verhalten, das allerdings der totalen Selbstverleugnung bedurfte. Das aber insbesondere in Mannheim angebracht war, wo der Weltklasse-Gerichtsmediziner Prof. Dr. Brinkmann wegen angeblicher Befangenheit abgelehnt wurde, weil seine Gutachten zugunsten des Angeklagten ausgefallen waren, Befangenheitsanträge gegen Mattern und Greuel, die ihre Gutachtenaufträge zulasten des Angeklagten auf peinliche Art und Weise überschritten, indes abgelehnt wurden.

Nach Abschluß des Verfahrens ist Hans-Ludwig Kröber so frei, seinen Gutachtenauftrag zu überschreiten. Und er ist wie immer rational und daher ohne Furcht vor den Attacken, die feministische Kreise und die wegen der p.c. einknickenden Mainstream-Medien zwangsläufig lostreten müssen, wenn sie sich nicht lieber in Totschweigen ergehen, was ja eine ebenso effektive Maßnahme ist. Schließlich geht es um Falschbeschuldigung durch eine Frau, die es weder statistisch noch moralisch geben darf.

Jetzt hat er sich als Insider geäußert – und anders hätte er sich, rationale Persönlichkeit, die er ist, gar nicht äußern können:

Schwierige Fälle

Prof. Hans-Ludwig Kröber

Gerichtspsychiater, muss Schwerverbrecher beurteilen

Sendung vom Freitag, 9.11. | 10.00 Uhr | SWR1 Baden-Württemberg

Warum werden Menschen zu Mördern, steckt in jedem eine Bestie? Prof. Hans-Ludwig Kröber versucht herauszufinden, was hinter den Taten steckt. Er muss auch als Gutachter vor Gericht beurteilen, ob von einem Straftäter weiterhin Gefahr ausgeht, oder ob er nach Verbüßung seiner Strafe in Sicherungsverwahrung bleiben muss. Kröber ist Psychiater und Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie an der Berliner Charité.

http://www.swr.de/swr1/bw/programm/leute/-/id=1895042/nid=1895042/did=10479420/1de8pgf/index.html

Leute, SWR 1, ab Minute 17:33:

http://www.swr.de/swr1/bw/programm/leute/-/id=1895042/sdpgid=731823/nid=1895042/did=10479420/1f1245r/index.html

Klartext zum Kachelmann-Verfahren: Kröber sagte, daß Frau D. fit, intelligent und aussagetüchtig war und genau wußte, was sie sagte – das Problem an der Aussage sei vielmehr, daß sie mit den Indizien und der Spurenlage nicht zu vereinbaren gewesen sei. Und natürlich sei er der Auffassung – die sei tatsächlich vorgetragen worden! – entgegengetreten, daß eine vergewaltigte Frau über die Tat nicht berichten könne. Auf die direkte Frage, ob Frau D. gelogen habe, sagte er, daß sie seiner Meinung nach an der entscheidenden Stelle gelogen habe, und nach der gerichtlichen Vernehmung dieser Zeugin sei es allen Beteiligten klar gewesen, daß sie an verschiedensten Stellen gelogen, dabei aber einen bestimmten Kurs gefahren habe. Er habe eigentlich erwartet, daß das Gericht danach auf die Nebenklagevertretung zugehen würde mit dem Vorschlag, das Verfahren hier abzubrechen, das sei klar eine Fehlbeschuldigung, der man nicht folgen könne…
Aber das Gericht habe mit einer »kurpfälzischen Trotzigkeit« weitergemacht, weil es sich von »Auswärtigen« nicht den Lauf der Dinge habe vorschreiben lassen, womit er eher RA Schwenn als sich selber meinte.

Im Oktober 2010 also war die Sache schon klar – und nicht im Sinne eines in dubio pro reo, sondern einer erwiesenen Unschuld des Angeklagten wegen Falschbeschuldigung.

Wie ich schon sagte. Die Welt, hier speziell die Mannheimer Justiz, zwingt einen zu unnützlichen Kommentaren. Aber die Ratio und die Wahrheit erhellen doch manchmal blitzartig das rabenschwarze bis dunkelgraue Universum. Daß sich dieses Licht fortpflanze, ist mehr als nur Hoffnung. Es kann gar nicht mehr erlöschen. Da fügt sich ein Puzzlestück zum nächsten.

Update (12.11.2012):

Hans-Ludwig Kröber hat Verstärkung gewonnen – es gibt einen weiteren ideologiefreien Blick auf das emanzipatorisch verbrämte Vorhaben, Kinder frühestmöglich mehrheitlich in staatliche Kitas zu stecken. Der dänische Familientherapeut und Autor Jesper Juul hat eine Streitschrift mit dem Titel: ›Wem gehören unsere Kinder. Dem Staat, den Eltern oder sich selbst?‹ verfaßt, die in dieser Woche im Beltz Verlag, Weinheim, erscheint. Im aktuellen SPIEGEL 46/2012 von heute befindet sich ein Vorabdruck (S. 50 – 51)

Schluss mit dem Zickenkrieg!

Warum wir so heftig über die Kinderbetreuung streiten – und so wenig darüber wissen.

Von Jesper Juul

Politisches Ziel der EU und anderer politischer Organisationen wie etwa der OECD ist es heute, so viele Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren wie möglich in Tageseinrichtungen unterzubringen, was für mich einer Zwangsmaßnahme gleichkommt und mit demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun hat.

Die Argumentation ist eindeutig, die Absicht leicht zu durchschauen: Es geht um das politische Interesse des jeweiligen Landes, ökonomisch mit anderen Ländern Schritt zu halten und konkurrieren zu können. Weshalb es notwendig sei, dass Eltern bereits kurze Zeit nach der Geburt wieder produktiv arbeiten können und wir deshlab die Kinderbetreuung am besten gleich in eine fünfjährige Vorschulzeit umwandeln.

Er erinnert an die schlechten historischen Erfahrungen mit »Kindern im Staatsbesitz«, weist darauf hin, daß die qualitative Ausstattung von Kitas, auf die es ankomme, von der Haushaltslage abhänge und in der Entscheidungsgewalt von Politikern und Bürokraten liege, die sich für Kinder nicht interessieren. Entsprechend fehlt es an wissenschaftlichen Forschungen:

Es gibt unzählig viele Studien darüber, was die Betreuungseinrichtungen Gutes tun, und in letzter Zeit auch die eine oder andere Studie darüber, wo sie gescheitert sind. Aber es hat nie eine große Vergleichsuntersuchung gegeben, die, sagen wir, 20 000 Kinder aus beiden Gruppen [familiäre und institutionalisierte Betreuung] miteinander vergleicht. Die europäischen Länder, die zurzeit dabei sind, Millionen Kinder aus der familiären Betreuung in staatliche oder private Einrichtungen zu überführen, würden uns allen einen großen Dienst erweisen, wenn sie so schnell wie möglich diese Art von Studien in die Wege leiteten.

Und er appelliert dringend an die Mütter, sich nicht gegenseitig zu zerfleischen:

Weil uns das Wohl und die Zukunft unserer Kinder so sehr am Herzen liegen, wird die Debatte über die Kindertagesbetreuung oft schnell emotional. Vor allem Mütter verteidigen die Wahl ihrer Entscheidung, indem sie die Meinung der andersdenkenden Mütter abwerten. […] Ich möchte diese Frauen lediglich darauf hinweisen, dass sie vordergründig zwar zum Wohle ihres Kindes kämpfen, in Wirklichkeit aber schlechte Vorbilder sind, weil sie die Anderdenkenden bekriegen und behaupten, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein. […] Eure qualifizierte Stimme ist von großer Bedeutung in dieser Debatte. Aber solange ihr diesen Zickenkrieg zulasst, wird es den Politikern ein Leichtes sein, auf einem Ohr taub zu sein und ihre Beschlüsse durchzubringen.

Denjenigen von euch, die sich für eine Kinderbetreuung in einer Tageseinrichtung entscheiden, möchte ich empfehlen, sich in der Zusammenarbeit mit den Erziehern und den anderen Eltern mit so viel Herz und Gefühl wie möglich zu engagieren. Die Qualität der Kinderbetreuung ist zu wichtig, um sie allein den Politikern und Erziehern zu überlassen. Und ihr, die ihr das Privileg habt, eure Kinder zu Hause zu betreuen, wägt eure Beiträge in dieser Debatte sorgfältig ab, sonst werden sie als ideologisch, arrogant oder unwissend abgetan.

Zum Unfug des Betreuungsgelds, das nicht die geringsten Anreize und Steuerungseffekte auslöst, hatte ich ja auch schon meinen Senf gegeben:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2012/07/03/betreuungsgeld-zwischen-hammelsprung-und-bockmist/

Was Jürgen Trittin am 9.11.2012 zu diesem Thema im Bundestag absonderte, knüpft nahtlos an die Sinnfreiheit der gesamten Veranstaltung an. An der deutschen Debatte beteiligen sich nun leider nicht nur Mütter, sondern auch kinderlose Karrierefrauen, die zwar der Vereinbarkeit von Beruf und Familie das Wort reden, insgeheim aber die Kinderkriegerei als selbstverschuldete Unmündigkeit betrachten. Und eben auch männliche Oberfeministen, deren Beiträge schon deshalb ›ideologisch, arrogant oder unwissend‹ daherkommen.

Michael Klein hat auf seinem Blog ›Kritische Wissenschaft‹ über den Horizont dieses Politikers eine ebenso vergnügliche wie auch ernsthafte Glosse verfaßt, die ich nur empfehlen kann:

Unsinn der Woche vom (nach eigenen Angaben) unbegabten Jürgen Trittin

November 11, 2012

http://sciencefiles.org/2012/11/11/unsinn-der-woche-vom-nach-eigenen-angaben-unbegabten-jurgen-trittin/

16 Gedanken zu „Gewalt, Kitas, Psychotrauma, Falschbeschuldigung – Klartext von Hans-Ludwig Kröber

  1. Zum Thema Falschbeschuldigung, Borderline und Glaubwürdigkeit sei eine Ergänzung erlaubt. Ich habe gerade einen sehr hilfreichen Artikel gelesen, der das Thema verständlich aufgreift und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu darstellt. Wenn man sich einmal mit dem Thema befassen musste, kann das anderen Betroffenen auch sehr helfen. Vielleicht wollen Sie das ja in Ihren Artikel aufnehmen:

    http://www.sexualstrafrecht.hamburg/sexualstrafrecht/bgh-glaubwuerdigkeit-bei-borderline-stoerung/

  2. Im SWR Interview von Körber dreht sich viel ums Töten-Soziologie-Psychologie-Aussagepsychologie

    Als Leseempfehlungen für den Bereich Töten kann ich die Bücher von Lt.Col. Dave Grossman empfehlen.

    Die wurden aus dem anderen Blickwinkel erstellt. Wie bringt man jemanden zum töten? Was sind die Kosten?

    Widerspricht Körber in vielem.

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