Eigentlich hätte ich für diesen Artikel ein anderes Symbolfoto aussuchen sollen, denn der Rosenkrieg fand zwar in der letzten Zeit noch per emphatischer Interviews mit Otto Lapp und Beate Lakotta statt – vor Gericht fällt er allerdings aus. Die einzige Belastungszeugin, die Ex-Ehefrau des Angeklagten, macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wurde bereits abgeladen.
Am nächsten Montag, den 7.7.2014, beginnt die neue Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath – und sie wird ganz anders ausfallen als das sechsstündige Verfahren vom 8.8.2006, ein Schnelldurchgang unter weitgehender Vernachlässigung der Strafprozeßordnung, der mit einem Fehlurteil endete – da bin ich mir ganz sicher. So sicher, wie ich es auch schon vor der Verhandlung in dem Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy (Ulvi Kulac) war.
17 Verhandlungstage sind angesetzt, 42 Zeugen sollen gehört werden.
Diese neue Hauptverhandlung steht ganz unter dem Zeichen der Öffentlichkeit; und es freut mich sehr, daß auch zwei profunde Kenner des Falles von diesem Prozeß berichten werden – und zwar ganz unabhängig von den Medien: Prof. Dr. Henning Ernst Müller und Ursula Prem. Beide sind von der professionellen Vorbereitung des Verfahrens positiv beeindruckt:
http://blog.beck.de/2014/07/04/alles-bereit-f-r-die-neue-hauptverhandlung-gegen-gustl-mollath
http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/ab-montag-wiederaufnahmeverfahren-gegen.html
Hier steht ein Forum für weitere Prozeßbeobachter bereit:
http://drei-saeulen.de/index.php?title=Kategorie:Gustl_Mollath
Ich selbst werde an dieser Stelle vor Beginn der Hauptverhandlung noch einmal die Medienbeiträge der letzten Tage analysieren – und weiterhin sowohl die Ukraine-Krise beobachten als auch die WM- und Gartenecke pflegen.
Update 5.7.2014
Das Medieninteresse an diesem Fall ist ausgesprochen groß, so daß hier nur eine kleine Auswahl getroffen werden kann. Zwei große Porträt-Reportagen über den Menschen Gustl Mollath sind erschienen. Zunächst am 27.6.2014 in der Beilage der SÜDDEUTSCHEN von Olaf Przybilla, Uwe Ritzer und Rainer Stadler:
aus Heft 26/2014 Gesellschaft/Leben
Eine Wahnsinnsgeschichte
Der Skandal erschütterte Deutschland: Gustl Mollath saß sieben Jahre in der Psychiatrie, trotz zahlloser Widersprüche in den Gerichtsakten. Jetzt wird sein Fall noch einmal aufgerollt. Porträt eines Mannes, der wieder draußen ist – aber immer noch nicht frei.
Von Olaf Przybilla, Uwe Ritzer und Rainer Stadler Fotos: Julian Baumann
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1
Ein sensibles Porträt über einen widersprüchlichen Mann, der immer schon eine politische Mission hatte, zugleich aber auch eine Leidenschaft für Sportwagen und Motorsport, kombiniert mit dem Tüftlergeist und der handwerklichen Präzision des Maschinenbauers, der er ist. Sein sarkastischer Humor wird in zwei Szenen eingefangen:
Seine Schüler machen zunächst Brems- und Ausweichübungen, dann quietschen die Reifen über einen kleinen Rennparcours. Mollath wechselt immer wieder das Auto und gibt als Co-Pilot Tipps. Die meisten, sagt er, würden viel zu schnell fahren. Wichtiger sei es, erst mal die Linie zu finden und dann langsam zu beschleunigen. Mollath genießt diesen Morgen sichtlich: »Das ist auf jeden Fall therapeutisch wertvoller als der Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt.«
Und:
Zehn Jahre später nun trägt er einen roten Anorak mit dem Button von König Ludwig II. am Kragen. Den König empfinde er gewissermaßen als seinen frühesten Leidensgenossen, der König sei ja bekanntlich Opfer psychiatrischer Aktengutachten geworden. Auch Mollath beurteilten mehrere Gutachter, ohne je mit ihm gesprochen zu haben. Hat er keine Sorge, dass er mit diesem Button etwas sonderbar wirken könnte? »Möglich«, entgegnet Mollath und zuckt mit den Schultern. Man müsse doch »auch mal was davon haben, wenn man schon offiziell für verrückt erklärt worden ist«, sagt er und lacht.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1
Ein Humor, der nun gerade in der Psychiatrie schlecht ankam, antwortete Mollath doch auf die durchsichtige Frage, ob er Stimmen höre, sarkastisch, daß er eine innere Stimme höre, die ihm sage, daß er ein guter Kerl sei. Schwupps, schon gab es Stimmen, die seine Handlungen kommentierten, und das war natürlich ganz, ganz schlecht, denn nun kam ja neben einem isolierten Wahn, der sich auf Schwarzgeldgeschäfte der HVB sowie Handlungen seiner dort beschäftigten Frau bezogen, auch noch Schizophrenie in Betracht… Angesichts solch dürftiger psychiatrischer Leistungen verwundert es nicht, daß Gust Mollath den neuesten Versuch, ihm über die psychiatrische Schiene zu Leibe zu rücken, abwehren will:
Wieder geht es um die Frage, welche Vergehen Mollath tatsächlich begangen hat, und wieder wird er psychiatrisch begutachtet. Wie soll er sich gegenüber dem Gutachter verhalten, der ihn während des Verfahrens beobachten wird? Es handelt sich um Norbert Nedopil, einen der erfahrensten Gutachter in Deutschland (SZ-Magazin, Interview vom 31. August 2012). Im Internet hat Mollath gelesen, Nedopil habe während einer Fernsehsendung geäußert, dass Gutachter oft irren würden, in den meisten Fällen zu Lasten des Beschuldigten. Das Risiko, die Allgemeinheit einer Gefahr auszusetzen, wiege für viele Gutachter schwerer. »Und so einem bin ich ausgeliefert!«, erregt sich Mollath.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41980/2/1
Bei Prof. Dr. Nedopil müßte er mit seiner Weigerung, sich explorieren zu lassen, allerdings auf Verständnis stoßen, zumal der Psychiater selbst seine Explorationen als ‚Angriff‘ auffaßt:
Nedopil lächelt und lässt wissen, jetzt könnten wir normal weitermachen im Gespräch. Er hat mal eben gezeigt, was er draufhat.
Das ging ja jetzt ganz schön schnell mit der Exploration.
Ja, auf einmal waren Sie in einer Verteidigungsposition.Wie lange dauert denn sonst eine Sitzung bei Ihnen?
Es dauert immer lang. Ich würde nicht nach nur einer Stunde eine für Sie wichtige Lebensentscheidung treffen. Keiner soll denken, ich hätte mich gar nicht richtig mit ihm befasst. Ich selbst würde so eine Prozedur übrigens nie über mich ergehen lassen.Warum nicht?
Das sollten Sie nicht schreiben, wäre ja geschäftsschädigend. Wenn ich etwas getan habe, dann stehe ich dazu und muss mich in die Hände des Gerichts begeben. Aber ich muss nicht auch noch meine Seele vor denen entblättern.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38067/3/1
Einen ähnlichen Tenor wie die SÜDDEUTSCHE hat das einfühlsam-kritische Porträt, das Lisa Rokahr für den STERN, 3.7.2014, S. 84-88, ablieferte.
Der Gefangene
Wie findet einer ins Leben zurück, der sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie saß? Der stern hat Gustl Mollath ein Jahr lang begleitet. Von kommender Woche an urteilen erneut Richter, ob er verrückt ist.
Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Die Frage der Schuldfähigkeit kommt ja nur in Betracht, wenn die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden können – das war angesichts der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation nach Ansicht der 7. Kammer des LG Nürnberg-Fürth deshalb der Fall, weil sie „an der Glaubwürdigkeit“ der geschiedenen Ehefrau „keinen Zweifel hat“, zumal diese „ruhig, schlüssig und ohne jeden Belastungseifer“ ausgesagt habe. Einer erneuten Würdigung ihrer Glaubwürdigkeit hat sich die Zeugin aus nachvolllziehbaren Gründen entzogen, und dank der neuen Ermittlungen im Wiederaufnahmeverfahren sieht die Staatsanwaltschaft Regensburg die Glaubwürdigkeit der Zeugin ohnehin als schwer erschüttert an. Beweise für auf Wunsch des Gutachters Dr. Leipziger nachgelieferten aktuellen Straftaten, Sachbeschädigungen von Januar 2005, gab es ohnehin nie, lediglich die polizeiliche Konstruktion einer „Serie“. On verra.
Aber so reißerisch wie Überschrift und Untertitel ist Rokahrs Reportage ohnehin nicht. Sie zeigt die Beschädigungen, die dieses Verfahren hinterlassen hat. So beginnt ihr Bericht:
Gustl Mollath kauft sich einen Espresso. 1, 90 Euro. Er möchte jetzt eigentlich keinen Kaffee trinken. Aber darum geht es nicht, es geht ihm um den Kassenbon. 5. Februar 2014 steht darauf, 14.36 Uhr. Und das Wichtigste, der Ort: Hannover, „Pier 51“, ein Restaurant am Maschsee. „Ich brauche diese Belege“, sagt Gustl Mollath. „Damit ich immer nachweisen kann, wann ich wo war.“ Er will das dokumentieren. Falls sie ihn wieder verdächtigen, beschuldigen, verurteilen wollen.
[STERN, 3.7.2014, S. 84]
Das sind die üblichen Sicherungsmaßnahmen von Fehlurteilsopfern. Die Traumatisierungen durch solche Erfahrungen, siehe den Fall Harry Wörz, halten oft lebenslang an.
Bei seinem Prozess im Jahr 2003 überreichte er dem Amtsgericht Nürnberg eine „Verteidigungsschrift“. Sie enthielt Hinweise auf Schwarzgeldverschiebungen durch seine Frau und ein Tremolo von Weltproblemen. Hunger, Kriege, Umweltzerstörungen.
Obwohl es auch diese wirre Vita war, die ihm den Ruf einbrachte, verrückt zu sein, ist er von seiner Mission auch nach seiner Freilassung nicht abgerückt. Das mag man standhaft nennen. Oder töricht.
[aaO, S. 86]
Ja, so schnell geht das: politisches Engagement, demonstratives Verhalten, flugblatt-ähnliche Gestaltung von Eingaben, passiver Widerstand gegen eine verfassungswidrige „Unterbringung zur Beobachtung“ gemäß § 81 StPO – Laien wie Psychiater ziehen dann schnell eine Schublade, die mit „wirr“ oder „Wahn“ beschriftet ist. Denn normal ist das ja nicht. Normal wäre eine opportunistische Anpassung an ein Gewaltverhältnis. Widerständige Franken ticken allerdings anders. Lisa Rokahr würdigt sein aktuelles Eintreten für Veränderungen bei Justiz und Psychiatrie, einem sich gegenseitig bestätigenden System, in dem der Untergebrachte bzw. Patient, immer verliert, immerhin positiv.
Aber gleichzeitig ist es sein Fall, seine Mission, die die Gesellschaft schon jetzt verändert haben. In Bayern will die CSU die Regeln zur Zwangsunterbringung schuldunfähiger Straftäter reformieren. Ein Gesetzentwurf soll eine Einweisung erschweren und verlangt strengere Maßstäbe für die Fortdauer der Unterbringung.
[aaO, S. 87]
Auch sie schildert seine Ängste vor dem bevorstehenden Prozeß:
Für seinen größten Feind hält Mollath dabei nicht die Juristen auf der Richterbank, sondern einen Mann im Saal: Norbert Nedopil, den forensischen Gutachter. Er wird den Angeklagten begutachten. Ein direktes Gespräch hat Mollath abgelehnt, aber Nedopil wird ihn während des Verfahrens beobachten. „Ich fühle mich dadurch gehemmt, ich weiß nicht, wie ich mich da verhalten soll“, sagt Mollath. Was, wenn wieder jemand vermeintliche Anzeichen des Wahnsinns an ihm entdeckt? Ist es die Gestik? Der Blick? Oder die Wortwahl? „Wie soll ich authentisch sein, wenn ich mir jedes Wort dreimal überlege?“
[aaO, S. 88]
In der Tat, das ist eine arge Belastung. Andererseits grenzt es an einen Wunderglauben, traute man einem Psychiater eine solche Diagnose-Fähigkeit zu – und dann noch einen treffsicheren Rückschluß aus dem Gerichtsverhalten im Juli 2014 auf die Befindlichkeit zu den „Tatzeiten“ 2001, 2002 und 2005, eine Hürde, die schon Dr. Klaus Leipziger in den Jahren 2005 und 2006 mittels bloßer Behauptung genommen hat. Das Gericht in Regensburg sollte auf diese Begutachtung schon deshalb verzichten, weil eine Unterbringungsentscheidung schon aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht kommt.
Das Bundesverfassungsgericht hat das widersprüchliche Gutachten von Prof. Dr. Pfäfflin aus dem Jahr 2011 als Grundlage für eine Gefährlichkeitsprognose ausgeschieden und zudem festgestellt, daß bereits die Fortdauerentscheidungen aus dem Jahr 2011 mit seinen Leerformeln den Begründungsanforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht genügten.
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20130826_2bvr037112.html
Das OLG Bamberg, das sich davor drückte, nunmehr in der Sache zu entscheiden und seinen eigenen Beschluß aufzuheben, weil er nicht begründbar war, hat daraufhin kurzerhand die gerügten Entscheidungen für erledigt erklärt, weil Gustl Mollath ja faktisch auf freiem Fuß sei und er keinen Anspruch auf eine Sachentscheidung habe.
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-OLG-Bamberg-Beschluss-2014-03-24.pdf
Keinem verfassungstreuen Gericht würde im Jahr 2014 die Begründung einer erneuten Unterbringungsentscheidung gelingen – der Zug ist definitiv abgefahren. Ein aktuelles Gutachten ist daher überflüssig. Es reicht aus, wenn sich die ursprünglichen Gutachter als Zeugen für ihre Produkte verantworten müssen, sollte es überhaupt notwendig werden, sich mit diesem marginalen Aspekt der Causa befassen zu müssen.
Michael Kasperowitsch, ein Aufdecker der ersten Stunde, hat am 27.6.2014 in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN gleich zwei Artikel zum Thema lanciert. Einer beschäftigt sich mit dem rechtsstaatlichen GAU des ersten Prozesses:
Justizapparat holt die Gründlichkeit sehr spät nach
Am 7. Juli beginnt in Regensburg der neue Prozess gegen Gustl Mollath — Bundesweites Aufsehen — Gutachter sitzt im Gericht
VON MICHAEL KASPEROWITSCH
[…]
NÜRNBERG — 17 Verhandlungstage sind bereits angesetzt. Ob die Zeit reicht, ist offen. 42 Zeugen sind zur Vernehmung einbestellt. Es könnten noch mehr werden. Alles deutet also darauf hin, dass die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg äußerst gründlich vorgeht.
Das ist deswegen bemerkenswert, weil es sich in dieser Angelegenheit um eine spät nachgeholte Gründlichkeit der Justiz handelt. Als Gustl Mollath vor acht Jahren wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung in Nürnberg vor Gericht stand, gab es eine sehr schnelle Entscheidung.
Die Nürnberger Nachrichten hatten den Fall mit all seinen tückischen Fehlern ab 2011 öffentlich gemacht. Die Recherchen hatten am Ende zur Folge, dass die damalige Justizministerin Beate Merk (CSU) das Wiederaufnahmeverfahren einleitete. Zuvor hatte sie das Vorgehen von Staatsanwaltschaften und Gerichten eisern verteidigt.
Das Interesse der Öffentlichkeit an der neuen Verhandlung in Regensburg ist riesig. Um die 40 Journalistenplätze
Das Ansehen ist beschädigt
Im Gerichtssaal rangelten sich etwa 250 Berichterstatter aus ganz Deutschland. Für viele Beobachter geht es auch um das angekratzte Ansehen der bayerischen Justiz. Beschädigt ist es nicht nur wegen der irritierenden Vorkommnisse im Mollath- Verfahren; der oberfränkische Fall Peggy oder die aktuellen Vorgänge um den Augsburger Laborarzt Schottdorf kommen hinzu.
Den heute 57-jährigen Gustl Mollath brachte vor acht Jahren ein Urteil des Landgerichts Nürnberg hinter die Gitter forensischer Kliniken, dort, wo kriminelle Kranke eingesperrt sind. Die letzten Jahre bis zu seiner Freilassung saß er in Bayreuth.
Das Nürnberger Gericht war damals der Überzeugung, Mollath unterliege dem anhaltenden Wahn, Opfer eines kriminellen Bankensystems zu sein. Es konnte sich dabei auf psychiatrische Gutachten stützen. In diesem gefährlichen Wahn habe er, so das Gericht, auch seine Frau schwer attackiert und die Reifen von Autos ihm irgendwie missliebiger Personen zerstochen.
Diese Verhandlung endete mit einem für Mollath schrecklichen Freispruch wegen Schuldunfähigkeit. Die Folge war nämlich, dass er für Jahre in der Psychiatrie verschwand. In den Jahren vor 2006 tobte ein gnadenloser Streit zwischen den einstigen Eheleuten Mollath — das Paar ist seit langem geschieden.
Als sie noch verheiratet waren, betreute die Frau des Nürnbergers Privatkunden bei der Hypo Vereinsbank. Aus seiner Sicht hatte sie sich dabei illegaler Schwarzgeldschiebereien in die Schweiz schuldig gemacht. Er wollte sie unter allen Umständen davon abbringen und drohte ihr offen mit wirksamen Konsequenzen.
Unter anderem informierte er die Vorgesetzten seiner damaligen Frau bei der Bank. Am Ende zeigte Mollath sie sogar an. Die Reaktion der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth darauf fiel dünn aus.
Die Anzeige enthalte keine „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“, der Verdacht werde nur „pauschal“ vorgetragen, die Angaben seien „unkonkret“. Das Verfahren wurde eingestellt.
[…]
Ja, im ursprünglichen Verfahren war sogar bekannt, daß der Ex-Ehefrau im Februar 2003 aufgrund zutreffender Angaben von Gustl Mollath fristlos gekündigt wurde – dennoch wurde dieses mögliche Falschbelastungsmotiv völlig außer Acht gelassen. Ich bin sicher, daß dieses Arbeitsgerichtsverfahren einige Scheinwerfer darauf richten wird, warum sich die HVB letztlich zu einem immer noch für sie vorteilhaften Vergleich – Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer geringen Abfindung – bereitfand: die illegalen Schweizgeschäfte der von der bayerischen Vereinsbank mit Staatsbeteiligung 1998 übernommenen Hypobank sollten natürlich nicht öffentlich werden, was durch die Gekündigte eventuell hätte belegt werden können. Entsprechend fiel der von Mollath angestoßene Sonderrevisionsbericht der HVB zu dem Hauptpunkt von Mollaths Begehren aus: inwiefern die Hypo-Bank in den 90iger Jahren, wie alle anderen Privatbanken damals auch nach Einführung der Quellensteuer im Jahr 1993, Beihilfe leistete, um Kundenvermögen klandestin zu Schweizer Tochterbanken zu transferieren, um sie vor der Kapitalertragssteuer zu verschonen, wurde so gut wie nicht untersucht. Denn daran hatte die HVB verständlicherweise kein Interesse.
http://www.swr.de/report/-/id=10583092/property=download/nid=233454/1t395cp/index.pdf
Fast noch interessanter ist Michael Kasperowitsch‘ weiterer Artikel an diesem Tag:
„Es kam Erschreckendes zutage“
Landtagsfraktionen sparen nicht mit harter Kritik an Justiz und Gutachtern
Im vergangenen Jahr hat sich im Landtag ein Untersuchungsausschuss monatelang mit dem Justizfall Gustl Mollath beschäftigt. Vor Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens gegen den Nürnberger vor dem Landgericht Regensburg haben wir die Fraktionen von CSU, SPD, Freien Wählern (FW) und Grünen um eine Stellungnahme gebeten. Vor allem die Oppositionsparteien sparen nicht mit Kritik und dem Ruf nach Konsequenzen.
Florian Streibl, Parlamentarischer Geschäftsführer und rechtspolitischer Sprecher der Freien Wähler (FW), war einer der Abgeordneten, die sehr früh und engagiert Fehler im ersten Mollath-Verfahren angeprangert haben. „Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat Anzeigen von Herrn Mollath nicht ernsthaft geprüft, während Anzeigen gegen ihn sehr wohl weiterverfolgt und angeklagt wurden“, sagt er. Die Fachaufsicht im Justizministerium hat aus seiner Sicht „versagt“.
[…]
Janun, das geht ja bis zum heutigen Tag so weiter. Mollaths Anzeigen werden unter zahlreichen Verrenkungen bis hin zum OLG München abgebügelt, wovon nicht nur Justizangehörige und deren Hilfswissenschaftler, sondern auch die Ex-Ehefrau von Gustl Mollath profitieren. Der ist die Justiz schließlich blind gefolgt, und so muß auch die über allen Zweifel erhaben sein. Am aktuellen Dienstherrn liegt das kaum: auf das OLG München hat er keinen Einfluß, und was die von Frau Merk installierten Generalstaatsanwälte so treiben, versucht er, wie im desaströsen Fall Gurlitt, lediglich zu moderieren. Minister Bausback hat ja auch wenig Möglichkeiten, die verfehlte Personalpolitik seiner Vorgängerin zu korrigieren. Das Wegloben des Augsburger Leitenden Oberstaatsanwalts Nemetz, der sich nicht nur im Fall Gurlitt, sondern auch bei Behandlung der Strafanzeige Mollaths gegen Eberl und Leipziger unsterblich blamiert hat, wäre ein erstes Zeichen. Als Präsident des AG München verdient er zwar entscheidend mehr, ist aber kaltgestellt.
Letztlich bedarf es einer Beseitigung des bayerischen Sonderweges, Strafrechtler zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten rotieren zu lassen: das fördert nur die Kumpanei, wo zum Wohle des Rechtsstaats Antagonismus zwischen Staatsanwaltschat und Gericht angesagt wäre.
Kasperowitsch:
Ähnlich sieht es Sepp Dürr von den Grünen. Er war bis 2008 etliche Jahre Fraktionschef und ist jetzt Mitglied im Rechtsausschuss im Landtag. Seine Konsequenzen aus dem Fall Mollath: „Niemand darf mehr so leicht und unverhältnismäßig lange weggesperrt sein und seine ,Gefährlichkeit‘ so leichtfertig behauptet werden.“ Dies müsse durch eine Reform des Maßregelvollzugs verhindert werden. „Höchste Zeit“ sei es allerdings auch für eine Modernisierung des Justizsystems.
Sowohl Staatsanwaltschaft und Gerichte müssten, so Dürr, lernen, Fehler einzugestehen und schneller zu korrigieren. „Da fehlt es weit.“ Selbst der Mehrheitsbericht des Mollath- Untersuchungsausschusses sei noch „von der Unfähigkeit zu jeglicher Selbstkritik durchdrungen“.
Dem läßt sich nichts hinzufügen. Die Reinwaschungstendenz der Regierungsmehrheit ist mit Händen zu greifen.
https://www.bayern.landtag.de/scripts/get_file.php?file=NEU_Drs_16-17741_Mollath_FINAL.pdf
Kasperowitsch:
Die Kulmbacher SPD-Abgeordnete Inge Aures war ebenso wie Streibl Mitglied des Mollath-Untersuchungsausschusses. Zuvor setzte sie sich vehement für die Freilassung des Nürnbergers ein.
Der Ausschuss habe, so die Politikerin, „Erschreckendes“ zutage gefördert.
„Die Finanzbehörden haben gar nicht ermittelt, die Staatsanwaltschaft hat nur einseitig ermittelt, der Richter hat die Akten nicht gelesen, der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich hat gemauert und die damalige Justizministerin Beate Merk hat vertuscht“, sagt sie im Rückblick. Es sei politisch nicht gewollt, dass man Steuerhinterziehern auf die Schliche kommt. „Nicht dass noch das Klientel der CSU verschreckt wird.“ Bis heute ist für Inge Aures nicht aufgeklärt, warum die Nürnberger Staatsanwaltschaft seinerzeit ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, für ein ordnungsgemäßes Verfahren gegen Mollath zu sorgen. Die neue Verhandlung in Regensburg werde, so vermutet Inge Aures, „haarsträubende Fehler bayerischer Behörden“ feststellen.
Ja, das ist zu vermuten.
Daß der Polizeibeamte Grötsch, der auf Zuruf von Richter Eberl die Reifenstecher-Akte zum Nachteil Mollath zusammenstellte, sich als Ergänzer von Strafanträgen gegen Unbekannt als Urkundenfälscher erwies, indem er selbst den Namen „Gustl Mollath“ eintrug, obwohl niemand Gustl Mollath verdächtigt hatte, in Personalunion als Aktenkompilierer, Zeugenersatz (für Rechtsanwalt Greger, Rechtsanwalt Dr. Woertge und für Petra Mollath, obwohl die ja immerhin als Zeugin zugegen war) und Sachverständiger (für die Gefährlichkeit der angeblich aber nicht tatsächlich immer identischen Reifenattacken) nun nicht mehr auftreten darf, wie bei Brixner, ist ja schon einmal ein gutes Zeichen. Jetzt wird er nur noch als normaler Polizeizeuge über den Gang der Ermittlungen berichten. Und sich auf einige kritische Fragen der Verteidigung einstellen müssen.
Rechtsanwalt Greger, der einzige Geschädigte, der mit zweimonatiger Verspätung schriftlich eine Gefahrensituationen bekundet hatte, ist bereits im Jahr 2009 verstorben. Jetzt ist ein Sachverständiger geladen, der zu den freihändigen Konfabulationen dieses voreingenommenen Polizeibeamten Stellung nehmen wird. Brixner reichten die voreingenommenen Polizei-Erzählungen ja aus, um Gustl Mollath Gemeingefährlichkeit zu attestieren.
Die nicht einmal Dr. Leipziger attestiert hatte.
Aufgrund der dargelegten Progredienz der paranoiden Symptomatik des Angeklagten und des Umstandes, dass er – wie sich aus den nachträglich vorgelegten, dem Angeklagten neuerlich vorgeworfenen strafbaren Handlungen ergibt – immer mehr Personen in das bei ihm bestehende Wahnsystem einbezieht, sich von ihnen benachteiligt, geschädigt und bedroht fühlt und letztlich gegen sie oder deren Eigentum aggressiv vorgeht, muss befürchtet werden, dass vom Angeklagten weitere Handlungen gegenüber Dritten zu erwarten sind.
Von daher muss aus forensisch-psychiatrischer Sicht konstatiert werden – unabhangig der von Sachverständigenseite nicht zu beurteilenden Rechtserheblichkeit oder Verhältnismäßigkeit- ,dass vom Angeklagten zustandsbedingt weitere gleichartige Taten gegenüber Dritten, die er in sein Wahnsystem einbezieht, zu erwarten sind. Von daher müssen aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Voraussetzungen zur Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB als gegeben angesehen werden.
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-07-25.pdf#page=29
Was ein Herr Dr. Leipziger lediglich befürchtet, ist einerlei. Es muß eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, daß jemand erhebliche Straftaten begehen werde. Die „dargelegte Progredienz der paranoiden Symptomatik“ bestand lediglich darin, daß Dr. Leipziger es bewußt vermied, den „überweisenden“ Kollegen Dr. Wörthmüller zu befragen, warum sich dieser als befangen erklärt hatte. Gustl Mollath hatte zurecht diesen Gutachter als befangen angesehen, was dieser selbst als nachvollziehbare Sicht bestätigte.
Absolut unprofessionell ist überdies eine Einbeziehung von durch den beauftragenden Richter Eberl informell beigezogener Akten, hinsichtlich derer ein Gutachtenauftrag gar nicht bestand. Die von dem konspirativen Zusammenwirken von Richter Eberl und Gutachter Leipziger nicht unterrichtete Staatsanwaltschaft stellte das obskure Fake-Verfahren wegen Sachbeschädigung dann auch prompt gemäß § 154 StPO ein.
Auch über diesen Vorgang wird die neue Hauptverhandlung hoffentlich nachhaltig informieren.
Für Dr. Leipziger mag es einen zusätzlichen Schlag bedeuten, daß das LG Nürnberg konstatierte, daß die Reifengeschädigten ganz real (und nicht wahnhaft) Mollath-Feinde waren.
Und morgen widme ich mich einem Sonderfall des Journalismus‘, nämlich der eigentlich unwahrscheinlichen La-La-Fraktion von Otto Lapp und Beate Lakotta. Die hat sich nämlich auch wieder zu Wort gemeldet.
Update 6.7.2014
Otto Lapp fiel die undankbare Aufgabe zu, erneut als Pressesprecher der Belastungszeugin Petra M. in Erscheinung zu treten. Dieses Mal mit einer Botschaft, die nicht leicht zu verkaufen war. Denn was sollte das Lesepublikum von einer Ex-Frau halten, die über Monate dem Star-Reporter Otto Lapp ihr Herz über diesen gewalttätigen, tyrannischen, eifersüchtigen, wirtschaftlich erfolglosen und kranken Ex-Mann das Herz ausgeschüttet hatte, vor Gericht aber keine Aussage machen will? Ahja, wenn es um die Wurst geht und man unter Wahrheitspflicht steht, macht sie einen Rückzieher – so denkt man im Volk, das ja nicht immer Unrecht hat.
Lapp entledigte sich seiner Aufgabe so:
27.06.2014 13:53 Uhr
Mollath-Prozess ohne die Ex-FrauVon Otto Lapp
NÜRNBERG. Der Mollath-Prozess wird ohne seine Ex-Frau über die Bühne gehen. Petra M. (53) wird im Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg nicht gegen Gustl Mollath (57) aussagen. Dies bestätigte ihr Anwalt Jochen Horn dem Kurier.
Petra M. (53) sei „mehrfach umfassend vernommen“ worden, sagte Horn, sodass keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien, würde sie nochmal vernommen werden. Außerdem wolle sich Petra M. „einer solchen Situation“ nicht aussetzen.
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath-prozess-ohne-die-ex-frau_270390
Es mag ja sein, daß Rechtsanwalt Horn Derartiges gesagt hat. Juristisch handelt es sich dabei um höheren Blödsinn. Das neue Urteil erwächst aus dem Inbegriff der neuen Hauptverhandlung, und da gilt das Mündlichkeitsprinzip. Alle früheren Aussagen sind erst einmal vom Tisch und dienen allenfalls als Vorhalte, um das Gedächtnis aufzufrischen oder um Widersprüche zu klären. „Umfassend“ wurde die Zeugin damals zudem nicht vernommen: hätte man sie seinerzeit ernsthaft zu Beihilfehandlungen der Hypobank beim anonymisierten Schleusen von Kundengeldern auf Konten von Schweizer Tochter-Banken vernommen, hätte sie auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hingewiesen werden müssen – das war allerdings nicht der Fall. Nein, der Vorsitzende Richter verhielt sich deutlich rustikaler: wann immer Gustl Mollath das Thema „Schwarzgeld“ als Ursache der Ehekrise und einer Falschbelastung durch seine Ex-Frau zur Sprache bringen wollte, wurde er angeschrieen. Damit war das Thema erledigt und konnte in die Wahn-Ecke gestellt werden. An einer umfassenden Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 8.8.2006 fehlt es schon deshalb, weil laut Urteilstext die Ex-Ehefrau zu den Sachbeschädigungsvorwürfen gar nicht ausgesagt hat – hier übernahm der Polizeibeamte Grötsch die Aufgabe, dem Gericht mitzuteilen, was die Ehefrau bei Betrachtung eines Tat-Videos gesagt habe. Ja, so wild ging es seinerzeit zu.
Und zu den neuen Erkenntnissen, die sich erst nach diesem Urteil ergeben haben, konnte sie damals naturgemäß nichts aussagen. Bestreiten per Interview ersetzt keine förmliche Aussage.
Interessanterweise offenbart Otto Lapp auch die beabsichtigte Strategie der Nebenklage:
Im Prozess werden also jetzt die Aussagen von Petra M. aus früheren Jahren nur verlesen.
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/mollath-prozess-ohne-die-ex-frau_270390
Mirko Laudon kommentiert in seinem Blog „Strafakte“ diese Konstellation so:
Nicht unproblematisch ist jedoch, wie ihre Aussagen in das Verfahren eingeführt werden sollen, denn § 252 StPO verbietet grundsätzlich die Verlesung früherer Protokolle, sofern die Aussageperson erst später von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht:
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.Kombination aus Zeugnisverweigerung und Verzicht auf das Verwertungsverbot
[…]
Allerdings – und das ist der kritische Punkt – darf der Zeuge nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 die Verwertung der Aussagen gestatten, ohne selbst erneut aussagen zu müssen. Diese Rechtsprechung ist insbesondere bei Opferzeugen2 problematisch, da dem Angeklagten (hier dem Verurteilten) das Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 d MRK) verwehrt wird. Dem Opferzeugen wird durch die Kombination von Zeugnisverweigerungsrecht und Verzicht auf das Verwertungsverbot des § 252 StPO das Recht eingeräumt, seiner kontradiktorischen Befragung durch die Verteidigung in der Hauptverhandlung aus dem Weg zu gehen und zugleich eine den Angeklagten (oder Verurteilten) belastende mittelbare Verwertung seiner früheren Aussage zu ermöglichen. Dieses Verhalten ist in Wiederaufnahmeverfahren häufiger zu beobachten.3
http://www.strafakte.de/wiederaufnahmeverfahren/ex-frau-von-mollath-wird-das-zeugnis-verweigern/
Die letztgenannte Fußnote bezieht sich auf einen weiteren Blogbeitrag von ihm, in dem er Johann Schwenns 10 Fehlerursachen in Sexualstrafverfahren darstellt und Schwenn just jene „Kombination“ als „perfide“ bezeichnet:
http://www.strafakte.de/wiederaufnahmeverfahren/fehlurteile-und-ursachen/
Angesichts der dürftigen bzw. gänzlich fehlenden Protokolle ihrer früheren Aussagen ist die Kombination im konkreten Fall allerdings weniger „perfide“ als vielmehr nachteilig für die Nebenklage. Ich teile die Einschätzung von Prof. Henning Ernst Müller:
Der Pressesprecher informierte heute auch darüber, dass die Hauptbelastungszeugin wieder ausgeladen wurde, nachdem sie mitgeteilt hatte, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Ob der Körperverletzungsvorwurf gegen Gustl Mollath dann überhaupt noch bewiesen werden kann, erscheint fraglich.
http://blog.beck.de/2014/07/04/alles-bereit-f-r-die-neue-hauptverhandlung-gegen-gustl-mollath
Um das Manko wiedergutzumachern, daß die Belastungszeugin es vorzieht, vor Gericht nicht zu erscheinen, hat der Nordbayerische Kurier nachgelegt und einen Mollath-Blog eingerichtet, um erneut die Sicht der Ehefrau, die bis zur Anordnung der Wiederaufnahme identisch war mit der Sicht der Macht-Instanzen Justiz, Psychiatrie und Politik, zu verbreiten.
http://mollath.blogs.nordbayerischer-kurier.de/
Es ist eine emotionale und tendenziöse Zusammenstellung dessen, wie man beim Nordbayerischen Kurier den Fall wertet, wobei all das ausgeblendet wird, was man nicht wahrnehmen will. Eine Auseinandersetzung ist daher weder möglich noch lohnte sie sich.
Immerhin, zum ersten Mal wird in aller Deutlichkeit zugegeben, daß die Ex-Frau für das illegale Verschwindenlassen seiner Habe (bis auf zwei netterweise aufgehobene Kisten) verantwortlich ist:
Durch die Anzeigen Mollaths hat sie ihre gut bezahlte Stelle verloren. Sie hatte Provisionen hinter dem Rücken der Bank eingestrichen, mehr nicht. Jetzt will sie wenigstens das Geld zurückhaben, das sie in seine Werkstatt gesteckt hat. Ein Gericht ordnet die Zwangsversteigerung seines Hauses an. Sie räumt es aus, ersteigert es und verkauft es dann.
Otto Lapp hat zudem mit heißer Nadel gestrickt:
Was ist, wenn Gustl Mollath krank ist? Sieben erfahrene Psychiater stellen das über sieben Jahre immer wieder fest. Hans-Joachim Kröber aus Berlin, Thomas Lippert aus Nürnberg, Klaus Leipziger aus Bayreuth, Karl Simmerl aus Mainkofen, Friedemann Pfäfflin aus Mainkofen und Gabriele Krach aus Erlangen.
http://mollath.blogs.nordbayerischer-kurier.de/
Statt sieben Psychiater werden nur sechs benannt. Hans-Ludwig mutiert zu Hans-Joachim, aus Hans wird Karl und Pfäfflin wird von Ulm nach Mainkofen versetzt. Es sind auch keine „Feststellungen“, die innerhalb von sieben Jahren gemacht wurden: die erste „Bescheinigung“ von Gabriele Krach datiert von September 2003, die letzte von Pfäfflin von Mai 2011. Von „Feststellungen“ kann bei der gegen die Krankenhausregeln erstellten Bescheinigung von Frau Dr. Krach keine Rede sein, sie beruhte allein auf Erzählungen der Ex-Ehefrau. Thomas Lippert mutmaßte und empfahl eine Unterbringung zur Gutachtenerstellung. Und Dr. Hans Simmerl hat gerade nicht festgestellt, daß Mollath krank sei: er hat im Gegenteil für die von Dr. Leipziger unterstellten psychischen Krankheiten – wahlweise eine isolierte Wahnstörung oder eine paranoide Schizophrenie – keinerlei Anhaltspunkte gefunden. Eben deshalb wurde Prof. Kröber herbeizitiert, der das Leipziger-Gutachten retten sollte und es auch tat.
Otto Lapp:
Erst nach den neuen Vorwürfen der Reifenstecherei steht eine Unterbringung im Raum, weil durchstochene Reifen „Taten von erhöhter Gefährlichkeit“ sein könnten. Denn wenn die Vorwürfe stimmen, war das Leben der Fahrer in Gefahr gewesen.
Unsinn, die Begutachtung sollte bereits 2004 die Prüfung einer Unterbringung gemäß § 63 StGB beinhalten – die Sachbeschädigung wurden erst im Januar 2005 begangen.
Otto Lapp:
Allerdings spielte das angebliche Wahnsystem Mollaths für die Beurteilung seiner Gefährlichkeit eine untergeordnete Rolle. Maßgeblich dafür waren die angebliche Körperverletzung seiner Frau und die 129 durchstochenen Reifen.
Abgesehen von der von Beate Lakotta aufgebrachten Fama, es habe sich um 129 Reifen gehandelt, ist es selbstverständlich das „Wahnsystem“, das die Gefährlichkeit suggeriert. Wegen der Krankheit besteht keine oder nur eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit, auf die bloßen Anlaßtaten kommt es nicht an, sondern auf prognostizierte erhebliche künftige Straftaten. Diese müssen krankheitsbedingt sein.
Auch Beate Lakotta mischt wieder mit – aber bevor ich zu ihrem neuesten Artikel komme, stelle ich ein gemeinsames Zitat von Lapp/Lakotta voran, das ihre Art des affirmativen Journalismus, der gerne mit schmutziger Ehe-Wäsche, anonymen Zeugen, Weglassungen und tendenziösen Akten-Zitaten arbeitet, rechtfertigen soll:
In dem Verfahren wurden Fehler gemacht, auch schwere. Mollath war laut Bundesverfassungsgericht die letzten zwei Jahre ohne ausreichende Begründung in der Psychiatrie untergebracht. Aber das sind nicht die Fehler, die Menschen zum Protestieren gegen die Institutionen des Rechtsstaats auf die Straße treiben. Denn dann könnten sie das auch für andere Maßregelpatienten und Sicherungsverwahrte tun, zum Beispiel für Sexualstraftäter, die ebenfalls zu lange weggesperrt sind.
Sondern es ist die Zauberformel „sieben Jahre unschuldig in der Psychiatrie“, die sich in der öffentlichen Rezeption dieses Falls als Wahrheit durchgesetzt hat. Ebenso wie es als Tatsache gilt, dass Frau M. erhebliche Summen Schwarzgeld in die Schweiz geschafft habe.
Dies sind die beiden Grundannahmen des Skandals. Nach unserer Recherche steht für beide der Nachweis noch aus.
Unsere Rechercheergebnisse wurden nach den jeweiligen Veröffentlichungen weder in Zweifel gezogen oder dementiert. Sie wurden gar nicht aufgegriffen.
Dieses Statement bedeutet nichts weiter als den Abschied von einem justizkritischen Journalismus und die Hinwendung zu einer Haltung, die achselzuckend schwere Rechtsfehler hinnimmt (zu denen ein Fehlurteil zweifellos gehört). Aufmucken dürfen Presse und Öffentlichkeit erst, wenn die Justiz in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen hat. Und wenn die Justiz den erforderlichen Nachweis der Schwarzgeldvorwürfe nicht erbringt, waren diese natürlich falsch.
Das Elend bestand aber gerade darin, daß die Justiz den Vorwürfen im Jahr 2004 gar nicht nachging, sondern erst 2012 die Steuerfahndung in Marsch setzte. Ob bei den neuen Ermittlungen die Bank als Beihelferin überhaupt ins Visier genommen wurde, wieviele der Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt schon verjährt waren – das interessiert unsere unkritischen Helden, die sich einem gefühlten Mainstream entgegenstemmen, nicht die Bohne. Und wer nur den CSU-FDP-Mehrheitsbericht zum Untersuchungsausschuß liest, hat seine journalistischen Pflichten verletzt.
Deshalb gab es nichts, das aufzugreifen gewesen wäre.
Alles auf Anfang
Ab nächster Woche findet in Regensburg das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath statt. Er hat angekündigt, seine Unschuld zu beweisen.
Von Beate Lakotta
lautet der Titel ihres SPIEGEL-Artikels in 27/2014 vom 30.6.2014, S. 30 – 31.
Eine stark eingedampfte Version dieses Artikels ist am 6.7.2014 auch auf SPON erschienen – um die schlimmsten Ausrutscher bereinigt und um einige Varianten bereichert:
Landgericht Regensburg: Der neue Prozess gegen Gustl Mollath
Von Beate LakottaAm Montag beginnt das Wiederaufnahmeverfahren in Sachen Gustl Mollath. Seit seiner Freilassung tritt er als unbequemer Kritiker der Psychiatrie auf, die Menschen begegnen ihm mit großer Sympathie. Im Prozess geht es nun um schwere Körperverletzung.
Der erste Satz dieser Passage befindet sich auch im Print-Artikel:
Unstrittig ist aus heutiger Sicht: Mollath war unverhältnismäßig lange in der Psychiatrie untergebracht. Das Urteil gegen ihn steckt voller Faktenfehler, das Verfahren wurde schlampig geführt und verletzte seine Grundrechte. Doch ob er ein unschuldiges Justizopfer ist, muss der neue Prozess erst erweisen.
Der zweite Satz fehlt. Stattdessen wird dort so fortgeführt:
Doch als das Nürnberger Oberlandesgericht am 6. August 2013 beschloss, den Prozess neu aufzurollen und Mollath freizulassen, begründete es dies mit einer Formalie: Das Attest, das seine Exfrau vorlegte, um ihre Verletzungen zu dokumentieren, gilt rechtlich als als „unechte Urkunde“. Der untersuchende Arzt hat es auf dem Praxis-Briefpapier seiner Mutter ausgestellt, die er offiziell vertrat. Das hatte er nur unleserlich vermerkt.
[SPIEGEL 27/2014, S. 30]
Aha, eine Formalie – nix mit Unschuld! Als ob Wiederaufnahmegründe die Unschuld belegen würden. Subtil bereitet sie den Boden vor, um das gesamte Wiederaufnahmeverfahren als politische Farce zu diffamieren, denn es wurde ja von Ministerin Merk angeordnet:
„Das hätte ich gern schriftlich“, habe er deshalb die Ministerin gebeten, berichtete der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Mollath.
Dabei kam der Druck erkennbar von noch weiter oben. Ministerpräsident Horst Seehofer musste befürchten, die öffentliche Empörung könnte mitten im bayerischen Landtagswahlkampf nicht nur seine Justizministerin aus dem Amt fegen, sondern ihn selbst in Mitleidenschaft ziehen.
Der zuständige Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl beschrieb seine Lage vor dem Ausschuss so:“Mein Auftrag war: Führe ein Wiederaufnahmeverfahren zugunsten Gustl Mollaths.“ Nur: Wo nimmt man einen Wiederaufnahmegrund her? Eine undankbare Aufgabe, aber nicht unlösbar: „Ein guter Jurist kann alles in jede Richtung schreiben“, sagte Meindl vor dem Ausschuss. „Sie können Unschuldige hinter Gitter bringen, einen Schuldigen freisprechen.“
Nachdem das Landgericht Regensburg die Auftragsarbeit zugunsten Mollaths abgelehnt hatte, zeigten sich Vertreter aller Parteien bestürzt. Bald darauf ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg die Wiederaufnahme an.
[aaO]
Das ist der klassische Lakotta-Stil: ein perfides Insinuieren, Zitate aus dem Kontext reißen und vermengen, bewußtes Verschweigen (z.B., wie es dazu kam, daß Meindl Rechtsbeugungsvorwürfe aus dem ersten Antragsentwurf wieder herausstrich), zeitliche Abläufe zu kausalen ummodeln – tatsächlich dürfte das OLG über die „Auftragsarbeit“ einer Reinwasch-Justiz in Regensburg bestürzt gewesen sein. All das dient dem Zweck, das ursprüngliche Urteil trotz Fehler und Schlampereien (die im Kern die Unschuldsvermutung und Freiheitsrechte verletzten) für inhaltlich richtig halten zu dürfen.
Daß sie meiner Einschätzung, wonach Meindl als 2. Verteidiger fungieren dürfte, nicht folgt, ist logisch. Meindl ist ein Wetterfähnchen und wird sich in der Hauptverhandlung selbstverständlich mit Verve für eine erneute Verurteilung einsetzen. Denkt sie sich so…
Es ist zu hoffen, daß man sie nicht als Gerichtsberichterstatterin einsetzt. Ein ums andere Mal fabuliert sie von einer „schweren Körperverletzung“, um die es angeblich gehe.
NEIN!
§ 226 StGB
Schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Es geht tatsächlich um eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB.
Spannend bleibt die Frage, wie Sabine Rückert als Mitglied der Chefredaktion die ZEIT in Stellung bringen wird. Vielleicht macht sie es wie im Fall Peggy und läßt gar nicht berichten, um dann den Freispruch unter größtmöglicher Schonung von Prof. Kröber in Grund und Boden schreiben zu lassen.
http://www.zeit.de/2014/21/ulvi-kulac-peggy-urteil
Jetzt erst gesehen: im TAGESSPIEGEL Print von heute gibt es einen ganzseitigen Bericht von Jost Müller-Neuhof über das Mollath-Verfahren, der durch einen stellenweise süffisanten Ton besticht:
http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/gustl-mollath-vor-gericht-irrsinn-und-irrtum/10165438.html
Ganz neu hierin ist folgende Information:
Das klingt nicht danach, als ob sie erlaubt hätte, daß die alten Vernehmungsprotokolle verlesen werden dürfen.
Ansonsten schließt sich Müller-Neuhof der Darstellung von Lakotta an, daß es sich um eine politische Wiederaufnahme handele, zu der OStA Meindl gezwungen wurde:
So findet jeder sein richtiges Zitat. 😉
Na da haben wir es ja, die spontanen Rachegelüste eines Weibes.
MartinHeidingsfelder @goalgetter32 · 2h
Anzeige wg Waffenbezitz am gleichen Tag wie Vernehmung durch HVB Revision. Gleiche Anzeige vorher o. Gewaltschilderung kurz vorher. #mollath
Das ist völlig unverständlich.
Verständlicher hier dargestellt (runterscrollen zum Liveblog der MBZ):
http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10009&pk=1089625
Interessant, dass die Vorsitzende wenigstens Andeutungen dazu gemacht hat, wie sie die Aussagen der Ex in die HV einzuführen gedenkt. Es bleibt also bei dem Verbot, den Personalbeweis durch Urkundenbeweis oder andere Surrogate zu ersetzen. Das ist dem materiellen Unmittelbarkeisprinzip aus 250 StPO geschuldet, der auch im 252 StPO steckt. So habe ich das jedenfalls bisher immer gelesen. Wenn nach BGH das Verlesungs- und Verwertungsverbot dem Schutz der Zeugin vor inneren Konflikten dienen soll und sie darauf verzichten darf (fraglich bleibt für mich immer noch der Widerspruch des isolierten Verzichts zum Gebrauch von dem Zeugnisverweigerungsrecht), so ist immer noch das Unmittelbarkeitsprinzip zu beachten, über das die Zeugin nicht disponieren kann. Gut, dass die Vorsitzende wenigstens diese Einschränkung teilt.
Ja, offenbar werden die damaligen Angaben der Nebenklägerin über die Vernehmung von Polizeizeugen eingeführt:
http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10009&pk=1089625
Wobei der Live-Blog wesentlich interessanter ist als der nichtssagende dpa-Artikel…
Nachtrag:
Dafür gibt es eine eigenen Link:
http://www.live.mittelbayerische.de/Event/Der_Fall_Mollath
…..“Mollaths Ehefrau habe im Januar 2003 zunächst Anzeige wegen eines Waffendelikts gestellt, sagte der 47 Jahre alte Polizist am Dienstag (08.07.14) vor dem Landgericht Regensburg. Sie habe befürchtet, dass ihr Ehemann seine Waffe im Zuge des Trennungsstreits gegen sie einsetzen könnte.“….
Es war dann halt eine Luftdruckpistole….
http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/mollath-wiederaufnahmeverfahren-regensburg-tag2-100.html
Also mal konkret: wenn solche Befürchtungen im Zusammenhang mit einer „scharfen Waffe“ (!) – im eigenen Dienstbezirk – angezeigt werden und diese auch nur ansatzweise ernst genommen werden, wäre bei uns polizeilich folgendes passiert: Antrag auf richterlicheren Durchsuchungsbeschluss (per Fax) und nach Erhalt noch am selben Tag, spätestens am nächsten Tag, die Durchsuchung.
Da das nicht passiert ist und die Durchsuchung bei Herrn Mollath fünf Wochen (19. Feb.) nach Anzeigenerstattung (15. Jan.) erfolgte, zeigt das m.E. vor allem eines: das ganze wurde nicht ernst genommen. Für die meisten Polizisten ist nämlich üblicherweise hier ein Gedanke handlungsweisend: was ist, wenn der Frau was passiert, ich von der Waffe wusste und nichts unternommen habe….
Die ersten Hinweise auf eine angeblich scharfe Waffe waren schon am 2.1.2003 bei einer Nürnberger Wache erfolgt. Soweit ich weiß, tat sich daraufhin nichts.
Neu ist mir allerdings, daß die Polizei Durchsuchungsanträge stellt. Soweit nicht Gefahr in Verzug ist und sie daher beschlußlos durchsucht, regt sie bei der Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Beschluß an.
Die wird normalerweise aber erst einmal eine richterliche Vernehmung der Anzeigenerstatterin veranlassen, denn sonst passiert das, was häufig passiert: die Frauen machen später von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, was gerade in emotionalen Trennungsphasen geschieht. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg fuhr hier zweigleisig: hinsichtlich der behaupteten Körperverletzung beantragte sie die richterliche Vernehmung der Anzeigenerstatterin, hinsichtlich des Durchsuchungsantrags reichte die bloße polizeiliche aus.
Bislang sind die Prozeßberichterstattungen erstaunlich dürftig; Ingrid Fuchs in der SÜDDEUTSCHEN:
http://www.sueddeutsche.de/bayern/wiederaufnahme-im-fall-mollath-polizisten-berichten-ueber-pruegelvorwuerfe-1.2037355
Und die Sache mit dem Briefdiebstahl, von dem Mollath aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wurde, wird von ihr unrichtig dargestellt:
Die Ehefrau war überhaupt nicht anwesend bei diesem aufgeblähten Vorfall, der selbst vor Brixners Augen keine Gnade fand.
Hier noch das: Waffe doch „nur vermutet“….
…..“Dabei hätten sich Angaben der Frau bestätigt, wonach eine „Langwaffe“ im Haus gewesen sei. Dabei habe es sich jedoch um ein waffenscheinfreies Luftgewehr gehandelt. Eine Pistole, von der die Frau auch gesprochen hatte, fand sich nicht. Allerdings habe sie selbst gesagt, die Waffe nur vermutet zu haben.“….
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/wiederaufnahmeverfahren-gustl-mollath-und-die-angst-seiner-frau/10170836.html
Die süddeutsche wendet sich schon in guter Manier der Küchenpsychologie zu, um Mutmassungen zu der Leidensfähigkeit der Richterin anzustellen.
Wird die Impulskontrolle der Richterin wohl versagen, wenn Mollath weiter versucht sich mit seinem Rechtsgefühl zu verteidigen?
Wie störrisch und kauzig muss ein Angeklagter sein, wenn er sich bei Vorhaltungen er habe eine gefährliche Körperverletzung begannen, sich nicht einfach zurücklehnt?
Dass man ihn auch noch herabsetzt, indem man den unausgesprochenen Verdacht in den Raum stellt, er sei obendrein noch verrückt, dürfte doch normalen Menschen keinen Anlass geben den Verfahrensablauf zu torpedieren.
Gesunden Menschen müssen das rechtsstaatliche Verfahren, welches einen besonders sachverständigen Berufszweig hinzuziehen muss, um die tieferliegende Gefährlichkeit eines Menschen aus seinem Wunsch nach Kernseife ableiten zu können, doch einsichtig sein.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/gustl-mollath-vor-gericht-ein-unbequemer-angeklagter-1.2036147
http://www.sueddeutsche.de/bayern/gustl-mollath-vor-gericht-ein-unbequemer-angeklagter-1.2036147
Das scheint Frau Fuchs entgangen zu sein, daß Gerichte (siehe Fall Kachelmann) gern die „kleine Lösung“ suchen und in dubio freisprechen, statt herauszuarbeiten, daß jemand Opfer einer Falschbeschuldigung (und hier zusätzlich: von Falschbegutachtungen) geworden ist. Daß zur Erreichung des angestrebten Unschuldsbeweises „angeklagt“ werden muß, versteht sich von selbst.
Michael Kasperowitsch hat heute in den NN ebenfalls einen Prozeßbericht veröffentlicht, der die „Unbequemlichkeit“ des Angeklagten nicht ausspart, der aber auch deutlich macht, daß die Atmosphäre im Gerichtssaal stimmt. Den Hintergrund des Beweisantrags stellt er jedenfalls verständiger dar als Frau Fuchs von der SÜDDEUTSCHEN:
Otto Lapp besteht zwar weiterhin auf den 129 zerstochenen Reifen, hat aber ansonsten einen korrekten Bericht abgeliefert:
Und am Schluß gelingt ihm sogar ein Lernfortschritt:
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/erster-prozesstag-applaus-fuer-mollath_273078
Über eine Studie zur Qualität von psychologischen Gutachten für Familiengerichte:
http://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-28-2014-studie-zeigt-qualitaetsmaengel-bei-gutachten-fuer-familiengerichte_id_3968629.html
Hier ausführlicher:
„Gravierende Eingriffe in Lebenswege von Kindern: Gutachten oft mangelhaft“
http://www.fernuni-hagen.de/universitaet/aktuelles/2014/07/01-am-rechtspsychologie.shtml
Es gäbe sehr viel, was man dazu sagen könnte. Nur scheint es mir hier nicht der richtige Ort zu sein. Leider gibt es keinen gut moderierten Blog (bei diesem so emotionalen Thema zwingend erforderlich), in dem eine sachliche Diskussion möglich wäre. Ändert aber nichts daran, dass es hier nicht das Thema ist. (Vielleicht macht Frau Wolff es irgendwann dazu)
Nur noch eines an dieser Stelle dazu: Es ist nicht nur die Qualität der familienpsychologischen Gutachten, sondern auch die der ihnen zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeiten. Schlusssatz aus der Dissertation von Katharina Behrend, „Kindliche Kontaktverweigerung nach Trennung der Eltern aus psychologischer Sicht. Entwurf einer Typologie.“, an der Uni Bielefeld:
„Das zeigt erneut: Entfremdung im Kontext von Trennung ist längst nicht nur ein akademisches Problem. Eine fruchtbare, Kindern wie Eltern gleichermaßen nützende wissenschaftliche Trennungspsychologie hat noch viele Hürden zu nehmen.“
Solange der Staat dieses Probleme durch Familiengerichte und mit Hilfe der Wissenschaft nicht lösen kann, dann muss er zu dem Mittel des Strafrechts greifen und darf aktive wie passive Umgangsvereitelung durch den betreuenden Elternteil nicht anders behandeln als die Verletzung der Unterhaltspflicht durch den anderen Elternteil. (Vielleicht wäre das etwas für eine Petition an den BT?)
Lässt sich die Thematik denn so rigoros trennen? Schuldfähigkeitsbegutachtung ist oft erst eine Folge dieser skandalösen Familienrechtsverfahren. Weil der entfremdete Elternteil mittels Strafrecht angegangen wird….
(Frau Behrend wurde in meiner Sache vor mittlerweile 19 Monaten mit einem Gutachten beauftragt, der Umgang wird seit 25 Monaten vereitelt….)
Bei „Hallo Deutschland“ (ZDF) ab Minute 3:00 (bis ca. 9:48) ein Bericht über Das Verfahren und die Entstehungsgeschichte:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2191714/hallo-deutschland-am-7.-Juli?bc=svp;sv0&flash=off
Nun hat auch Ursula Prem ihren Bericht vom 1. Verhandlungstag eingestellt – mit einem neuen, interessanten Detail:
http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/wiederaufnahme-gustl-mollath-1-tag.html
Lese ich da was von Anwendung (lt. §81c Abs. 6) des §70, u.A. bis zu 6 Monate Erzwingungshaft? (§70 Abs. 2) 😉
Sie haben zwar das richtige Detail erwischt, aber die falschen Schlußfolgerungen gezogen.
Ursula Prem schrieb:
http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/wiederaufnahme-gustl-mollath-1-tag.html
Der entsprechende Absatz des Paragraphen lautet:
In dem Urteil vom 8.8.2006 heißt es auf S. 10:
Klicke, um auf 2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf zuzugreifen
Ob das Brixners Zutat ist, ob er hier eine entsprechende Aussage lediglich wiedergibt, ob eine Augenscheinnahme stattgefunden hat – man weiß es nicht. Der jetzt tätige Rechtsmediziner Prof. Dr. Eisenmenger wird auf den Gedanken gekommen sein, eine Nachschau vornehmen zu wollen. Denn wenn ein Biß aus dem Jahr 2001 Narben verursacht hat, die noch im Jahr 2006 zu sehen gewesen sein sollen, dann müssen diese Narben auch 2014 noch zu sehen sein. Andererseits soll die Zeugin an anderer Stelle ausgesagt haben, daß sie nicht glaube, daß die Wunde am Ellenbogen geblutet habe (was mangels Hautläsionen eine Narbenbildung ausschließt).
Um diese Untersuchung durch einen Rechtsmediziner zu verhindern, hat sie ihr Zeugnisverweigerungsrecht auch auf diese, normalerweise gegen den Willen eines Zeugen vornehmbare, Untersuchung erstreckt.
Man darf vermuten, daß ihr diese Untersuchung nicht recht war.
Auch das spricht gegen die Zeugin.
§ 81c StGB
[Untersuchung anderer Personen]
(1) Andere Personen als Beschuldigte dürfen, wenn sie als Zeugen in Betracht kommen, ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, soweit zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet.
Nachdem Frau Maske aufgrund ihres Widerspruchs als Zeugin sowieso nicht in Betracht kommt, ist ihre Einwilligung nicht nötig und somit steht ihrer Untersuchung durch einen Gerichtsmediziner nichts entgegen.
Ich sehe kein juristisches Problem einer dermatologischen Begutachtung der Cutis dieser Dame
Das juristische Problem besteht durchaus.
Grundsätzlich kann sich ein Zeuge gegen körperliche Untersuchungen zum Nachweis von Spuren nicht wehren.
Wer aber ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Verfügung hat, kann nicht gezwungen werden, durch eine körperliche Untersuchung gegen den Ex-Ehemann zur Verfügung zu stehen. Was bedeutet, daß auch Nicht-Spuren verheimlicht werden können. Kurz und gut, die Opferschutzmentalität der letzten 20 Jahre hat ein perverses Rechtssystem hervorgebracht, bei der die klassische „Opferfrau“ gegen den klassischen „Tätermann“ von der Justiz ungeprüfte Vorwürfe erheben kann, die 1 : 1 in eine Verurteilung münden.
In den seltenen Fällen, in denen es zu einer Wiederaufnahme kommt, die u.a. die Zerstörung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin zum Gegenstand hat, wie bei dem WA-Antrag der Staatsanwaltschaft, hat eine Ex-Ehefrau die Option, sich einer hochnotpeinlichen Befragung durch Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechtes zu entziehen und eine rechtsmedizinische Untersuchung zu verweigern.
Gleichzeitig kann sie aber auch genehmigen, daß ihre verschriftlichten früheren belastenden Angaben als Beweismittel eingeführt werden, und gleichzeitig kann sie sich über ihren Anwalt alle prozessualen Rechte als Nebenklägerin erhalten.
Genau dieses Szenario haben Gesetzgeber und Rechtsprechung im Sinn des feministischen Zeitgeistes zugunsten von Frauen gewollt. Daß es mißbraucht wird, und zwar nicht nur in diesem Einzelfall, gilt als Kollateralschaden.
Ehrlich gesagt, verstehe ich diese Argumentation nach dem Gesetzeswortlaut noch nicht:
Als Zeuge kommt sie doch in Betracht. Kann sie einfach mit Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsgrechts auch gleichzeitig 81c aushebeln?
§ 81 c StPO
[…]
(3) Untersuchungen oder Entnahmen von Blutproben können aus den gleichen Gründen wie das Zeugnis verweigert werden.
Logischerweise kann niemand gezwungen werden, gegen einen Angehörigen auszusagen; das gilt dann auch für die Untersuchung von Tatspuren am eigenen Körper.
„Unmoralisch“, wie RA Strate dies vor Gericht nannte, wird die Ausübung dieses Rechtes eines Angehörigen dann, wenn zugleich eine Verwertung früherer Aussagen ausdrücklich erlaubt und weiterhin die Nebenklage betrieben wird.
Jetzt habe ich es auch verstanden 🙂
Süss, dass auch Herr Postel einen Kommentar dazu verfasst hat.
Die Richter waren von seinen Gutachten immer hellauf begeistert.
Wer ist Uta Eisenhardt? Jedenfalls ist sie jemand, der nicht glaubt, daß Herr Mollath unschuldig in der Psychiatrie festgehalten wurde. Und sagt das auch laut und deutlich im Mittagsmagazin:
http://mittagsmagazin.zdf.de/zdf-mittagsmagazin/zdf-mittagsmagazin-6019752.html#
in der zweiten Hälfte bei -23 etwa.
Nun, die arbeitet nach dem Contra-Prinzip!
Gelernt ist gelernt. Wer redet über Michael Kasperowitsch, immerhin einer derjenigen, die das Ganze ins Rollen gebracht haben. Nein, jeder redet über die LaLa-Journalisten. Würde der NK je eine befriedigende Anzahl von Artikelkäufen erzielen, wenn nicht jeder reflexartig auf den Namen Lapp anspringen würde?
Genauso verhält es sich mit dieser Frau. Sie hat begriffen, dass sie mit dieser provokanten Aussage schon mal etliche Bücher mehr verkaufen wird. Und nicht zu vergessen, einen bei denen Gut, mit denen Sie Ihr Brot verdient.
U-n-e-r-t-r-ä-g-l-i-c-h.
Für mich sind solche Leute eine „Gefahr für die Allgemeinheit“, die das Phantasma fortführen, nur „ganz schwere Fälle“ (…“es reicht noch nicht mal, wenn Sie einem Polizisten das Bein brechen….“ ) kämen in den Massregelvollzug (…“der heißt so, weil da Maßregeln vollzogen werden“).
Und natürlich ist das alles nicht so wie in „Das Schweigen der Lämmer“….Ach! (ab Min. 32 +)
Albert Schäffer in der Faz:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/der-fall-gustl-mollath-spaete-suche-nach-der-wahrheit-13031139-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Der Artikel ist ansonsten gut, aber hier liegt Schäffer falsch. Wäre seinerzeit korrekt verfahren worden, wäre ein unvoreingenommenes und rechtsstaatliches Gericht im Spiel gewesen, das erkannt hätte, dass die Beweise für eine Überzeugungsbildung über die behaupteten Straftaten nicht ausreichten. Die Frage der Gefährlichkeit bzw. Unterbringung hätte sich dann gar nicht erst gestellt.
Auch die STERN-Gerichtsreporterin Uta Eisenhardt bekannte sich – mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen – im heutigen MIMA des ZDF dazu, dass sie nicht zu denjenigen gehört, „die Gustl Mollath für unschuldig in der Psychiatrie halten“.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2191396/mittagsmagazin-vom-07.-Juli-2014#/beitrag/video/2191396/mittagsmagazin-vom-07.-Juli-2014
Gespräch ab 34’21“, Zitat: 36’18“ ca.
Diese Art von Fachurteil scheint sich ja schon fast zu sowas wie einem Qualitätsprädikat für seriöse Gerichtsberichterstatter entwickelt zu haben… 🙂
Es stört mich auch.
In der Psychiatrie sitzt man grundsätzlich UNSCHULDIG, manchmal auch GRUNDLOS
Die Reporter, die sich auf Forensik spezialisieren, sollten WISSEN, was sie reden…
…ausser sie wollen
a) es sich mit forensischen Psychiatern grundsätzlich nicht verderben, da weitere Buchprojekte anstehen könnten,
b) so tun, wie wenn sie wesentlich mehr wüssten als (fast) alle Anderen,
c) sich ganz klar von diesem pöbelnden Facebook-Mob absetzen,
d) im Vorbeigehen auch noch den Chauvi-Maskulinisten eins auswischen.
Ja, oder man will den Wirtschaftszweig „forensische Psychiatrie“ fördern und selbst daran verdienen…
…damit kokettiert sie ja auch: ihrem „Zugang“ zu Personen und Anstalten.
Bezweifle allerdings, dass sie jemals im Massregelvollzug übernachtet hat.
Ich schreib jetzt dann auch ein Buch….
Stimmt so natürlich nicht. Kann kann auch im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und damit „schuldig“ in die § 63 Unterbringung kommen.
Nach §64… dem würde ich zustimmen, doch die „Justiz“ vermischt es gewissenhaft – „unschuldig“, „schuldunfähig oder vermindert schuldfähig“. Meiner Meinung nach gehören die nach §64 Verurteilten nicht in die Psychiatrie, das ist aber ein anderes Kapitel…
Wer da isst im Weinberg des Herrn, soll die Speise nicht verachten, die ihm da gereichet wird.. Sonst wird er auf Diät gesetzt. Selbst bei Frau Friedrichsen meint man gelegentlich eine vornehme Zurückhaltung in der Kommentierung zu vernehmen. Es hat schon seinen Grund, warum früher der von der Kritik der herrschenden Verhältnisse nicht ablassen Wollende die Rolle des Narren einzunehmen hatte.
Der Gerichtsreporter ist eben doch mindestens zur Hälfte ein Mitglied des Gerichts, so wie das Organ der Rechtspflege, der Verteidiger, und wer sich die zur Kenntlichkeit entstellte Karikatur eines Gerichtshofes antun will, wird unter anderem fündig bei Franz Kafka.
Sein Roman Der Prozess. zielt ab auf die Darstellung und Begründung jener Befindlichkeit, die man notdürftig tröstend umschreibt mit Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand.
Dias hat ja auch eine subjektive Seite, und diese wiederum dürfte bei vielen Gerichtsreportern ausgeprägt sein. Wenn man immer wieder erlebt, was es heißt, vor den Schranken des Gerichts zu stehen, wird man demütig.
Manche behaupten ja, das sei auch so beabsichtigt. Ich würde dem nicht widersprechen,