Der Fall Mollath: Die letzte Bastion

Rosenkrieg 1

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/

Ja doch, wir sehen einem Endspiel zu, das von Seiten der bayerischen Justiz mit trickreichem Ausweichen und Wegducken, Hin- und Herschieben der Verantwortung, kreativen Rechtsmittelverkürzungen, Hervorzaubern verlorengeglaubter Dokumente und zuletzt mit einem trotzigen Bekenntnis zur Rechtskraft eines Fehlurteils geführt wird.

Rückzugsgefechte allesamt, begleitet vom Klage-Chor des bayerischen Richtervereins und des deutschen Richterbundes, für die Urteilskritik Majestätsbeleidigung darstellt und die sogar von einem Justizminister verlangen, gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Entscheidungen der Landesjustiz zu verteidigen, die verfassungswidrig sind. Demnächst fordern sie womöglich auch noch vom Bundesverfassungsgericht, doch bitte ihre richterliche Unabhängigkeit zu respektieren und sie mit weltfremden Ansichten nicht zu behelligen…

Das doppelte Spiel der Ministerin Dr. Beate Merk – Imagekorrektur von der seelenlosen Hardlinerin hin zur empathischen Versteherin des Volkszweifels einerseits, gnadenlose Rechtsauslegerin mit Vollstrecker GStA Nerlich andererseits – haben die Berufslobbies der Richter und Staatsanwälte aber noch nicht durchschaut. Daß die Ministerin die verfassungsrechtliche Binse von der durch die Dauer der Vollstreckung herbeigeführten Unverhältnismäßigkeit öffentlich verlautbarte, war keinesfalls eine Kritik an den bis zum heutigen Tage gültigen Verlängerungsentscheidungen der Strafvollstreckungskammer Bayreuth und des 1. Strafsenats in Bamberg.

Die Pressemitteilung ihres Ministeriums vom 9.7.2013 über ihre Stellungnahme fiel noch einigermaßen wolkig aus:

Einen Schwerpunkt der Stellungnahme bildet darüber hinaus auch die Frage, inwieweit die Fortdauer der Unterbringung des Herrn Mollath auch heute noch mit der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht. „Gerade die Dauer der Unterbringung des Herrn Mollath wirft Fragen auf“, so Merk. Ich habe die Stellungnahme deshalb auch genutzt, um zu unterstreichen, dass auch in rechtlicher Hinsicht die Dauer der Unterbringung mit zunehmendem Zeitablauf bei der Prüfung von deren Fortdauer immer stärker ins Gewicht fallen muss.“

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2013/180.php

Aus der Erwiderung des Verteidigers von Gustl Mollath geht allerdings deutlich hervor, daß das Justizministerium die Verfassungsbeschwerde (wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch kritiklose Übernahme des Pfäfflin-Gutachtens) für unbegründet und die Dauer der Unterbringung bis zum Jahr 2011 auch für verhältnismäßig hält.

Die Verhältnismäßigkeit des schwerwiegenden Eingriffs wird allen Ernstes nach wie vor bejaht (S. 20 d. St.). Bei einer „gut fünf Jahre andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus“ sei „bei den zugrundeliegenden Anlassdelikten und der fortbestehenden Gefährlichkeit gleichgelagerter Taten kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzunehmen“ (S. 22 d. St.).

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=7

Eine kleine Aufweichung dieser Haltung für die Jetzt-Zeit klingt allenfalls konjunktivisch an:

Ihr „schlechtes Gewissen“ versucht die Ministerin zu verdecken mit dem Argument, dass die Verfassungsmäßigkeit der Unterbringung zumindest heute – im Jahre 2013 – auf Grund Zeitablaufs unverhältnismäßig geworden sein könnte.

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=9

Schließlich wird hier ein großer Teil der umfangreichen zuvor angestellten Begründung wieder in Frage gestellt, wonach die Anlasstaten die Unterbringung rechtfertigen sollten, wenn ausgeführt wird:

Wenn man ausschließlich auf das Gewicht der Anlasstaten und die damit verbundenen Strafobergrenzen abstellte, käme man möglicherweise zur Unverhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung„.

http://www.gustl-for-help.de/download/2013-07-16-Kleine-Cosack-Mollath.pdf#page=12

Richter und Staatsanwälte können aufatmen: mehr als kosmetische Korrekturen sind das nicht, sie bleiben ungeschoren und die Ministerin auch, die vor den Kulissen den betroffenen Menschen Beate Merk gibt und hinter den Kulissen die Zustimmung erteilt hat, daß die Staatsanwaltschaft Nürnberg trotz des von der Ministerin initiierten Wiederaufnahmeantrags ungerührt die Fortdauer der Vollstreckung beantragt.

So der Untersuchungsausschuß (Minderheitsbericht):

Die Staatsanwaltschaft hat jährlich die Fortdauer der Unterbringung beantragt. Eine kritische Überprüfung dieser Position fand nicht statt. Den Beschwerden des Untergebrachten zum Oberlandesgericht Bamberg ist sie stets entgegengetreten. Selbst als die Betreuungsrichterin in Straubing aufgrund des Gutachtens von Herrn Dr. Simmerl dringend eine Überprüfung der Unterbringung anregte98, kamen der Staatsanwaltschaft keinerlei Zweifel. Sogar als alle Fakten längst bekannt waren, die zu den beiden Wiederaufnahmeanträgen führten, beantragte die Staatsanwaltschaft – mit Zustimmung des Ministeriums – noch die weitere Unterbringung, die das Landgericht Bayreuth dann im Juni 2013 anordnete.

http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000011000/0000011291.pdf#page=76

Mal sehen, ob sie diese Doppelrolle als öffentliche Retterin Mollaths weiterspielt, wie schon bei der Initiierung des Wiederaufnahmeantrags, wobei sie intern ihrem General Nerlich freie Hand ließ, ihn um die Vorwürfe der Rechtsbeugung zu entschärfen. Wie eng die beiden zusammenarbeiten, ergibt sich schon daraus, daß der General die erste Fassung des Wiederaufnahmeantrags von OStA Dr. Meindl vom 18.12.2012 anhielt und dem Ministerium nicht übersandte – nur die Ministerin persönlich erhielt ein Exemplar. Es wird sie nicht amüsiert haben:

Herr Gramm führt aus: „Weder mein Kollege Grauel noch, soweit ich sagen kann, unser Abteilungsleiter Seitz, noch irgendjemand sonst im Justizministerium hatte dieses Schreiben vom 18.12. bekommen. Es war ja auch ersichtlich, wie Sie aus der Adressierung entnehmen können, nicht an das Justizministerium, sondern an den Generalstaatsanwalt gerichtet. Wir hatten das schlichtweg nicht. Wir hatten weder das Schreiben noch die Anlage dazu. Was wir hatten, war dann dieser folgende Vorentwurf – oder wie auch immer man ihn nennen will –, Arbeitsentwurf vom Februar 2013; den hatten wir. Diesen hier hatten wir nicht.“329

Auf Vorhalt von Auszügen aus diesem Antrag durch MdL Streibl erklärte die Ministerin allerdings, dass sie diesen gekannt habe und er dem Ministerium zugeleitet worden sei.330 Hier besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen der Aussage der Ministerin und dem Ministerialrat Gramm.

http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000011000/0000011291.pdf#page=118

Rechtsgeschichte wird der Fall Mollath so oder so schreiben: über eine Reform des „Mollath-Paragraphen“ 63 StGB wird nachgedacht: nun hat sich auch der badenwürttembergische Justizminister, dem ähnliche tragische Unterbringungsfälle in seinem Land berichtet wurden, den (bei weitem nicht ausreichenden) Überlegungen der Bundesjustizministerin angeschlossen:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.problematische-faelle-auch-in-baden-wuerttemberg-parallelen-zum-fall-mollath.1d4587b9-f455-4cec-819e-e0140d65283e.html

http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/Stuttgarter-Zeitung-Stickelberger-doch-offen-fuer-Konsequenzen-aus-Fall-Mollath-2561598

Kreativ gehen auch bayerische Gerichte mit dem Gesetz und der Causa Mollath um. Prof. Dr. Henning Ernst Müller hat die Sach- und Rechtslage  zutreffend analysiert:

Schon vergangene Woche hatte das OLG Bamberg die Entscheidung der StVK des LG Bayreuth aufgehoben, lt. der bei Herrn Mollath nach wie vor die Voraussetzungen der Unterbringung bejaht worden waren. Die Entscheidungsbegründung des OLG war teilweise für Herrn Mollath durchaus  positiv: Bemerkenswert immerhin, dass der Senat zumindest die fehlerhafte Bewertung des Komplexes „Dr. Wörthmüller“- siehe Wiederaufnahmegründe V9 und S4) auch im Rahmen des § 67e StGB beachtet haben will (S. 11 des Beschlusses). Ebenso bemerkenswert ist, dass das OLG Bamberg auf die Äußerungen von Prof. Kröber in einem Interview, mit der er seine Gefährlichkeitseinschätzung von 2008 relativierte, Bezug nimmt. Dennoch ist auch diese Entscheidung OLG Bamberg nicht durchweg positiv: Das Beschwerdegericht hat grds. selbst zu entscheiden und kann dazu auch selbst Tatsachen ermitteln; eine Aufhebung und Zurückverweisung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 309 Abs. 2 StPO). Ohnehin wäre die Frage der (Un-)verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung Herrn Mollaths  längst entscheidungsreif.

Zur Wertung des OLG Nürnberg, die für Hauptverhandlungen geltende Ausnahmevorschrift des § 28 II Satz 2 StPO, wonach eine isolierte Beschwerde gegen die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht möglich sei, sei auch auf ein Wiederaufnahmeverfahren anzuwenden, schreibt er:

Da es weder eine planwidrige Regelungslücke gibt noch eine vergleichbare Interessenlage, ist aber eine Analogie kaum juristisch sauber herzuleiten.

In der Pressemitteilung heißt es zur Begründung:

„Die gesetzliche Regelung dient nicht zuletzt der Beschleunigung des Verfahrens. Nach übereinstimmender Rechtsprechung beider Strafsenate des Oberlandesgerichts ist § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nicht nur im Urteilsverfahren anzuwenden, sondern entsprechend auch in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen, zum Beispiel im Strafvollstreckungsverfahren. Der hinter der Vorschrift stehende Rechtsgedanke trifft nach Auffassung des Senats auch auf das Wiederaufnahmeverfahren zu.

Die Argumentation ist verfehlt – „Rechtsgedanken“ aus einer Ausnahmevorschrift können eben nicht einfach auf „vergleichbare“ Verfahrenskonstellationen übertragen werden, jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz den Sachverhalt eindeutig regelt (§ 28 Abs.2 S.1 StPO). Gerichte dürfen sich nicht über das Gesetz stellen. Auch wenn es hier nur um ein verfahrensrechtliches Detail geht, ist zu bemerken, dass die bayerische Justiz – hier jetzt das OLG Nürnberg – wiederum zu Lasten Herrn Mollaths eine fragwürdige Entscheidung getroffen hat.

http://blog.beck.de/2013/07/24/kommt-mollath-bald-frei?page=1

Genau, darum geht es. Wie kann man Richterrecht gegen Gustl Mollath und gegen den Gesetzeswortlaut mobilisieren? Wie gesagt, der Fall Mollath bewegt. Zwei Mal schon hat sich das OLG Nürnberg auf bedenkliche Art und Weise vor einer inhaltlichen Prüfung der Causa Mollath hinter die löcherige Schanze einer angeblichen Unzulässigkeit des Rechtsmittels geflüchtet. Damit ist es nun vorbei.

Denn, wie zu erwarten war – mir ist kein Wiederaufnahmeantrag aus Bayern bekannt, der erstinstanzlich durchgegangen wäre – : die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg stand wie eine Bastion auf der Seite von GStA Nerlich und wies am 24.7.2013 beide Wiederaufnahmeanträge als unzulässig ab.

Das war kein leichtes Stück Arbeit, nein, man brauchte Monate und 113 Seiten, um eine juristisch klingende Lösung für das von vorneherein feststehende Ergebnis zu produzieren. Gestern gegen 11 Uhr erschien die Pressemitteilung, auf die ich spontan reagiert habe:

gabrielewolff sagte am 24. Juli 2013 um 12:11

Eine Schnell-Überprüfung der Pressemitteilung des Landgerichts Regensburg:
http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/r/aktuell/04034/index.php
ergibt Folgendes:

1. Unechte Urkunde:
Es handelt sich bei dem Attest vom 03.Juni 2002, welches dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlag, um keine unechte, sondern um eine echte Urkunde. Das Attest ist die Zweitschrift eines Attests vom 14. August 2001. Dieses Attest wurde zwei Tage nach dem Tatgeschehen vom 12. August 2001 durch einen approbierten Arzt nach vorgehender Untersuchung ausgestellt. Dieser hat auch die Zweitschrift erstellt. Der ausstellende Arzt unterschrieb das Attest mit dem Zusatz „i.V.“ („in Vertretung“) und gebrauchte dabei berechtigt Briefkopf und Praxisstempel der Praxis, in der er seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin absolvierte.

Das ist falsch, weil auf der im Verfahren benutzten Fax-Urkunde lediglich die Mutter des ausstellenden Arztes als Urheberin erkennbar war und auch so erkannt worden ist.

2. Aussage des Zeugen B.
Mit der Motivlage der ehemaligen Ehefrau des Untergebrachten – und nur in diesem Zusammenhang ist die Aussage des Zeugen B. überhaupt von Bedeutung – hat sich bereits das damals erkennende Gericht auseinandergesetzt. Die Aussage steht damit nicht im Widerspruch zur Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts.

Unsinniger könnte die Begründung nicht sein: Brixner hatte der Ehefrau fehlenden Belastungseifer unterstellt, der Zeuge Braun erklärt das Gegenteil.

3. Dr. Wörthmüller
Die aus Sicht des Untergebrachten bestehende Erklärbarkeit für die Einbeziehung des Dr.W., die das Wiederaufnahmevorbringen zum Gegenstand hat, ist damit bereits Gegenstand des Gutachtens gewesen.

Die aus gutachterlicher Sicht bestehende Erklärbarkeit der Einbeziehung des Dr. Wörthmüller beruhte seinerzeit auf der Annahme eines Wahns, die jetzt bestehende Erklärbarkeit auf einer faktischen Grundlage.

4. Rechtsbeugung

wird natürlich zu:

Verfahrensfehler und Sorgfaltsmängel

Rechtlich falsch:

Diese Fehler, soweit sie überhaupt vorliegen, rechtfertigen nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung und hatten im Übrigen auch im Ergebnis keine Auswirkungen auf das Urteil.

Es bedarf keiner Auswirkung auf das Urteil.

Rechtlich falsch:

Dabei ist ein Antrag, der sich auf die Behauptung einer Straftat gründet, grundsätzlich nur dann zulässig, wenn wegen dieser Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist. Eine solche Verurteilung ist vorliegend nicht erfolgt und könnte selbst bei Erweislichkeit einer Amtspflichtverletzung mittlerweile wegen eingetretener Verjährung auch nicht mehr erfolgen.

Siehe § 364 StPO (Hervorhebung von mir)

§ 364
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des § 359 Nr. 5.

Wenn wegen Verjährung ein Strafverfahren nicht mehr durchgeführt werden kann, bedarf es keiner rechtskräftigen Verurteilung als Zulässigkeitsvoraussetzung.

5. Der HVB-Revisionsbericht
Auch dieser ist nicht geeignet, das Urteil zu erschüttern, da es im Urteil bei der Überprüfung der Schuldfähigkeit von Herrn Mollath explizit für möglich gehalten wird, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat.

Sowohl der Gutachter als auch das Gericht gingen explizit davon aus, daß Gustl Mollath wahnhaft seine Frau, einige von deren Kollegen und die Hypovereinsbank Nürnburg der Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschuldigte.
Der Satz in der bloßen Würdigung:

Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, daß der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.

(UA S. 25)

widerspricht der Urteils-Feststellung von der “fixen Idee”, daß konkret Petra Mollath und die HypoVereinsbank Schwarzgeld transferierten (UA S. 4f.), ja nicht – und darf es auch gar nicht. Wenn die Psychiater, Politiker und das LG Regensburg jetzt so tun, als ob es auf den Wahrheitsgehalt von Mollaths Anschuldigungen nicht ankomme, liegen sie falsch. Leipziger wie Brixner gingen von dem wahnhaften Charakter der Beschuldigung aus, wobei sich der Wahn nach und nach ausweitete.
Ausgangspunkt dieses Wahn sollen tatsächlich geschehene Schwarzgeldverschiebungen irgendwelcher anderer Banken gewesen sein, in die Mollath seine Frau, die HVB Nürnberg und immer weitere Personen einbezogen hat.
Ich weise noch einmal auf S. 12f. des Urteils hin: da heißt es explizit über ein Gespräch des Angeklagten mit dem Gerichtsvollzieher:

[…] erzählte ihm von seinem Leben, seiner Scheidung und dem angeblichen Schwarzgeldverschiebungsskandal, in den seine Ehefrau verwickelt sei.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf

Mit diesem Beschluß hat der abgelehnte Berichterstatter seine Befangenheit bestens dokumentiert.

Jetzt kann sich das OLG Nürnberg nicht mehr mit Förmeleien wegducken. Jetzt muß die Beschwerde gegen die Ablehnung der Unterbrechung der Vollstreckung bearbeitet werden. Und zwar pronto.

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/comment-page-4/#comment-17404

Wobei ich natürlich davon ausgegangen bin, daß die Verteidigung Beschwerde einlegen wird; das Ministerium hat umgehend sofortige Beschwerde angekündigt:

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2013/195.php

Nun hätte man annehmen können, daß die Fehler in der Pressemitteilung auf Mißverständnisse des Pressesprechers zurückzu führen seien.  Aber nein! Die Lektüre des Beschlusses:

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf

ergibt, daß das ganze juristische Elend dieser Entscheidung dort grundsätzlich zutreffend wiedergegeben wird. Von Wortgirlanden befreit, steht die Unhaltbarkeit der Positionen besonders nackt da.

Zum unechten Attest, einem Argument der Staatsanwaltschaft, heißt es:

Vor der Unterschrift des unterzeichnenden Arztes findet sich der Vertretungszusatz „i. V.“. Dieser ist zwar nicht gut sichtbar […] Dass der „i.V.“-Vermerk von der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth offenbar nicht erkannt wurde, ändert daran nichts.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=10

In der Folge geht es nur noch um Vertretungsbefugnisse, über die wild herumspekuliert wird, weil Genaues weiß man ja leider nicht, außer, daß seine Mutter keine Kenntnis von der Patientin hatte, der Unterzeichner Markus Reichel am 14.8.2001, als das Erstattest ausgestellt worden sein soll, approbierter Arzt und Weiterbildungsassistent im fünften Jahr war und keine Kassenzulassung hatte, während er zum Zeitpunkt der Zweitschrift vom 3.6.2002 Facharzt für Allgemeinmedizin war, wobei über seine Tätigkeit in der Einzelpraxis seiner Mutter nichts bekannt ist (Urlaubsvertretung? Angestellter Arzt mit eigener Kassenzulassung?). Das ist der Kammer egal, sie ermittelt freihändig aus allgemeinen Regeln eine konkrete Vertretungsbefugnis des Arztes Markus Reichel für beide Atteste. Ohne sich die Frage zu stellen, warum Markus Reichel sowohl im Jahr 2001 als auch im Jahr 2002 als Vertreter seiner Mutter gezeichnet haben soll, die weder die Untersuchung durchgeführt noch das Attest erstellt hat.

Zu allem Überfluß wird in der Anlage 2) eine Ausschnittvergrößerung des in Anlage 1) unerkennbaren „i.V.“-Vermerks des Attestes vom 3.6.2002 präsentiert, in der der Zusatz nur dann zu erkennen ist, wenn man danach sucht. Noch viel schlimmer: wesentlich leichter zu erkennen als dieser Zusatz ist die getippte Namenszeile unter dem unleserlichen Krakel des Namenszugs: sie lautet „Dr. med. Madeleine Reichel“, die damit die erkennbare Urheberin des Attestes ist und bleibt. Was die Urkunde zur unechten macht.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=115

Ob das durch den Generalstaatsanwalt nachgereichte „Originalattest“ vom 14.8.2001, über dessen Echtheit er nichts sagen konnte, echt ist, hat das Gericht an dieser Stelle so wenig geprüft wie die sich nun aufwerfende Frage, ob das im Verfahren gegen Gustl Mollath verwandte Fax-Attest vom 3.6.2002 überhaupt echt ist.

Generalstaatsanwalt Nerlich hat sich am 11.7.2013, unter Übersendung des Original-Attestes sowie einer Ablichtung davon) hierzu nämlich so geäußert:

Nach einem Bericht des Nordbayerischen Kuriers vom 09.07.2013 hatte Frau Petra Maske unter den von ihr erworbenen Akten und Papieren ihres damaligen Mannes auch das Originalattest vom 14.08.2001 aufgefunden. Der anwaltliche Vertreter von Frau Maske, Rechtsanwalt Jochen Horn, wurde wegen der Eilbedürftigkeit der Sache fernmündlich durch den Generalstaatsanwalt gebeten, das Attest hier vorzulegen. Er hat es am [sic!] gestern abend übergeben.An dem Attest vom 14.08.2001, seine Echtheit unterstellt, fällt auf, dass dort mit „i. V.“ unterzeichnet wurde. Das Namensschriftbild deckt sich augenscheinlich mit der Unterschrift des Herrn Markus Reichel, die er anlässlich seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Regensburg geleistet hat. Bei einem Vergleich des Attests mit der im gerichtlichen Verfahren verwendeten Zweitausfertigung mit Datum 03.06.2002 erkennt man, dass auch diese „Zweitausfertigung“ einen „i. V.“-Vermerk trägt, der aber wesentlich schwerer zu erkennen ist und den ich bisher als Teil des Namensschriftzugs interpretiert habe.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Zuschrift-LG-Regensburg-2013-07-12.pdf#page=3

Offenbar war die Kammer derartig erleichtert, über eine unterstellte befugte Stellvertretung des Sohnes für seine Mutter vermeintlich auch über die unechte Urkunde hinwegzukommen, daß sie den Wald vor Bäumen nicht mehr sah. Denn wenn sich die Unterschriften aus 2001 und 2012/2013 ähneln, diese wiederum aber nicht der undynamischen und reduzierten Unterschrift von 2002, dann drängt sich der Gedanke einer Fälschung der Unterschrift auf dem im Verfahren verwandten Fax-Attest vom 3.6.2002 auf.

Unterschrift vom 3.6.2002                                         Unterschrift vom 14.8.2001

Reichel-Vergleich-1Foto von und mit Dank an Oliver García

Auf dem Erstattest ist der „i.V.“-Zusatz klar zu erkennen, und es hätte sich bei Vorlage die Frage gestellt, wen die erkennbare Urheberin Dr. Madeleine Reichel denn vertreten haben soll, wenn das Attest doch durch ihre Einzelpraxis erstellt wurde. Dieses Attest war mithin unbrauchbar für ein gerichtliches Verfahren und mußte durch ein anderes, auf dem der Vertretungszusatz nicht zu erkennen war, ersetzt werden. Für die Belastungszeugin Petra M. war es ein leichtes, die Sprechstundenhilfe Petra S., damals die Lebensgefährtin ihres Bruders und heutige Schwägerin, zu veranlassen, das alte Attest mehrfach auszudrucken, zu stempeln, woraufhin dann der Namenszug von Markus Reichel mit verstecktem „i.V.“ nachgeahmt wurde. Schließlich erscheint es berechnend, wenn die Anzeigeerstatterin am 15.1.2003 bei der Polizei erscheint, um zur Bekräftigung ihrer unzutreffenden telefonischen Anzeige über unerlaubten Waffenbesitz ihres Mannes nebst Angst vor Waffengebrauch diese alte angebliche Körperverletzung vom 12.8.2001 anzuzeigen, das Attest aber nicht mitzunehmen. Dieses, die Zweitschrift vom 3.6.2002, faxte sie erst einen Tag später von ihrem Arbeitsplatz aus. Das Original vom 3.6.2002 ist bis heute nicht verfügbar.

Zu den Rechtsbeugungsvorwürfen mag ich mich eigentlich nicht mehr äußern: selbst so elementare Eingriffe wie die in das grundgesetzlich geschützte Freiheitsrecht  schrumpfen zu läßlichen Sünden, zu vertretbaren Verzögerungen, zu unbewußten Regelverstößen – und überhaupt, auch wenn die Vernehmung früher stattgefunden hätte, wäre die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Unterbringungsbeschlusses bei diesem Gericht ja nicht anders ausgefallen. Statt einer rechtlichen Würdigung kongeniale Einfühlung in den Richter, der maßgeblich dieses Fehlurteil vorbereitet und gesprochen hat.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=29

So geht das in einem fort: man fragt sich, wieso und wozu ein Richter überhaupt noch Gesetze braucht…

Interessant ist freilich, wie das Landgericht Regensburg die überhaupt nicht bestreitbaren Rechtsbeugungen in Form von Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, und zwar hinsichtlich der Sachbeschädigungsvorwürfe, abhandelt: nämlich gar nicht:

Soweit hier im Hinblick auf das Attest, die Erfindung einer nicht angeklagten Sachbeschädigung, die Erfindung einer Rechtsanwältin G als Scheidungsanwältin der Petra M., die Erfindung einer Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher H, die Unterdrückung entlastender Aussagen des Zeugen Thomas L sowie die Verfälschung von Tatzeit und Tatort der zu L Nachteil begangenen Sachbeschädigung, die Weglassung der gutachterlichen Würdigung der Sachbeschädigungsakte durch Dr. L, die Erfindung eines gleichartigen modus operandi und die Gefährlichkeit der Sachbeschädigungen bewusste Verfälschungen behauptet werden, mögen den Urteilsgründen Sorgfaltsmängel zugrundeliegen, für bewusste Verfälschungen oder bewusste Erfindungen liegen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere belegt auch ein Widerspruch der schriftlichen Urteilsgründe zum Akteninhalt keine Sachverhaltsverfälschung (siehe dazu auch oben).

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=54

Mit den sorgfältigen Begründungen über Ziel und Zweck der Fälschungen in der Ergänzung des Wiederaufnahmeantrags der Verteidigung vom 1.5.2013 setzt sich das Gericht, das sich offen als Brixners Sachwalter zu erkennen gibt, lieber nicht auseinander:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

Und verkennt auch hier die Häufung und Tendenz der „Sorgfaltsmängel“, die eine Verurteilung zur Unterbringung gemäß § 63 StGB ohne Beweis von Anlaßtaten zum Ziel hatten, die es gegenüber dem BGH notdürftig zu kaschieren galt. Daß auch nur eine dieser Verfälschungen durch ein vom Akteninhalt abweichendes Ergebnis der Hauptverhandlung bedingt sein könnte, ist auszuschließen. Schon der Akteninhalt gab ja nichts her – und selbst der mußte noch zurechtgebogen werden.

Die Einflußnahme von Richter Brixner auf die Steuerfahndung im Jahr 2004 als Indiz für seine Voreingenommenheit wird in Anlehnung an die CSU-Meinung des Untersuchungsausschusses gewürdigt (S. 54 – 56), und also insgesamt bin ich geneigt, die Ablehnung eines Anfangsverdachts der Rechtsbeugung (S. 57) als ein Bewerbungsschreiben der Vorsitzenden für die nächste freiwerdende GStA-Stelle unter Berücksichtigung der Frauenquote anzusehen. Die politische Anpassungsfähigkeit ist vorhanden, der Wille zum Schutz der Richterkollegen, und wenn es sein muß, auch strafrechtliche Unkenntnis (Verwechslung von Unterzeichner mit strafrechtlich relevantem Urheber einer Urkunde).

Was gibt es noch?

Die gegenüber der langjährigen promovierten Fachärztin geringere Qualifikation des Attest-Ausstellers wäre vom Gericht ohnehin nicht gewürdigt worden (S. 60 -62), ja, und der Zeuge Edward Braun (S. 62 – 75) ist mit seiner Aussage nicht geeignet, „aus der Sicht des damals entscheidenden Gerichts zu einer im Ergebnis abweichenden Beweiswürdigung zu gelangen.“ (S. 63).

Auch wenn man sich die diesbezüglichen schwurbeligen Ausführungen mehrfach durchliest: man versteht sie einfach nicht. Kurz zusammengefaßt könnte man sagen: da Richter Brixner ohnehin verurteilt hätte, hätte ihn auch der Zeuge Braun nicht davon abgehalten, der belastungseifrigen Belastungszeugin mangelnden Belastungseifer zu attestieren. Schließlich kannte er ja die Falschbelastungsmotive der Ex-Ehefrau (S. 75)

Eine offensivere Verteidigung eines Unrechtsurteils, die stets zirkelschlüssig in kongenialer Einfühlung in den das Fehlurteil produzierenden Richter argumentiert, ist nicht denkbar.

Ähnlich länglich wie neben der Sache (S. 76 – 87) fällt die Auseinandersetzung mit der falschen Wahnerweiterung auf Dr. Wörthmüller aus.

Hier tappt die 7. Kammer in die Falle, die aktuelle Aussagen von Psychiatern, die sich ja längst vom „Schwarzgeldwahn“ distanzieren und sich dabei auf das Urteil (wohlgemerkt: das Urteil, nicht auf ihre eigenen Gutachten!) beziehen, stellen.

Insoweit ist der Vortrag nicht geeignet, die folgende Feststellung im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (S. 25 des Urteils vom 8. August 2006) zu erschüttern:

„Auch in der Hauptverhandlung hat sich – wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen – die wahnhafte Gedankenwelt des Angeklagten vor allem in Bezug auf den „Schwarzgeldskandal“ der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, daß der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert.“

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=86

Daß Psychiater Urteile nicht lesen können, will ich ihnen nicht mal vorwerfen. Aber Richter sollten das doch können: bei der zitierten Stelle handelt es sich nicht um eine Urteilsfeststellung, sondern um eine gerichtliche Würdigung des Leipziger-Gutachtens. Kleiner Tip: die zitierte Passage findet sich unter Ziff. VI. Rechtliche Würdigung, S. 19 – 25 UA.

Diese „Würdigung“ darf natürlich mit den vorangegangenen allein wesentlichen „Feststellungen“ nicht kollidieren.

Diese finden sich u.a. hier:

Insbesondere nach Schließung des Geschäfts, saß der Angeklagte immer Zuhause vor dem Fernseher und begann „fixe“ Ideen zu entwickeln. […] So war der Angeklagte schließlich überzeugt, dass seine Ehefrau, die seit 1990 bei der HypoVereinsbank arbeitete, bei einem „riesigen“ Schwarzgeldgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz beteiligt sei. Die Ehefrau des Angeklagten Petra Mollath, jetzt Müller, war tatsächlich von der damaligen Bayerischen Vereinsbank mit dem Privatkundengeschäft in und für die Schweiz betraut. Daher war sie zusammen mit dem Angeklagten auch in der Schweiz eingeladen gewesen.

http://www.gustl-for-help.de/download/2006-08-08-Mollath-Urteil-Landgericht.pdf#page=4

Diese Feststelllung beruht auf der Aussage der Ehefrau und besagt: es war eine fixe Idee meines Mannes, daß meine Bank und ich mit so etwas zu tun haben. Andere Banken mögen so etwas ja gemacht haben, aber doch nicht meine oder gar ich selbst! Die Schweiz-Anlagen der HVB waren alle legal, er muß sich da in etwas verrannt haben.  Entsprechend heißt es auf S. 12 des Urteils über ein Gespräch des Angeklagten mit dem Gerichtsvollzieher:

[…] erzählte ihm von seinem Leben, seiner Scheidung und dem angeblichen Schwarzgeldverschiebungsskandal, in den seine Ehefrau verwickelt sei.

Es hatte ja einen Grund, warum Otto Brixner den Angeklagten niederbrüllte und ihn des Saales zu verweisen drohte, als der mit den Schwarzgeldgeschäften seiner Frau für und ab 1998 gegen die HVB anfing. Das waren ja nur „fixe Ideen“. Mir wurde zugetragen, daß die Ehefrau nicht einmal gemäß § 55 StPO belehrt wurde – klar, wegen „fixer Ideen“ braucht ja niemand Strafverfolgung zu befürchten und muß über sein Auskunftsverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbelastung bei wahrhafter Aussage auch nicht belehrt werden.

Ebenso ging der Gutachter Dr. Leipziger von einem irrealen Schwarzgeldwahn aus. Lustigerweise zitiert die Kammer auf S. 86 aus seinem Gutachten, ohne es indes zu verstehen (ich hebe die Stelle, um die es geht, hervor):

Im Bereich der Schwarzgeldverschiebungen sei der Untergebrachte unkorrigierbar der Überzeugung, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen, die sich gegen ihn stellen, z.B. auch Dr. W, in dieses System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt seien.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=84

Da ging, Arm in Arm mit Richter Brixner, der Gutachter mangels Lebenserfahrung davon aus, daß die Ehefrau und ihre Bank gar nichts mit Schwarzgeldverschiebungen, die nach Einführung der Quellensteuer ab dem 1.1.1993 völlig normal waren (und auch versteuerte Vermögen betrafen, deren Erträge der Besteuerung entzogen werdern sollten), zu tun hatten. Schließlich hatte die Staatsanwaltschaft aufgrund der Anzeige von Mollath keinen Anfangsverdacht erkannt.

Halten wir fest: für den Gutachter Dr. Leipziger wie für das Gericht war die Beschuldigung Mollaths, seine Frau und deren Bank seien in illegale Transfers in die Schweiz verstrickt, wahnhaft. Und die Ausweitung auf Dr. Wörthmüller ein Beleg für die Progredienz des Wahns. Daß die Psychiatrie sich heute gern von dieser Diagnose verabschiedet, ist angesichts der Realien ja verständlich…

Das LG Regensburg verneint, daß die neuen Erkenntnisse über Dr. Wörthmüller und seinen Nachbarn, der wegen Mollaths Beschuldigungen sehr beunruhigt war, hatte er doch gerade mit von dem von Mollath beschuldigten Ex-Kollegen von dessen Frau, nach dessen der Bank-Kündigung vorausgehenden Eigenkündigung, eine Finanz-AG gegründet, irgendeinen Wert hätten. Verstehen kann man die verquasten Argumentationsimulationen, sie entbehren jeglicher logischer Stringenz, nicht. Inselhaft taucht auf, daß auf S. 86 dargetan wird, daß die Staatsanwaltschaft lediglich Schlußfolgerungen, aber keine neue Tatsachen hinsichtlich des Wörthmüller-Komplexes liefere. Ebenso inselhaft taucht auf S. 87 der klassische Hinweis auf:

Durch die als Beweismittel benannten Zeugen ist dieser Schluss aber nicht zu widerlegen, sondern allenfalls durch ein Sachverständigengutachten.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/bwam240713_10_geschw_rzt.pdf#page=87

Was für ein Schmarrn! Es ist Aufgabe von Juristen, psychiatrische Gutachten zu evaluieren, und es ist ein Leichtes, wenn sie so schwach ausfallen wie das von Dr. Leipiger. Aber mit dieser Kapitulationserklärung reicht die ehrgeizige Vorsitzende vielleicht auch ihr Bewerbungsschreiben für einen OLG-Senat mit Zuständigkeit für Strafvollstreckung ein, wie für den in Bamberg, der sich ja auch nicht in der Lage sah, unlogische und widersprüchliche psychiatrische Gutachten wie das von Pfäfflin zu kritisieren.

Ich breche hier und jetzt ab. Das LG Regensburg hat Monate darauf verwandt, mit Sophisterei und Rabulistik ein Fehlurteil zu halten. Dem kann man nicht binnen zwei Tagen dezidiert begegnen, zumal man vor völlig unverständlichen Texten steht, die man erst einmal übersetzen muß.

Dieses Dokument ist juristisch wie sprachlich eine Schande. Denn wenn selbst Juristen raten müssen, was eigentlich gemeint ist, und nur erkennen, daß da ein Ergebnis gehalten werden soll, das juristisch nicht begründbar ist – dann Gute Nacht.

Diese Bastion wird fallen. Sie kommt mir vor wie ein letzter verzweifelter Versuch, all die Fehler im Fall Mollath zu rechtfertigen. Inclusive der eigenen eines Mitglieds der Kammer, das wegen Befangenheit abgelehnt worden ist. Das hat schon im Jahr 2012 Edward Brauns Mitteilungen für Killefit gehalten, seinen Antrag, die StA möge einen WA-Antrag einleiten, in einen eigenen WA-Antrag von Edward Braun umgedeutet, der dann wegen Unzulässigkeit kostenpflichtig abgelehnt wurde. Genau dieser bürgerfeindliche Geist zeichnet den Beschluß des LG Regensburg vom 24.7.2013 aus.

Update (26.7.2013):

Hier zwei weitere juristische Wertungen zu dem Beschluß des LG Regensburg vom 24.7.2013:

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/mollath-wiederaufnahme-abgelehnt-psychiatrie-unterbringung/

http://www.internet-law.de/2013/07/vorerst-kein-wiederaufnahmeverfahren-in-sachen-mollath-zu-unrecht.html

Ich gehe davon aus, daß kein Jurist von Rang diesen Beschluß verteidigen wird. Und bin der 7. Strafkammer des LG Regensburg sehr dankbar dafür, daß es seine Unabhängigkeit von volativen politischen Strömungen bewiesen und öffentlich demonstriert hat, wie in Bayern politisch linientreu, unabhängig von aktuellen Politik-Präsentanten und deren zeitweiligen Imageproblemen, üblicherweise Recht gesprochen wird. Selbst unter dem Scheinwerfer der Öffentlichkeit.

Der Fall Mollath ist offensichtlich nur die Spitze eines Eisberges.

Update (2.8.2013):

Da hatte Musmax am Vormitttag des 1.8.2013 geunkt:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/26/der-fall-mollath-die-letzte-bastion/comment-page-2/#comment-18809

Und nun hat ihn Prof. Dr. Henning-Ernst Müller (Freiheit von Forschung und Lehre)  eines Besseren belehrt und eine erste, fortzusetzende, Einschätzung des Beschlusses des Regensburger Landesgerichts gepostet:

http://blog.beck.de/2013/08/01/sind-die-wiederaufnahmeantr-ge-im-fall-mollath-unzul-ssig-der-beschluss-des-lg-regensburg-in-der-detail-kriti

Sie entspricht meiner Wertung voll und ganz.

Ich hoffe, daß er sich auch der Rechtsbeugung durch Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, wie im ergänzenden Schriftsatz der Verteidigung vom 1.5.2003 dargetan, noch widmen wird (bislang hat er zu diesen Schriftsatz in einem Update vom 2.5.2013 nur kurz Stellung genommen).

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

http://blog.beck.de/2013/03/26/fall-mollath-die-wiederaufnahmeantr-ge-unter-der-lupe

Gerade diese Sachverhaltsverfälschungen zur Täuschung des BGH sind Rechtsbeugungen, die ein Gericht nicht mittels Relativierungen („nicht elementar“, „bloße Sorgfaltspflichtverletzungen“ ) zugusten des Kollegen minimieren kann. Lügen sind und bleiben Lügen.

Ohne auch nur mit einem Wort auf die umfangreichen Darlegungen einzugehen, hat das Landgericht Regensburg allerdings genau das getan:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Beschluss-LG-Regensburg-2013-07-24.pdf#page=54

So kommt es, wenn ein wegen der (berechtigten) Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter einen solchen Beschluß formuliert, den das völlig uninformierte weitere Mitglied der Kammer und die Vorsitzende, die sich auf der politisch sicheren Seite fühlt (den WA-Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Ministerin doch nur aus Imagegründen bestellt) abnicken.

Insgesamt ist der Beschluß schon deshalb verfassungswidrig, weil er schon im Aditionsverfahren spekulativ Ergebnisse vorwegnimmt, die allein einer erneuten Hauptverhandlung vorbehalten sind:

Ferner ist es dem Wiederaufnahmegericht verfassungsrechtlich verwehrt, im Wege der Eignungsprüfung Beweise zu würdigen und Feststellungen zu treffen, die nach der Struktur des Strafprozesses der Hauptverhandlung vorbehalten sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist allein diese auf die Feststellung von strafrechtlicher Schuld angelegt und als Kernstück des Strafverfahrens auf die Ermittlung aller erheblichen objektiven und subjektiven Tatsachen gerichtet. Erst und gerade die durchgeführte Hauptverhandlung setzt den Richter in den Stand, sich eine Überzeugung zur Schuldfrage zu bilden. Alle erforderlichen Beweise sind unter Wahrung der Rechte des Angeklagten zu erheben; es gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, es dürfen also nur die in der Hauptverhandlung behandelten Gesichtspunkte in das Urteil eingehen. Die Regeln für die Hauptverhandlung sind deshalb so ausgestaltet, dass sie die größtmögliche Gewähr für die Erforschung der Wahrheit ebenso wie für die bestmögliche Verteidigung des Angeklagten und damit für ein gerechtes Urteil bieten (vgl. BVerfGE 74, 358 <372>; 86, 288 <318>). Das Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), das gewährleistet, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, verleiht – über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehend (vgl. BVerfGE 57, 250 <274>) – einen Anspruch, dass die vom Gesetzgeber vorgegebene Verfahrensstruktur beachtet wird (vgl. BVerfGE 86, 288 <317>). Damit muss jedenfalls die Feststellung solcher Tatsachen, die den Schuldspruch wesentlich tragen, indem sie die abgeurteilte Tat in ihren entscheidenden Merkmalen umgrenzen, oder deren Bestätigung oder Widerlegung im Verteidigungskonzept des Angeklagten eine hervorragende Rolle spielt, der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben (vgl. auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 1994 – 2 BvR 2093/93 -, NJW 1995, S. 2024 f.).

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20070516_2bvr009307.html

Ach was, ein Gustl Mollath verdient kein „Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), das gewährleistet, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben“.  Eher verdient ein Richter, der dieses Grundrecht nicht anerkannte, Schutz vor Strafverfolgung.

Vergebens hat die Staatsaanwaltschaft Regensburg auf diese Entscheidung hingewiesen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg-2013-03-18.pdf#page=45

Das Landgericht Regensburg nimmt permanent Entscheidungen freihändig vorweg, die der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben müssen. Und nimmt bei dieser Vorwegnahme erschreckenderweise auch noch Perspektiven desjenigen Richters ein, dessen Rechtsbeugungen es, wie in Bayern üblich, rechtswidrigerweise  verneint.

Zur Fortsetzung geht es hier:

Der Fall Mollath: Etappensieg und Raumgewinn

 

Der Fall Mollath: eine Hängepartie II

Rosenkrieg 1

Fortsetzung von:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/05/26/der-fall-mollath-eine-hangepartie/

Wiederum fünfundzwanzig Tage nach meinem letzten Blog-Beitrag läßt sich konstatieren,  daß sich seitdem grundsätzlich nichts geändert hat.  Der deus ex machina läßt weiter auf sich warten, und der rechtswidrigen Freiheitsentziehung Gustl Mollaths haben auch bayerische Instanzen noch immer kein Ende gesetzt. Was sich grundlegend geändert hat, ist der Charakter dieses „Dramas antiken Ausmaßes“, wie ich letzthin schrieb. Es hat sich eindeutig hin zur Tragikomödie entwickelt, die sogar mit bizarren Szenen aufwartet, die man eher in einer schrillen Farce vermuten würde.

Und noch etwas hat sich verändert: der Druck im Kessel ist gestiegen. Die Öffentlichkeit, die Medien, das Internet und die Politik haben sich des Falls  auf eine Art und Weise angenommen, die sämtliche Vertuschungs- und Verdummungsversuche der Vergangenheit  nun auch der Vergangenheit angehören läßt.  Von „handwerklichen Fehlern“ und „Schludrigkeiten“ im Urteil kann heute niemand mehr sprechen, ohne sich lächerlich zu machen.  Die Informationen sind ja alle da – und selbst Politiker korrigieren sich, soweit sie uninformiert Aussagen gemacht haben, wie hier der SPD-Spitzenkandidat Christian Ude [Hervorhebung von mir]:

18.6.2013

„Fall Mollath ist unfassbar“

SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nennt die Fehler im Verfahren gegen den Zwangspatienten der Psychiatrie im Gespräch mit der MZ „beklemmend“.

Der SPD-Spitzenkandidat und Münchner OB Christian Ude ist selbst Jurist. Eine so große Anzahl von Fehlern und Ungereimtheiten in einem Prozess habe er noch nie erlebt, sagt er. Foto: dpa

Von Christine Schröpf, MZ

[…]

Ich kann eine Gefährlichkeit nicht vollkommen ausschließen. Herr Mollath hat ja unstrittig Autoreifen zerstochen. Alle Aussagen über Angriffe auf die Ehefrau beruhen allerdings auf Aussagen der Ehefrau. Ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit bedarf auf jeden Fall zweifelsfreier Begründungen. Da reichen psychische Auffälligkeiten nicht aus.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/politik/artikel/fall-mollath-ist-unfassbar/928132/fall-mollath-ist-unfassbar.html#928132

[S. 1, S. 3]

Nur einen Tag später korrigiert er seine Falschinformation:

Christian Ude Offensichtlich ist es noch schlimmer, als ich den Medien entnehmen konnte: die Urheberschaft der Messerstiche in den Autoreifen ist nicht unstrittig, sondern nur Gegenstand einer Beweiswürdigung durch das Gericht. Das macht die Sache nur noch zweifelhafter!

https://www.facebook.com/Ude.fuer.Bayern/posts/531630670233766?comment_id=4942522&offset=0&total_comments=25

Auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit: die angebliche Sachbeschädigungsserie ist Ergebnis einer Beweiswürdigungssimulation auf der Basis grober Sachverhaltsverfälschungen im Urteil, wie sich den eingehenden Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung vom 1.5.2013 „unstrittig“, da aktengestützt, entnehmen läßt. Und sich auch dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft hätte entnehmen lassen, wenn sie gedurft hätte, wie sie einstmals gewollt hat – aber das kriegen wir später.

Gerhard Strate:

Die meisten Sachverhaltsverfälschungen betreffen den Vorwurf der Sachbeschädigungen, was nicht verwundert, da es sich insoweit um ein konstruiertes Verfahren handelt, das durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Woertge/Greger initiiert und durch Richter am Amtsgericht Eberl in Zusammenarbeit mit POK Grötsch vorangetrieben wurde, da der Sachverständige Dr. Leipziger dringend weiteres aktuelles Anknüpfungsmaterial für ein Gutachten im Sinn des Auftraggebers benötigte. Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 154 StPO eingestellt hatte, führten erst Dienstaufsichtsbeschwerden der Rechtsanwälte Greger und Dr. Woertge zu einer Anklageerhebung, wobei von zwanzig durch POK Grötsch offerierten Taten lediglich neun angeklagt wurden. Im Hinblick auf den ersichtlich fehlenden Tatnachweis gab es mithin ein besonderes Bedürfnis, gegenüber dem BGH den Sachverhalt zu verfälschen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf#page=12

Nun ist zwar der deus ex machina hinter den Kulissen geblieben, aber immerhin Zeus hatte seinen zweiten großen Auftritt in der causa Mollath. Seinem ersten war bekanntlich die Weisung der Ministerin vom 30.11.2012 an den Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich gefolgt, einen Wiederaufnahmeantrag zugunsten des Verurteilten herbeizuführen – was natürlich nur eine rein zeitliche Koinzidenz darstellte.

Jetzt also grummelte der als Bürger verkleidete Gottvater, der vom Schwan über den Goldregen bis hin zum sterblichen Menschen Amphitryon bekanntlich in mancherlei Gestalt auftreten kann und den Blitz im Gewande führt:

17. Juni 2013 16:46

Fall Mollath

Seehofer mahnt Justiz zur Eile

[…]

Ministerpräsident Horst Seehofer hat im Fall Gustl Mollath die Justiz aufgefordert, „möglichst zeitnah zu entscheiden“. Ihm sei eine „zügige und schnelle Behandlung“ der Causa wichtig. Seehofer sagte nach einer Sitzung des CSU-Parteivorstandes: „Ich bin auch der Vertreter der bayerischen Bevölkerung. Und die Bevölkerung sagt: Geht es hier nicht ein Stück schneller?“

Er respektiere die Unabhängigkeit der Gerichte. Im Volk höre er aber den Wunsch: „Können Sie nichts tun, dass man schneller Klarheit bekommt?“

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-seehofer-mahnt-justiz-zur-eile-1.1698555

Bislang hatte die 7. Kammer des Landgerichts Regensburg allerdings in einem Vermerk vom 28.5.2013 erklärt, sie sehe sich wegen der Komplexität des Verfahrens außerstande, nach einer kursorischen Prüfung der Erfolgsaussicht der Anträge über die beantragte und von Amts wegen jederzeit zu prüfende Unterbrechung der Vollstreckung zu entscheiden.

Eine stillschweigende Ablehnung der Freilassung also, gegen die von der Verteidigung mit Beschwerde zum OLG Nürnberg vorgangen wurde. Eine für Juristen schon deshalb interessante Démarche, weil sie dem OLG Nürnberg Gelegenheit gibt, sich zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde zu positionieren.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Verfuegung-LG-Regensburg-2013-05-28.pdf

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-28.pdf

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-29.pdf

In einer Presseerklärung der Verteidigung heißt es hierzu:

 Die Vorsitzende teilt nicht mit, weshalb die 7. Strafkammer den von der Staatsanwaltschaft Regensburg geführten Nachweis, dass zur Beweisführung gegen Gustl Mollath ein gefälschtes Attest benutzt worden ist, als nicht erbracht sieht.

Es wird auch nicht mitgeteilt, innerhalb welchen Zeitraums die Strafkammer beabsichtigt, „die Komplexität der in den beiden Wiederaufnahmeanträge dargelegten Sach- und Rechtslage“ soweit zu reduzieren, dass sie sich zu einer Entscheidung über die Freilassung in der Lage sieht. In zwei Wochen, in zwei Monaten oder gar erst am 16. September 2013?

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Presseerklaerung-2013-05-28.pdf

Hierauf antwortete der Gerichtssprecher des Landgerichts Regensburg, zunächst hoffnungsschürend, dann aber wieder dementierend:

Das Landgericht Regensburg widerspricht unterdessen einem Medienbericht, wonach in das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath in dieser Woche mit Bewegung zu rechnen ist. „Ich habe nicht gesagt, dass ich in dieser Woche ein Signal erwarte.“ Er hoffe vielmehr, dass er dieses Signal bekomme“, sagte Pressesprecher Johann Piendl. Er wisse nicht, wann entschieden wird.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/politik/artikel/fall-mollath-ist-unfassbar/928132/fall-mollath-ist-unfassbar.html#928132

Nach dem leisen Donnergrollen von Vater Zeus ergriff dann aber der scheidende Landgerichtspräsident das Wort:

Bald kommt Bewegung in den Fall

Die zuständige Richterin will Ende der Woche sagen, wie lange die Prüfung der Wiederaufnahmeanträge im Fall Mollath noch dauert. Das teilte der Präsident des Landgerichts Regensburg, Günther Ruckdäschl, am Dienstag (18.6.) mit.

Stand: 18.06.2013

[…]

http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/bewegung-im-fall-mollath-100.html

Eine optimistische Überschrift – denn noch wissen wir ja nicht, welche Zeitangabe die VRi’inLG Dr. Bettina Mielke ins Auge gefaßt hat: wir wissen nur, daß die drei Wochen seit ihrem Vermerk vom 28.5.2013 immer noch nicht ausgereicht haben, zu erkennen, daß bereits die „absoluten“ Wiederaufnahmegründe des Verwendens einer unechten Urkunde (Staatsanwaltschaft) und die bis zur Unkenntlichkeit des Sachverhalts verbogenen verlogenen „Feststellungen“ im Urteil (Verteidigung) – wenn das keine Rechtsbeugung ist, dann gibt es keine! – zulässig und begründet sind. Aber möglicherweise steht ja nur die Urlaubsplanung der Kammer dieser Einsicht, daß die Anordnung der Wiederaufnahme nicht zu vermeiden ist, im Weg.

Daß sämtliche Wiederaufnahmegründe zulässig sind, erscheint ebenfalls nicht zweifelhaft.

Während man also im Fall Regensburg noch auf den berühmten „Ruck“ wartet, den Altbundespräsident Roman Herzog einst angemahnt hatte, blieb er im Fall Bayreuth aus. Dort hatte man beschlossen, wie immer zu beschließen, also dem bewährten Gutachter Dr. Leipziger zu folgen, arbeitshypothetisch die „festgestellten“ Straftaten als in Stein gemeißelte Wahrheit zugrunde zu legen und aus der Nichtbehandlung auf eine Fortdauer der Gefährlichkeit zu schließen – das Verhältnismäßigkeitsgedöns des Bundesverfassungsgerichts macht man in Bayern nicht mit, das hat die Ministerin ja selber erklärt: Sicherheit geht vor! Und das OLG Bamberg hält die entsprechenden Entscheidungen, da paßt kein Blatt dazwischen.

Daß das Bundesverfassungsgericht erst im Oktober 2012 Maßregelvollzugsentscheidungen dieser beiden Spruchkörper wegen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgehoben hat, ist ein Kollateralschaden, der wegen des Wohlwollens der Ministerin folgenlos bleibt.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Sie, die „Sicherheitspolitikerin“, hat in ihrer Regierungserklärung vom 17.10.2012 u.a. Folgendes ausgeführt:

Auffassung des BVerfG

Wir erliegen nicht dem Bild des Bundesverfassungsgerichts, dass wirklich jeder Täter geläutert, wieder gut werden kann!

Das ist gerade nicht die Realität. Es gibt extrem gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter, deren Gefährlichkeit man selbst mit intensivster Betreuung in jahrelangem Strafvollzug nicht auf ein Maß reduzieren kann, das für die Allgemeinheit zumutbar wäre.

Und es gibt auch Straftäter, die eine Therapie ablehnen, weil sie sich mit ihrer Straftat nicht auseinander setzen wollen. Dennoch sind solche gefährlichen Straftäter mit einem evidenten Risiko für die Bevölkerung zu entlassen.

Diese Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, denn die Entscheidung wird ihrem Bedürfnis nach Sicherheit nicht gerecht.

http://www.bayern.de/Anlage10396998/Regierungserkl%C3%A4rung%20von%20Frau%20Staatsministerin%20Dr.%20Merk%20am%2017.10.2012.pdf

[S. 11f.]

Wie der Herr, so’s Gescherr.

12. Juni 2013 17:55

Mollath bleibt in der Psychiatrie

Skandalöse Entscheidung

Keine 24 Stunden nach dem Auftritt von Gustl Mollath vor dem Landtag erklärt die Strafvollstreckungskammer Bayreuth: Mollath bleibt weggesperrt. Nicht nur der Zeitpunkt dieser Entscheidung ist verstörend – ihre Begründung wirkt schlicht skandalös.

Ein Kommentar von Olaf Przybilla

http://www.sueddeutsche.de/bayern/mollath-bleibt-in-der-psychiatrie-skandaloese-entscheidung-1.1694933

In der Tat: die Kammer hat mit diesem Beschluß die Befürchtungen, die man angesichts ihrer früheren Beschlüsse hegen mußte, noch übertroffen. In ihrem Beschluß vom 26.4.2013 hieß es noch:

Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer es im Interesse einer sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung für geboten, noch einmal einen externen Sachverständigen ergänzend zu Rate zu ziehen.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-StVK-Beschluss-2013-04-26.pdf

[S. 2]

Und zwar zu den Fragen, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad weitere Straftaten zu erwarten seien und welche Art, Häufigkeit und Schweregrad sie haben werden – so einige der  Vorgaben des BVerfG zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hierzu hatte das BKH nichts vorgetragen – wie sollte es auch? Dort wird ja um die Ehrenrettung der falschen Eingangsdiagnose seines Chefs gerungen. Der noch nicht einmal in seinem Eingangsgutachten Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit weiterer Straftatbegehungen getroffen hatte. Das hat freihändig VRiLG Brixner erledigt.

Beauftragt wurde der emeritierte Prof. Dr. Pfäfflin, weil er ja nur sein Gutachten vom 12.2.2011 (Exploration: Ende November 2010) auf der Basis der uninformativen Verlaufsberichte des BKH zu ergänzen brauche. Der Auftrag wurde kontaminiert mit der Auflage, entsprechend des Antrags der Staatsanwaltschaft solle der Gutachter „arbeitshypothetisch“ davon ausgehen, der Verurteilte habe die Straftaten begangen, wegen der er verurteilt worden sei.

Klar ist: die Kammer hat einen Persilschein für ihre ohnehin feststehende Entscheidung in Auftrag geben wollen. Vermutlich hoffte sie, daß die Verfassungsbeschwerde Mollaths gegen ihre Entscheidung aus dem Jahr 2011 weiter im Stapel liegenbleiben wird. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich maßgeblich darauf, daß die Kammer und auch das OLG Bamberg sich strikt geweigert hatten, das widersprüchliche Gutachten Pfäfflins und seine erst in der mündlichen Anhörung vom 19.5.2011 begründungslos „nachgebesserte“ Prognose (von „Möglichkeit“ zu „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ der Begehung weiterer Straftaten) zu evaluieren – was aber die Aufgabe eines Gerichts ist.

http://www.gustl-for-help.de/download/2012-01-11-Kleine-Cosack-Verfassungsbeschwerde.pdf

[S. 9 ff.]

Fundamentale Kritik des forensischen Psychologen Dr. Rudolf Sponsel an dem Pfäfflin-Gutachten findet sich hier:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/SKIDII.htm#Prof.%20Pf%C3%A4fflins%20Auseinandersetzung%20mit%20dem

Prof. Dr. Pfäfflin erschien der StVK als der geeignete – aber auch einzig mögliche – Kandidat, sein altes Gutachten unter Zuhilfenahme der Bayreuther Stellungnahmen seit 2012 zu extrapolieren. Kein seriöser Sachverständiger hätte sich, nur weil die Staatsanwaltschaft das so möchte (GStA Nerlich hat irgendwie seine Fachaufsicht vernachlässigt und OStA Lupko von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth noch nicht auf den von ihm vertretenen Wiederaufnahmeantrag eingeschworen), auf diese Stichwortgeber-Rolle reduzieren lassen.

Die Berichte aus dem BKH Bayreuth sind allesamt inhaltslos und beglaubigen zunehmend nur noch die narzißtische Kränkung, daß dieser resistente Nicht-Patient nun auch noch medial und politisch Gehör findet. Jeder im BKH weiß doch genau, daß Gustl Mollath nicht aggressiv ist und sein Leiden wegen der Fehleinweisung seit nunmehr über sieben Jahren allenfalls durch sarkastische Äußerungen oder Bekundungen offenbart, die ein autoritärer Apparat als beleidigende Zumutung auffaßt.

Nun, in diese Falle, die ihm die Strafvollstreckungskammer gestellt hat, ist Prof. Dr. Pfäfflin nicht getappt. Er hat den unsittlichen Auftrag abgelehnt. Ich kann auch nachvollziehen, daß er die Ablehnung mit gesundheitlichen Gründen wegen Beschimpfungen begründet hat – und hege keinen Zweifel daran, daß es diese Beschimpfungen gab. Die Idiotendichte in der Bevölkerung ist hoch, und Mollath selbst wie auch die wahren „Mollath-Unterstützer“ haben alle Hände voll damit zu tun, sich von durchgeknallten Trittbrettfahrern in eigener Sache zu distanzieren.

Daß das der entscheidende Grund seiner Ablehnung war, erscheint mir dennoch zweifelhaft.  Er wird gewußt haben, daß er der Einzige war, der für die StVK als Legitimierer in Betracht kam.

In der Pressemitteilung des Landgerichts Bayreuth heißt es:

Die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen, der den Untergebracht[en] zuletzt untersucht hatte (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Bayreuth vom 29.04.2013), war der Strafvollstreckungskammer nicht möglich, da der Sachverständige angegeben hat, dass er seit dem auf sein Gutachten folgenden Fortdauerbeschluss der Kammer „wellenartig in übelster Weise als Verbrecher beschimpft“ werde. Diese Aktionen seien für ihn extrem beeinträchtigend, und er sehe darin einen schwerwiegenden Angriff auf seine

Gesundheit. Vor diesem Hintergrund und angesichts dessen, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens „nach Aktenlage“ keine zusätzlichen Erkenntnisse verspricht, hatte die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung auf Grundlage der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen und des persönlichen Eindrucks vom Untergebrachten nach dessen umfangreicher Anhörung zu treffen.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Janun, da war es Essig mit dem erhofften paßgenauen Gutachten, dem sich das Gericht bloß noch anzuschließen braucht („nach eigener kritischer Würdigung“). Ein weiteres Gutachten „nach Aktenlage“, wie sie von der Strafvollstreckungskammer gesehen wird, die sich den neuen Erkenntnissen durch die Wiederaufnahmeanträge nicht widmen mag, ist tatsächlich nicht zu erwarten – welcher Gutachter wird sich angesichts der Realität denn als Gefälligkeitsgutachter für die auf Merk-Sicherheitspolitikerin-Kurs befindliche StVK Bayreuth verbrennen lassen?

Niemand.

Wie der Auftritt von Gustl Mollath am 18.4.2013 vor der StVK ausgefallen ist, wird nicht thematisiert. Er wird, denn so ist er allen, die ihn persönlich erlebt haben, bekannt, nicht anders ausgefallen sein als bei seinem eindrucksvollen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuß am 11.6.2013:

Gustl Mollath

Sein bester Anwalt

11.06.2013 ·  Der berühmteste Psychiatriepatient der Republik tritt vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags als Zeuge in eigener Sache auf: Sprachlich präzise und äußerst rational ist Gustl Mollath der beste Anwalt seiner selbst.

Von Albert Schäffer, München

[…]

Präzise und prägnant

Mollath nickte zu diesen Ausführungen zustimmend, als nehme er an einem staatsrechtlichen Kolloquium teil. Als ihm das Wort erteilt wurde, sprach er mit einer Präzision, als wäre er die ganzen Jahre nicht Beschuldigter und Angeklagter gewesen, sondern Staatsanwalt oder Richter. Prägnant fasste er seinen Fall aus seiner Sicht zusammen.

Wie er beginnend in den neunziger Jahren bemerkt habe, dass seine Frau von ihrem Arbeitgeber, einer Bank, dazu angehalten worden sei, Kunden bei der Verschiebung von Schwarzgeld in die Schweiz behilflich zu sein. Wie seine Frau nach einiger Zeit damit begonnen habe, noch eigene zweifelhafte Geschäfte zu tätigen. Wie er aus der Befürchtung heraus, seine Frau werde dieses Gebaren zum Verhängnis werden, bei den beteiligten Banken vorstellig geworden sei. Er habe aber bemerkt, dass dort nur das Interesse bestanden habe, herauszufinden, ob er mit seinem Wissen gefährlich werden könne.

Es war eine Geschichte mit vielen Seitensträngen – Mollath brachte sie immer wieder auf den Punkt, als sei er geschult, juristische Sachverhalte zu formulieren. Seine Frau habe schließlich begonnen, ihm mit Zivilverfahren und Anzeigen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Mollath, begleitet von zwei Anwälten, war an diesem Tag sein bester Anwalt, indem er zielsicher auf die Frage zusteuerte, warum er, je länger die Auseinandersetzung mit seiner Frau dauerte, für seine Schreiben an Justiz und Steuerbehörden eine Form wählte, die den Eindruck erwecken konnte, hier werde eine querulatorische Neigung ausgelebt.

Es war ein Weg, der Mollath in einen psychischen Ausnahmezustand brachte – daran lassen die Wortwahl und das Schriftbild seiner damaligen Schreiben keine Zweifel. Mollath war zu dieser Zeit alles andere als ein guter Anwalt seiner selbst. Statt nur kühl Sachverhalte mitzuteilen, bei denen die Bank, bei der Frau Mollath beschäftigt war, bei einer internen Prüfung zu dem Schluss kam, sie seien zutreffend, garnierte er seine Schreiben mit Tiraden über eine „geldgeile Gesellschaft“.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gustl-mollath-sein-bester-anwalt-12218079.html

Aber Psychiater und Juristen wissen oft nichts über existentielle Krisen, die einen Menschen „außer sich“ geraten lassen. Und wenn so jemand, Jahre nach dieser Krise, gesammelt und geordnet über anderthalb Stunden frei vorträgt (was eine Justizministerin nicht schaffte, die vom Blatt ablas, was ihre Zuarbeiter für sie formuliert hatten), dann erregt das natürlich Aufsehen.

Gustl Mollath wird vor der Strafvollstreckungskammer nicht anders aufgetreten sein – und nach diesem „persönlichen Eindruck“ will die Kammer zu dem Schluß gekommen sein, der Mann sei wahnkrank und gefährlich?

Das ist auszuschließen. Ihre Entscheidung stand schon vor der Anhörung fest -: denn nach der Absage des Gutachters nahm sie Abschied von ihrem vorgeblichen Kurs  der „sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung“ und entschied auf der Grundlage alter und mittlerweile widerlegter Gutachten, daß der Untergebrachte aktuell noch gefährlich sei. Wie das möglich sein soll, bleibt ihr Geheimnis.

Immerhin, von der rechtsirrigen Meinung, im Strafvollstreckungsverfahren komme es auf die Wahrheit als Tatsachengrundlage nicht an, scheint die Kammer ein wenig abgerückt zu sein [Hervorhebung von mir]

Zur Begründung führt die Strafvollstreckungskammer aus, dass sie an die rechtskräftigen Tatsachenfeststellungen aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.08.2006 gebunden ist. Zur Korrektur der Rechtskraftwirkung dieses Urteils habe der Gesetzgeber die Regelungen über das Wiederaufnahmeverfahren geschaffen. Umstände, welche die gestellten Wiederaufnahmeanträge bereits jetzt als mit Sicherheit erfolgreich erscheinen lassen würden, vermochte die Kammer nicht zu erkennen.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Offensichtlich hat sie die Anträge, insbesondere den der Verteidigung vom 1.5.2013, aber nicht gelesen, sonst hätte sie diese Brixnersche „Beweiswürdigung“ nicht zugrundegelegt:

Die weitere Unterbringung sei angesichts der Anlassdelikte und der vom Untergebrachten ausgehenden Gefahr auch verhältnismäßig. Die körperliche Unversehrtheit und das Leben eines Menschen stellten eines der höchsten Rechtsgüter überhaupt dar. Auch die vom Untergebrachten begangenen Sachbeschädigungen („Reifenstechereien“) gingen weit über das Maß „normaler“ Tatbestandserfüllung hinaus. Zumindest teilweise seien die „Reifenstechereien“ so raffiniert durchgeführt worden, dass die Luft nicht sogleich, sondern erst während der nachfolgenden Fahrt entwichen ist.

http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

Alles Lüge, wie wir mittlerweile wissen – denn die Wahrheit kommt, auch dank der Arbeit des Untersuchungsausschusses, ans Licht des Tages. Wie immer, wenn Positionen unhaltbar geworden sind, den Betroffenen aber Korrekturen nicht möglich sind, wird auf Emotionen gesetzt.

Der LaLa-Journalismus setzte wieder ein; ein gewisser Otto Lapp versorgte regional, eine gewisse Beate Lakotta, bei diesem abschreibend, bei SPIEGEL online überregional das allerdings wenig geneigte Publikum mit Schmutzwäsche, die die geschiedene Frau Mollath plötzlich über ihre Ehe auszuwringen beliebte. Garniert werden solche Beiträge gern mit Anmerkungen über durchgeknallte Menschen, die flugs zu „Mollath-Unterstützern“ erklärt werden (beiseite gesprochen: so sind sie nun mal alle, diese Unterstützer):

Fall Gustl Mollath: Das achte Jahr Psychiatrie

Von Beate Lakotta

Gustl Mollath muss weiter in der Psychiatrie bleiben, so hat es das Landgericht Bayreuth verkündet. Seine Unterstützer wird das empören. Doch manche haben das Maß verloren: Gutachter, Juristen und Politiker berichten von Beschimpfungen und Drohbriefen.

[…]

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-bleibt-weiteres-jahr-in-psychiatrie-a-905355.html

Vorsichtshalber war die Kommentarfunktion zu diesem Artikel nicht freigeschaltet worden. Immerhin erreichte die Redaktion eine Beschwerde, die zu einer Fehlerberichtigung führte:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Gustl Mollath habe sich erst bei dem Arbeitgeber seiner früheren Ehefrau gemeldet, nachdem sie ihn wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Dies ist nicht korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Vieles an dem Artikel ist nicht korrekt – aber lohnt es sich wirklich, dem nachzugehen?

Glücklicherweise hat sich Sascha Pommrenke ans Werk begeben und den Artikel von Otto Lapp, aus dem Beate Lakotta sich bediente, mustergültig seziert: diese Lektüre lege ich dringend ans Herz:

Petra M. bricht ihr Schweigen – Exklusives Bedeutungsloses

Otto Lapp und der Nordbayerische Kurier haben sich besonders hervorgetan in einseitiger und manipulativer Berichterstattung in Bezug auf den Fall Mollath. In Teil 1 hatte ich den Artikel „Mensch Mollath“ als Beispiel angeführt. Im Nordbayerischen Kurier finden sich jedoch noch zahlreiche weitere Beiträge, die selbst ein Mindestmaß an journalistischer Objektivität vermissen lassen. Zumindest hat die tendenziöse Berichterstattung dazu geführt, dass Petra M. das Gespräch mit dem Kurier gesucht hat. Im zweiten Teil soll es einerseits um die Art und Weise der Berichterstattung gehen, andererseits sollen auch die Aussagen und „neuen Erkenntnisse“ des Artikels „Fall Mollath: Warum die Ex-Frau all seinen Behauptungen widerspricht“ gehen.

Petra M. hatte sich also entschieden der „hysterisch und weit entfernt von objektiven Grundlagen“ geführten Diskussion entgegenzutreten und ihre „Sicht der Dinge“ mitzuteilen. Das ist nur zu begrüßen, waren und sind einige Artikel doch wirklich weit entfernt von objektiven Grundlagen (siehe einige Artikel bei SPON, Zeit und vor allem dem Nordbayerischen Kurier, neuerdings auch CICERO). Insofern ist es dringend geboten, der Versachlichung der Diskussion Vorschub zu leisten.

[…]

http://www.humana-conditio.de/?p=260

Auch die ZEIT konnte es nicht lassen, „ihre Sicht der Dinge“ ein weiteres Mal zu inszenieren, indem sie zu einem Interview mit dem Psychiater Prof. Dr. Henning Saß eine Überschrift nebst Untertitel ersann, denen der Interviewtext widersprach:

Psychiatrie

„Mancher Wahn hat einen wahren Kern“

Der Fall Mollath beweist, psychisch Kranke können die Wahrheit sagen, meint der Gerichtspsychiater H. Saß im Interview. Man müsse auch Menschen dulden, die anders ticken.

[…]

Saß: Ich habe Herrn Mollath nicht untersucht, daher kann ich über den Einzelfall nichts sagen.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/psychiatrie-mollath-krankheit-unterbringung-interview-henning-sass/komplettansicht

Aber das sind Nachwehen falscher Entscheidungen und Parteinahmen, wie sie sich auch die Psychiatrieseite leistete, die ein Fortbildungsseminar mit einem gemeinsamen Vortrag von Dr. Leipziger und Prof. Dr. Kröber unter dem hämisch-herablassenden Titel: „Unser Gustl: Realität, Wahn, Justiz und Medien“ anbot. Hier ist der ursprüngliche Text gesichert worden:

http://opablogdotnet.files.wordpress.com/2013/06/krc3b6berleipz.jpg

Nachdem dieser Titel im Internet gar nicht gut ankam, wurde er in „Der Fall Gustl Mollath“ umgetauft:

http://www.forensik-berlin.de/content/Fallseminar_2013.pdf

Soll ich noch den weiteren Farcen nachgehen? Wie das Justizministerium nach Tweets einer Medizin-Professorin (auch CSU-Mitglied, gleichwohl „Mollath-Unterstützerin“) bzw., so die offizielle Version, nach dem Brief eines „besorgten“ Anwalts ihres Ex-Ehemannes, sogleich den Personenschutz alarmierte, der dann dafür sorgte, daß sich zwei ratlose Polizeibeamte bei der Tweeterin einfanden: schließlich mußte verhindert werden, daß bei einem Gasthof-Vortrag der Ministerin zu sozialen Netzwerken ein Fremdthema angesprochen werden könnte…

Oder die Story mit der Kommunikationspanne im BKH Bayreuth, dessen Leiter zwar durch den Generalstaatsanwalt persönlich über ein gefälschtes Entlassungsfax informiert worden war, diese Warnung aber nicht an seinen Stellvertreter weitergab, so daß dieser dem Untergebrachten zunächst die frohe Botschaft überbrachte, dann aber stutzig wurde und eine halbe Stunde später verkünden mußte: April, April?

Nein, lassen wir die Fußnoten dieser endlichen Geschichte beiseite.

Michael Kasperowitsch, dem gar nicht genug zu danken ist, hat in den letzten Tagen bewirkt, daß die politischen Eingriffe und Zurichtungen des ersten Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft Regensburg öffentlich wurden, der zunächst dem Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung geglichen haben muß wie ein Ei dem anderen:

Nürnberger Nachrichten, 15.6.2013

Wiederaufnahme-Antrag „light“

 Begründung für erneuten Mollath-Prozess wurde offensichtlich entschärft

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

[…]

Die unserer Zeitung vorliegende Fas­sung des Wiederaufnahme-Antrags aus Regensburg vom Dezember 2012 ist eine bestürzende Bewertung der Nürnberger Verhandlung 2006 gegen Mollath. Das Gericht habe sich „ele­mentare Verstöße gegen die Rechts­pflege“ zuschulden kommen lassen und sich „bewusst und in schwerer Weise vom Gesetz entfernt“.

Das „eklatant prozessordnungswid­rige Verhalten“ Brixners sei, so heißt es weiter, nicht nur „ein Indiz der Vor­eingenommenheit gegenüber Herrn Mollath, sondern stellt sich als eigen­ständiges rechtsbeugendes Verhalten dar“. Es begründe einen „selbstständi­gen Wiederaufnahmegrund“. So heißt es etwa zu den Reifenstechereien, die Mollath neben der Gewalt gegen seine Frau als besonders gemeingefährliche Taten angelastet worden waren, in die­sem ersten Wiederaufnahme-Antrag: „Angesichts der Beweislage war eine Verurteilung nicht begründbar und bar jeder tragfähigen Beweise. Letzt­lich wurde kein Motiv festgestellt, nie­mand hat den Täter gesehen, Spuren gab es keine, andere Täter mit glei­cher Motivlage sind vorhanden.“ Dem Revisionsgericht, also dem Bundesgerichtshof, der das Urteil gegen Mollath später bestätigte, sei eine Aufhebung der Nürnberger Gerichtsentscheidung von 2006 unter den gegebenen Umständen gar nicht möglich gewesen. „Das Ziel, durch Manipulationen der Urteilsfeststel­lung ein ‚revisionssicheres‘ Urteil zu erreichen, stellt einen besonders gra­vierenden Gesetzesverstoß dar, da dem Verurteilten jede Möglichkeit ent­zogen wird, das Urteil erfolgreich anzufechten“, stellte die Regensbur­ger Staatsanwaltschaft fest.

Die Abgeordneten Martin Runge (Grüne) und Inge Aures (SPD) haben im Ausschuss darauf hingewiesen, dass der dann tatsächlich beim Regensburger Landgericht einge­reichte Antrag im Vergleich zur ersten Fassung „kleingeschrieben“ und „ein­gedampft“ worden sei. Plötzlich sei nur noch von „Nichtbeachtung prozes­sualer Normen“ oder einer „Fülle von Rechtsfehlern“ die Rede.

Dass es sich bei der ersten Form des Regensburger Antrags nicht um einen „Entwurf“ oder eine „Stoffsamm­lung“ handelt, wie die Ministerin andeutete, belegt ein Brief — er liegt unserer Zeitung vor — aus Regensburg an Generalstaatsanwalt Hasso Ner­lich. „Am 06.02.2013 wurde erneut ein kompletter Wiederaufnahmeantrag mit dem Dienstwagen übersandt.“ Dies belegt, dass offensichtlich meh­rere Versionen kursierten.

Es dürfe, so heißt es darin weiter, in der Öffentlichkeit auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass die Justiz mit der Erledigung ihres Auftrags in Verzug gera­ten ist. Man müsse ver­hindern, dass die Staats­anwaltschaft nur passi­ver Zuschauer in diesem Verfahren ist, und „dass ein ,rechtswidriger Zu­stand‘, der mit einer fort­dauernden Freiheitsent­ziehung“ Gustl Mol­laths verbunden ist, nicht rechtzeitig beendet werde.

Am Ende reduziert

Wenn das Gericht dem Wiederaufnahmeantrag von Mollath-Anwalt Ger­hard Strate stattgebe, „dann wird in den Medien unsere Untätigkeit mit den sicher unberechtigten, aber unausrott­baren Vorwürfen unlauterer Motive (Vertuschung) garniert werden“, heißt es in dem Brief von Ende Februar an Nerlich.

[…]

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a53

Heute hat er noch einmal nachgelegt:

Nürnberger Nachrichten, 20.6.2013

Die „Ausschmückung“ im Mollath-Urteil
Wie aus einer schweren „Rechtsbeugung“ eine harmlosere „unrichtige Rechtsanwendung“ wurde

Von Michael Kasperowitsch
[…]
In der ersten Version setzt sich der hochgestellte Jurist unter anderem intensiv mit den Taten auseinander, die Mollath damals vorgeworfen wurden, insbesondere den angeblichen Reifenstechereien. Diese hatten eine besondere Bedeutung für seine Unterbringung in der Psychiatrie, weil sie als Ausdruck seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit galten. Die Mollath vorgeworfene Gewalt gegen seine damalige Ehefrau allein hätte dazu nicht gereicht, „weil es sich dabei um Taten im persönlichen Nahbereich während der Trennungsphase gehandelt hat“, heißt es.
Die Aussagen im ersten Papier der Regensburger Justiz beim Thema Reifenstecherei sind vernichtend. Die Schilderungen im Urteil von 2006 dazu „stellen nichts anderes dar als die bewusst wahrheitswidrige Ausschmückung des Sachverhalts“. Ziel „der Unwahrheiten konnte es nur sein, die Voraussetzungen der Unterbringung ausreichend und überzeugend begründen zu können.“ Diese „nicht begründbare Ausschmückung“ sei auch deshalb fatal, weil alle folgenden Sachverständigen sich bei Gefährlichkeitsprognosen darauf stützten.
Umstände einem Angeklagten anzulasten, die „bar jeder Beweisführung behauptet werden“, bedeute aber einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Staatsanwalt zitiert in diesem Zusammenhang sogar die Europäische Menschenrechtskonvention.
[…]
Die Frage ist, warum von all dem im März bei Gericht tatsächlich vorgelegten Wiederaufnahmeantrag kaum mehr die Rede ist. Das Ministerium schiebt den Schwarzen Peter dem Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zu.

Entscheidung offen

Die erste Fassung sei ihm vorgelegt, „von diesem nicht gebilligt und auch nicht an das Ministerium weitergeleitet“ worden, heißt es auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten. Das Ministerium und damit Justizministerin Beate Merk (CSU) hätten überhaupt erst Anfang Mai davon erfahren. Ob die Ministerin nun weitere Schlüsse aus diesen Vorgängen zieht, hänge von der Entscheidung des Landgerichts Regensburg im Wiederaufnahmeverfahren ab. Wann diese wiederum kommt, ist völlig offen.
[…]

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a56

Und der General schiebt den Schwarzen Peter der Staatsanwaltschaft zu, die ja “freiwillig” ihren ersten Antrag geändert habe; er habe sich ja nur fachaufsichtlich geäußert…

Michael Kasperowitsch hat hierzu auch noch einen engagierten Kommentar unter dem Titel “Justiz-Chaos” geschrieben. Darin heißt es u.a.:

Als Erklärung für diesen wundersamen Wandel gibt das Justizministerium unter Führung von Beate Merk (CSU), der obersten Dienstherrin der bayerischen Staatsanwälte, unbekümmert an, der Nürnberger Generalstaatsanwalt habe die erste Fassung halt nicht gebilligt. Da könne man leider nichts machen.
Nun ist Merk ebenso wenig alleroberste Staatsanwältin im Freistaat wie ein Generalstaatsanwalt in einem Rechtsstaat willkürlicher Eichmeister an der Waage der Gerechtigkeit ist, aber sie hat Möglichkeiten. Die hat sie auch schon genutzt, als sie im vergangenen Jahr den „General“ strikt anwies, einen Wiederaufnahmeantrag ausarbeiten zu lassen. Das wies die Staatsanwaltschaft jahrelang empört von sich. Jetzt gibt es zwei Fassungen eines Autors, die sich stark widersprechen.

http://www.gustl-for-help.de/medien.html#a56

Wer als Justizministerin angesichts dieser Sachlage die Hände in den Schoß legt und abwartet, was das LG Regensburg denn wohl mit den identischen Rechtsbeugungsvorwürfen anstellt, die allerdings „nur“ die Verteidigung vorlegte, hat den Ernst der Lage wohl immer noch nicht begriffen.

Update (20.6.2013)

Die Juristin Elke Elizabeth Rampfl-Platte hat sich näher mit dem von Prof. Kröber organisierten Seminar befaßt:

Mollath – Die Stunde der Gutachter

[…]

Das dreitägige Seminar   entspricht – so die Ankündigung – den Qualifikationsrichtlinien DGPPN für „Forensische Psychiatrie“. Es ist als forensisch-psychiatrischer Baustein auch verwertbar für die Ausbildung in Rechtspsychologie incl. Leistungskontrolle. Die Landesärztekammer Brandenburg hat dieVeranstaltung stets für das Fortbildungszertifikat anerkannt (24 Punkte, Kategorie C, Nr. #)

Die folgenden (nicht abschliessenden) Fragen müssen erlaubt sein und sind zu stellen:

  • welche Ausbildungsinhalte von Sachverständigen wie diesen vermittelt werden, die in bekannter Weise im Fall Gustl Mollath involviert sind und nicht einmal Grundrechten der persönlichen Anhörung eines zu begutachtenden Betroffenen Bedeutung beimessen.
  • welche Ausbildungsqualität Fortbildungsmassnahmen der LÄK Brandenburg benötigen oder nicht, die mit Fortbildungspunkten per se und in der genannten Zahl belohnt werden
  • welche Auffassung die LÄK Brandenburg damit zu erkennen gibt, welcher Sorgfaltspflicht Gutachter nach Vorschriften ihres Berufsrechts wie auch der übrigen gesetzlichen Vorschriften an den Tag legen oder getrost über Bord werfen dürfen, ohne dass deren Vorträge und Seminare als rechtlich, berufsrechtlich und mindestens berufsethisch in Disharmonie zu derzeit laufenden Verfahren eines Falles wie Gustl Mollaths stehen; In denen derzeit Wiederaufnahmeantrag und Verfassungsbeschwerde noch zur Entscheidung anstehen und der Untersuchungsausschuss eines Landtages auch die Gutachten und deren Verwendung behandelt.
  • Kann es wünschens- oder billigens- und mit Fortbildungspunkten belohnenswert sein, dass Gutachter mit einem hinreichend bekannt gewordenem Grund(miss)verständnis der Art und Weise der Gutachtenserstellung bei derart schwerwiegenden Eingriffen in ein verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht der Freiheitsentziehung Fortbildung für andere Gutachter betreiben? Und diesen – ja, was vermitteln werden? Dieselbe Praxis, wie die von ihnen geübte?

Die Frage wäre auch zu stellen an den weiteren Referenten der Veranstaltung. Der referieren wird zum Thema: “Der Sachverständige im Strafverfahren – Auswahl, Kompetenz, Anforderungen” : Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Pfister.

Der BGH hatte die Revision von Gustl Mollath als unbegründet am 13.2.2007 verworfen und festgestellt, dass “die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat”.

http://jusatpublicum.wordpress.com/2013/06/20/mollath-die-stunde-der-gutachter/

Dem wäre nur noch mit Blick auf das zweite Referat:

Bad Girls: Zur narrativen Struktur in der Entwicklung einiger Fehlbeschuldigungen

Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber

Seminarteil vormittags 9.00

http://www.forensik-berlin.de/content/Fallseminar_2013.pdf

hinzuzufügen, daß mir unbekannt ist, daß Prof. Dr. Kröber auch eine Ausbildung zum Aussagepsychologen absolviert hat.  In seiner offiziellen Veröffentlichungsliste finden sich jedenfalls keine einschlägigen Schriften:

http://www.forensik-berlin.de/home.php?c=hkroeber

Update (22.6.2013)

Nun hat sich der deus ex machina überraschenderweise doch gezeigt. Am 20.6.2013, nach meinem Posting, hat Rechtsanwalt Gerhard Strate u.a. folgene neue Information gepostet:

Verfassungsbeschwerdeverfahren

Dieses Verfahren ist beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts seit Januar 2012 unter dem Aktenzeichen 2 BvR 371/12 anhängig. Berichterstatter ist der Richter am Bundesverfassungsgericht Müller. Hier gab es zunächst Unklarheiten über die formelle Gültigkeit der von Gustl Mollath dem Kollegen Rechtsanwalt Kleine-Cosack erteilten Vollmacht. Diese Unklarheiten dürften, nachdem Gustl Mollath in einem persönlichen Schreiben an das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, dass er Herrn Rechtsanwalt Kleine-Cosack mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des LG Bayreuth und des OLG Bamberg aus dem Jahre 2011 habe bevollmächtigen wollen, bereinigt sein. Der Kollege Kleine-Cosack arbeitet eng mit der Verteidigung zusammen und hat unter dem 15.5.2013 einen umfangreichen ergänzenden Schriftsatz eingereicht, in welchem die Verfahrensentwicklung der letzten anderthalb Jahre geschildert wird (einschließlich des Wiederaufnahmeverfahrens). Das ist zulässig, soweit durch eine Schilderung dieser neuen Tatsachen retrospektiv die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidungen (aus dem Jahre 2011) ergänt und erleichtert wird. Unzulässig ist es allein, durch nachträgliches Vorbringen der Verfassungsbeschwerde einen neuen Verfahrensgegenstand unterzuschieben. Ein Signal, wann die zuständige Kammer des Zweiten Senats sich mit der Beschwerde befassen wird, gibt es zur Zeit noch nicht. Angesichts der gewaltigen Arbeitslast der beiden Senate mag in Karlsruhe die Hoffnung bestehen, dass die bayerische Justiz die von ihr geschaffenen Probleme alsbad selbst lösen wird.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Erklaerung-zum-Stand-der-Verfahren-2013-06-20.pdf

Die klar verfassungswidrige Entscheidung der StVK Bayreuth, die am 12.6.2013 bekanntgegeben wurde, liegt mit Sicherheit ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht vor – es weiß also, daß das Bayreuther Landgericht,  gedeckt durch das OLG Bamberg, auch weiterhin verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht genügt. Das BverfG hat zeitnah – und wie! – nach Klärung der Vollmachtsfrage reagiert:

Justizskandal

Verfassungsgericht fordert Auskunft zum Fall Mollath

22.06.2013, 11:47 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht schaltet sich in den Fall Gustl Mollath ein. Das bayerische Justizministerium und die Bundesanwaltschaft sollen zur Psychatrie-Einweisung Mollaths Stellung beziehen, fordert das Gericht.

München Das Bundesverfassungsgericht hat das bayerische Justizministerium um Stellungnahme zur umstrittenen Psychiatrie-Einweisung des Gustl Mollath gebeten. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte am Samstag der Nachrichtenagentur dpa einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Auch die Bundesanwaltschaft wurde dem Bericht zufolge zur Stellungnahme aufgefordert. Die Behörden haben bis zum 23. Juli Zeit, sich zu äußern. Ein Anwalt hatte im Januar 2012 Verfassungsbeschwerde wegen mangelnder Verhältnismäßigkeit der Unterbringung Mollaths eingereicht und seine Beschwerde vor kurzem erweitert.

[…]

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/justizskandal-verfassungsgericht-fordert-auskunft-zum-fall-mollath/8391408.html

Und das Justizministerium hat sich gegenüber der Presse auch schon positioniert:

Verfassungsgericht will Auskunft zum Fall Gustl Mollath

Bayerns Justizministerium verspricht rasche Antwort

Der Fall des bayerischen Psychiatriepatienten Gustl Mollath interessiert nun auch das Bundesverfassungsgericht. Beim bayerischen Justizministerium sei aus Karlsruhe eine Bitte um Stellungnahme eingegangen, bestätigte ein Ministeriumssprecher in München einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Zuständig als Berichterstatter im Fall Mollath ist dem Bericht zufolge der Verfassungsrichter Peter Müller, der frühere Ministerpräsident des Saarlands.

„Wir werden die Frage unseres höchsten Gerichts schnell und umsichtig beantworten“, sagte der bayerische Ministeriumssprecher. Dabei werde besonders berücksichtigt, dass Mollath schon seit sieben Jahren in der Psychiatrie untergebracht sei – „eine sehr lange Zeit ohne Freiheit“. Die Anfrage gebe nun die Möglichkeit, „auf diesen Umstand einzugehen“.

http://www.123recht.net/article.asp?a=149380

Nun, man kann nur hoffen, daß das Ministerium spätestens jetzt beweist, daß seine Anordnung einer Wiederaufnahme des Mollath-Verfahrens auf der positiven Kenntnis beruhte, daß es sich um ein Rechtsbeugungsurteil  handelte, dem ein willfähriger Gutachter in bayerischen Diensten zugearbeitet hat. Daß es sich von dem unglaublich rechtsstaatswidrig agierenden GStA Nerlich endlich eindeutig distanziert. Man kann nur hoffen, daß es sich für die Nattern innerhalb der Justiz, die es an seiner Brust genährt hat, schämt.

Bei der letzten Verteidigung der „offensichtlich verfassungswidrigen“ Maßregelvollzugsentscheidungen der StVK Bayreuth und des OLG Bamberg kriegte das Ministerium jedenfalls eine Klatsche:

III.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Diese sei unbegründet. Das Oberlandesgericht habe angenommen, dass ein erneuter Mord begangen werden könne. Eine Aussetzung einer Maßregel dürfe nicht zu einem erneuten Kapitaldelikt führen. Sowohl die Anlasstat als auch die Therapiefortschritte, die Entlassungssituation und die drohenden Straftaten seien umfassend abgewogen worden. Eine nicht hinreichende Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechts der Beschwerdeführerin sei nicht ersichtlich. Da als Anlasstat ein Mord zugrunde liege, bestünden auch angesichts der Dauer des Maßregelvollzugs von 13 Jahren keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

Jetzt will es sich immerhin gegen das indolente LG Bayreuth positionieren, das ja just begründungslos nicht nur sieben, sondern gar acht Jahre  Zwangspsychiatrie angesichts widerlegter Gutachten und durch Wiederaufnahmeanträge  ins Nullum geführter geringfügiger Anlaßstraftaten für rechtmäßig hielt.

Tiefer als die StVK Bayreuth kann ein Gericht nicht sinken. Daß es das trotz der pressemäßigen Beobachtung tat, läßt tief blicken.

Selbst die „Sicherheitspolitikerin“ Merk muß sich von diesem Gericht distanzieren, das doch nur ihrer Beförderungspolitik entsprechend existiert. Was natürlich auch für das OLG Bamberg gilt, das zuverlässig begründungslos die begründungslos politisch korrekte „der-muß-drinbleiben“ Entscheidung der StVK Bayreuth hielt.

Das OLG Nürnberg hat es in der Hand, zu beweisen, daß es den Freiheitsanspruch des Bürgers ernstnimmt – oder ob es diese Entscheidung, weil sie in Bayern nicht mehr möglich ist, dem BVerfG überläßt,

Das LG Regensburg vertagt, wie erwartet, derweil. Vermutlich möchte es à la Nerlich die Rechtsbeugungsvorwürfe außen vor lassen – obwohl das Gericht, anders als GStA Nerlich, angeblich unabhängig ist. Nicht einmal den überfälligen Verbindungsentschluß kriegt es zustande.

Fall Mollath Landgericht Regensburg lässt sich noch Zeit

Das Landgericht Regensburg hat noch nicht über die Wiederaufnahmeanträge im Fall Gustl Mollath entschieden. „Es kann noch Wochen, aber keine Monate dauern“, sagte Pressesprecher Hans Piendl am Freitag (21.6.)

Stand: 21.06.2013

http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/mollath-landgericht-regensburg-wiederaufnahme-100.html

Dabei ist auch diese Öffentlichkeitsarbeit nichts als Augenwischerei: die Entscheidung über die WA-Anträge mag aufgeschoben werden – der Antrag über die Unterbrechung der Vollstreckung allerdings nicht. Hier geht es um den Freiheitsanspruch  eines durch klar ersichtlichen Fehlurteils (das in Wahrheit ein rechtbeugendes Urteil ist) seit sieben Jahren Untergebrachten.

Im Grunde läuft jetzt ein edler Wettstreit zwischen dem OLG Nürnberg, das am Montag entscheiden will, und dem BVerfG: welche Instanz befreit Gustl Mollath? Muß wirklich erst das Bundesverfassungsgericht eingreifen – was beweisen würde, daß die bayerische Justiz unter dieser Sicherheitspolitik-Ministerin mitsamt ihrer seit zehn Jahren betriebenen Beförderungspolitik  den Rechtsstaat in Bayern abgeschafft hat, mithilfe des VRiBGH am 1. Senat Armin Nack, der auch  noch die krausesten Beweiswürdigungen zulasten von Angeklagten begründungslos hielt?

Ich denke mal, daß das OLG Nürnberg, das sich bislang durch klare rechtsstaatliche Signale bewährt hat, sich seiner Verantwortung  bewußt ist.

Hier geht es weiter:

https://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/06/der-fall-mollath-das-endspiel/